Rundschau: HSV und Verl trotz mehr Spielanteile ohne Sieg – MX

Aspektbezogene Kompaktanalysen zu den Duellen zwischen dem SSV Jahn Regensburg und dem HSV sowie zwischen Energie Cottbus und dem SC Verl.

Im Folgenden sind – wie in diesem Format üblich – kompakte Aspektanalysen (mit dem Fokus auf das Spiel mit dem Ball einer Mannschaft) zu den Partien SSV Jahn Regensburg gegen den Hamburger SV sowie Energie Cottbus gegen den SC Verl zu finden.

SSV Jahn v HSV: 1–1

Schon vor der Partie zwischen Regensburg und den Gästen aus Hamburg war absehbar, dass die Norddeutschen das Spielgeschehen aus einem höheren Aufbauspiel dominieren würden. Der Jahn trat in einer 3-4-2-1-Grundordnung an, während die Hamburger ein 4-2-3-1 wählten. Meistens fand sich der Sportverein in höheren Ballbesitzphasen wieder und agierte dabei systematisch aus einem 4-3-3 bzw. 2-3-2-3. Meffert übernahm die Rolle des alleinigen Sechsers. Die Außenverteidiger Muheim und Hefti rückten dabei immer wieder halbräumig ein und positionierten sich etwas tiefer, sodass sich situativ eine flache Viererkette im Aufbau ergab.

HSV im Aufbauspiel

Relativ schnell zeigte sich eine gewisse Ambivalenz im Aufbauspiel des HSV. Grundsätzlich ist die Nutzung einer flachen Viererkette gegen ein mannorientiertes Team wie den SSV Jahn eine sinnvolle Idee – und das wurde auch früh im Spiel ersichtlich. Phasenweise wirkte es, als sei der Jahn von dieser Flachheit überrascht worden, da der Pressingweg von Flügelverteidiger Hein auf Hamburgs Rechtsverteidiger Hefti dadurch außergewöhnlich lang ausfiel.

Die Ambivalenz entstand daraus, dass Hefti durch den langen Pressingweg von Hein zwar viel Raum und Zeit am Ball hatte, aber die durch die flache Viererkette bedingte enge Staffelung den Pressingwinkel von Hein automatisch veränderte – anders als in einem herkömmlichen 2-3-Aufbau. Dieser war sehr vertikal geprägt, wodurch vom Ballführenden ein präzises Timing gefragt war und ballnahe Bewegungen nötig wurden. Genau hier lag das Problem: Flügelspieler Sahiti bewegte sich zwar lose immer wieder tiefer, blieb aber meist zu hoch, sodass Hefti ihn nicht anspielen konnte. Zudem schob Halbverteidiger Breunig gut in die Breite mit, was das Anspiel zusätzlich erschwerte. Allgemein fehlte es Hefti auch im Aufdrehen teils an Dynamik. Durch Heins Aggressivität im Herausrücken sowie dessen initiales, auf den Ball orientiertes Verteidigen konnte dieser trotz des langen Pressingwegs sehr schnell Zugriff erzeugen.

Durch das aktive und direkte Ausschieben von Breunig in die Breite auf Sahiti öffnete er folglich den Halbraum komplett. Das brachte logischerweise ein gewisses Risiko mit sich, das der HSV bewusst zu nutzen versuchte: Mit Königsdörffer bzw. Richter standen zwei sehr schnelle Halbraumspieler zur Verfügung, die im Moment des Herausrückens des Halbverteidigers sofort durchschieben sollten und so als tiefe Anspielstationen dienten. Dabei traten jedoch zwei zentrale Probleme auf:

  • Vertikaler Pressingwinkel von Hein: Der vertikale Pressingwinkel isolierte den vertikalen Passweg im Halbraum. Durch Heftis Schwierigkeiten beim Aufdrehen sowie das aggressive und direkte Herausrücken Breunigs konnte der lange Ball häufig schlichtweg nicht gespielt werden.

