1899 Hoffenheim – Eintracht Braunschweig 3:1
Bei einem spielfreudigen Hoffenheimer Team fehlen Eintracht Braunschweig in fast sämtlichen Belangen die Mittel, um der TSG ernsthaft Paroli bieten und den Abstieg noch verhindern zu können.
In diesem entscheidenden Spiel, das die Chance auf eine mögliche Relegation bot, wartete Torsten Lieberknecht mit einer überraschenden Umstellung bei seinen Braunschweigern auf. Zum ersten Mal seit dem Hinspiel durfte Sommerneuzugang Oehrl in der Startelf agieren und im niedersächsischen 4-4-2, leicht zurückhängend hinter Kumbela, stürmen. Dafür ging Nielsen auf den linken Flügel, rückte von dort allerdings einige Male ins Zentrum, während Bellarabi auf der anderen Seite gewohnt auf gefährliche Tiefensprints fokussiert war.
Bei den Hoffenheimern stellte sich vor dem Anpfiff die Frage, in welcher Anordnung sich die Mannen von Markus Gisdol formieren würden. Letztlich kam es nicht zu einer Raute, die durchaus hätte erwartet werden können, sondern zu einer 4-2-3-1-haften Positionierung mit Rudy als Zehner und Firmino als beweglichem Mittelstürmer, die allein durch die verschiedenen Charakteristika der nominellen Flügelspieler Volland und Salihovic ein wenig ins Rautenhafte tendierte.
Hoffenheims leichtfüßige Offensive
Letzter rückte immer wieder weit ins Zentrum und diente dort in den Hoffenheimer Kombinationen verschiedenen Kollegen als Ablagespieler. Gerade Volland profitierte davon und suchte die Interaktion mit Rudy, der ebenfalls recht unterstütztend unterwegs war, dafür leicht ausweichend agierte oder Bälle durch enge Situationen weiterfädelte. Gelegentlich band sich auch Firmino in diese Szenen ein, wobei der Brasilianer von seiner Mittelstürmerposition tendenziell eher nach links auswich. Dort bespielte er die von Salihovic freigelassenen Bereiche, konnte aber ebenso Kombinationen starten, bei denen dann beispielsweise Rudy als Ablagefläche half. Als zusätzliche, nachstoßende Option fügte sich außerdem noch immer wieder Strobl in die Hoffenheimer Offensivszenen ein. Dabei fand er einige Male genau die richtigen Momente, um den Angriffen noch eine überraschende Wendung geben zu können, und war mit seiner physischen Präsenz darüber hinaus im Gegenpressing effektiv.
Gegen diese bewegliche Offensivausrichtung der Gastgeber versuchten die Braunschweiger mit einer klareren und weniger variablen 4-4-2-Formation zu verteidigen als noch zuletzt. Zwar agierte das Tabellenschlusslicht diszipliniert und solide, zeigte aber nicht die diversen Umformungen und Verschiebungen in andere Ordnungen, die sie in den vergangenen Wochen besonders gemacht haben. Beim Versuch variabler Abstände innerhalb der Mittelfeldkette ließen sie wegen kleineren Abstimmungsproblemen das eine oder andere Loch und auch die gelegentlichen Rückstöße von Oehrl fanden nur selten wirkliche Effektivität.
So hatten die Hoffenheimer insgesamt leichtes Spiel, aus ihren Aufbauszenen heraus nach vorne zu kommen und sich in die tornahen Zonen durchzuspielen. Immer wieder gelang es ihnen, einzelne antreibende Akteure wie Volland in bestimmten Zonen freizubringen, so dass diese letztlich die Dynamik der Angriffe in Gang bringen konnten. Anschließend wussten sie sich geschmeidig und sehr balanciert über variabel hergestellte Pärchenbildung und immer wieder kleine, kurze, gut getimte Ablagen durch die Zwischenräume hindurch zu spielen.
Kleinere Einschränkungen der Überlegenheit
Zwar wurden viele Szenen sehr gut und kombinativ begonnen, dann allerdings nicht mehr so stark abgeschlossen, weil die TSG im Verlauf der Szenen an Optionen verlor und die letzte Braunschweiger Linie nicht immer knacken konnte. Es gab somit nicht total viele Durchbrüche, doch reichten diese Überlegenheit, die geschaffene Unruhe und die durch zumindest ordentliche, recht offenen Schusspositionen im Rückraum regelmäßig entstehenden Szenen für eine Halbzeitführung von 1:0. Im zweiten Durchgang intensivierten die Braunschweiger ihr Pressing anstatt sich im passiven 4-4-2 zurückzuziehen, dass ohne seine graduelle Flexibilität vor der Halbzeit zu instabil gewesen war. Über die auffächernde Viererkette und das fluidere, stärker untereinander rochierende Mittelfelf fand Hoffenheim gelegentlich den Weg aus diesem Druck der aufrückenden Braunschweiger heraus, musste aber dennoch vermehrt zu langen Bällen greifen.
