1. FC Köln – Union Berlin 4:0

Das Topspiel der 2. Bundesliga entwickelte sich zu einer eindeutigen Angelegenheit. Der 1. FC Köln konnte durch schnelles Umschaltspiel die Defensive von Union Berlin vermehrt überraschen. Den Berlinern mangelte es an Zugriff und Ideen bei eigenem Ballbesitz.

Grundformation

Peter Stöger nahm im Vergleich zur Vorwoche Anthony Ujah aus der Startelf und änderte deshalb auch seine Grundformation. Patrick Helmes fungierte nominell als alleinige Spitze. Dafür agierte in seinem Schatten ein dreiköpfiges Offensivspielerrudel, das ständig rotierte und selten eine Mustererkennung zuließ. Zudem bot Stöger eine Doppelsechs auf und nahm Yannick Gerhardt als Nebenmann von Matthias Lehmann in die Anfangsformation, was sich in der Ballverteilung bemerkbar machte.

Grundformation

Grundformation

Gegenteilig in Sachen Grundformation verhielt sich Stögers Pendant Uwe Neuhaus. Da Spielanker Torsten Mattuschka aufgrund einer Gelbsperre ausfiel, musste sich der 53-jährige Cheftrainer eine Änderung einfallen lassen. Anstatt Mattuschka nur positionstechnisch zu ersetzen, nahm er mit Adam Nemec einen bulligen Angreifer in die Startaufstellung, der augenscheinlich als Zielspieler für längere Vertikalbälle fungieren und diese gegebenenfalls auf den vordersten Spieler, Simon Terrode, oder einen einrückenden Offensivspieler weiterleiten sollte.

Berliner ohne Ideen

Zahlreiche Ballstafetten und hohe Ballbesitzanteile auf Seiten der Berliner prägten die Anfangsphase. Allerdings drang Union nur in seltenen Fällen ins letzte Drittel vor. Vielmehr zirkulierte der Ball häufig zwischen den beiden Innenverteidigern und Damir Kreilach, der zwischen beide abkippte. Die Kugel wurde nach links oder rechts zu einem Außenverteidiger gespielt und ging postwendend wieder zurück. Immer wieder konnte man dieses Muster erkennen. Dass es wenige Vertikalbälle gab, die einen Abnehmer fanden, lag nicht nur an der Einfallslosigkeit von Union. Köln konzentrierte sich zunächst darauf, sehr kompakt zu stehen und die Spieler der Ketten bewachten sehr aufmerksam die Passzonen. Es schien so, als wollten die Kölner die gespielten Bälle immer tiefer in der eigenen Hälfte abfangen. Nach rund zehn Minuten ging der Tabellenführer aber dazu über, höher zu pressen. Helmes und Halfar liefen aggressiv die spielaufbauenden Berliner an und konnten dabei deren eingeschränkte Pressingresistenz ausnutzen.

Kölner mit Ideen

Die Hausherren versuchten über kurze, schnelle Ballbesitzphasen die Linien zu überbrücken und auf diese Weise Torchancen zu initiieren. Dabei kamen ihnen die pass- und umschaltstarken Gerhardt und Lehmann auf der Doppelsechs zugute, wie man bei beiden Toren in der ersten Halbzeit erkennen konnte. Beim ersten Treffer stand die letzte Reihe von Union nicht konstant. Puncec rückte als rechter Innenverteidiger leicht nach vorn. Risse startete von außen diagonal in den Raum. Bei Berlin funktionierte die Mannorientierung nicht und Lehmann, der selbst im Halbraum nicht richtig attackiert wurde, konnte hinter Puncec lupfen.

Insgesamt hatte Union Probleme damit, dass sich die Hausherren gut in den Zwischenlinienräumen aufhielten und die Gäste darauf situativ nur äußerst schwach reagierten. Hinzu kam die Variabilität der nominellen Flügelspieler. Gerade bei Peszko war sehr auffällig, dass er immer wieder in die Mitte zog oder sogar für Überladungen auf die rechte Seite ging. Bei diesen Diagonalläufen entzog er sich der Deckung von Pfertzel und wusste zugleich Konfusion im Berliner Zentrum zu stiften. Einige Male war man sich bei Union nicht einig, wer wen anlaufen beziehungsweise abdecken sollte. Köln konnte damit zwangsläufig Situationen im letzten Drittel schaffen, wo ein Spieler Freifläche vor sich hatte und Zeit zum Agieren bekam.