  • Tiefe Positionierung von Kühlwetter: Sechser Kühlwetter orientierte sich tiefer und positionierte sich zudem halbräumig, wodurch er den durch Breunigs Aufrücken geöffneten Raum perspektivisch auffüllen konnte. Durch seine tiefe Ausgangsposition konnte er die Tiefenläufe von Königsdörffer frühzeitig antizipieren und eng verfolgen.

Diese Mannorientierung in Verbindung mit einer tieferen sowie engen Grundposition brachte jedoch auch Probleme mit sich – insbesondere einen gewissen Dynamiknachteil. Königsdörffer, der immer wieder mit Richter rotierte, suchte nicht nur starre Tiefenbewegungen im Halbraum, sondern zunehmend auch ballnahe Aktionen. Da die Jahn-Sechser etwas aus ihrer Grundposition reaktiver agierten, konnten sie auf diese Bewegungen oft nicht schnell genug herausverteidigen und so kaum Druck auf die Halbraumachter im Aufdrehen ausüben. Besonders Königsdörffer, der mit seinem linken Fuß extrem dynamische Aufdrehbewegungen beherrscht, profitierte davon mehrfach – eine Herausforderung, mit der besonders Ernst sichtbar zu kämpfen hatte.

Königsdörffer abkippend und anspielbar

Meist konnte Königsdörffer aus seinen Aufdrehbewegungen sehr oft Dompe in der Breite einsetzen, der anfangs beim Ballspiel von Muheim aufgrund des vertikalen Pressingwinkels von Pröger nicht anspielbar war. Allerdings hatte Pröger überraschend große Schwierigkeiten, die Dynamik und das Tempo von Königsdörffers spielbeschleunigenden Aufdrehbewegungen mitzunehmen. Ein Grund dafür war, dass Wurm mehrmals sehr gut und aggressiv direkt auf den Flügelspieler herausschob. Der HSV arbeitete viel mit dem Konzept ‚Spielen und Gehen‘, indem Königsdörffer nach einem Abspiel direkt mit einem Tiefenlauf in die Tiefe zog, aber genau diese Bewegungen konnte Ernst gut neutralisieren. Aus der Sicht des HSV wäre es wünschenswert gewesen, dass Stürmer Selke mehr Tiefe gesucht hätte, denn er hatte oft eine gute Grundposition, um das Herausschieben der Regensburger Halbverteidiger durch seine Tiefenbewegungen zu nutzen. Allerdings tat er dies in den meisten Fällen nicht.

Suhonen nur lose markierend, ballferne Überzahl für den HSV

Zu Beginn des Spiels hatte Meffert noch leichte Probleme im ballorientierten Freilaufen, wenn die Außenverteidiger im Ballbesitz waren. Relativ schnell orientierte er sich jedoch stärker auf die ballnahe Seite. Dadurch fand der HSV schließlich indirekt doch den Weg in die Breite zu Sahiti: Suhonens Mannorientierung auf Meffert war phasenweise zu lose, und gerade aufgrund der technischen Fähigkeiten des Sechsers konnte dieser sich mehrmals direkt aufdrehen. Oft war diese zentrale Progression durch Dribblings von Meffert verbunden mit Abkippbewegungen von Selke in den Zwischenlinienraum, um durch Wandspiel die Halbraumspieler einzusetzen. Dazu kam es jedoch kaum, da Rasim Bulic als mittlerer Innenverteidiger diese Bewegungen von Selke extrem eng und aggressiv verfolgte und direkt den Zweikampf suchte, wodurch Wandspielaktionen erschwert wurden.

