Werder Bremen – Hamburger SV 2:0
Das Nordderby war der Höhepunkt der Samstagnachmittagsspiele des zweiten Spieltags.
Im Saisoneröffnungsspiel gegen Meister Dortmund hatte es nicht ganz für einen Punktgewinn gereicht, diesmal wollten die Werderaner die bereits gezeigten guten Ansätze ihres interessanten neuen Systems noch einmal verbessern und damit die ersten Zähler der Spielzeit einfahren – drei Stück zuhause gegen den Rivalen aus Hamburg.
Noch ohne Rafael van der Vaart, aber bereits mit Milan Badelj und Petr Jiracek reiste der Bundesliga-Dino zu diesem wichtigen Spiel, wollte sich nach der Heimniederlage gegen Nürnberg zum Auftakt erneuert zeigen und damit natürlich all jenen Kritikern trotzen, die den so viele Schlagzeilen schreibenden HSV bereits in der zweiten Liga sehen.
Trotz einer über weite Strecken durchaus ansprechenden Leistung gelang der Mannschaft von Trainer Thorsten Fink dieses Vorhaben nicht. Am Ende waren es Ineffektivität in der Offensive sowie erneute Probleme in der Verteidigung, die für die nächste Niederlage verantwortlich zeichneten.
Aufstellungen, Grundformationen und Spielcharakter
Die Hausherren wählten wie schon gegen die Dortmunder ein 4-1-4-1, das diesmal allerdings eine echte Sturmspitze enthielt – Nils Petersen. Für ihn musste Ignjovski auf die Bank, was bedeutete, dass Fritz auf die Linksverteidigerposition wechselte und de Bruyne vom Angriff in ein Mittelfeld mit Junuzovic und Hunt zurückrutschte. Damit setzte Werder auf ein sehr spielstarkes und fluides, wenn auch etwas defensivschwaches Zentrum, das von den erneut breiten Außenseiten ergänzt wurde. Einen wirklichen Sechser gab es nicht, der nominell dort spielende Junuzovic war ebenso immer wieder auf dem ganzen Feld unterwegs.
Auf der Gegenseite entschied sich Thorsten Fink für eine 4-2-3-1-Grundformation, in der Westermann als Innenverteidiger auflief und damit Bruma auf die rechte Seite verdrängte. Als Doppelsechs vor der Viererkette spielten die beiden Neuzugänge Badelj und Jiracek, wobei der Kroate den etwas tieferen und spielgestalterischen Part übernahm, während der ehemalige Wolfsburger aggressiver ausgerichtet war. Durch Bremens Rechtsfokus sowie die ineffektive linke Seite mit Aogo und Jansen bewegte sich Jiracek immer wieder nach links und rieb sich dort bisweilen enorm auf, verlor dadurch aber seine Bindung mit dem ohnehin neuen Partner Badelj. In der Offensive wurde Hamburgs Team durch den arbeitsamen, aber kaum durchschlagenden Rudnevs im Sturm sowie Ilicevic und Son dahinter ergänzt. Nominell war Ilicevic der bewegliche Zehner und Son auf der rechten Seite aktiv, doch der Koreaner rückte einige Male ins Zentrum ein und zeigte sporadische gelungene Rochaden mit seinem Offensivkollegen.
Es war ein Spiel, in dem beide Mannschaften eher tief aufbauten, von ihrem Gegner dabei aber durchaus früh unter Druck gesetzt wurden. Somit entstanden im Mittelfeld einige freie Räume sowie Ballverluste und lange Bälle im Spielaufbau auf beiden Seiten. Aufgrund des nicht immer kollektiven Pressings, welches ebenso einige Lücken entstehen ließ, verstärkten sich die Räume auf dem gestreckten Spielfeld und es gab auch viele Chancen für spielerische Schnellangriffe. Insgesamt kam es also zu einem sehr temporeichen Spiel, in dem für beide Mannschaften Raum vorhanden war, dem es allerdings mitunter an Präzision mangelte.
Aufbauspiel Hamburg
Zwar spielten die Hamburger die Mehrzahl ihrer Angriffe über die Flügel, wo sie durchzubrechen versuchten, doch die meisten Räume boten sich im Zentrum, was an den Bremern lag, die ohne echten Sechser die Räume vor der Abwehr nicht optimal abdecken konnten. Durch ihr phasenweise frühes Zustellen der Hamburger wurde dieser Effekt noch verstärkt.
