Borussia Dortmund auf Stürmersuche

Borussia Dortmund hat momentan sportliche Probleme. Die Tabelle spiegelt die Situation nicht vollends wider, aber einige Auftritte in den vergangenen Wochen waren gerade in der Offensive doch erschreckend harmlos. Eine Frage, die sich bereits vor der Saison stellte, betraf die personelle Lage im Sturm und ob der BVB nicht noch eine Alternative zu Paco Alcácer hätte verpflichten sollen. Diese Frage stellt sich nun dringlicher denn je.

An sich hat Alcácer an den ersten fünf Spieltagen der Bundesliga, an denen er in der Startelf der Dortmunder stand, sehr gute Leistungen abgeliefert. Seine offensive Präsenz, seine Beteiligung an Torabschlüssen und effiziente Spielweise im gegnerischen Strafraum machen ihn zu einem wertvollen Asset. Sein Ausfall nach der Partie gegen Werder Bremen machte sich beim BVB sofort bemerkbar.

Vergleich der Dortmunder Werte in der Offensive bis zum Ausfall Alcácers und danach. Insgesamt erarbeitete sich Dortmund weniger Schüsse, war aber gleichzeitig auch weniger kreativ in der Offensive, was sich beispielsweise an der höheren Flankenquote ablesen lässt.

Natürlich lagen die offensivschwachen Auftritte nicht nur allein am Fehlen von Alcácer, denn mit Schalke, Mönchengladbach und den Bayern hatte es Dortmund auch mit einigen Hochkarätern der Liga zu tun, die auf ihre jeweilige Weise defensiv stabil stehen können. Trotzdem wurde deutlich, dass der BVB keinen wirklich adäquaten Ersatz besitzt, um insbesondere im Übergang zum letzten Drittel und erst recht beim Spiel in den Strafraum, den Ball über diesen einen wichtigen Zielspieler laufen zu lassen.

Mario Götze bringt viele Qualitäten mit, ist aber auf der vordersten Position oftmals falsch eingesetzt. Er wäre viel besser im zentralen Mittelfeld aufgehoben, wo er sein Spielverständnis und seine kleinteilige Spielweise zum Nutzen der Mannschaft einsetzen kann. Götze jedoch scheint als Alcácer-Ersatz für den Moment auserkoren. Langfristig jedoch kann das nicht die Lösung für einen ambitionierten Club wie den BVB sein, zumal die Zeit Götzes in Dortmund eventuell im kommenden Sommer abgelaufen ist.

Götze und Alcácer könnten wohl – mal unabhängig vom Kontext der Partien – unterschiedlicher nicht sein. Das gilt gerade für die Art, wie sie sich ins Spiel einbinden, aber auch etwa welche Möglichkeiten sie bei Konter- und Schnellangriffen haben.

Was ist Alcácer eigentlich?

Auffällig an Alcácer ist, wie er sein Spiel an die jeweilige Match-Situation anpassen kann. Dominiert der BVB eine Partie und hat viele lange Ballbesitzphasen, so positioniert er sich zumeist im Spielfeldzentrum und bleibt damit auch intuitiv für die Offensivspieler neben und hinter ihm anspielbar. Er ist in der Nähe der gegnerischen Verteidiger präsent und beschäftigt diese, damit sie nicht etwa nach vorn rücken und proaktiver verteidigen oder aber die inversen Bewegungen von jemandem wie Jadon Sancho besser abfangen können.

Muss der BVB jedoch aus einer tieferen Position heraus kontern, wie das etwa in der ersten Halbzeit gegen Bayer Leverkusen der Fall war, weil die Rheinländer doch sehr intensives Mittelfeldpressing spielten, so weicht Alcácer stärker auf eine Seite aus. In dieser konkreten Partie rückte er nach links, versuchte dort die halblangen Bälle, die zwischen Lars Bender und Kai Havertz hindurch nach vorn gelangten, aufzunehmen und ins Sprintduell mit Jonathan Tah zu gehen.