Allgemein war dieses Muster oft mit einer Torspielerkette verbunden, da Adamyan und Hottmann in Unterzahl nicht direkt auf den Torspieler Fernandes anliefen, sondern erst bei seinem Abspiel auf einen der Innenverteidiger aktiv wurden und reaktiver auf die Breite der Innenverteidiger agierten. Von dieser Reaktivität profitierten auch die Innenverteidiger, die dadurch den Sechser besser einsetzen konnten – durch die Breite der Stürmer entstand ein vertikaler Pressingwinkel, der jedoch keinen diagonalen Pass ins Zentrum isolierte. Selkes Abkippbewegungen ermöglichten es Richter und Königsdörffer, immer wieder breiter zu schieben und etwas tiefer zu agieren. Diese Bewegungen wurden von Kühlwetter und Ernst nicht immer voll mitgetragen, aber sie agierten dennoch etwas höher, wodurch der Zwischenlinienraum für Selke besser zugänglich war.

Recht auffällig war zudem, dass man durch die übergebende Pressingweise des Jahns in der Breite ballfern immer mit einer Unterzahl (1v2) konfrontiert war. Diese Situation versuchte man auszunutzen, indem der ballferne Außenverteidiger immer wieder diagonal ins Zentrum einschoß, um dort im Sechserraum zusammen mit Meffert eine Überzahlsituation gegen Suhonen zu provozieren. Das funktionierte überraschend gut, da die ohnehin teils zu lockeren Mannorientierungen von Suhonen dadurch zusätzlich beeinträchtigt wurden, sodass Meffert immer wieder diagonal angespielt werden konnte.

In der ersten Halbzeit war es jedoch mangelhaft, dass die fehlende Breitenbesetzung auf der ballfernen Seite nicht durch tieferes Verhalten von Sahiti und Dompe genutzt wurde. Sie agierten meist viel zu hoch, um für Diagonalverlagerungen erreichbar zu sein. Erst in der zweiten Halbzeit sah man diese Pässe häufiger, doch dann rückte größtenteils der Schienenspieler des Jahns aggressiv und direkt heraus, wodurch diese Verlagerungen kaum verarbeitet werden konnten.

Dennoch zog sich durchs Spiel, dass der HSV perspektivisch besonders durch die langen Pressingwege auf den Außenverteidiger und die lose Orientierung auf Meffert durchaus Progression erzielen konnte. Aber immer wieder landeten die Norddeutschen in der Breite, und weder Sahiti noch Dompe waren an diesem Tag in der Lage, ernsthafte Dynamik über 1v1-Duelle zu entwickeln. Das lag einerseits am guten und aggressiven Zweikampfverhalten der Halbverteidiger Breunig und Wurm, andererseits daran, dass sie zunehmend doppelt besetzt wurden. Ballnahe Unterstützung in der Breite fehlte weitgehend, stattdessen setzte der HSV auf eine hohe Boxbesetzung mit oft mehr als drei Spielern. Dennoch kam man aufgrund der Schwierigkeiten in den 1v1-Duellen auf den Flügeln oft nicht zu Flanken, und wenn doch, wurden diese gut vom Jahn verteidigt.

Im Laufe des Spiels öffnete sich das Spiel zunehmend, und der HSV versuchte, weiter aufzurücken. Meist agierte man aus einem 2-1/2-2-Restverteidigungsblock, der gerade auf der ballfernen Seite immer wieder extreme Räume in der Breite offenbarte. Besonders Bryan Hein suchte immer wieder sofort nach Umschaltspiel diese Breite auf der linken Seite und konnte mehrmals gefunden werden. Der Jahn hingegen fand über Entlastungsangriffe gegen die weit aufgerückten Hamburger nicht nur Entlastung, sondern auch gefährliche Angriffe.

Energie Cottbus v SC Verl: 1–0

Der SC Verl steht wohl für eine der besten Spielideen aus dem tiefen Aufbauspiel, wenn nicht sogar für den attraktivsten Fußball in der Liga. Beim Sportclub aus Westfalen wird sehr viel mit dem Ball gearbeitet, und das war auch im Spiel gegen den Liga-Primus aus Cottbus deutlich sichtbar. Beide Mannschaften starteten dabei aus einer 4-3-1-2-Grundformation heraus.

