Ole ohne Kohle – 90 Spiele Entwicklungsarbeit. TS.

Nach beinahe 100 Spielen unter Ole Werner ist es an der Zeit zu resümieren, wie sich ein Traditionsvereinen mit finanziellen Problemen, einem teuren Abstiegskader ohne großartige Potenziale für höhere Ablösesummen und der zudem überhaupt nicht geeignet war, das 4-3-3 von Markus Anfang erfolgreich anzuwenden. Die Geschichte beginnt mit einem ersten Zweitligaspiel gegen Hannover 96 mit Josh Sargent und Felix Agu als Flügelstürmer und dem vermeintlichen Panikkauf von Marvin Ducksch obwohl zu dem Zeitpunkt mit Niklas Füllkrug, Roger Assalé und Yuya Osako im 1-Mann-Sturm einige Alternativen vorhanden waren. Die Tage waren gezählt, Nikolai Rapp als Zehner oder Marco Friedl als inversen Außenverteidiger aufzubieten. Werder kann wieder kicken!

Die Dreierkette wurde abermals salonfähig in Bremen und trotz fehlender Dribbler, abgesehen von Mitchell Weiser, etablierte Ole Werner eine sehr konstruktive, sowie vielschichtige Idee des Spiels. Wir skizzieren den Stand nach ungefähr drei Jahren Arbeit mit einem ähnlichen Kern von Spielern zum Stand des Vorbereitungsendes für die Saison 2023/24. Vorab ist zu erwähnen, dass es in jeder Saison Phasen gab, in der die Mannschaft wenig umgesetzt bekommen hat und in tieferes Verteidigen mit schnellem Umschalten verfiel. Grundsätzlich liegt dieser Ansatz dem Kader jedoch kaum, da bis auf Justin Njinmah zum einen kein wirklicher Konterspieler zur Verfügung stand und zum anderen, weil so ziemlich alle der Verteidiger Schwächen in der Endverteidigung offenbarten. Entsprechend sahen öffentliches Meinungsbild und Unterhaltungsfaktor der Spiele aus.

Schon zur Zeit rund um den Aufstieg etablierte sich die Stürmer häufig hintereinander zu postieren mit einem davon in direktem Kontakt zur gegnerischen Abwehrkette. Dieser bekam seine Wiedererweckung im Pokal gegen Energie Cottbus. Ansonsten zeigte Ole Werner eher die Tendenz, nachdem Füllkrug nicht adäquat ersetzt werden konnte, die Abschlusslast auf mehrere Schultern zu verteilen um so auch Marvin Ducksch wieder mehr in die Verwerterposition zu bringen.

Zunächst zur Klärung: Grundsätzlich entwickelt sich das Personal dahingehend, dass Werner auch innerhalb des Spiels einige Variationsmöglichkeiten besitzt für ein 3-5-2 und 3-4-2-1 mit variablem Aufbaumuster und Verteidigungsverhalten in verschiedenen Höhen. Mit dem Transfer von Keke Topp steht nach dem Abgang von Füllkrug endlich wieder ein für Werner geschätzter Wand- und Zielspieler im Kader, der in Aufbauspiel und Chancenkreation Komponenten in der Luft einbringt, genauso wie das Festmachen, welches den anderen Spielern auf der vordersten Position schwerer fallen. Ducksch zeigt sich deutlich spielmachender und strahlt die höchste Gefahr aus, wenn er mit dem Gesicht zum Tor steht und gezogene Freiräume besetzen kann und bildet die zweite Option für die Spitze. Dazu kommen bisher Justin Njinmah und Marco Grüll, die durch ihr Tempo und auch Fähigkeiten 1 gegen 1 Situationen zu Gewinnen ein anderes Profil in den Kader bringen als Topp und Ducksch. Njinmah kann auch als einzelner Stoßstürmer aufgeboten werden.