Im ersten Saisonspiel gegen Augsburg agierte der BVB sehr asymmetrisch mit Alcácer als zentralen Zielspieler. Gegen Leverkusen hingegen musste Alcácer gerade in der schwierigen ersten Halbzeit häufiger auf die linke Seite ausweichen und weiter außen die Bälle aufnehmen, um das Konterspiel der Dortmunder weiterzuführen.

Das ist die große Stärke von Alcácer: Er ist weder ein klassischer Strafraumstürmer – trotz seines Torinstinkts und seiner intelligenten Positionierung – noch ein reiner Konterstürmer – trotz seiner Schnelligkeit und ausweichenden Bewegungen. Er vereint beide Elemente sehr gut und ist deshalb eigentlich auch der perfekte Stürmer für den BVB, der seine Spielweise gerade aufgrund der Anfälligkeit gegen hohes Pressing gelegentlich anpassen muss.

Eine Kopie

Nun resultiert aus dieser kurzen Analyse die Frage, ob Dortmund im kommenden Sommer Anstrengungen unternehmen sollte, einen „zweiten“ Paco Alcácer zu verpflichten. Die statistischen Zahlen in dieser und letzter Saison zeigen, dass es in der Bundesliga den einen oder anderen Stürmer gibt, der sich dafür anbietet und dessen statistische Ähnlichkeit bei um die 80 Prozent liegt. Da wäre zum einen Kevin Volland, der sich zuletzt noch einmal stärker hin zu einem zentralen Zielspieler entwickelt hat, aber aufgrund seiner Laufbahn auch immer noch über den Halbraum spielen kann. Volland wurde in dieser Saison bereits fünfmal von Peter Bosz auf der linken Seite eingesetzt, agierte dabei recht einrückend und suchte stets die Nähe zum Mittelstürmer. Volland könnte beispielsweise in einem Kontersystem ähnlich wie Alcácer ausweichen und den Angriff weiterführen.

Ein anderer taktisch flexibler Stürmer, der statistisch ebenfalls in die Kategorie von Alcácer fällt, ist Andrej Kramarić. In dieser Saison kam der Kroate aufgrund einer Knieverletzung nur zweimal zum Einsatz. Aber in den vergangenen Jahren stellte er bei Hoffenheim regelmäßig unter Beweis, wie er sowohl im Zentrum als auch von der linken Halbposition seinen Teil zum Offensivspiel beisteuern kann. Er unterscheidet sich von Volland dahingehend, dass er noch mehr qualitativ hochwertige Abschlüsse generiert, aber auch gerade ganz vorn mit mehr Risiko spielt und damit auch häufiger als Volland den Ball verliert. Der Dritte im Bunde ist übrigens Alfreð Finnbogason, der jedoch aufgrund seines Alters, seiner bisherigen Laufbahn und seiner Verletzungsanfälligkeit wohl keine Option für den BVB darstellen kann.

Eine physische Alternative

Nun kann die Suche nach einer Alcácer-Alternative jedoch auch aus einer anderen Perspektive betrachtet werden. Der Ruf nach einem physisch starken Stürmer wird immer wieder laut. Und Lucien Favre hat entgegen mancher Meinungsäußerung in der Öffentlichkeit auch gelegentlich in seiner Karriere einem großen Zielspieler eine Chance gegeben. Also lässt sich eine solche Verpflichtung momentan nicht ausschließen.

Zumal der BVB es in einigen Partien sehr gut versteht, die Durchbrüche zur Grundlinie über beispielsweise Achraf Hakimi perfekt vorzubereiten. Sancho ist sowieso mehr Halb- denn Flügelstürmer. Also allein eine Dortmunder Seite könnte entsprechende Vorlagen kreieren, ohne dass nutzlose Flanken dabei herausspringen. Ebenso könnte ein Stürmer mit Kompetenz im Luftzweikampf eine Anspielstation für Mats Hummels‘ frühe lange Bälle gegen ein Angriffspressing darstellen.

