Türchen 1: Attackieren im 2auf3 und 3auf3

Zwei Szenen zu Benficas Pressingversuchen aus dem 4-2-2-2 heraus gegen die Dreierkette des Stadtrivalen Sporting

In letzter Zeit ist das 3-4-2-1 als Ballbesitzformation sehr häufig. Dagegen steht man für das Pressing vor der Entscheidung, ob man in Gleichzahl mit drei Mann anlaufen will oder ob man versucht, asymmetrisch mit zwei Stürmern die drei Aufbauspieler voneinander abzuschneiden.

Gerade für nominelle enge 4-4-2- respektive 4-2-2-2-Defensivordnungen ist das eine interessante Frage. Den engen „Außenspielern“ kommt in dieser Konstellation eine Schlüsselrolle zu. Einer von den beiden könnte in einer klaren Asymmetrie zum dritten Stürmer werden oder beide rücken abwechselnd vor. Alternativ ist es auch eine Variante, dass beide jeweils in ihrem Halbraum auf das Pressing im Bogen gegen den Halbverteidiger lauern und man dies mit einer zurückgezogenen Position der beiden nominellen Stürmer kombiniert, mehr wie zwei Zehner gegen den Sechserraum.

Roger Schmidts Benfica nutzte in dieser Saison aus dem 4-2-2-2 unterschiedliche Ansätze gegen den 3-2-Aufbau von Stadtrivale Sporting, der beide Flügelverteidiger hochschob. In dieser Szene rückte Joao Mario als linker Halbspieler auf den rechten Halbverteidiger vor und löste damit die numerische 3gegen3-Gleichzahl aus, die seine beiden Stürmer vervollständigten. Allerdings wirkte nicht ganz klar, ob das Team auf den Querpass tatsächlich den Pressingübergang starten oder weiter in der Raumkontrolle bleiben wollte.

Bei Sporting reagierte der linke Halbverteidiger Inácio gut, indem er sich breit absetzte und dadurch Musa anlockte. Dessen offene Position wurde sofort von Morita besetzt, der auf den erhöhten Druck entgegenkam. Weil Rafa auf den Querpass nach vorne gerückt war, hatte Morita auf Pass von Coates dann eine gute Chance, diagonal gegen die Verschieberichtung zwischen die Linien auf Edwards fortzusetzen.

Sporting war nahe dran, den Gegner zu knacken, aber es gelang nicht ganz, da Joao Neves frühzeitig auf jenen Pass antizipierte und auch Joao Mário inmitten der engen Abstände noch die Möglichkeit hatte, von oben nachzuarbeiten.

Edwards musste am Ende abbrechen und zurückspielen. Sein Zehnerkollege Pedro Goncalves hatte sich im Laufe der Szene ballnah bewegt und wollte sich nach dem Rückpass den Ball abholen. Dafür kam er sehr flach halblinks entgegen, spielte dann aber auch wieder zurück. Zumindest konnte er kurzzeitig die Orientierung di Marías auf sich ziehen, was im Fortgang der Situation wichtig wurde, als sich das Spiel wieder halbrechts zu Diomande verlagerte.

In dieser Anschlussszene nun verhielt sich Benfica anders als etwa eine halbe Minute zuvor: Nicht Joao Mário löste auf Diomande aus, sondern diesmal Rafa Silva als einer der Stürmer. Musa machte den zentralen Verteidiger zu und dadurch sollte Inácio ballfern isoliert werden.

Weil Diomande und die Zentrumsspieler Sportings aber gut reagierten, schlugen die Bemühungen fehl. Hjulmand lief zur Ballseite und Morita wurde als ballferner Sechser in der zentralen Sechserposition frei für den Diagonalpass, von Diomande gut mit dem linken Fuß ausgeführt.

Während Rafa Silva es nicht gelungen war, den Halbverteidiger nach außen zu lenken, machten innen gleichzeitig vor allem die Positionierungen von Florentino und di María Probleme bzw. passten nicht zueinander. Keiner von beiden stand hoch genug, um Morita zu schließen, bzw. keiner hatte zumindest einen kurzen Weg, um dies dynamisch mit dem Pass Diomandes zu schaffen.

Der Übergang in eine 4-1-3-2-Struktur mit höherem di María und Florentino in der Absicherung hätte Benfica geholfen, zumal di María auf einen Klatschball von Morita auf Inácio gegebenenfalls hätte durchjagen können.

Dass der Argentinier einen langen Weg nach vorne hatte und letztlich gegen Morita zu spät kam, lag auch an seiner Verbindung mit Florentino, dessen hohe Position ihn zunächst zögern ließ.

