Türchen 10: Lars Stindl
Lars Stindl ist gewissermaßen der Inbegriff eines nationalen Stars. Auf internationalem Parkett – weder mit dem Club noch in der Nationalmannschaft – hat Stindl je großartig von sich reden gemacht. Aber daheim wird er von allen respektiert.
Eigentlich ist über Stindl bereits alles gesagt und geschrieben. Der überraschendste Fakt, den nicht alle kennen, ist wohl, dass sein zweiter Vorname Edi ist. Aber abseits dieser Erkenntnis gibt es wenig Verblüffendes. Stindl ist Mr. Mönchengladbach und das seit einem halben Jahrzehnt. In seiner Rolle als Hybrid zwischen Angreifer und Zehner hat er schon derart viele Aufgaben erfüllt, dass die Hälfte davon wohl bereits wieder in Vergessenheit geraten sind.
Zu erinnern sei etwa an jene Zeit unter Dieter Hecking, in der Stindl gerne aus dem zentralen Mittelfeld heraus, das Spiel der Gladbacher aufzog, gerade wenn es an spielmacherischer Qualität in der Mitte mangelte. Zu erinnern sei auch an seine Tage als verkappter Flügelangreifer, als er häufig von innen nach außen driftete, um entsprechend die gegnerische Abwehrkette auseinanderzuziehen. Und dann wären da noch die zahllosen Auftritte als Schattenstürmer hinter wem auch immer.
Stindl hat schon mehrfach, also in diversen Systemen, als Träger eben jenes Systems gedient. Denn bei aller Qualität, die Borussia Mönchengladbach in einzelnen Spielphasen ausgestrahlt hat, es brauchte immer einen, der die ganze Sache garnierte. Für Garnierung sorgte Stindl beispielsweise als intelligenter Pressingakteur, wenn er geschickt zwischen Abwehr und Mittelfeld postierte. Ebenso war Stindl für das gewisse Extra zuständig, wenn er sich im ansonsten weiträumigen Gladbacher Spiel zentral in die Engen bewegte und die gegnerische Formation um ihn herum zusammenzog.
Der Mann für Erfolgsstabilität
Nun bleibt trotzdem die Frage, warum Stindl in die Kategorie Systemträger fällt. Gladbach ist seit einigen Jahren eine in allen Phasen solide Mannschaft, die allerdings systemisch nicht immer Durchschlagskraft entwickeln konnte. Dann kam Stindl ins Spiel, der die Grundstabilität in offensive Erfolgsstabilität transformierte. Ohne Stindl hätten die Fohlen teilweise zahnlos gewirkt, weil viele Angriffe beliebig über die Außenbahnen vorangetrieben worden wären, ohne den entscheidenden Zug zum Tor zu entwickeln.
Stindl ist dabei nicht einmal derjenige, der unbedingt zum Abschluss kommen muss, wenngleich seine Torquote in einigen Jahren hervorragend war. Vielmehr ist Stindl ein wichtiges Verbindungsstück hin zum letzten Mannschaftsteil und zugleich eine Art Provokateur gegnerischer Abwehr- und Positionierungsfehler. Für mehrere Spielzeiten war Stindl aus diesen Gründen de facto unersetzlich für Gladbach und die offensive Leistungsfähigkeit der Fohlen nahm meist erheblich ab, wenn er mal fehlte. Normalerweise könnte man argumentieren, dass ein System keine derartige Abhängigkeit aufweisen sollte, aber so gut das Team als Kollektiv in einigen Spielzeiten auch wirkte und so gut auch andere Akteure wie zum Beispiel Thorgan Hazard oder Jonas Hofmann herausstachen, Stindl trug den Erfolg des Ganzen doch erheblich auf seinen Schultern.
Einfluss schwindet unter Hütter
In dieser Saison wirkt es so, als wäre Stindl stärker in eine Nebenrolle gerutscht. Das Spiel der ohnehin strauchelnden Gladbacher trägt nur noch bedingt die Handschrift von Marco Rose. Nachfolger Adi Hütter hat sich einen Namen als Stürmer-Trainer gemacht. In Frankfurt reifte unter ihm die Büffelherde und nach deren Abgang glänzte gerade André Silva, denn der Österreicher lässt einen auf die vordersten Spitzen ausgerichteten Fußball spielen. Er braucht offensive Mittelfeldspieler weniger als Kreateure oder Durchlauferhitzer und vielmehr als räumliche Unterstützer und erste Ballsammler.
Zunächst bestanden schon Fragezeichen, wie es Hütter denn schaffen würde, seinen Fußball mit dem Kader der Gladbacher umzusetzen. Dass Breel Embolo zeitweilig der beste Offensivakteur unter den Fohlen war, bewies noch einmal, wie sich Hütters Einfluss bemerkbar machte. Als Unterstützer für Embolo fungierten die nachstoßenden Sechser Manu Koné und Denis Zakaria – Stindl war seinerseits dazwischen und reihte sich entweder nahtlos ins Passspiel ein oder verwertete an der Seite von Embolo ebenso Anspiele.
Aber zuweilen kann auch Jonas Hofmann in der Zehnerrolle spielen, weil er in Kollaboration mit den zwei Sechsern ein nachstoßendes Trio bildet, das die von Hütter gewünschte Dynamik ausstrahlt. Der 33-jährige Stindl ist seinerseits weiterhin in der Lage, einen gewissen Einfluss auf das Gladbacher Spiel zu entfalten, aber als Systemträger ist er zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zu bezeichnen.
Dass Stindl nie den ganz großen internationalen Durchbruch geschafft hat, ist schade. Sein Siegtreffer im Confed-Cup-Finale gegen Chile 2017 bleibt wohl das große Highlight abseits der Bundesliga. Aber als Führungsspieler und offensiver Erfolgsgarant hat er zumindest in seinem Reich als König regiert.
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