Diese Facetten wurden durch starke Umschaltaktionen in die Vertikale ergänzt. Ein Musterbeispiel war der zweite Treffer durch Risse. Köhler und Özbek verloren am Kölner Strafraum den Ball, der weitergeleitet wurde auf Yannick Gerhardt. Dieser überbrückte mit einem Diagonalball viel Rasen und brachte den Ball genau zwischen zwei Berliner durch. Risse konnte den Pass verarbeiten und mit einem Fernschuss das Tor erzielen. Innerhalb weniger Augenblicke hatte Köln den Ball hinter die gegnerischen Linien gebracht.

Neuhaus stellt um – Der Gastgeber entscheidet die Partie

Zum Ende der ersten Halbzeit wies Union immer noch einen Ballbesitzanteil von knapp 60% auf. Doch fehlten weiterhin die Ideen, wie man sich aus der eigenen Hälfte sinnvoll und gewinnbringend befreien konnte. Das Fehlen von Mattuschka als ballsicherer Anker im Mittelfeld war nicht zu retuschieren. Die Mischlösung von Neuhaus mit einrückenden Flügelspielern und dem Zurückfallen von Nemec ging nicht auf. Häufiger zog Köhler in die Mitte und es entwickelte sich eine asymmetrische Formation bei den Berlinern. Allerdings wurde auch Köhler durch die aggressive Doppelsechs unter Druck gesetzt und konnte diesem Pressing nicht standhalten. Zudem kam Nemec mit seiner Rolle nicht klar. Häufig stand er zu hoch oder ließ sich weit fallen und war dabei aber nicht in der Lage den Ball zu behaupten.

Da die Hereinnahme von Nemec weitestgehend wirkungslos blieb und es Union weiterhin an Ballsicherheit in den gefährlicheren Zonen mangelte, nahm Neuhaus den Slowaken nach 55 Minuten vom Platz und brachte Linksverteidiger Kohlmann, wodurch Parensen auf die Sechs ging und Özbek den zentralen Part im offensiven Mittelfeld übernahm. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt die Partie schon entschieden, nachdem Gerhardt einen Freistoß von Helmes per Kopfball einnetzte. Wenig später nutzten die Gastgeber ein weiteres Mal die Passivität und den fehlenden Zugriff der Union-Defensive zum 4:0. Im Anschluss setzten beide Mannschaften das Spiel weitestgehend im Energiesparmodus fort.

Fazit

Union lief genau in Kölns Falle. Die Eisernen beschäftigten sich viel mit dem Ball ohne dabei Raumgewinn zu erzielen. Viele erste Vertikalpässe wurden von den Kölner Linien abgefangen und damit zogen die Gastgeber ihrem Gegner den Zahn. Außerdem fehlte bei den Berlinern ganz essentiell Torsten Mattuschka. Ohne ihn kristallisierte sich beim Tabellenzweiten keine Anspielstation heraus, die die Situation in den gefährlicheren Zonen lesen und die Offensivkräfte mit präzisen Pässen bedienen konnte. Neuhaus setzte in diesem Fall auf eine Art Gemeinschaftslösung. Da Nemec viel höher stand als es Mattuschka normalerweise tut, rückten Brandy und Köhler ständig ein, fokussierten so auf das Zentrum, wo aber die Köln aufgrund ihrer Aggressivität und Zweikampfstärke die Oberhand hatten. Anstatt mehr in die Breite zu investieren wollte Union kollektiv für offensive Kreativität sorgen, was aber überhaupt nicht gelang. Beim Schlusspfiff standen lediglich einige Halbchancen zu Buche.

In dieser Form ist der 1. FC Köln der heißeste Anwärter auf den Aufstieg in die 1. Bundesliga. Die Mannschaft von Peter Stöger spielte einerseits sehr diszipliniert und verzichtete gekonnt im eigenen Stadion auf große Ballbesitzanteile. Vielmehr wussten sie um ihre Stärken im Pressing und Gegenpressing. Das Umschaltspiel und die Bewegungen der Offensivkräfte zwischen den Linien sahen zuweilen schon erstligareif aus, wenngleich Union an diesem Abend keinen Gegner darstellte, der das Kölner Spiel unterbinden konnte. Lobend muss zudem der 19-jährige Gerhardt hervorgehoben werden, der gut als Verbindungsspieler agierte und gleichzeitig Lehmann mehr Möglichkeiten gab, aus der Tiefe herauszuspielen. Er entlastete seinen Nebenmann auf der Doppelsechs und zeigte sich stark im Passspiel und im Lesen der jeweiligen Spielsituationen.

tf 8. November 2013 um 10:20

sehr gute Analyse eines interessanten Spiels. Köln hat natürlich sehr hohe individuelle Qualität, aber an der Spitze der Liga stehen sie meiner Ansicht nach, weil Stöger seine Mannen zur taktisch reifsten Mannschaft der 2. Liga geformt hat. Dafür gebührt dem Trainer großes Lob.