So zeigte sich ihre Offensive nicht mehr ganz so leichtfüßig, wurde über Schnellangriffe gegen die individuell unterlegenen Braunschweiger aber immer mal wieder gefährlich – kaum eine Bundesliga-Mannschaft kann so zuverlässig durch spielerisch solide Aktionen aus verschiedensten Ausgangslagen Tore machen. Zusätzlich orientierte sich Firmino im zweiten Durchgang vermehrt zu Volland in den rechten Halbraum, was einige zusätzliche Kombinationsszenen der beiden Starspieler hervorbrachte, mit denen die Kraichgauer den vorgeschobenen Gegner ebenfalls attackieren konnten. Mit zwei Treffern innerhalb von nur knapp fünf Minuten schraubten die beiden offensiven Aushängeschilder der Mannschaft das Ergebnis dann auf ein zwischenzeitliches 3:0.
Harmlosigkeit trotz zweiter Bälle auf rechts
Es war ein wenig wie das gewohnte Lied – beim Spiel nach vorne taten sich die Braunschweiger wie so oft in dieser Saison auch in dieser Begegnung schwer. Entsprechend konnte sich die Mannschaft kaum Chancen erspielen und verbuchte nur zwei Schüsse auf den Kasten von Jens Grahl. Die vielversprechendsten Offensivrouten waren noch die gezielten langen Bälle auf die rechte Seite, wo sich die Niedersachsen zusammenzogen, um dort Abpraller im Gegenpressing zu erobern. Sowohl Keeper Davari als auch Außenverteidiger Kessel schlugen immer wieder solche Zuspiele nach vorne. Dort wich Kumbela etwas nach außen aus, um Bellarabi – der mit seiner Geschwindigkeit bei solchen Bällen hinter die Abwehr zu kommen versuchte – gegen Beck zu unterstützen. Auch Nielsen bewegte sich einige Male von der anderen Seite herüber, während Boland in der Ebene dahinter lauerte.
Erstgenannter kam darüber hinaus vereinzelt im Zentrum frei, wenn der körperlich starke Oehrl mit ausweichenden Bewegungen Raum öffnete. Darüber hinaus wusste der lange verletzte Neuzugang allerdings nicht zu überzeugen und konnte die zentral-offensiven Bereiche kaum direkt beleben. Im zweiten Durchgang versuchten die Braunschweiger, über den nach links gewechselten Boland und den dorthin fallenden Nielsen ihre Angriffe diagonal an die letzte Linie zu tragen, wo sie einige Male über Offensivpräsenz ansatzweise Gefahr ausströmten. Bis zum Anschlusstreffer in der 88. Minute – in Folge eines langen Schlages von Davari, der hinter die Hoffenheimer Abwehr verlängert wurde – hatten sie nach dem Seitenwechsel aber keinen einzigen Abschlussversuch.
Fazit
Aus diesem Blickwinkel muss man sagen, dass die Niederlage ebenso wie der dadurch besiegelte Abstieg aufgrund der zu gravierenden Harmlosigkeit des Teams in Ordnung gehen. Dennoch verdienen die Mannen von Torsten Lieberknecht ein großes Lob für ihre über weite Strecken der Saison starken Auftritte in taktischer und insbesondere defensivtaktischer Hinsicht. Ihre variablen Pressingkonzepte ließen viele Gegner verzweifeln und machten die Eintracht zu einem der kollektiv stärkeren Teams der Liga, das seine individuelle Unterlegenheit dadurch teilweise zu kaschieren wusste – auch wenn sie es in dieser Partie nicht mehr unter Beweis stellen konnten. Alles in allem waren letztlich die fehlenden Offensivmittel (in der Aufstiegssaison agierten sie hier noch recht besonders) des direkt wieder ins Unterhaus zurückkehrenden Aufsteigers seine große Schwäche.
13 Kommentare Alle anzeigen
Ewiges_talent7 12. Mai 2014 um 11:43
Lieberknecht war zu sehr darauf aus, den Aufstiegshelden (2011/2013) die Möglichkeit zu gewähren, Bundesliga zu spielen. Obwohl es offensichtlich war, dass es bei manchen überhaupt nicht reicht, wurde nicht einmal versucht, die individuelle Qualität zu erhöhen.