Weil die Bremer teilweise mit ihren aufrückenden Achtern eine zentrale Dreiersturmreihe zwischen Arnautovic und Elia aufstellten, mussten die Hamburger oftmals bereits im tiefen Aufbau mit nicht ungefährlichen Pässen in freie Räume hinein spielen – oder den langen Ball suchen, wenn sie sich dies nicht zutrauten. Die Vielzahl der langen Pässe in diesem Spiel trug zusammen mit den gestreckten Formationen beider Teams als weiterer Faktor dazu bei, dass es ein schnelles sowie hin und her wogendes Spiel zu sehen gab.
Doch zurück zum Aufbauspiel der Hamburger, wenn diese nicht auf den langen Ball als Notoption zurückgriffen: Aufgrund der aggressiven und teilweise riskant verteidigenden Bremer wurde auch der eigene Aufbau riskant. So kam es zu vielen Szenen, in denen das Aufbauspiel nicht gelang und stattdessen in frühen Ballverlusten mündete, die zu einigen gefährlichen Aktionen für Grün-Weiß führten. Andererseits entstanden meistens auch sehr gute Chancen, sobald Hamburg die aufrückenden Bremer umspielt hatte, da man den Raum im Rücken des Mittelfelds attackieren konnte.
Das große Problem der Hamburger war dabei allerdings erneut ihre Ineffektivität, vorhandene Räume mit zielstrebigen Angriffen auszunutzen und aus diesen heraus gute Torchancen vorzubereiten. Dies passierte ihnen nicht zum ersten Mal – ebenso, wie ihnen nicht zum ersten Mal komplett die Durchschlagskraft abging.
Dass die Hamburger so große Probleme haben, Freiraum-Situationen effektiv auszuspielen, hängt mit mehreren Faktoren zusammen. Wie beispielsweise schon bei der Pokalniederlage in Karlsruhe zu erkennen, überlassen sie das Spielen aus den kollektiv erspielten Räumen hinaus meistens zu sehr einzelnen Akteuren. Sobald ein gegnerischer Spieler aus der Abwehr herausrückt, muss daher entweder der Abschluss, das riskante Dribbling oder der finale Pass kommen. Einen Zwischenschritt, mit dem man einen Gegenspieler durch Zusammenspiel noch einmal ausspielen könnte, gibt es zu selten.
Dass manche Offensivspieler in solchen Situationen zudem die falschen Entscheidungen treffen, so wie beispielsweise Beister oftmals zu verfrüht den Schuss sucht, kommt erschwerend hinzu. In dieser Partie waren auch die einzelnen Spieler wenig effektiv. In der Spitze mühte sich Rudnevs zwar nach Kräften, doch brachte er dabei im entscheidenden Moment nichts zustande. Auch Jansen konnte links offensiv nicht wirklich überzeugen – seine Laufwege waren sinnbildlich dafür, dass ihm komplett die Durchschlagskraft abging.
Es war also nicht das erste Mal, dass die Hamburger die vom Gegner im Zentrum und diesmal auch – wie es den schematisch breiten Bremern schon gegen den BVB passiert war – in den Halbräumen gelassenen Freiräume viel zu inkonsequent nutzten. Vor diesem Hintergrund wird es verständlich, warum Thomas Schaaf das Risiko seiner Mittelfeld-Aufstellung eingehen konnte – die normalerweise wichtigen Räume, die man dem Gegner diesmal zwangsweise anbieten musste, waren genau jene, die der HSV überhaupt nicht konsequent ausnutzen konnte. Es war daher eine sinnvolle Maßnahme vom Trainer der Grün-Weißen.
Aufbauspiel Bremen
Das Bremer Aufbauspiel war schematisch durch die vier eher breiten Außenspieler recht gestreckt und aufgefächert, allerdings lag das Kernstück ihres Spiels dennoch im Zentrum, wo die drei sehr variablen und spielstarken Mittelfeldspieler für Überzahlbildungen und schöne Spielzüge sorgen sollten. Dafür eröffneten die breiten Außenspieler ihnen den Raum.
Ähnlich hatte man gegen die Dortmunder angegriffen und sogar deren starkes Pressing ein ums andere Mal ausspielen können. Um selbst nicht ebenso ausgespielt und durch die fluiden Kreativspieler überladen zu werden, wählten die Hamburger einen lose mannorientierteren Ansatz, der eben diese Überzahlbildungen verhindern sollte.
Tatsächlich funktionierte diese Maßnahme ordentlich gegen die Bremer, die einzig in der Anfangsphase wirklichen Wirbel entfachen konnte. Nur gelegentlich konnten sich die intelligenten und beweglichen Mittelfeldspieler über jene rechte Seite, die sie eigentlich zu überladen planten und über die etwa 45 % der eigenen Angriffe gespielt wurden, durchkombinieren und dann die Schnittstellen der breit gehaltenen HSV-Defensive ansteuern. In den meisten Phasen hatten die Gäste zumindest Bremens Offensivzentrum im Großen und Ganzen im Griff.