Benger und Otto sorgen für halblinke Überladung

Die Heimelf aus Ostdeutschland agierte im Angriffspressing aus einem4-1-3-2 gegen den 2-4-Aufbau des SCs. Obwohl bekannt war, dass Verl den Torspieler Schulze besonders im tiefen Aufbauspiel aktiv einbinden würde und dieser bewusst das Spiel über die ‚la pausa‘ verlangsamen wollte, löste man über Halbauer den Bogenlauf aus. Dadurch gestaltete sich dieser Bogenlauf sehr weitläufig, was es ihm ermöglichte, kaum Druck auf den Torspieler auszuüben. So konnte dieser relativ ungestört den Aufbau gestalten. Daraus entwickelten sich mehrere Kernmuster:

  • Fynn Otto breiter: Der linke Innenverteidiger rückte beim Ballspiel des Torspielers sehr breit. Dies war sehr sinnvoll, da Copado sich im Bogenlauf von Halbauer an Baack orientierte. So konnte sich der Innenverteidiger weiter von seinem direkten Gegenspieler lösen. Durch die Breite des Innenverteidigers wurde zudem der Pressingwinkel seines Gegenspielers diagonaler und der Pressingweg länger, wodurch der Anlauf auf den Innenverteidiger weniger druckvoll war als zu Beginn. Zudem zog er Copado durch seine Breite immer wieder mit in die Weite, was den Zwischenraum zwischen den Spielern der zweiten Cottbuser Pressinglinie vergrößerte und Copados Baack-Orientierung schwinden ließ. Durch diese breitere Positionierung war zudem sein Passwinkel in die Breite auf den Außenverteidiger etwas besser.
  • Benger sucht den Halbraum: Da Thiele sich ballorientiert markierte (entweder auf Baack oder Benger), konnten sich die Zentrumsspieler von Verl auf diese reaktive Markierungsweise einstellen. Benger suchte daher frühzeitig Bewegungen in den Halbraum, um sich einerseits von Thiele zu lösen und andererseits einen besseren Passwinkel für seinen Torspieler ins Zentrum zu schaffen. Das Spiel in den Halbraum ermöglichte zudem ein besseres Aufdrehen, wodurch Benger mehrmals das Spiel nach diesen Anspielen ankurbelte. Da Thiele sich spät festlegte, wurde der Pressingweg auf den ballnahen Zentrumsspieler verlängert, was Benger ermöglichte, Thiele häufig direkt zu überdribbeln, während dieser nur noch unkoordiniert Druck ausüben konnte.
  • Yari Otto kippt halbräumig ab: Thiele wurde zusätzlich beeinflusst, weil Yari Otto immer wieder halbräumig abkippte. Dies geschah vor allem, weil der Linksaußen sich zu früh auf den Verler Rechtsverteidiger Kammerbauer zubewegte, wodurch der Zwischenraum vergrößert wurde, den Otto dann nutzte. Da Thiele gebunden war und die Außenverteidiger von Cottbus zunächst positionsorientiert agierten, konnte Otto mehrmals mit viel Freiraum agieren und infolge Bengers Anspielen für weitere Anspielstationen sowie tiefere Folgebewegungen sorgen. Pelivan, der Sechser, rückte daraufhin immer wieder auf Otto auf, agierte jedoch zunächst raumorientiert und verschob erst in die ballnahe Markierung. Durch den weiten Pressingweg konnte er kaum Druck ausüben.

Zudem rückten die Außenverteidiger Kammerbauer und Kijewski im Laufe der Spielzeit zunehmend situativ weiter auf. Das hing vor allem damit zusammen, dass weder Cigerci noch Möker diese höheren Bewegungen der Außenverteidiger initial mitgingen, sondern erst reaktiv auf das Ballspiel der Innenverteidiger reagierten.