Davari war z.B. letzte Saison schon ein unterdurchschnittlicher Torwart der 2.Liga.
Abgesehen von Bicakcic (und da berücksichtige ich nicht einmal sein verbesserungswürdiges Aufbauspiel) sehe ich keinen Spieler, der sich nächste Saison in Liga 1 beweisen darf.
karl-ton 12. Mai 2014 um 14:26
Ob Lieberknecht darauf aus war kann ich nicht so richtig sagen. Was ich sagen kann ist, dass ich schon vor der abgelaufenen Saison ein Interview mit einem Braunschweiger Manager gelesen habe. In dem sagte er, dass Braunschweig einen Plan hatte und der Aufstieg in die erste Liga eigentlich zu früh kam. Dementsprechend wollte oder konnte man kein Geld ausgeben um die Klasse zu halten, sondern es so versuchen und die Mehreinnahmen als Bonus betrachten.
Zum Selberlesen: http://www.spox.com/de/sport/fussball/bundesliga/1308/Artikel/interview-marc-arnold-manager-eintracht-braunschweig-sparkurs-schwabe-suedafrika-torsten-lieberknecht.html
Lieberknecht ist ja auch noch Trainer bei Braunschweig. Die mögen den zwar gerne, aber der würde auch entlassen werden, wenn er nicht das erreicht, was man für möglich hält in der Saison.
Philo 12. Mai 2014 um 14:32
Ich finde die Vorgehensweise von Braunschweig gerade richtig. Die finanziellen Mittel dieses Vereins sind nun mal sehr limitiert. Sollte man denn da den Kader runderneuern, nur um auf Gedeih und Verderb in der Bundesliag zu bleiben? Da hätte man das Problem, dass sich der Kader erst finden müsste – die Hinrunde wäre kaum besser ausgefallen. Braunschweig wäre immer noch der Abstiegskandidat Nr. 1 gewesen. Und wenn man dann absteigt, muss man wieder von vorne anfangen, hat dafür aber große finanzielle Probleme. So, wie es jetzt ist, wird der Kader wohl nicht auseinanderfallen und kann sich weiterentwickeln – mit guten Chancen auf den sofortigen Wiederaufstieg.
Mal sehen, wie Paderborn das jetzt handhabt – die sind ja noch kleiner. Aber dank Fernsehgelder steigt der Etat jetzt von 6 auf 16-18 Millionen – beinahe eine Verdreifachung. Da könnte ich mir schon größere Umbrüche vorstellen.
Benni 11. Mai 2014 um 20:57
Ich finde es sportlich überhaupt nicht schade um Braunschweig, die hatten in der Bundesliga einfach nichts zu suchen. Das die Sportschau und sky ab und zu die Tribüne einblenden konnten, wenn es auf dem Rasen komplett unerträglich war, hatte einen romantischen Touch, aber mehr auch nicht.
Finde es auch schade, dass eine solch schwache Mannschaft überhaupt aufsteigen kann, das zeugt nicht gerade von Qualität in der zweiten Bundesliga. Jetzt ist schon wieder Fürth in der Relegation, als die das letzte Mal da waren, hat es über 20 Spieltage gebraucht, bis sie nicht mehr mit Tasmania verglichen wurden. Sowas will doch keiner sehen…
blub 12. Mai 2014 um 00:12
Die zweite Liga hat Baunschweig mit dem guten Pressing phasenweise durchaus dominiert. De sind schon zurecht aufgestiegen.
Zum anderen: Es hat imo garnicht soo viel qulität gefehlt. Boland, Reichel, Bicacik, Kumbela, Theuerkauf(Rückrunde: Nielsen) haben schon Bundesliga qulität. Nur danach wirds etwas teilweise etwas dünn. Ich danke man war nur 3 gute Spieler von ner sehr Ordentlichen Bundesligamannschaft entfernt. Die mechanismen wären da gewesen.
Problem 1: Um BuLi-Mannschaften zu pressen muss man deutlich weitere Wege gehen und das spiel deutlich dichter machen.
–> Man ist von agressiverem Pressing zu mehr Passiven Verdichten mit mehr spielern übergegangen. –> weniger möglichkeit den Gegner ein riskantes Spiel aufzuzwingen–>weniger gute ballgewinne und weniger Spieler im Umschaltmoment in hohen Feldbereichen.
Ich seh da nen deutlichen unterschied zum langweiligen das-Tor-vernageln das Fürth letztes Jahr gemacht hat.
Problem 2: Einige Spieler mit mehr Fähigkeiten bei eigenem Ballbesitz sind zu langsam für den eigenen Erstliga-aufwand. z.B.Kruppke, Dogan und besonders Vrancic(der tut ganz doll weh).
