Türchen 1: Frankfurts Stürmereinbindung
Das Sturmduo aus Omar Marmoush und Hugo Ekitiké steht stellvertretend für den jüngsten Höhenflug der Frankfurter Eintracht. Die Torbeteiligungen der beiden und zahlreiche torreiche Partien ihres Teams entwickelten sich im Laufe der Hinrunde zu einem großen Gesprächsthema. Wichtige Zutaten für den aktuellen Erfolg der Mannschaft von Dino Toppmöller sind eine gute mannschaftliche Basis und als charakteristische Ergänzung dazu die fokussierte Einbindung der beiden Starstürmer.
Die enorme Geschwindigkeit von Marmoush und Ekitiké hat vor allem in Konterangriffen für Spektakel gesorgt. Im Umschalten funktioniert die Aufteilung der beiden gut und mindestens einer konzentriert sich auf den Weg in die Tiefe. Die beiden beobachten aber aufmerksam, welche Möglichkeiten der ballführende Kollege hat und ob sie gegebenenfalls zunächst ballnäher unterstützen.
Wenn der Abstand der beiden Angreifer untereinander gerade vergleichsweise klein ist, lauert der tiefere Spieler auf das Herausrücken eines Verteidigers auf den jeweiligen Sturmpartner und visiert fast immer die dahinter entstehende Schnittstelle an. Je nachdem, wie kompakt oder großräumig die Situation im Anschluss an den Ballgewinn sich darstellt und wie viel oder wenig Druck der Gegner jeweils im Gegenpressing ausüben kann, muss der andere Angreifer entweder kleinräumig unterstützen oder kann im ballfernen Halbraum lauern.
Sowohl bei weit- als auch bei kleinräumigen Bewegungen ist Ekitiké insgesamt der aktivere Spieler, während Marmoush sich gerne nachträglich einschaltet und über den verzögerten Überraschungsmoment effektiv werden kann. Beispielsweise nutzt er häufig zudem angetäuschte Sprints in die Tiefe.
Insgesamt erkennt Marmoush sehr gut Momente, in denen er einige Sekunden warten sollte, bis er sich einschaltet. Gerade wenn ein Mitspieler nach dem Ballgewinn zunächst andribbeln kann oder auf der Ballseite noch eine vertikale Anspielstation hat, verharrt er passiv in einer ballfernen Zone, lässt das Spiel beinahe an sich vorbeilaufen und sucht nachträglich die Freilaufbewegung auf den Diagonalpass, nachdem noch ein oder zwei Gegenspieler weiter ballseitig geschoben sind. Demgegenüber ist Ekitiké nicht immer ganz so geduldig in der Selbsteinbindung. Bewegt er sich an der letzten Linie, setzt er sich bei möglichen Umschaltszenen enorm explosiv ab und zieht sehr oft diagonal ballfern weg, damit aus dem Sichtfeld seiner Gegenspieler heraus.
Noch spektakulärer ist er aber als Mitspieler in den unmittelbar ballnahen Situationen gerade auch im Umschalten. Wenn er nah zum Ball entgegen kommt, können seine explosiven Richtungswechsel und verzögernde Zwischenkontakte sehr wertvoll sein, um bei fehlenden direkten Angriffsoptionen einen Übergang in den Konter sicherzustellen. Sie können dynamische Engensituationen in Gleichzahl oder kleiner Unterzahl auflösen, nachdem sie die Gegenspieler zunächst weiter zum Ball und aus der Restverteidigung herausgezogen haben. Im Vergleich dazu kann Marmoush in den kleinräumigen Umschaltmomenten vor allem geschmeidige Ballmitnahmen und Tempoverschärfungen einbringen.