Zwar spielten die Bremer bereits eine Reihe Angriffe durch den rechten Halbraum, doch zeigten gerade diese Szenen, dass sie es insgesamt öfter durch das Mittelfeld hätten probieren sollen. Es war nämlich nicht so, dass die Hamburger mit ihren mannorientierten Zuordnungen das komplette Bremer Zentrum auf einen Schlag lahm gelegt hätten. Vielmehr konnten die dortigen Kreativspieler besonders deshalb nicht ihre volle Spielstärke entfalten, weil die Hamburger sie gewissermaßen davon abhielten, es zu probieren – und nicht das Spiel als solches blockierten. Die Mannorientierung machte es unbequem für die zentralen Mittelfeldspieler, sich überladend durch das Zentrum zu kombinieren, aber keinesfalls unmöglich.
Dieses Unbequeme schmeckte den Bremern natürlich nicht – und so ließen sie sich durch Hamburgs Mittelfeld-Strategie mit zunehmender Spieldauer mehr und mehr aus dem Zentrum heraus drängen und versuchten dies immer mehr über die Außenseiten zu umschiffen. Dies war auch der Grund, warum die Bremer nach ihrer starken Anfangsphase immer ungefährlicher wurden.
Interessant bei den Bremern war, dass sie – wenn sie Hamburgs Mannorientierung aus dem Weg gehen wollten – aufgrund ihrer gestreckten Formation diese mit vielen längeren Pässen durchspielen mussten. Sie nutzten dieses weitläufige Spiel als ein Mittel, um mit weiten Bällen in den Raum freilaufende Akteure anzuspielen, wodurch allerdings die Verbindungen zwischen den einzelnen Kollegen zu groß wurden, wenn das Spiel zu weitflächig wurde.
Auch bei den Angriffen über die Außenseiten hatten die Bremer einige Probleme. Durch die eher passiven und zur Verengung des Raumes einrückenden Außenspieler des HSV konnten die Bremer Außenverteidiger meistens recht einfach im Spielaufbau aufrücken (Fritz) und die Angriffe praktisch neben der Hamburger Formation nach vorne tragen. War dies geschehen, stimmte die Raumaufteilung aber nicht optimal. Zu oft waren die zentralen Räume durch die vier breiten Außen sowie die nicht ideal postierten Mittelfeldspieler verwaist. Hatte einer der Außenspieler im Pärchen mit seinem Partner den Ball, kippte der ballnächste Mittelfeldspieler diagonal hinter sie ab und bot sich als Spielmacher an. Ein Kollege stand im ballfernen Zentrum, während der Dritte im Bunde hinter dem Hamburger Mittelfeld, das in diesem Fall seine Mannorientierung nur sehr lose bzw. kaum spielte, mit unbändigen Läufen nach Räumen suchte. Die verschiedenen Bremer Offensivspieler waren in diesen Szenarios aber kaum miteinander verbunden, die offensiven Räume nicht ausreichend genutzt und das Zusammenspiel nicht effektiv genug gewährleistet.
Spielentscheidung nach dem Seitenwechsel
So war ab dem zweiten Teil der ersten Halbzeit bis in den zweiten Durchgang hinein der HSV die etwas bessere Mannschaft in einem – wie ganz zu Beginn erwähnt – sehr flotten Spiel mit viel Tempo, Hin und Her sowie Chancen, die es im Laufe des Spiels meist aber nur noch in Form von Halbchancen gab.
Dass es nach der Pause dann die Bremer waren, die sich mit zwei Toren auf die Siegerstraße brachten, lag nicht nur am Blackout Aogos vor Elfmeter II, sondern auch an den Hamburger Ballverlusten im Aufbau sowie dem erhöhten Risiko nach ihrem Rückstand. Auch wenn die Bremer nach starkem Beginn weniger durchschlagend geworden waren, konnten durch gelegentliches Überladen auf halbrechts, Durchbrüche über die Außen sowie Gegenstöße gegen die aufgerückten Gegner, besonders nach Ballverlusten, immer noch Chancen kreiert werden.
Bei einer ganzen Reihe an Kontern waren die Hamburger nach Ballverlusten in der Tiefe anschließend entblößt, so beim vorentscheidenden 2:0 durch Petersen. Besonders auf den Seiten durch ihre hochgeschobenen Außenverteidiger waren die Hamburger offen, was insbesondere Arnautovic noch zu einem Treffer hätte nutzen können. Umgekehrt fiel auch der HSV sowohl vor als auch nach dem Rückstand mit einer schlechten Chancenverwertung nicht gerade rühmlich auf.