Schmerzlich vermisst Werner einen weiteren Spieler neben Romano Schmid, der auch zwischen den Linien Dribblings gewinnen und Gefahr erzeugen kann. Weiser, Njinmah und Grüll zeigten sich bisher eher in frontalen Duellen geeignet, bei denen sie auf ihre Gegner zulaufen können. Clemens Fritz gegenüber scheint jedenfalls deutlich kommuniziert zu sein, dass Werner hier definitiv noch einen qualitativ hochwertigen Zugang haben möchte, genauso wie für die Wingbacks, da Olivier Deman den Erwartungen hinterher hinkt und Felix Agu invers im letzten Drittel wenig Gefahr ausstrahlt. Mit Skelly Alvero wurde ein junger Ballschlepper verpflichtet, der den Ball auch mal aus tieferen Zonen heraustragen kann. Momentan haben der weiträumige Stage und Ankerspieler Lynen jedoch die Nase vorn.

Ballbesitzphase

Werner legt großen Wert auf den Aufbau aus der Abwehr heraus und so zeigen sich bei den Bremern relativ lange Ballbesitzphasen in den tieferen Zonen mit dem Ziel eher wenige, aber dafür klare Chancen herauszuspielen indem im Spiel über den Dritten freie Leute gesucht werden. Gegner werden relativ selten weit hinten rein gedrängt, genauso ist man selbst nicht darauf ausgelegt, aus einem Abwehr- und häufig auch nicht aus einem Mittelfeldpressing heraus schnell in Richtung des Tores zu kommen und eher in der Zirkulation zu bleiben um die Qualitäten der eigenen Spieler möglichst kontrolliert einzubringen. Ausgefeilte Konterabsicherung in der defensiven Umschaltphase sind ebenfalls weniger präsent als bei anderen Ballbesitz-orientierten Ansätzen, da sich Werder Bremen die Zeit nimmt mit guten Bewegungen und Balltragen in offene Räume viel Zeit im ersten Drittel verbringt. Ballverluste sind hier in der Regel direkt sehr tödlich und man fällt häufiger direkt in die Endverteidigung. Schlüsselfiguren sind hier Marco Friedl, Amos Pieper und Anthony Jung, die sich im Spielaufbau meistens sehr mutig präsentieren (und eher Schwächen im Verteidigen haben) und vor allem Michael Zetterer, der mit dem Ball am Fuß mindestens eine Klasse über Ex-Keeper Pavlenka anzusiedeln ist.

Im Abstoß zeigt Werder, umgeformt, eine ähnliche Stellung wie viele andere Teams, um den Druck des Gegners zu provozieren. Viel wird damit gearbeitet, Spieler mit Blickrichtung zum eigenen Tor entgegenkommen zu lassen, gegebenenfalls auch in diese Richtung zu dribbeln und dann über den freien, nach vorne blickenden Kollegen wieder nach vorne zu spielen. Ole Werner stellt, anders als es bspw. Julian Nagelsmann tat, nämlich seinen zentralen Innenverteidiger bei Involvieren des Keepers nicht auf 6er Höhe, sondern schiebt stattdessen meistens den rechten Halbverteidiger nach Außen um Weiser deutlich weiter vorne zu postieren oder Marco Friedl mit seinem starken linken Fuß das diagonale andribbeln durch die Mitte zu ermöglichen und das diagonale Anspiel auf Schmid und Weiser für ihn möglich zu halten. Gegen Sheffield Wednesday, die Danny Röhl zu einem physisch sehr präsenten Pressingteam entwickeln konnte, fehlte Friedl jedoch mit einer leichten Verletzung und Rechtsfüße nahmen die Rolle rechts von Zetterer im tiefsten Aufbau ein.