Um solch einen Stürmer zu finden, definieren wir doch einmal die Suchkriterien für Bundesliga-Spieler entsprechend: Wichtig ist, dass der Stürmer trotzdem ballsicher ist, auch ansonsten am Angriffsspiel teilnehmen kann und zugleich eine signifikante Stärke in der Luft mitbringt.

Diese Kriterien auf die aktuelle und letzte Saison bezogen führen zu vier Ergebnissen in der Bundesliga: André Silva, Gonçalo Paciência, Lucas Alario und natürlich Robert Lewandowski. Bei Paciência bezieht sich das Ergebnis auf die letzte Saison, in der er wenig zum Einsatz kam. In dieser Spielzeit fällt er aufgrund seiner vielen Ballverluste eigentlich raus, aber trotzdem stellt er eine interessante Alternative zu Silva und Alario dar.

Die beiden wiederum unterscheiden sich noch einmal in der Art, wie sie am Spiel teilnehmen. Silva ist stärker in Situationen involviert, in der er nicht nur den Torabschluss sucht, sondern seinn Mitspielern aus einer Zone vorm Strafraum assistiert. Das liegt natürlich auch am Spielsystem von Eintracht Frankfurt, das im 3-4-1-2 oder 3-5-2 darauf ausgerichtet ist, dass sich der ballnahe Stürmer bei einem Flügelangriff etwas fallen lässt. Insbesondere bei Spielzügen über Filip Kostic kippt Silva ein wenig zurück und ist somit nicht der präsente vorderste Zielspieler.

Alario hingegen stellt im System von Bayer Leverkusen eine klassische Sturmspitze dar, die im Vergleich zu Alcácer, sehr Torabschluss-orientiert ist und aus diesem Grund weniger am vorbereiteten Kombinationsspiel teilnimmt, deshalb allerdings auch seltener den Ball im letzten Drittel verliert.

Silva, Alario als auch Paciência bringen die physischen Qualitäten mit, die für das geforderte Profil vonnöten sind. Die beiden letztgenannten erscheinen in der Luft noch einen Ticken stärker, was sich gerade in Drucksituationen im Sechzehner bemerkbar machen kann. Silva und Alario haben zudem die spielerischen Qualitäten, um gegenüber der restlichen BVB-Offensive eben nicht komplett abzufallen und nur noch als letztinstanzlicher Zielspieler zu dienen und die Borussen ansonsten zu einem Offensivspiel mit neun statt zehn Feldspielern zu zwingen.

Die beste Variante bleibe eine Offensive mit Alcácer. Aber für mehr taktische Flexibilität, um beispielsweise die Erfolgsquote bei Flügelangriffen zu steigern oder vereinzelt hohes Pressing des Gegners zu bespielen, könnte einer dieser Stürmer dem BVB helfen.

Zusatz: Eine ausländische Alternative?

Die momentanen Gerüchte rund um einen neuen Mittelstürmer für Dortmund drehen sich vor allem um Spieler außerhalb der Bundesliga. Ein interessanter Kandidat, der auch die angeforderten Kriterien erfüllt, ist Olivier Giroud. Der Franzose kann in seinem Alter keine langfristige Alternative sein, aber vielleicht für wenige Spielzeiten eine Alternative zu Alcácer darstellen. Giroud zeichnet natürlich sein physisches Spiel aus, aber eben auch spielerische Qualität, die ihn nicht zum Fremdkörper im BVB-Angriff machen würde.  Der 33-Jährige kommt häufig genug im Strafraum an den Ball, kann sich jedoch außerhalb des Sechzehners genauso ins Spiel einbinden und etwa bei tieferen Konterangriffen die entsprechenden Ablagen spielen. Darauf weisen seine Zahlen hin.