Fazit
Ein packendes Nordderby mit vielen interessanten Szenen und reichlich Tempo, dem aber die Durchschlagskraft abging. Nach starkem Bremer Start waren es anschließend über weite Strecken die verbesserten Gäste, die die etwas bessere Mannschaft stellten. Die starke Bremer Offensive konnte ausgeschaltet werden, indem der HSV Werder auf die Außenseiten zwang, von wo diese ihre Angriffe nicht gut genug ins Zentrum ziehen konnten. Ihre überladenden Angriffe durch das Zentrum oder die Halbräume waren von vornherein schwerer zu spielen, wären letztlich aber wohl effektiver gewesen. Allerdings verfehlte es der HSV mit inkonsequenter Raumnutzung und daher fehlender Durchschlagskraft in dieser starken Phase, selbst vorne das Tor zu machen. So blieb es lange beim torlosen Remis, ehe die Bremer im zweiten Durchgang die Hamburger für ihre Fehler bestraften, noch einige schöne Angriffe fuhren und das über 90 Minuten gesehen wohl ausgeglichene Spiel für sich entschieden.
Bremens spielstarke Offensive dürfte noch für Furore sorgen, darf sich aber durch unangenehme Gegner nicht aus Räumen heraushalten lassen und muss defensiv noch an der richtigen Balance bezüglich des Schließens der Mittelfeldräume arbeiten, auch wenn dies diesmal nicht dermaßen notwendig war.
Auf der anderen Seite hat der HSV nun einen verpatzten Saisonstart mit drei Pflichtspielniederlagen zu verbuchen, kann allerdings auf einige Neuverpflichtungen und gute Ansätze (die irgendwann aber nicht mehr ausreichen) verweisen. Die größten Probleme liegen weiterhin in tiefen Ballverlusten sowie dem schlechten Ausspielen von Freiraum-Situationen. Mal sehen, was Rafael van der Vaart der Hamburger Offensive geben kann.
22 Kommentare Alle anzeigen
el pibe 3. September 2012 um 14:02
Den HSV nach diesem Spiel als die „etwas bessere Mannschaft“ zu bezeichnen, mag zwar interessant sein und gegen den allgemeinen Tenor in den Medien gehen, trifft aber mMn weder den taktischen noch den allgemeinen Charakter dieses Spieles. Ich komme zu anderen Schlüssen als TR.
Die ersten 25-30min war Bremen spielbestimmend. Das frühe Pressing der Bremer ist mit vielen Balleroberungen, starkem Umkehrspiel und daraus resultierenden Chancen belohnt worden. Auch bei Aufbau aus der eigenen Hälfte, der dann – wie TR richtig schreibt – meist über die Flügel (sehr rechtslastig) stattfand, war Bremen mit ein paar guten Hereingaben gefährlich.
Danach hat Hamburg endlich konsequenter gepresst und Bremen zu Fehlern im Spielaufbau gezwungen. Insgesamt wirkte Werder in der Phase vor der Pause (ca. der 30min) bis zur 50min bzw. dem 1:0 sehr unkonzentriert und leistete sich einige Fehlpässe. Bis auf eine Situation vor der Pause und 2-3 Situationen direkt nach der Pause führte das aber weder zu „potenziell gefährlichen Situationen“ für den HSV noch zu guten Chancen. Genauso hatte Werder Kontersituationen mit Überzahl, in denen nur der letzte Pass fehlte. In dieser Phase war der HSV aber sicherlich ebenbürtig.
Nach dem 1:0 hat sich der HSV wieder ein Stück zurückgezogen und Bremen die Spielkontrolle überlassen. Bremen wirkte auch wieder sicherer und konsequenter im Pressing. Daraus resultierte dann auch das 2:0. Wirklich aufgemacht haben die Hamburger erst nach dem 2:0 in der 67min, wodurch Werder zu weiteren Chancen kam, aber auch selbst nicht immer sicher stand, da teilweise zu offensiv und mit schlechter Raumaufteilung.
Man kann also aus meiner Sicht maximal von der Phase in der 30 – 50min sprechen, in der der HSV Bremen ebenbürtig, bzw. – mit etwas gutem Willen – überlegen gewesen ist. Wie man daraus schliessen kann, dass der HSV die insgesamt bessere Mannschaft gewesen ist, ist mir ein Rätsel. Wenn man von „potenziell gefährlichen Situationen“ für den HSV spricht, muss man auch die der Bremer berücksichtigen (bspw. 2x de Bruyne mit schlechtem Pass auf den freistehenden Arnautovic; beide Situationen noch bevor der HSV aufmachen musste). Auch bei sehr wohlwollender Betrachtung des Hamburger Spiels komme ich selbst vor dem 1:0 bzw. 2:0 auf ein deutliches Plus der Bremer bei potenziell gefährlichen Situationen, Ecken, Freistößen in Strafraumnähe, und tatsächlichen Chancen.