Diese Qualitäten der beiden Frankfurter Torjäger beschränken sich natürlich nicht nur auf die Umschaltmomente, sondern kommen genauso aus den eigenen Ballbesitzmomenten zur Geltung, besonders in Schnellangriffen, aber auch in den Spielzügen aus ruhigeren Ausgangslagen gegen einen tiefstehenden Gegner. Aktuell bietet die Frankfurter Spielanlage dafür einen guten Rahmen, weil die 4-2-2-2-artige Systematik einem Sturmduo zwei sehr freie Rollen erlaubt.
In der Grundstruktur starten beide Angreifer oft sehr hoch an der letzten Linie und mindestens auch einer der beiden offensiven Mittelfeldspieler ebenfalls hoch und halbraumbreit oder breit, je nach Aufbaustruktur sogar beide. Den Zehnerraum können die Frankfurter dynamisch durch Einzelaktionen oder Pärchenbildungen ihres Sturmduos bespielen. Je klarer der Zehnerraum zunächst freigelassen wird, desto aggressiver können durch Vertikalpässe in den Fuß des Sturmduos Szenen gesucht werden, in denen der Angriff durch das Auflösen im 1gegen1 oder 2gegen2 erfolgen soll. Zudem haben die offensiven Mittelfeldakteure bei hohen Halbraumpositionen einigermaßen kurze Wege, um zumindest bis zu den späteren Angriffsphasen beim Übergang ins letzte Drittel rechtzeitig nach innen zu kommen, so dass eine Grundbesetzung des Zehnerraums gerade auch für zweite Bälle oder Gegenpressing gegeben ist.
Wenn einer der beiden anderen Offensivspieler (typischerweise dann Knauff) als klarer Breitengeber fungierte, konnte der Außenverteidiger dafür im Halbraum zwischen flacher Aufbauposition und Zehnerraum pendeln. Das kann in der Rollenverteilung zwischen den Angreifern dazu führen, dass sich eine klarere Tendenz zwischen Etikité als beweglichem Spieler im Bereich der letzten Linie und Marmoush als freiem Zehner ergibt. Selbst wenn diese gegenseitige Aufteilung stärker hervortritt, bringt sich Ekitiké mitunter trotzdem aktiver, ballfordernder und präsenter ein als Marmoush.
Die insgesamt weiträumige und umtriebige Spielweise der beiden bereichert die positionellen Variationen der Frankfurter, die in den Details von einem 3-1-Aufbau mit zentral abgekipptem Sechser über eine asymmetrische S-Formation mit flachem offensiven Außenspieler als Pendant zum höheren Außenverteidiger gegenüber bis zu einem versetztem Zweieraufbau plus dem eingerückten Linksverteidiger Brown (der in seinem Freilaufverhalten als ein heimlicher Schlüsselspieler gute Abstände findet) gehen. Zu dem guten Grundgerüst der Eintracht gehören auch die weiträumig unterstützenden Bewegungen eines Sechsers oder mitunter gar des ballnahen Innenverteidigers bei Flügelangriffen, die wichtige Rückpassoptionen garantieren können.
Insgesamt bindet die Eintracht ihre beiden Stürmer Marmoush und Ekitiké sehr aktiv ein: Jenseits von Geschwindigkeit und Abschlussstärke der beiden kommen sie viel zum Ball (wenn auch oft aus hohen Startpositionen), um Aktionen zu haben und für kleinräumige Auftakt- und Übergangsmomente zu unterstützen. In dieser Grundkonstellation finden sie vergleichsweise gut die passenden Momente für zwischenzeitliche Zurückhaltung und das Lauern auf späteres Einschalten in den Angriff.
1 Kommentar Alle anzeigen
tobit 1. Dezember 2024 um 12:04
Vielen Dank für diese Beschreibung von Marmoush. Ich hab die ganze Hinrunde danach gesucht, warum ich sein Spiel so cool finde. Und es ist die für seinen Spielertypus so untypische und überraschende Passivität/Statik, die er dann so brutal explosiv beendet. Er hat wie Palacios (ein anderer Lieblingsspieler von mir) ein besonderes Gespür dafür, wann er sich gerade NICHT einbinden/beteiligen muss.