Das hing mit dem allgemeinen Angriffspressing von Energie Cottbus im Verlauf des Spiels zusammen. Dieses gestaltete sich besonders im oder kurz vor dem Auslösen des Bogenlaufs durch den Halbraumspieler zunächst extrem eng. Diese Enge entstand, weil die Außenverteidiger und Flügelspieler im 4-2-3-1 anfangs die Halbraumspieler (Sechser, Zehner) mannorientiert verfolgten und erst mit dem ersten Querpass des Verler Torspielers auf einen Innenverteidiger die ballorientierten Übergaben einleiteten. Diese Übergaben gestalten sich in der zweiten Pressinglinie teils etwas zu unsauber, wodurch unteranderem oft der Raum für Benger ergab.

Außenverteidiger schiben höher; Cottbus initial eng

Das führte dazu, dass sich insbesondere Kammerbauer mehrmals vertikal so lösen konnte, dass er Außenspieler Möker überlaufen konnte. Dies geschah meist dann, wenn Verl den langen Ball in die Ballung mit den beiden Zehnern des 2-4-2-2 sowie den Stürmern suchte. Die Außenverteidiger sollten aus der Breite sofort die Tiefe suchen und eine Überzahl erzeugen, was häufig funktionierte, da sie die Außenspieler überlaufen konnten und die Cottbuser Außenverteidiger von den Zehnern der Gäste gebunden waren. Dadurch markierte Sechser Pelivan meist den ballnahen Zehner, während der ballnahe Außenverteidiger aktiv auf den einrückenden Verler Außenverteidiger zugriff. Diese Übergaben wirkten meist gut vorbereitet und verhinderten häufig, dass Verl über die Breite kaum in die Tiefe fand – vereinzelt reagierte Pelivan aber zu spät auf Abkippbewegungen von Otto oder Gayret, wodurch diese situativ sich freispielen konnten und zusätzlich Anspielstationen – vor allem für aufdrehende Sechser – schaffen konnten.

Dieses allgemeine, frühe Aufrücken der Außenverteidiger war besonders für Sechser Benger im Laufe des Spiels  ebenfalls eine immer wichtigere Option, wenn er von Torspieler Schulze wie oben beschrieben angespielt wurde und sich aufdrehen konnte. Dies bot sich vor allem an, weil Möker trotz des überlaufenden direkten Gegenspielers Kammerbauer immer wieder in die Breite nachschob. Dadurch erhielt Benger viel Freiraum im Sechserraum. Zudem öffnete dieses Ausschieben in die Breite beim Ballspiel des Sechsers häufig den Passweg auf den durchschiebenden Außenverteidiger, der dann direkt angespielt werden konnte.

Teilweise schoben die Zehner auch dynamisch in die Breite, insbesondere wenn die Außenverteidiger den Ball hielten. Hier zeigte sich ein grundlegendes Problem des übergebenden Pressings: Die Reaktivität im Pressing erschwert den direkten Zugriff, insbesondere wenn Otto oder Gayret in die Breite auswichen. Pelivan hatte aufgrund leichter Antrittsprobleme Schwierigkeiten, rechtzeitig nachzuschieben, wodurch er oft keinen Druck auf die ballnahen Bewegungen der Zehner ausüben konnte. Diese empfingen den Ball mehrfach in der Breite, konnten sich aufdrehen und versuchten anschließend, direkt die Tiefenläufe der Stürmer zu bedienen.

