Türchen 9: Mark Uth

Mark Uth liebt das Risiko. Schließlich spielt er auf Schalke. Haha. Damit haben wir das Thema Schalke-Witze abgehakt und können zu dem wahren Grund kommen, warum Uth Teil dieses Kalenders ist. Spoiler-Alarm: Genau diese Gründe sorgen dafür, dass Uth sich auf Schalke so schwertut.

Mark-Alexander Uth begann seine fußballerische Karriere in seiner Heimatstadt Köln. Der Durchbruch gelang ihm allerdings in den Niederlanden. 2014/15 erzielte er für den SC Heerenveen über zwanzig Pflichtspiel-Treffer in Liga und Europa League. Über den Umweg Eredivisie erfüllte er sich den Traum Bundesliga: Die TSG Hoffenheim verpflichtete ihn 2015.

Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images

Auch hier stellte sich der Start als äußerst schwierig dar. Unter Markus Gisdol und Huub Stevens taumelte der Klub dem Abstieg entgegen. Unter diesen Trainern konnte sich Uth nicht durchsetzen.

Erst als der junge Julian Nagelsmann im Februar 2016 den Verein übernahm, schlug Uths Stunde. Er avancierte zum Stammspieler und erzielte sieben Tore in der Rückrunde. Unter Nagelsmann kam Uth in den folgenden Jahren auf allen Positionen zum Einsatz. Am häufigsten agierte er als Sturmspitze oder als rechter Außenstürmer, manchmal spielte er aber als Achter in Nagelsmanns favorisiertem 5-3-2-System. Uth krönte seine Zeit in Hoffenheim mit 14 Saisontreffern in seiner finalen Saison 2017/18, ehe er nach Schalke wechselte.

Risikobehafteter Alleskönner

Nun lautet das Motto dieses Kalenders aber nicht „Spieler, die unter Nagelsmann ihr Karrierehoch hatten“, sondern „Risikospieler“. Welche Risiken geht Uth ein? Sein Skillset ist für einen Stürmer zunächst einmal etwas merkwürdig:

  • Er verfügt über einen starken Abschluss inklusive einem sehr guten Schuss. Aber seine fehlende Körperlichkeit sowie seine Kopfballschwäche prädestinieren ihn nicht dafür, als Strafraumstürmer oder Wandspieler zu agieren.
  • Sein Timing beim Sprint hinter die Abwehr ist großartig, was ihn gefährlich macht bei Tiefenläufen. Aber er ist nicht der schnellste Sprinter der Liga. Eine Einbindung als reiner Nadelspieler würde ihm nicht gerecht.
  • Er ist ein kombinativ veranlagter Spielertyp. Viele seiner Aktionen löst er mit dem ersten Kontakt. Doch seine Technik ist zu sprunghaft, um ihn als fokalen Punkt einer Offensive einzusetzen; dazu produziert er zu viel Ausschussware und ist in seinen Bewegungen zu unfokussiert.

Das Besondere an Uth ist, dass er die Stärken der spezifischen Stürmertypen kombiniert – und diese Stärken mit einer gehörigen Portion Risiko mischt. Uth ist als Fußballer immer in Bewegung und auf der Suche nach der Tor-gerichteten Aktion. Als Außenstürmer oder Mittelstürmer weicht er genauso häufig in den Halbraum aus wie er den direkten Sprint zum Tor sucht. Er wählt stets jene Aktion, welche den schnellsten Weg verspricht, zum gegnerischen Tor zu gelangen.

Wenn Uth sich etwa zurückfallen lässt, dann nicht, um den Ball zu halten. Uth bekommt den Ball, setzt zu einem kurzen, aber explosiven Dribbling an und passt sofort weiter. Ähnlich explosiv sind seine Läufe hinter die Abwehr: Um seinen Geschwindigkeitsvorteil auf den ersten Metern auszuspielen, benötigt er den Ball möglichst früh. Seine Mitspieler dürfen nicht lange darüber nachdenken, wie sie ihm den Ball zukommen lassen.