2 weitere Punkte von TR sehe ich etwas anders, wobei hier einiges sicherlich taktische Auslegungssache ist: Das Fehlen eines nominellen 6ers bei Bremen, und die Effektivität der mann-orientierten HSV Defensive, die laut TR in langen Bällen der Bremer und relativ ungefährlichem Flügelspiel mündeten.
Es ist richtig, dass Werder ein recht risikoreiches System spielt, und in einigen Spielsituationen das Zentrum zu stark entblöst. Bei eigenen Ballverlusten ist das Gegenpressing der Bremer noch nicht richtig austariert und lässt große Lücken, in die der Gegner vorstoßen kann. Das hat man insbesondere im Spiel gegen Dortmund aber auch jetzt wieder – wie TR richtig beobachtet – gesehen. Die hier beschriebene Grundformation trifft die Bremer Aufstellung aber mMn nicht richtig. Zumindest in der 1. Halbzeit war Junuzovic bei Ballbesitz des HSVs klar der defensivste der 3 zentralen Mittelfeldspieler und hat sich oft an Ilicevic orientiert und stand oft auch näher zum Tor als dieser.
Über die Effektivität der mann-orientierten und auf die Mitte ausgerichtete HSV-Defensive lässt sich mMn zumindest streiten. Nicht richtig ist aus meiner Sicht, dass der Spielaufbau der Bremer deswegen hauptsächlich aus (risikoreichen) längeren Pässen bestand. Hier sind die im Link im Artikel gewählten Pässe von Sokratis und de Bruyne sicherlich die falschen Beispiele. Junuzovic und Hunt liessen sich für den Spielaufbau oft zurückfallen und haben einige schöne Kombinationen initiiert (Ausnahme: Phase in der 30-50min). Gebre Selassie und Arnautovic haben auf dem rechten Flügel mit Unterstützung des Mittelfelds auch viel gutes Kurzpassspiel gezeigt.
Genausowenig stimmt es aus meiner Sicht, dass die resultierenden Bremer Flügelangriffe nach der Anfangsphase ungefährlich waren; insbesondere wenn man so sehr auf „potenziell gefährliche Situationen“ Wert legt. Arnautovic hat eine Vielzahl von gefährlichen Flanken geschlagen, und Bremen ist durch das Flügelspiel zu gefährlichen Standardsituationen gekommen. Insgesamt finde ich es etwas fragwürdig, eine Taktik als gelungen zu bezeichnen, die ein Flügelspiel der gegnerischen Mannschaft zulässt, die auf den Außen stark besetzt ist, und zu relativ vielen Standardsituationen führt, wobei die eigene Anfälligkeit bei diesen hinlänglich bekannt ist.
Insgesamt komme ich also zu einem deutlich anderen Fazit als TR in seiner Analyse. Auf Basis dieses einen Spiels halte ich die Bremer Spielanlage sowohl in Idee als auch Umsetzung aus taktischer Sicht für deutlich reifer als die des HSVs. Gleichzeitig sehe ich das Risiko. Inwieweit Werders sehr offensiver Ansatz erfolgreich sein wird, werden wir in den nächsten Spielen gegen stärkere Gegner sehen. Den Optimismus im Hinblick auf den HSV kann ich nicht teilen.
muffin 3. September 2012 um 22:42
Sehe ich im Allgemeinen ähnlich, ich kann das Fazit des Autors auch nicht wirklich nachvollziehen. Für mich war der HSV in keiner Phase wirklich überlegen, wenn auch zeitweise ebenbürtig.
Die vielen langen Bälle, die man von Bremen zu sehen bekam waren meiner Meinung nach auch forciert, immerhin zeigte Hamburg sich hier zuletzt und auch in diesem Spiel unsortiert gezeigt hatte. Zudem hat Bremen einige Leute, die diese Bälle gut verwerten können (de Bruyne, Petersen, die schnellen Außen).
Gleiches gilt für den fehlenden Sechser. Gegen Dortmund hat man in der Schlussphase (nach der Ignjovski-Auswechslung) mit derselben Formation
gespielt und es funktionierte recht gut. Ich denke man wollte hier viel Druck in der Anfangsphase etablieren und dann bei Führung einen Sechser bringen. So geschah es dann ja auch mit der Einwechslung von Bargfrede, woraufhin man reaktionärer spielte (zugegebenermaßen auch, weil unmittelbar danach das 2:0 fiel). Dauerhaft wird diese Formation denke ich nicht etabliert, zumal Fritz auf links klare offensive Defizite zeigte, wohingegen er auf der 6 überzeugte.