Zetterer dribbelt ebenso an und aus dem Druck heraus, wie es Jung und Friedl vorrangig tun. Darauf ist das Spiel von Werder auch ausgelegt, denn die Freilaufbewegungen der Mittelfeldspieler werden zumeist nicht initiiert, bevor der Gegner keine Anstalten macht anzulaufen. Sheffield und Lecce mussten so feststellen, dass simples leiten des Torwarts auf eine Seite nicht ausreichend ist um Werder auf eine Spielseite festzulegen. Zetterer dribbelt gerne am seitlich anlaufenden Angreifer vorbei und wartet auf bspw. Stage, der sich mit gutem Timing zu lösen hat. In der obigen Abstoßszene hat der Däne mit Agu und Lynen zwei unmittelbare Optionen zur Ablage, aber auch Jung wäre eine Option gewesen. Weiser ist zusätzlich gehighlighted, weil er sich häufig nicht in die letzte Linie bewegt, um Werder offen zu halten, dem Druck durch eine hohe Verlagerung zu entkommen und wieder viel Bewegung beim Gegner auszulösen. Im weiteren Verlauf führte es dazu, dass Sheffield mehr Personal im Anlaufen einsetzte und sich ein klassisches Bild für Werderspiele ergab: ist das Timing im Entgegenkommen und andribbeln gut, sowie die Ablagen sauber, gehen diese versuchten Zweikämpfe ins Leere und Werder kann mit viel Raum angreifen. Oder man macht Fehler und es kommt zu teilweise schwerwiegenden Ballverlusten im Aufbauspiel.

Charakteristisch für Werners Gedanken ist auch die Asymmetrie der Wingbacks, um ihre Eigenschaften, aber auch die der jeweiligen Halbverteidiger besser nutzen zu können. Stark und Pieper, die zusammen mit Julián Malatini wahrscheinlich erste Wahl für die halbrechte Position in der Dreierkette sind, benötigen zum Andribbeln mehr Platz als Jung oder Friedl, was allein durch ihre Größe schon nicht verwunderlich ist. Dafür spielen sie teilweise hervorragende Laserpässe am gegnerischen Pressing vorbei, vertikal oder diagonal und sind besser geeignet lange Bälle hinter den aufgerückten Weiser in der Luft zu verteidigen. Friedl und Jung sind auf dem Boden deutlich stärker und haben Felix Agu an ihrer Seite, der schon im Aufbau tiefer steht als Weiser.

Jung dribbelt auch in brenzligeren Situationen an, läuft sich für Doppelpässe oder als Dritter frei und glänzt mit einer gewissen Ruhe am Ball. Zusammen mit Agu, der als Rechtsfuß häufig links spielt kann unter höchstem Druck Richtung des eigenen Tores dribbeln und besitzt ordentliche Passwinkel für Verlagerungen, aber auch um zwischen Torwart und Sechser flach zu spielen. Jung läuft in diesen Szenen häufig nach vorn um die Passwege für Agu zu öffnen oder auch selbst eine direkte Option zu sein.

Vor allem über Jens Stage und Marvin Ducksch werden aber auch, sofern der Gegner höheren Druck auf die ersten Reihen erzeugen möchte, Verlagerungen mit dem rechten Fuß im ersten Kontakt auf Weiser gespielt. Es ist zu sehen, wie Zetterer wieder kurz andribbelt, da Stade Rennes zwar zustellt, aber keinen direkten Druck auf den Torhüter ausübt. Stage kommt in die Formation des Gegners hinein, zieht den Verteidiger mit und schickt Weiser ca. 110° von seinem Spielfuß ausgehend tief. Der Ball kommt jedoch zu weit und so kommt es nicht zum gewünschten Vier gegen Drei, sondern Abstoß für das Heimteam. Interessant zu sehen ist, dass sich Lynen hinter Grönbaek hinweg fürs Klatsch anbot und Veljkovic sowie Zetterer entsprechende Positionen abseits des Stürmers der Bretonen einnahmen um Stage das bekannte Bild des Dribbelns in Richtung eigenes Tor zu ermöglichen und über einen der Beiden den Druck aufzulösen.

In Szene 2 entscheidet sich der Bremer Schlussmann gegen die Verlagerung auf Weiser. Stattdessen wird Ducksch hinter dem Mittelfeld gesucht, der wiederum verfolgt wird. Der Winkel ist für die Verlagerung relativ schwierig unter dem hohen Druck und sowohl Stage, als auch Agu sind nicht in Position für eine Ablage, sodass sich Ducksch entschließt den Ball durch zu lassen und nicht auf Schmid zu spielen. Grüll verliert jedoch das Laufduell gegen den Verteidiger. Abgesehen vom EM-Fahrer Österreichs steuert allerdings kein Bremer die Tiefe an, was zu späterem Zeitpunkt noch diskutiert wird.