Wenn Uth die Wahl zwischen zwei Aktionen hat, wählt er praktisch immer die riskantere. Das betrifft nicht nur Schnittstellenpässe oder Läufe, sondern auch Schüsse. Uth ist ein herausragender Fernschütze. Seine Schusstechnik kommt vor allem zur Geltung, wenn der Ball „ruht“, etwa nach einem flachen Pass oder – noch besser – einer Standardsituation. Uth ist – das muss man neidlos anerkennen – der wohl beste Freistoßschütze der Bundesliga. Nach eigenen Angaben trainiert er zweimal die Woche Freistöße. Er merkt sich exakt, an welcher Stelle er den Ball zu treffen hat – und liefert dann im Spiel ab.

Probleme bei unfokussierter Einbindung

Hoffenheim gegen Dortmund, Mai 2017

In Hoffenheim war Uth mit diesen Stärken optimal in Nagelsmanns Offensivspiel eingebunden. Die Ballzirkulation fand hier zumeist zwischen Dreierkette und Sechsern statt. Die Offensivkräfte sollten mit ihren Positionierungen, schnellen Positionswechseln und daraus folgenden Kombinationen die Ballzirkulation aus dem zweiten Drittel möglichst schnell vor das Tor tragen. Uth trug seinen entscheidenden Teil dazu bei: indem er immer wieder auswich und kurze Ablagen spielte oder schnell vor das Tor sprintete. Als Außenstürmer in 4-3-3- oder 3-4-3-Systemen war er zudem prädestiniert dafür, am zweiten Pfosten als Abnehmer für die flachen Hereingaben bereitzustehen, die so typisch waren für Nagelsmanns Hoffenheim.

Uth profitierte in Hoffenheim aber auch von seinem Umfeld. Er hatte viele Spieler neben sich, die noch etwas spezialisierter waren als Uth: So war sein Nebenmann Kevin Volland noch mehr der Typ Nadelspieler als Uth, kann also Bälle an die gegnerische Abwehrkette noch besser aufs Tor bringen. Kramaric wiederum beherrscht die hohe Kunst der strategischen Spielgestaltung; der Kroate denkt mit seinen Pässen und Dribblings zwei bis drei Schritte voraus. Das tut Uth nicht. Serge Gnabry nutzte mit seinen Tempodribblings den Raum, den Uth mit seinen kurzen Dribblings öffnete. Und Sandro Wagner tat, was ein Sandro Wagner als Strafraumstürmer eben so tut.

Uths Spiel kann schnell unfokussiert wirken, wenn er nicht aktiv in ein riskantes Kombinationsspiel einbezogen wird. Er spielt mit dem Risiko, was in zwei unterschiedliche Richtungen ausschlagen kann: Selten überdreht Uth, wenn er etwa Bälle im Halbraum fordert und dann sofort gegen mehrere Spieler ins kurze Dribbling geht. Öfter passiert es aber, dass Uth gar keine Präsenz hat, etwa wenn seine Mannschaft seine Tiefensprints oder ausweichende Läufe im letzten Drittel nicht bedient. Oder wenn die Mannschaft sie bedient, Uth für seine Anschlussaktionen aber keinen Mitspieler findet, der seine riskante Idee dann auch veredelt.

Probleme auf Schalke

Es fällt nicht schwer, den Übergang zum Thema Schalke zu finden. Uth und Schalke – das ist bisher keine Liebesbeziehung. Zunächst plagten ihn Verletzungen, später fand er sich nicht im Schalker Spielsystem zurecht. Schalke spielte in den vergangenen Jahren relativ defensiven Fußball. Man könnte sagen: Konterfußball ohne Konter. Ein intensives, hohes Mittelfeldpressing wurde als Maßnahme genutzt, den Spielfluss für beide Teams zu zerstören. Die Konter-Komponente blieb selbst unter Konter-Trainer David Wagner unterentwickelt, was für einen riskanten Kombinationsfußballer wie Uth tödlich ist. Er fühlte sich in dem System sichtlich unwohl: als Stürmer bekam er keine Bälle, als Spielmacher war er zu sehr darin gefordert, das Spiel zu machen und nicht etwa das gemachte Spiel zu vollenden.