Eine andere Personalie, die eher in die Kategorie „Fantasy Manager“ fällt, ist Salzburgs Erling Håland – der wohl begehrteste Jungstürmer in Europa. Ob er jedoch zum BVB passen würde, liegt nicht sofort auf der Hand. Denn Håland ist herausragend in Sachen offensiver Produktivität, allerdings mit einigen kleineren technischen Fehlern in der Ballverarbeitung, die ein Fragezeichen hinter seinen Namen setzen. Das Spiel der Salzburger ist naturgemäß von einer gewissen Vertikalität und Risikobereitschaft geprägt, sodass manch verlorener Ball in der Sturmspitze kein Problem darstellt. Håland wirkt aber insgesamt nicht so erfolgsstabil in anspruchsvollen Kombinationen. Zugleich muss sich noch zeigen, inwieweit er mit seiner Größe und Körperlichkeit andere Komponenten im Abschlussspiel – gerade in der Luft – weiterentwickeln kann. Zum jetzigen Zeitpunkt ist er wohl keine realistische Option für den BVB, der allerdings große Anziehungskraft auf Top-Talente hat und eigentlich auch den Anspruch besitzt, gerade solche Spieler für sich zu gewinnen.

Der Dank gilt StatsBomb für die Bereitstellung der Daten.

tobit 29. Dezember 2019 um 17:26

So, die „Fantasy-Manager-Variante“ ist realisiert. Dank Ausstiegsklausel sogar als Superschnäppchen. Jetzt muss er nur noch zünden.

Könnt ihr ihn euch im aktuellen 3er-Sturm vorstellen, oder steht schon wieder eine Systemumstellung an?

Antworten

CE 30. Dezember 2019 um 09:36

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er im aktuellen System zentral eingesetzt wird. Optimal hat das mit Reus auch nicht jeder Situation funktioniert. Insofern wäre Haaland eine interessante Alternative – gerade auch fürs Umschaltspiel des BVB. So dominant ist die Mannschaft ja aktuell eh nicht.

Antworten

tobit 30. Dezember 2019 um 13:18

Ich finde schon, dass sie phasenweise Dominanz ausstrahlen. Längst nicht so krass oder konstant wie Leipzig und längst nicht so erdrückend wie unter Tuchel, aber sie drücken schon immer wieder ihre Mechanismen durch und zwingen den Gegnern ihr Spiel auf. Auch im Aufbauspiel wirken sie jetzt viel klarer und schaffen es viel mehr den Gegner in ungünstige Situationen zu bewegen.
Reus fand ich gerade in den letzten Wochen wieder stärker, weil er viel weniger präsent sein musste um einen Einfluss auf das Spiel zu bekommen. Klar war er auch immer wieder etwas verschenkt, wenn einfach die erste Option zum Spiel in die Tiefe durchgedrückt wurde. Aber so ist er mir lieber als wenn er sich ständig ganz tief den Ball abholt und sonst nur auf dem Flügel an den Ball kommt. Gerade gegen den Ball fand ich seine Einbindung endlich mal wieder richtig stark, traust du das Haaland auf ähnlichem Niveau zu?

Ich fände Haaland auch von RA ganz interessant. Hazard hatte da schon so einige Wandspielermomente, die Haaland noch stabiler lösen könnte. Wäre dann natürlich nicht mehr ganz so variabel wie mit Hakimi und Hazard, die beide jederzeit die Tiefe suchen können und sich in der Breite permanent abwechseln. Defensiv müsste Reus dann aber wohl viel klarer ans Mittelfeld anschließen um Hazards fast schon achterhafte Positionierung gegen den Ball zu ersetzen, die ich Haaland noch nicht in dieser Sauberkeit zutraue. Außerdem wäre das eine arg tiefe Startposition für ihn.

Antworten

CE 30. Dezember 2019 um 14:45

Gegen Hoffenheim zum Beispiel konnten sie in der zweiten Halbzeit lange überhaupt nicht mehr ins Spiel eingreifen. Gegen Leipzig phasenweise auch nicht. Was die Spielintelligenz betrifft, nehmen sich Haaland und Reus eigentlich wenig, nur dass Haaland einen super Torinstinkt hat. Als Rechtsaußen wird er trotz seiner Geschwindigkeit bestimmt nicht eingesetzt.