Abschließend bleibt zum tiefen Aufbau zu sagen, dass sich Werder bzw. dessen Keeper und Verteidiger nicht scheuen, auch seitliches anlaufen zu überlupfen. Dem Andribbeln der Aufbauspieler wird eine hohe Wertigkeit zugesprochen, genauso Zeit und Raum zu erspielen, die ihnen linienbrechende Pässe ermöglichen. Hier wird interessant, inwieweit Skelly Alvero in der Saison zum Zuge kommt, der womöglich auch innerhalb der gegnerischen Formation, auch mit dem Gesicht zum eigenen Tor, Situationen kreieren könnte, in denen der freie Mann nicht hauptsächlich über ein Tief-Klatsch gefunden werden soll. Ebenso spannend wäre, wenn er sich ähnlich wie Granit Xhaka zusätzlich in die Abwehrkette fallen lassen würde und so links neben Zetterer noch ein guter rechtsfüßiger Dribbler postiert. Jung und vor allem Pieper als „flache Außenverteidiger“ sind durchaus in der Lage diagonal zwischen die Linien zu kommen. Es wäre eine weitere Facette, konstruktiv ins zweite Drittel zu kommen, ohne Offensivpräsenz zu opfern. Im Falle des Ballverlustes ist ein 2 Meter großer und aggressiv verteidigender Spieler in der Endverteidigung sicherlich eine der besseren Optionen.

Gegenläufigkeit erhält häufiger Einzug

Wie bei vielen anderen Teams auch, die das Spiel durchs Zentrum präferieren, wird auch das Team von Ole Werner häufiger dazu gezwungen über Außen zu spielen. In Zonen nahe des eigenen Tores wird wie bereits beschrieben über die Integration von Zetterer darauf hingearbeitet, dass der Gegner mehr Personal dafür verwendet, um den Aufbau zu stören. In höheren Zonen gibt es jedoch ebenfalls wiederkehrende Mechanismen, um den Ball in den eigenen Reihen zu halten. Besonders rechts durch die hohe Relevanz von Weiser im Spiel für die Norddeutschen kommt es häufiger vor, dass größere Bemühungen des Gegners entstehen, den Ex-Berliner in seinen Aktionen zu stören.

Wenn ein Angriffsvortrag über rechts oder in den 10er Raum nicht möglich ist, spielt Weiser meist zurück auf seinen Halbverteidiger oder ballnahen Sechser und zieht anschließend in die Mitte um einen Longline Pass für Schmid zu öffnen. Lynen bekommt nach außen abdrehend, statt weitem Rückpass auf Zetterer, Stage integriert, dessen Diagonalball auf Agu nicht vors Tor gebracht wird.

Der SV Werder spielt ebenfalls schon länger über Steil-Klatsch Varianten im Mittelfeld. Veljkovic findet in dieser Szene den sich mit gutem Timing absetzenden Grüll, der auf Stage ablegt und nur Agu und Schmid tief gehen. Allerdings kann nur der gegnerische LV wirklich den tiefen Weg mitgehen, da der RV und RIV nach vorne schieben. Zunächst spielt Stage zu steil, später nach gleichem Muster vergibt Schmid in der Mitte.

Stage kommt entgegen, zieht seinen Gegenspieler mit und Lynen läuft gegenläufig in den großen Raum im Mittelfeld. Stark entschließt sich auf die flache Verlagerung auf Veljkovic zwischen den Gegnern hindurch. Der Serbe dribbelt unbedrängt ins Mittelfeld, allerdings bekommt Agu nach seinem Steilpass den Ball nicht zu den einschussbereiten Bremern. Grundsätzlich wäre auch genug Raum gewesen, direkt diagonal auf Agu zu spielen oder Lynen in den freien Raum zu schicken. Es bleibt zu sagen, dass individuelle Fehler hierbei dazu führen, nur noch die drei Innenverteidiger zwischen den ballgewinnenden Gegnern und Zetterer zu haben.