Auf der einen Seite dürfte sich Florentino selbst dazu hinreißen haben lassen, weil sein Nebenmann Joao Neves noch recht weit vom ballnahen Hjulmand entfernt stand. Dieser war hinter Rafa Silva aber überhaupt nicht direkt anspielbar. Florentino wollte aber wohl mehr Kontakt aus dem Mittelfeld zu Musa und zum gegnerischen Sechserraum finden, hätte jedoch besser für seinen Partner und vor allem für di María die Absicherung übernommen.

Denn auf der anderen Seite mochte er höher stehen als Joao Neves, aber wiederum nicht hoch genug, um Zugriff auf Morita herstellen zu können. Alternativ hätte ein Herausrücken Florentinos prinzipiell zumindest dann funktionieren können, wenn dieser dafür klar auf Morita attackiert hätte statt sich irgendwo zwischen den beiden gegnerischen Sechsern zu halten. Dass Diomande den Ball dann unter Druck direkt auf Pedro Goncalves gelasert hätte, wäre dafür als Risiko in Kauf zu nehmen gewesen.

Letztlich überwand Morita zwischen Musa, Florentino und di María den Druck Benficas. Mit einer hervorragenden technischen Ausführung leitete er den Pass Diomandes direkt auf den im Zehnerraum gänzlich offenen Pedro Goncalves weiter.

Kurzer abschließender Brückenschlag zur Präsentation des diesjährigen Adventskalenders: Der weitere Fortgang der Szene, aus der Sporting trotz guter Ausgangslage nichts Zählbares machte, wurde in diesem Türchen bewusst ausgespart, könnte sich aber genauso zu einer eingehenden Analyse eignen, dann zum Bereich Offensivspiel/Angreifen/Ausspielen. Manch einer würde argumentieren, dass die Flügelläufer als Breitengeber Sportings einen längeren Weg in die Spitze hatten (weil sie nicht so selbstverständlich auf letzter Linie standen), als es nominelle Außenstürmer gehabt, wenn diese die gleiche Rolle eingenommen hätten.

tobit 1. Dezember 2023 um 09:07

Hätte Sporting diese Drucksituationen nicht Recht einfach umgehen können, wenn sie die Halbverteidiger von vorneherein breiter und vllt auch flacher positioniert hätten? Dann wären die Rausrückwege nochmal länger gewesen und man hätte jederzeit noch longline auf den Wingback (oder einen ausweichenden Zehner) spielen können.

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JM 2. Dezember 2023 um 18:36

Ist da dann nicht die Gefahr, dass ein Team wie Benfica nicht genug gelockt wird und dich dann beim Pass auf den Halbverteidiger auf einer Seite isoliert?

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tobit 3. Dezember 2023 um 16:58

Wie wollen sie Sporting denn isolieren? Dafür bräuchten sie den ballnahen Stürmer unheimlich hoch um den Rückpass zu Coates zu verhindern (aber tief genug, dass der überhaupt zum HV spielt), den ballfernen Stürmer und Zehner in den Passwegen zu den ballfernen DM und HV und den ballnahen Zehner zum Druckmachen auf den Ballführenden.
Wenn man sich isolieren lässt, sind nach dem Ball zum Flügelläufer wahrscheinlich alle vier Offensiven Benficas erstmal raus aus dem Spiel, weil sie im durch ihr Hochschieben Bewegungsnachteil sind bzw. eh schon höher als ihre Gegenspieler stehen mussten. Es können also durchaus häufig Situationen entstehen, wo der ballnahe Sechser Benficas sowohl den Pass zu Sportings Zehner als auch zum nachstoßenden Sechser bewachen müsste. Zieht Benfica beide Sechser auf eine Seite, öffnen sie den ballfernen Halbraum, der auf verschiedensten Wegen von Sporting besetzt und – zugegeben mit mehr Risiko als die bisherigen Bälle – auch angespielt werden kann.
Wenn Sporting trotz des massiven Aufrückens vom HV zurück zur anderen Seite spielen möchte, würde sich eine relativ flache Position des ballfernen Zehners (wie es Edwards in der Grafik tut) oder ein leichtes Einrücken des Wingbacks für eine Verlagerung anbieten, die entweder mit weiterem Rausrücken aus der Tiefe oder der Aufgabe des Zentrums durch Benfica beantwortet werden müsste.

Das basiert alles darauf, dass Benfica sich locken lässt. Wenn sie sich nicht locken lassen, bleibt der Rückweg über Coates oder einen zurückfallenden Sechser (oder zur Not den TW) immer offen.

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