Cottbus mit Problemen im ballfernen Bereich

Dies war auch möglich, da Cottbus in diesen Szenen trotz grundsätzlich guter Übergaben im Halbraum Probleme mit den ausschiebenden Halbraumzehnern hatte. Besonders Rechtsverteidiger Rorig rückte mehrmals heraus, obwohl Pelivan bereits Gayret übernommen hatte. Dies hing vermutlich damit zusammen, dass Pelivans Übernahmeweg in diesen Situationen oft sehr lang war und Rorig sich daher für ein Herausrücken entschied. Allerdings fehlte es offenbar an der Kommunikation zwischen Sechser und Außenverteidiger, sodass Rorig durch sein Herausverteidigen mehrfach den Raum im Rücken für Taz öffnete, der sofort diagonal die Tiefe suchte. Was Energie jedoch vor größeren Problemen bewahrte, war die starke Leistung der Innenverteidiger Kusic und Slamar. Besonders in der Verfolgung der diagonalen Tiefenläufe der Stürmer zeigten beide eine hohe Direktheit und Aggressivität, wodurch sie viele potenziell gefährliche Situationen bereits im Ansatz unterbinden konnten.

Das höhere Agieren der Außenverteidiger führte jedoch auch indirekt dazu, dass man im flachen Aufbauspiel öfter mehr Möglichkeiten hatte. Immer wieder kippte man aus einer relativ hohen Grundposition tiefer ab, wodurch der Flügelspieler von Energie Cottbus den Außenverteidiger nicht sofort im Blickfeld hatte und erst sehr spät auf die Bewegungen reagieren konnte, um in die Breite zu pressen. Dadurch hatten die Außenverteidiger hingegen in der Breite etwas mehr Zeit und Raum, was den Aufbau für Verl erleichterte.

Im Laufe des Spiels offenbarten sich zwei strukturelle Problemfelder im ballorientiert übergebenden Pressing von Energie Cottbus:

  • Ballferne Breite unbesetzt: Durch die ballorientierte Übergabe verblieb der ballferne Flügelspieler oft in der Nähe des ballfernen Halbraumspielers von Verl. Dadurch konnte sich der ballferne Außenverteidiger von Verl immer wieder in maximaler Breite freilaufen und als Anspielstation für Diagonalverlagerungen positionieren. Zwar gelang es Cottbus durch intuitive Anpassungen – meist über das Herausrücken des eigenen ballfernen Außenverteidigers – diese Situationen zu entschärfen, doch verhinderte dies nicht in jedem Fall eine gefährliche Dynamik. Insbesondere im letzten Drittel wurde dieses Muster problematisch: Wenn der ballferne Außenverteidiger von Verl konsequent bis zur Box durchschob, wurde dies von Cottbus häufig zu spät erkannt. Zwar bespielte Verl diese Option zu selten, doch in den Momenten, in denen es gelang, entstand eine Unterzahlsituation in der letzten Linie.

Baack spielt sich frei und setzt den ballfernen Außenverteidiger ein

  • Fehlende Kontrolle über den ballfernen Sechser: Ein weiteres Problem zeigte sich in der Besetzung des ballfernen Sechsers. Da Thiele im ballorientierten Zugriff primär den ballnahen Sechser attackierte, blieb der ballferne Sechser ohne direkten Gegenspieler. Verl erkannte diese Schwachstelle und nutzte unkonventionelle Freilaufbewegungen, um ihn ins Spiel zu bringen: Entweder ließ er sich weit nach hinten fallen oder schob weit auf die bespielte Seite mit, um aus einer ungewohnten Position diagonal angespielt werden zu können. Diese Anspiele wurden zusätzlich begünstigt, da Thiele durch sein starkes Verschieben oft selbst den Passweg öffnete. Verl nutzte dies mehrfach, um das Spiel über den ballfernen Sechser anzutreiben und Dynamik in den Zentrumskombinationen zu erzeugen. Eine mögliche Anpassung seitens Cottbus wäre gewesen, den ballfernen Flügelspieler enger und konsequenter auf den Sechser zu orientieren, um diese Zuspiele zu unterbinden. Über diese Muster konnte man zudem den ballfernen Außenverteidiger besser ins Spiel bekommen als über DIagonalverlagerungen, da sich hier die Übergaben schwerer gestaltet haben für Energie; so musste man hier sich fallen lassen.