Beim Neuaufbau nach zuschieben einer Seite des Gegners zeigen sich seit diesem Jahr auch anschließende ausgewählte tiefe Läufe. Schmid und Grüll stehen in der Position und geben den Außenverteidigern wenig Anlass, sich um die Tiefe zu sorgen. Sobald Weiser auf Friedl spielt, gehen Agu und anschließend Ducksch tief. Friedls Flugball kann von Agu jedoch weder im Tor, noch rüber auf Ducksch gebracht werden. In anderen Situationen bekam er ihn jedoch durchaus unter Kontrolle, die Kollegen brachten den Ball jedoch nicht ins Tor.

Um die fehlenden Durchbruchsgefahr über Links zu kompensieren, probierte Ole Werner gegen Cottbus mit Hereinnahme Njinmahs, Felix Agu weiter hinten und zentraler zu integrieren. Der 24-Jährige ist nämlich nicht nur hervorragend im Konterabsichern, sondern zeigt sich durchaus ballsicher in tieferen Zonen. Seine Schwächen im Offensiven Eins-gegen-Eins könnten durch Grüll oder Njinmah ausgeglichen werden. Mit Stage oder Alvero Kann Präsenz in der Luft erzeugt werden.

Fehlerquellen

Werder zeigt sich leider durch den sehr proaktiven Ansatz anfällig für eigene Fehler. Insgesamt sind Ballverluste hinten im Aufbau natürlich entsprechend tödlich, kommen allerdings für ein Team aus dem Bundesliga Mittelfeld verhältnismäßig selten vor. Viel kritischer ist zu bewerten, dass die Offensivbewegungen nicht häufig genug zu Toren führen, da Zuspiele auf frei durchbrechende Spieler, Abschlüsse oder Dribblings nicht ankommen. Hier ein paar beispielhafte Szenen:

Ducksch bekommt den Ball gegen Rennes nicht hoch und schießt direkt in die vor ihm liegenden Gegenspieler. Es ist relativ viel Raum vor ihm bis zum Außenverteidiger und er könnte entweder abwarten, bis Weiser den Spieler im Weg zu Grüll wegzieht, oder gar selbst vorbei laufen und den Ball sogar Flach bringen.

Agu setzt sich Außen durch, Ducksch und Weiser starten hinter die Kette und ziehen die Verteidiger mit. Er flankt überhastet und verfehlt die beiden deutlich. Option Zwei wäre der komplett verwaiste Rückraum mit womöglich sogar zwei Mitspielern.

Klassischer Zug für Werners Bremer gegen Cottbus. Schmid geht eigentlich in Richtung außen, um Topp komplett frei zu räumen für Weiser. Der Schienenspieler findet den Österreicher aber bevor er den Weg durchziehen kann. Topp schaltet schnell, kommt nicht mehr entgegen sondern bricht nach außen weg. Ducksch wird nach dem Tiefenlauf frei vor dem Tor von Schmid bedient und vergibt anstatt auf den mitgelaufenen Stage zu legen. Kurz darauf verzieht Ducksch einen guten Angriff frei am Elfmeterpunkt, der Querschläger landet beim blanken Stage der nicht ins Tor, sondern auf die Tribüne schießt.

Solche Szenen findet man eigentlich in jedem Spiel der Bremer und können das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und sicherlich auch in die Ideen des Trainers auf eine harte Probe stellen. Nicht zuletzt hat Ole Werner sowie auch Friedl und Weiser öffentlich davon gesprochen, dass sie Verstärkungen begrüßen würden. Eine Königslösung mit bspw. Albert Grönbaek als kreative und dribbelnde Komponente zwischen den Linien wurde dem vernehmen nach angestrebt um es dem Gegner schwerer zu machen, sich auf das Bremer Spiel einzustellen. Häufigere Unklarheit ob des Herausrückens oder Fallenlassens von Mannschaftsteilen oder das simple gewinnen von direkten Duellen würde das verteidigen deutlich erschweren. Womöglich könnte Werner seine begonnene Arbeit, mehr Tiefe ins Spiel zu bringen hiermit auch weiter verfolgen. Werder ist im großen eine sehr konstruktive und auch gut trainierte, beinahe komplex an den Gegner und dessen Bewegungen angepasste Mannschaft. Es ist allerdings so, dass sie zum kombinieren verdammt scheinen, was den Gegnern einfach mentale Erleichterung dahingehend verschafft, dass bestimmte Optionen nicht in Werders Trickkiste sind.