Zusammen mit dem Teilwegfall der eigenen Konterbemühungen war da ein großes Problem bei der eigenen Torgefahr. Das machte das Spiel teilweise echt unattraktiv.
HW 12. Mai 2014 um 10:03
Also, einerseits fehlen ’nur‘ 3 gute Spieler für eine sehr ordentliche Bundesligamannschaft. Andererseits fehlt wesentliches um in der Liga zu bestehen?
Auch wenn Clubs wie Werder, Stuttgart usw. sich nicht besonders präsentiert haben, ist da noch ein gewisser Abstand zu Braunschweig. Wenn man natürlich am Optimum gespielt hätte… Aber das kann man ja jedem unterstellen.
Die Relegation zeigt es oft. Obwohl der Bundesligist aus einer negativen Saison kommt und nie reagieren konnte, ist er oft im Vorteil gegenüber dem Zweitligisten.
Ich will aber nicht behaupten, dass es für den HSV ein Selbstläufer wird.
HW 12. Mai 2014 um 10:05
Mein Gott. Ich wollte schreiben, dass der Bundesligist in der Liga nie dominieren konnte.
Koom 12. Mai 2014 um 10:41
Es ist Montag, du bist entschuldigt. 😉
Und ja, sehe es genauso: In den 2 Relegationsspielen spielt die individuelle Klasse eine wesentlich größere Rolle als das Kollektiv. Und gerade Hamburg ist ziemlich überragend besetzt. Ich denke, die Relegation ist nach dem Hinspiel schon durch. Und das ist scheiße.
HW 12. Mai 2014 um 16:27
Ich bin mir bzgl. der Relegation in diesem Jahr nicht so sicher. Die Spieler des HSV liefern auch gerne den individuellen Bock. Außerdem habe ich die Spielvereinigung in dieser Saison nicht beobachtet. Wenn der Erstligist so desolat wie der HSV auftritt, dann kann ein gutes, individuell schwächeres Kollektiv auch gewinnen.
blub 12. Mai 2014 um 13:18
Ich denke man kann mit ein paar leicht unterdurchschnittlichen spielern spielen, wenn man auch welche hat die klar besser sind als der Schnitt.
Das lief alles ganz gut solange keiner nen Fehler macht, es war die qulität nicht da das jemand diese wieder ausbügeln konnte ohne das man konzeptionell absichert. Das kostete Torgefahr. Wegen der eigenen geringen Torgefahr kann man sich auch nur selten ein offenes Spiel erlauben wie z.B. Hoffenheim.
Natürlich hat für DIESE formation und DIESE spielweies schon einiges gefehlt zum sicheren Nichtabstieg, aber ich gehe ja davon aus das man mit ein paar anderen Spieler einen anderen, agressiveren und aktiveren Stil spielen kann.
HW 12. Mai 2014 um 16:37
Wenn ich Taktik und Spieler wechseln kann könnte, dann kann ich mir alles vorstellen.
Schade ist eigentlich, dass Braunschweig, und jetzt Paderborn, auf die Rolle des Spaßvereins mit den tollen Fans und der tollen Stimmung reduziert werden. Mainz ist aus dem Image des Karnevalvereins durch viel Arbeit herausgewachsen. Aber wir (und damit meine ich auch die Medien) müssen diese Vereine auch sportlich ernst nehmen.
Mal sehen was die Relegation bringt und wie sich die Aufsteiger in der nächsten Saison machen.
Koom 12. Mai 2014 um 09:41
Jaein.
Individuell fehlte zur Bundesliga einfach sehr viel, das ist offensichtlich. Taktisch machte man sehr viel interessantes, dadurch stieg man ja auch auf. Aber die Lücke in der individuellen Klasse war zu groß.
Braunschweig machte im Gegensatz zu Düsseldorf aber sehr vieles richtig. In Ruhe weitergearbeitet, stets in dem Bewusstsein, dass man dieses Jahr einfach mitnehmen muss und als Basis für die nächsten Jahre verwenden kann. Finanziell ist man saniert und macht einen guten Sprung, nun gilt es, die Arbeit fortzusetzen, den Kader stetig weiter zu verbessern – dann ist Braunschweig in absehbarer Zeit wieder in der Bundesliga und besser darauf vorbereitet, was das Spielermaterial angeht.
DM33 11. Mai 2014 um 13:50
Schade um Braunschweig. Die ganze Saison eine super Mannschaftsleistung, fantastische Fans. Am Ende braucht man für die Bundesliga dann doch Spieler mit höherer Qualität…