Die extrem offensive Ausrichtung war wohl der Situation geschuldet: Zum einen war der HSV angeschlagen, zum anderen aufgrund des Derbys unter Zugzwang. Außerdem ist Schaaf ja allgemein nicht dafür bekannt zu mauern, erst recht nicht beim Nordderby und zuhause.
Rudelbildung 2. September 2012 um 20:07
Ich stimme TR größtenteils in der Analyse zu. Bremen hatte die klar besseren Torchancen, weil es eben jene waren, die man danach auch in der Wiederholung sieht. Aber der HSV hat das Spiel sehr lange offen gehalten und sich dann durch einen eklatanten individuellen Fehler, Aogo vor Elfer 2, das Leben schwer gemacht.
Dazwischen war es ein sehr ausgeglichenes Spiel, wofür übrigens auch alle Daten sprachen. Nach dem 0:1 Rückstand musste man mehr riskieren und das kam Bremen entgegen. Deswegen finde ich, dass man am Ende von einem verdienten Sieg für die Bremer sprechen kann, da diese weniger krasse individuelle Fehler begingen.
Die Anmerkung, dass das Spiel von der 20-55. Minute ausgeglichen war, kann ich so nur unterschreiben. Großes Lob dafür an TR, der nicht auf den Zug aufspringt, dass der HSV ein katastrophales Spiel ablieferte.
Die Fehler, die zu den Gegentoren führten waren katastrophal, keine Frage. Und Bremen kann das Spiel auch wesentlich höher gewinnen als 2:0 – das lang aber am Spielverlauf nach dem 0:1, nicht daran, dass Bremen davor 55. Minuten die klar bessere Mannschaft war. Nochmal chapeau an TR für diese starke Analyse!
olfinger 2. September 2012 um 11:44
über 90 minuten ausgeglichen? wie blau ist die brille, durch die man ein solches fazit zieht?
TR 2. September 2012 um 14:05
Och, die ist gar nicht blau. Überhaupt bin ich weder von Bremen noch von Hamburg Fan oder Sympathisant.
Das Spiel hatte verschiedene Phasen, in denen mal die eine und mal die andere Mannschaft die bessere war, was im Großen und Ganzen dann dazu führt, dass man in der Gesamtbetrachtung dieser Phasen wohl von einem mehr oder weniger ausgeglichenen Stand sprechen kann. Wenn Hunt den ersten Elfmeter reinmacht – ist das dann eine verdiente Führung von Werder zu dem Zeitpunkt oder war in dieser Phase nicht der HSV eben besser? Andersherum war Werder dafür z.B. in der Anfangsphase deutlich stärker.
Daniel 2. September 2012 um 15:20
Ich habe nur die Zusammenfassung gesehen, daher habe ich eine Frage:
– Bremen hat zwei Tore mehr geschossen, hat einen Elfmeter verschossen und Adler musste ein halbes Dutzend Großchancen vereiteln. Westermann spricht nach dem Spiel davon, dass man sich „in der zweiten HZ nicht so verkaufen kann“. Sprich am Ende hätte eine deutliche Klatsche für den HSV stehen können.
Das passt irgendwie nicht zu eurer Aussage, dass es ein ausgeglichenes Spiel war, oder?
TR 2. September 2012 um 16:04
Dass Bremen in der zweiten Halbzeit eine Reihe an sehr guten Chancen hatte (siehe dazu auch den letzten Absatz im vorletzten Abschnitt, das steht nämlich auch im Artikel), ändert aber nichts daran, dass in der Phase zwischen der 20. und 55. Minute etwa der HSV die bessere Mannschaft war. Nur hatten sie nicht so viele (klare) Chancen aus ihrer Überlegenheit – schlecht ausgespielte, aber potentiell gefährliche Chancen sollte man ebenfalls zählen. Ein wenig ähnlich wie Bremens Spiel in Dortmund, da hatte der BVB ebenfalls viele schlecht ausgepielte Situationen, die eigentlich als Chancen zu werten sind (wobei Dortmund dies alles natürlich auf höherem Niveau und von anderer Qualität hatte im Vergleich zum HSV, aber das Prinzip ist doch ähnlich).
Vince 2. September 2012 um 18:32
Ich seh das ein bisschen anders: nicht so viele Chancen aus ihrer Überlegenheit herausgespielt ist im Endeffekt total nutzlos und daher auch kein ausgelichenes Spiel. Zwischen der 20 und 55 Minute mag der HSV sicherer gestanden haben, und auch mal den Ball nach vorne gebracht haben, aber was zwingendes ist dabei selten rausgekommen – und darum geht’s im endeffekt. Wenn man von 90 Minuten das Spiel eine halbe Stunde halbwegs kontrolliert bekommt, ohne selbst die große Impulse nach vorne setzen zu können, die andere Mannschaft aber nur mangels der Chancenverwertung (Lattentreffer Petersen, Chance Prödl, 1:1 Arnautovic Adler + Elfmeter) noch nicht führt nach 45 Minuten, kann man das kaum ausgeglichen nennen.
s_we 2. September 2012 um 14:22
Ist mir bei den letzten Betrachtungen der HSV Spiele auch schon aufgefallen (zB DFB-Pokal gegen Karlsruhe), dass der HSV in den Betrachtungen immer sehr positiv wegkommt.