Komplex im Ballbesitz, simpel im Anlaufen.

Ähnlich wie Atalanta Bergamo seit Gasperini’s Antritt an das Verteidigen herangeht, tut es auch der SV Werder. Es wird mit Mannorientierungen teilweise über das ganze Feld gearbeitet, wenn auch mit Phasen des Mittelfeldpressings oder des Zurückfallens in eine Raumorientierte Endverteidigung. Ole Werner fordert hier ebenso individuelle Leistung, wie im Spiel mit dem Ball und so ist es nicht selten, dass einer oder mehrere der Halbverteidiger weit in die gegnerische Hälfte vorrückt, oder Schmid als nominell offensivster Mittelfeldspieler durchaus hinter Ankerspieler Lynen positioniert sein kann. Eigentlich in jeder Vorbereitung hatte Werner vor ein sehr hohes Anlaufen bei statischen Situationen wie Abstoß, Einwürfen oder Freistößen weit in der gegnerischen Hälfte zu implementieren. Hinten wird so geplant, dass wie bereits bei anderen Teams häufig gesehen, ein freier Spieler übrigbleibt, der verlorene Duelle ausgleicht, oder aufgehende Räume in der Tiefe abdeckt. Die Schienenspieler schieben nicht immer, aber häufig auf die gegnerischen Außenverteidiger durch.

Werder Bremen läuft häufig mit zwei Spitzen an und einem Dreiermittelfeld dahinter, welches mit einem Zehner oder zwei Achtern organisiert ist. In ersterem Fall schieben die Schienen abenteuerlustiger nach vorn, beim anderen Fall schieben häufig die Achter nach außen durch.

Sofern die Gegner flach aufbauen möchten, kommen sie gegen Werder kaum darum herum sich nicht relativ schnell in direkten Duellen wiederzufinden. Gewinnt man diese, hat man den Ball in einer sehr attraktiven Zone in den eigenen Reihen und hat das Problem nicht, dass es zum Kontern aus einem tieferen Block heraus nicht unbedingt die passendsten Spieler im Kader hat und auch die Formation nicht unbedingt die zuträglichste ist.

Dieser Zwischenlinienraum ist, sobald es ins Zugriffsverhalten der Mannschaft geht, teilweise relativ frei und unbesetzt, da die Mittelfeldspieler weit vorrücken sollen um Druck auf den Ball zu erzeugen. Wenn kein Gegner in diesen Raum geht, rückt auch kein Verteidiger dorthin hinaus. Ebenfalls wie Gasperini scheint Werner hier zu denken: Die Gefahr geht eher vom Spieler aus. Deshalb decken sie die Spieler. In dieser Pressing-Szene kann sich Grönbaek gegen Friedl durchsetzen und legt den Ball hinter Lynen auf den rechten Verteidiger, der in den Zehnerraum dribbelt.

Schwer tun sich die Grün-Weißen wenn es darum geht, Spieler zu übergeben, bspw. in der letzten Linie, wenn eine Spitze bereits einen Verteidiger bindet und sich jemand unmittelbar davor im Zehnerraum freiläuft. In diesen Momenten entstehen entweder hochriskante Aktionen, in der einer der Verteidiger herausspringt, oder es wird beinahe bis in die Endverteidigung gefallen.

Wenn das Aufdrehen in kritischen Zonen droht, greifen die Bremer gerne zu Fouls, was ab dem Zeitpunkt einer gelben Karte teilweise zu größeren Problemen führt. Im Mittelfeldpressing wird sich relativ klassisch im 3-5-2 aufgebaut und die Achter schieben seitlich an den Spitzen heraus. Ist der Raum dahinter von Spielern des Gegners besetzt, rücken die Halbverteidiger mit und man geht je nach Seite mit Agu/Weiser, dem schnellen Friedl und ggf. dem übrigen Halbverteidiger in die Verteidigung der Tiefe. Ballgewinne sind hier tendenziell eher gleichbedeutend mit einer neuen Zirkulation und seltener mit einem gefahrenen Konter.