Dass Uth sich im Zweifel auch im klassischen Konterfußball wohlfühlt, bewies er in Köln. Hier kamen seine Stärken besser zur Geltung: Seine kurzen, schnellen Sprints waren im Gisdol-Fußball genauso gefragt wie seine riskante Spielart. Köln provozierte Konter und wollte sie dann auch zu Ende spielen. Gisdol forderte geradeheraus von Uth, immer wieder in den Strafraum zu sprinten. Zudem konnte Uth hier seine Stärke bei Standards zur Geltung bringen.

Und auf Schalke? Da agiert Uth derzeit allein auf weiter Flur. Er hat keine Kombinationspartner, es gibt keine Konter, die er veredeln kann, und selbst bei Standards ist das Team schwach. Ein Schönwetterfußballer ist Uth zwar nicht. Doch er gehört eben auch nicht zu den Fußballern, die selbst dann Leistungen bringen, wenn ihr Team nicht funktioniert. Dafür hängt seine Rolle als riskanter Tausendsassa zu sehr daran, eingebettet zu sein in ein schnelles Kombinationsspiel im finalen Drittel.

Somit wären wir wieder beim Ausgangspunkt des Artikels angelangt. Das größte Risiko, das Uths Spiel momentan anhaftet: dass er beim FC Schalke spielt und nicht bei einem Verein, der seine Stärken zu nutzen weiß.

DreamsTonite 9. Dezember 2020 um 13:58

„Spieler, die unter Nagelsmann ihr Karrierehoch hatten“ dann bitte im nächsten Adventskalender. 🙂

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tobit 9. Dezember 2020 um 16:07

Ich meine, das sind fast alle die regelmäßig gespielt haben. Selbst über Süle könnte man da fast noch diskutieren obwohl er schon über 100 Spiele für die Bayern gemacht hat.
Ich hätte nichts dagegen, sind viele coole Kicker über die man viel schreiben kann dabei.

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moris1610 12. Dezember 2020 um 01:44

Ich kaufe 24x Nico Schulz. Kevin Vogt ist auch ein sehr guter Kandidat.

Baumgartner mit Nagelsmann hätte ich gerne gesehen.

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tobit 12. Dezember 2020 um 09:20

Oder Rupp. Der war zwar kein Stammspieler, aber ein interessanter Kicker den sonst kaum jemand so wirklich eingebunden bekam. Sah dann oft nicht bundesligatauglich aus, war aber bei Nagelsmann „plötzlich“ gut genug für Europa.

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tobit 9. Dezember 2020 um 13:08

@TE
Kleine Korrektur: Guerreiro spielt zwar gerne Flügel und Achter gleichzeitig. Er ist aber wie der Olsen-Zwilling nur eine Person, die sehr schnell zwischen beiden Positionen hin- und herwechselt.

@Daniel
Absolute Zustimmung. Leider bedeutet das wohl, dass wir immer noch kein Müller-Portrait bekommen. Ein weiterer ähnlich gelagerter Spieler ist für mich Gregoritsch. Deswegen habe ich auch nie gecheckt warum Schalke Uth verleiht um ihn dann direkt wieder zurückzuleihen.
Uth würde zwar überall besser reinpassen als auf Schalke, aber wirklich gut auch nicht überall. In Dortmund hätte er wahrscheinlich auch große Probleme, weil da Risiko meist nur in Isolation erwünscht ist (ein Grund warum Brandt nicht so wirklich funktioniert).

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Daniel 9. Dezember 2020 um 12:23

Schönes Türchen, Uth ist ein extrem interessanter Spieler. Mich hat er von Anfang an an Thomas Müller erinnert und das kommt ja auch im Text gut rüber…viele dieser Attribute verkörpert auch Müller. Im Grunde muss man für ihn hoffen, dass möglichst schnell ein Verein ihn von Schalke wegholt, den nirgendwo passt er so schlecht hin wie zum im Angriffs- und Ballbesitzspiel schlechtesten Mannschaft der Liga. Bei vermutlich jedem anderen Bundesligisten könnte er seine Stärken viel besser einbringen…

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