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Max 5. November 2013 um 21:02

Union war bislang eine der wenigen Mannschaften, die gegen Köln versuchten das Spiel zu machen. Das ging gestern gründlich in die Hose.
1860 und andere Teams setzten eher auf eine Mauertaktik, gegen die sich Stögers Truppe deutlich schwerer tat. Es wird interessant zu sehen sein, wie sich der 1. FC Köln in dieser Hinsicht weiter entwickelt.

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TW 5. November 2013 um 18:03

Oha, da stellt Union schon von einem auf zwei Secher um und trotzdem wird der Raum vor der Abwehr von Kölns fluiden Außen geflutet. Ich habe echt Sorge um meinen VfL. Die defensiven Halbräume und die Sicherung des Raums vor der Abwehr sind doch ziemliche Baustellen. Auch das phasenweise hohe Pressing wird Maltritz und Co nicht schmecken. Wenn Köln jetzt noch Bochum zu Hause das Spiel aufzwingt und bei Fehlpässen kontert, kann man sich auf einen Kantersieg einstellen.

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TW 8. November 2013 um 01:34

Hier die Analyse zu den Stärken und Schwächen der Bochumer:
http://blauweissetaktikecke.blogspot.de … hafts.html.

Ich hoffe ich schaffe es, eine Analyse zum morgigen Spiel zu machen.

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TW 10. November 2013 um 20:22

Unglaublich… Wunder gibt es immer wieder! Hier eine Analyse zum Spiel:
http://blauweissetaktikecke.blogspot.de/2013/11/vfl-bochum-1-fc-koln-10.html

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Max 12. November 2013 um 17:44

Tja, genau das meinte ich bereits in meinem letzten Kommentar. Die Kölner müssen noch besser gegen tiefstehende Gegner werden. Dabei sprang schon zu oft zu wenig heraus, trotz einer nominell sehr starken Offensive. Und hinten kann man immer auch mal einen fangen, selbst mit der stärksten Defensive der Liga.

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geco87 5. November 2013 um 17:14

Dass die offensiven Außen einige Male die Seiten tauschen, ist mir diese Saison schon des Öfteren aufgefallen. Ansonsten erinnert mich das Kölner Spiel in der Offensive manchmal an das von Gladbach vor einigen Jahren mit Hanke, Reus, Hermann und Arango. Schnelles Umschalten, hohe Fluidität – Risse z.B. macht das 1:0 ja in Manier eines Mittelstürmers. Im Pressing scheint man je nach Spielsituation mal in der Grundformation 4-4-2 zu bleiben oder aber ins 4-3-3 zu wechseln. Auch fällt auf, dass ein Sechser meist versetzt nach vorne agiert, was natürlich potenziell die Mitte öffnet, aber sich bisher bezahlt machte, so dass eine 4-1-3-2 oder 4-1-2-3 Stellung entstand.

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Buchling 5. November 2013 um 15:39

„Gerade bei Peszko war sehr auffällig, dass er immer wieder in die Mitte zog oder sogar für Überladungen auf die rechte Seite ging.“

Da ich gestern im Stadion war, möchte ich eine kleine Korrektur anbringen: Peszko und Risse haben nach ca. 10 Minuten grundsätzlich die Seiten getauscht. Peszko ging nicht nur zum Überladen nach rechts. Das habe ich anders gesehen. Eher war es so, dass Peszko ab und an von rechts zentral einrückte – und dann Helmes nach rechts rochierte. Ab und an ging Helmes zum Platzschaffen nach rechts, da Union Peszko und Helmes mannorientiert verfolgten und so Platz für Risse entstand. Ansonsten aber wie immer ein bemerkenswert guter Artikel, der mit meinen Stadioneindrücken weitestgehend übereinstimmt.

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CE 5. November 2013 um 16:43

Vielen Dank für das Lob und die Anmerkung. Du liegst mit deiner Einschätzung auf alle Fälle richtig. Es sollte in erster Linie auch der Überraschungseffekt unterstrichen werden. Einige Male ging Peszko sehr rasch zentral oder auf die rechte Seite. Man müsste eigentlich jede einzelne Szene nochmals konkret hernehmen. Für mich war es eine Mischung aus überraschendem Flügelwechsel und durchstrukturiertem Positionsaustausch. Im Endeffekt hast du recht, es war darauf ausgelegt, die Kette von Union auseinander zu ziehen und Räume zu schaffen.

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