Fazit und Ausblick

Kann Werder im Ballbesitz etwas Facettenreichtum, zumindest gegen bestimmte Gegner, dazugewinnen, bspw. durch die Arbeit an den Laufwegen ins letzte Drittel, so ist hier durchaus von einem sehr ansprechenden Ansatz die Rede, der im Bundesligavergleich sehr respektabel zum Angriffsvortrag führt. Ebenfalls beitragen würde das Kaufen von Spielern, die souverän angesteuerte Zonen durch ihre individuelle Qualität in Sachen Dribbling und Chancenverwertung (direkte Vorlagen und Tore) zuverlässiger bzw. anderweitig lösen können, als es bisher der Fall ist. Entscheidende tiefe Pässe, Flanken oder Ablagen werden in zu hoher Quote unsauber gespielt und man sieht eigentlich frei durchlaufende Spieler, die den Ball nicht erhalten. Im laufenden Spiel können sich Gegner der Bremer noch relativ sicher darauf einstellen, dass rund um den Mittelkreis sehr häufig Tief-Klatsch-Tief Situationen erzeugt werden sollen. Werner scheint jedoch darauf hinzuarbeiten, dass die Anzahl an Mustern je nach Situation im Spiel zunimmt, um kontrolliert Personal in Abschlusssituationen zu bringen.

Defensiv hängt alles davon ab, ob die Bremer ihre direkten Duelle gewinnen können und dabei aufmerksam in der Tiefenverteidigung bleiben können. Bei vielen der Verteidiger sieht man ein herausstechen aus der Position, jedoch nur um die Gegner zu stellen und nicht aktiv auf den Ballgewinn zu gehen. Besonders Friedl ist hierin stark, bei Veljkovic, Stark und Jung kann es jedoch zu Problemen kommen, da die Struktur durch das Verlassen der letzten Linie zu Instabilität führen kann, was ein Gegenspieler der nicht aggressiv am Angriffsvortrag gehindert wird, zu möglicherweise tödlichen Pässen einlädt. Ebenfalls kommt es vor, dass Gegenspieler im Rücken unbemerkt einstarten, wenn die Verteidiger zu ballfokussiert sind.

Zu guter Letzt wird Werder Bremen auch davon abhängig sein, ob deren Schlüsselspieler fit bleiben, wenn Friedl, Weiser und Senne Lynen ausfallen, sind sie im derzeitigen Kader schlecht zu ersetzen und den Spielertyp Romano Schmid gibt es ebenfalls kein zweites Mal. Oliver Burke und Naby Keita sind aussortiert und binden den Etat des Bundesligisten. Mit Marco Grüll, Skelly Alvero und Keke Topp kamen für Werners Ideen sehr passende Spielertypen, die sich jedoch alle noch nicht in einer der Top-Fünf Ligen bewiesen haben und mit Nick Woltemade gab es nur einen Abgang aus der Startelf der letzten Rückrunde. Isak Hansen-Aaröen ist ein Fingerzeig in Richtung des kreativen Zentrums, der dem Spielertyp Schmid am nächsten kommt. Inwieweit auch er sich an die Bundesliga adaptiert wird spannend zu beobachten. Wahrscheinlich bleibt eine echte Prognose bis zum letzten Tag der Transferperiode schwer, grundsätzlich könnte es sich mit diesem Trainer um ein relativ attraktiv spielendes Mittelfeldteam handeln, dass mit dem Abstieg nicht allzu viel zu tun haben würde.

TS zählte früher die „Ähms“ von Frank Baumann in Interviews. Neben Nischen-Beiträgen auf transfermarkt zu bspw. Nordsjaelland und deren Spielern widmet er sich hauptsächlich seiner Karriere als Psychologe. Eigengewächse sind cool.

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