Jx 2. September 2012 um 15:07
Auch wenn ich Werder-Fan bin, muss ich aber auch sagen, dass der HSV jetzt nicht so desaströs gespielt hat, wie sie in den Medien teilweise wegkommen. Sie hadern halt vor allem damit sich Chancen zu erarbeiten, bzw. diese dann zu verwerten. Sie sind nun aber bei weitem nicht so schlecht momentan wie z.B. Hoffenheim.
MR 2. September 2012 um 15:35
Wer überprüft denn, ob eine Mannschaft hier zu gut wegkommt oder woanders zu schlecht?
Ein Zuschauer 2. September 2012 um 20:16
@MR
Wozu leisten wir uns bitte sonst die 80 Millionen Bundestrainer!?
Jx 3. September 2012 um 18:30
@MR:
Mein Tip – die Fans der jeweiligen Mannschaft/die Fans der jeweiligen Rivalen ^^
TheSoulcollector 2. September 2012 um 11:42
Beim HSV macht einfach bemerkbar, dass sie 2 Jahre lang keinen Sportdirektor hatten. Ein paar einzelne Transfers kann der Vorstand sicher durchführen in Absprache mit dem Trainer, aber die haben beim HSV ja auch wild gewechselt. Ein Sportdirektor leitet die ganze Koordination des Vereins bis in den Nachwuchsbereich hinein! Und das wurde beim HSV einfach verschlafen. Der Trainer hat mit der Leitung der 1. Mannschaft genug zu tun, dass ist ja ein Full-Time Job. Der kann nicht nebenbei noch die sportliche Richtung des gesamten Vereins kümmern.
Und dann hat man mit Arnesen einen Mann geholt, der sich erstmal einarbeiten musste. Der hat ja letzte Saison quasi bei Null angefangen. Da waren keine losen Fäden mehr, die er aufnehmen konnte, da war nur Brachland. Und als jemand, der sich in die BL erstmal einfinden muss, ist das sicher schwierig.
Jx 2. September 2012 um 10:44
Interessante Analyse, war Werder in den Medien eigentlich als die bessere Mannschaft angesehen worden – zeigt wieder, dass sich die meisten eher auf das Offensivspiel konzentrieren.
Gerade der Punkt mit dem defensiven Zentrum bei Werder habe ich auch im Spiel sehr deutlich gesehen; ich bin gespannt, ob Juno von Schaaf noch mehr „umerzogen“ wird, damit er sich mehr Richtung 6er entwickelt, oder ob er vielleicht mit Bargfrede/Fritz einen defensiveren Akteure in Zukunft bringt.
Auch wenn die Angriffe über die Flügel bei Werder diesesmal nicht allzu erfolgreich waren, hat man mMn gerade über rechts gesehen, dass Selassie und Arnautovic ein sehr offensivstarkes Duo bilden können. Wenn Elia dann auch noch sein Potenzial abrufen kann und mit einem offensivstärkeren Außenverteiger gepaart wird, kann die Bremer Flügelzange mit dem fluiden Mittelfeld eine der stärkeren Offensiven der Bundesliga stellen.
IsCream 2. September 2012 um 11:32
Dazu sollte aber hinter Elia Schmitz spielen anstatt Fritz in der linken Abwehrseite.
Auch ist es dann sinnvoller, wenn Fritz,Bargfrede oder Trybull defensiv spielen. Da Bremen die Defensive gerne vergisst und defensive Mittelspieler meiner Meinung nach sinnvoll sind, sollte Bremen mit einem sehr defensiven Mittelfeldspieler spielen anstatt mit ner fluiden 6, die komplett aus offeniv ausgerichteten Mittelfeldspielern besteht (Hinweis war in der Analyse gegeben: Kriegt Schaaf Junuzovichin, dass er defensiver ausgerichtet ist).
Mal schauen, wie es gegen Hannover aussieht, denn das wird wohl ein Team auf Augenhöhe sein (vielleicht ist Bremen da etwas tiefer, aber das werden wir ja sehen!).