Später zeigte der SC Verl eine verstärkte strategische Fokussierung auf lange Bälle – eine naheliegende Anpassung gegen das mannorientierte Pressing von Cottbus, da diese Spielweise potenziell Unruhe in die direkte – ballorientierte – Zuordnung des Gegners bringen kann. Auffällig war dabei, dass diese langen Bälle oft erst von den Innen- oder gar den Außenverteidigern gespielt wurden. Dies hing vermutlich mit der engen Grundausrichtung von Cottbus zusammen: Verl wollte zunächst die Ballorientierung der Cottbuser auslösen, um die defensive Kompakheit lösen, bevor der lange Ball gespielt wurde.

Dabei agierten die Halbraumzehner leicht tiefer und hielten zunächst ihre Position statt direkt in die Tiefe zu starten, während vorrangig Zielspieler Steczyk auf der rechten Seite gesucht wurde. Infolgedessen konnten sie mehrfach zweite Bälle sichern, während der sehr agile Taz konsequent in die Tiefe startete. Das Hauptproblem lag jedoch darin, dass Cottbus mit Kusic und Slamar zwei extrem stabile Innenverteidiger auf dem Platz hatte, die sowohl in der Luft als auch am Boden konsequent herausverteidigten und ein effektives Wand- oder Tiefenspiel von Steczyk verhinderten – auch die Tiefenläufe von Taz konnte Kusic gut und eng verfolgen. Nur vereinzelt kam der Ball hindurch und dann reagierte auch Keeper Bethke gut im Herauslaufen.  Hinzu kamen technische Probleme des Zielspielers im Wandspiel, die eine effektive Ballbehauptung erschwerten – auch weil Cottbus versuchte ihn immer mit Borgmann und Slamar nach langen Bällen zu doppeln.

Ballung für langen Ball

Ein weiteres Defizit bestand darin, dass meist nur Taz in die Tiefe startete, wodurch weder eine Überladung der letzten Linie noch eine notwendige Improvisation der Cottbuser Defensive erzwungen wurde. Wären auch die Halbraumzehner situativ mit in die Tiefe gestoßen, hätte dies potenziell zu Unordnung in diesen engen Räumen geführt – insbesondere weil Borgmann immer mit Slamar doppelte und daher die Breite nicht mehr sichern konnte. Eine situative Anpassung wäre daher gewesen, die Verler Außenverteidiger noch höher und früher zu schieben (was etwas weniger wurde insgesamt am Ende), um breitere und tiefere Optionen für den langen Ball bereitzustellen. Dies hätte nicht nur das Angriffsspiel flexibler gestaltet, sondern auch eine drucklösende Möglichkeit geschaffen. Denn ein weiteres Problem bestand darin, dass Verl nach der Sicherung des zweiten Balls nicht immer klare Folgebewegungen hatte: Taz stand nach seinem Tiefenlauf oft im Abseits, während Steczyk selten mit dynamischen Tiefenbewegungen agierte. Dadurch wurde das Spiel auf engem Raum zu statisch, und es fehlten Anschlussoptionen, um unter Druck Lösungen zu finden.

Dementsprechend wurde das Spiel zunehmend zerfahrener, und die Kontrolle des Sportclubs nahm immer weiter ab. Cottbus kam vermehrt zu Kontermöglichkeiten und konnte auch längere Ballbesitzphasen aufbauen. Letztlich führte ein Konter zur 0:1-Niederlage von Verl in Cottbus.

MX machte sich in Regensburg mit seiner Vorliebe für die Verübersachlichung des Spiels einen Namen. Dabei flirtete er mit der RB-Schule, blieb aber heimlich immer ein Romantiker für Guardiolas Fußballkunst. Aktuell ist er als Analyst in einem NLZ tätig.

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