Türchen 20: Pressing der Flügelstürmer nach innen

In der Anfangsphase eines (wenn auch am Ende nach Führung verlorenen) Pokalspiels gegen den Erzrivalen Manchester United lieferte Liverpool Anfang 2021 einige Paradebeispiele, wie das Pressing im Trichter von außen nach innen, also mit diagonal nach innen anlaufenden Flügelstürmern, funktioniert.

Besonders deutlich wurde, wie entscheidend die Vorbereitung und der Moment der Auslösung dafür sind. Zunächst startete Liverpool auf einer leicht vorgeschobenen Mittelfeldhöhe und musste nach einer Verlagerung das gegnerische Aufrücken verhindern. Gegen den flach und eng positionierten Shaw betrieb Salah großen Aufwand, um per Bogenlauf einen möglichen Pass nach außen auf den gegnerischen Flügelstürmer zu schließen, und rückte dann auf den Gegenspieler vor. Shaw deutete van de Beek an, die Lücke zwischen Salah und Wijnaldum zu bespielen, aber dieser schien sich nicht zu trauen im unmittelbaren Umkreis von Thiago.

Daraufhin brach Shaw ab und Pogba löste sich seitlich in den Raum neben Firmino als einzigem Stürmer des 4-3-3/4-1-4-1 für ein Anspiel. Pogba drehte sich diagonal nach hinten weg, um so auch dem Druck von Wijnaldum zu erreichen, der gegen ihn aus der Formation herausrückte. Mit dem Gegenspieler im Rücken dribbelte Pogba ein Stück diagonal nach hinten.

Er konnte vergleichsweise lange den Ball gegen Wijnaldum abschirmen und gab damit eigentlich seinen Mitspielern Zeit für Bewegungen, aber es passierte kaum etwas: Die Außenverteidiger kamen nur langsam flacher und die Innenverteidiger, vor allem Lindelöf, setzen sich nicht allzu aktiv ab. Während Wijnaldum gegen Pogba so weit folgte, schloss Firmino McTominay.

Jones wiederum war aus seiner ballfernen Position bereits zunehmend weiter vorgeschoben und machte dies geschickt: Er bewegte sich stets auf Sprung zu Lindelöf, beobachtete aber die Ballführung Pogbas gut und machte während des Vorrückens zwischendurch kleine Schritte weiter nach außen, wenn ihm der Chipball auf Wan-Bissaka wahrscheinlicher zu werden schien.

Letztlich konnte Pogba nicht viel tun und musste nach einiger Zeit zwangsläufig auf Lindelöf nach hinten spielen. Der Raum für United wurde aber von Sekunde zu Sekunde enger, während Liverpool sukzessive herausrücken konnte und an Höhe gewann. Diese schleichende Bewegung in Richtung des Tors der aufbauenden Mannschaft löst bei dieser oftmals Passivität im Freilaufverhalten aus, durch unterbewusste Sorge vor etwaigen gefährlichen Ballverlusten typischerweise.

Als Lindelöf den Ball erhielt, schob Firmino wieder etwas vor und erschwerte das frontale Andribbeln bzw. jenes leicht diagonal auf Jones hin. Insgesamt hatte Lindelöf auch wieder nicht viele Optionen und entschied sich schnell zu einem Querpass auf den zunehmend weiter einrückenden Maguire. Diese Situation war endgültig das Signal für Liverpool, um zuzuschlagen – also auszulösen, zu pressen und durchzulaufen.

Salah ging im leicht diagonalen Bogen von außen auf Maguire, der zumal nun eine sehr große (auch horizontale Distanz) zu Shaw hatte. Der Rest war Formsache für Liverpool: Firmino machte den Passweg für Maguire zu McTominay zu, Jones schob nach vorne und attackierte den nächsten Querpass zurück auf Lindelöf und Salah lief schließlich beim darauffolgenden Rückpass auf den Torwart durch, der den Ball wegschlagen musste.

Letztlich hatte Liverpool also mit beiden Flügelstürmern die beiden Innenverteidiger attackiert und mit dem Stürmer gegen einen Sechser gearbeitet, aber nicht frühzeitig mit festen Zuteilungen, sondern sehr dynamisch und auch im Übergang von einer niedrigeren Pressinghöhe. Hinter den vordersten Spielern standen ballfern Rechtsverteidiger Alexander-Arnold bzw. ballnah Achter Milner etwas breiter zur Vorsicht auf Sprung gegen die nominell offenen, aber abgeschnittenen Außenverteidiger Uniteds.

Insgesamt lieferte Liverpool in dieser Szene eine, insbesondere vom Timing, sehr gute und saubere Ausführung dieses häufiger anzutreffenden Pressingmusters. Neben der Qualität der eigenen Umsetzung profitierte das Team natürlich auch davon, dass der Gegner in der Anpassung eigener Positionierungen keine große Aktivität entwickelte und genauso nicht schon frühzeitig und wiederum aktiver den Torwart mit einband.

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