Jx 2. September 2012 um 13:44
Ich hatte auch Schmitz oder Hartherz (auch wenn der jetzt eher wieder in der zweiten Mannschaft zu spielen scheint) im Kopf hinter Elia, gerade weil man bei Fritz gut beobachten kann, dass das Überlaufen auf der linken Seite nicht liegt, da der Linke auch klar der schwächere Fuß bei ihm ist. Daher seh ich ihn eher im Defensiven Mittelfeld (oder auf der Bank, aber das ist mit dem Kapitän immer so ne Sache…). Gerade gegen die offensiv momentan sehr starken Hannoveraner können wir einen defensiven im Zentrum gut gebrauchen.
blub 2. September 2012 um 10:09
Ich habe nur das halbe spiel gesehn(und dafür die hälfte von dortmund- nürnberg), aber ich finde diese analyse sehr gut, sie hat viele dinge die ich auch gefunden habe und noch viel mehr.
Bei einem bin ich mir noch nicht sicher: Fink lässt ja gerne den abkippenden 6er zum spielaufbau spielen. mir schien es so als wäre diese maßnahme vollkommen ineffektiv gegen bremens 4-3-3, zumal ja bremen mit diesem mittelfeld trio nicht so richtig gut auf das verteidigen in der eigenen hälfte vorbereitet war und ergo „zum pressen gezwungen“ war.
Außerdem gefällt mir das beim HSV sowieso nicht so gut, weil Aogo für sie extrem wichtig ist und so zu einer reinen durchlaufstation wird (etwas das z.B. zu Schmelzer in Dortmund, auch aufgrund der physis, viel besser passt)
Jx 2. September 2012 um 10:51
Das HSVer Aufbauspiel birgt defenitiv Risiken – hat man ja auch bei 2:0 gesehen, als ein einfacher Ballverlust sie vollkomen entblößt gelassen hat. Durch Badelj haben sie in der Doppel-Sechs sicherlich an Qualität, gerade auch im Aufbauspiel, gewonnen. Jetzt muss sich zeigen, ob VDV auch die Offensiv-Schwächen beheben kann. Er hat theoretisch auf jedenfall die Qualität dazu, wird aber auch nicht jünger und man sollte sich schon fragen, warum die Spurs, die auf seiner Position mit Modric schon unglaublich an Qualität verloren haben, ihn trotzdem abgeben. Aber das werden wir dann erst in den nächsten Wochen beobachten können.
PAD 2. September 2012 um 00:46
Ich denke, dass sich der HSV doch noch sehr sinnvoll verstärkt hat. Mit Jiracek hat man einen Spieler, der den Ball aus tiefen Stellungen auch mal nach vorne tragen kann und dann auch in offensiven Teilen des Feldes präsent ist. Mit Van der Vaart hat man dazu auch Durchschlagskraft dazugewonnen, die in meinen Augen bisher kein HSV’ler mitgebracht hat, auch letztes Jahr nicht.
Ich habe so ein bisschen den Eindruck, als hätte der HSV erst jetzt wirklich Spieler, die auch in das System Fink hineinpassen, was in meinen Augen nicht gerade für die Entscheidung pro Fink im letzten Jahr spricht, geschweige denn für die Transferpolitik der letzten Zeit spricht.
Mit dem Abstieg werden die Hamburger aber wohl nichts mehr zu tun bekommen, wenn Jiracek und Van der Vaart gesund bleiben, bzw sich ein ähnlicher Spielertyp noch beim HSV herauskristallisiert.
Busvoll 2. September 2012 um 00:41
Wo hapert es denn genau? An Spielern, die außer Form sind, an Fink, der es nicht schafft die Spieler aufeinander zu koordinieren, damit gelunge Offensivaktionen entstehen?
Ich verstehe echt nicht, wie beim HSV so viel falsch laufen kann. Die meisten Offensivspieler haben doch ihre Qualitäten unter Beweis gestellt, und das Son-Ilicevic-Jansen Trio ist ja auch nicht neu in der Mannschaft.
Estridsen 3. September 2012 um 16:45
Beim HSV hängt es seit Jahren daran, dass wir im zentralen Mittelfeld unterdurchschnittlich besetzt sind. Dies wurde von Arnesen und Fink erkannt und durch die Transfers behoben.
In einer Besetzung mit Sala, Skjelbred und Son, waren weder körperlich und von der Präsenz noch in Stellungsspiel und Laufleistung bundesligreif. So sah es gerade in der Vorbereitung häufig wie im Vorjahr aus.
Sicherlich benötigt die Zentrale nun Zeit zur Abstimmung, aber gerade in puncto Anspielbarkeit und Spielintelligenz scheinen die Neuen ein Quantensprung für das Team zu sein. Das wird sich auch auf dern Rest der verunsicherten Truppe positiv auswirken.
Vielleicht wird dann auh mal ein Angriff bis zum Ende ausgespielt 😉