Antworten

WVQ 30. Dezember 2019 um 23:35

Ich würde die zweite Halbzeit gegen Hoffenheim jetzt nicht zu hoch hängen. Die letzten 20, 30 Minuten waren arg schwach, aber das sah eher nach akuter und letztlich banaler Jahresendmüdigkeit aus als nach taktischen Problemen. Und gegen Leipzig hätte hinterher kein Hahn nach mangelnder Dominanz gekräht, wenn man nicht vorweihnachtlich brav zwei Tore verschenkt hätte. Ansonsten hatte Leipzig auch nicht arg viel mehr als das eine Tor, das sie tatsächlich selbst kreiert haben.

Dortmund ist generell sicherlich weiterhin nicht in dem Sinne dominant, daß der Gegner über ein ganzes Spiel hinweg kaum an den Ball kommt und man ihn systematisch kaputtkombiniert. Aber die Aufbaustrukturen sind (oder werden) viel robuster, das Spiel in hohen Zonen erfolgsstabiler, auch das Gegenpressing besser, sogar die Defensive souveräner; dadurch ist man viel öfter als vor der Umstellung zum 3-4-3 in der Lage, den Gegner nicht zu seinem Spiel kommen zu lassen, was auch eine Form von Dominanz ist, weil man damit eben diktiert, in welchen Bahnen das Spiel läuft und in welchen nicht. Ob Favre das in der Rückrunde dahingehend entwickeln kann, daß man (idealerweise, annähernd) über 90 Minuten eine derartige Kontrolle übers Geschehen behält, wird interessant zu sehen sein, aber fürs erste ist es doch zumindest ein auffälliger Wandel von einem sehr einseitig reaktiven, explosiven zu einem deutlich proaktivierem, kontrollierterem und kontrollierenderem Ansatz.

Die Frage nach den Auswirkungen von Haaland stellt sich mir auch und vor allem die danach, ob man Favre vor dem Transfer eigentlich gefragt hat, was er mit Haaland anzufangen wüßte. Gegeben Favres „Reus spielt zentral“-Dogma sehe ich die Verpflichtung fast als ein Indiz dafür, daß tobit mit seiner Vermutung von neulich Recht hat, daß das 3-4-3 mehr aus Personalnot denn aus Wille zur Strukturänderung zustandengekommen ist und Favre grundsätzlich weiter im 4-2-3-1 plant und denkt. Denn da stellt sich die Offensive mit Haaland dann weitgehend von selbst auf und man hat zentral „nur“ die neue Konkurrenz Haaland/Alcácer. (Götze ist für Favre ja eh nur Behelfsspieler und Reus spielte dann eben – leider – wieder auf der Zehn.) Im 3-4-3 allerdings hieße es dann Reus vs. Haaland vs. Alcácer, was selbst im Falle eines Alcácer-Abgangs im Winter noch eine sehr haarige Alternative wäre. Auf dem Flügel sehe ich Haaland eigentlich auch nicht; theoretisch wäre eine Paarung mit Hakimi im 3-4-3 zwar interessant, aber dann müßte man noch stärker auf einen defensiv arbeitenden Außenstürmer gegenüber setzen, und das ginge – wenn überhaupt – nur mit Hazard, nicht mit Sancho. (Aber vielleicht ist Sancho ja auch bald schon weg, wer weiß.)

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CE 31. Dezember 2019 um 09:43

Gegen Hertha strahlte der BVB auch vor der Roten Karte nicht immer Dominanz aus. Gegen Slavia im Rückspiel auch nicht. Und das Leipzig-Spiel sollte man nicht einfach missachten. Gegen die offensivstärkste Mannschaft der Liga darf ein Team auch bei 3:0-Führung eben nicht passiv in der eigenen Hälfte stehen. Es ist ein Muster. Das Spielsystem ist allerdings auch nicht darauf ausgelegt, Gegner über 90 Minuten an die Wand zu spielen. Dafür hat Dortmund gar nicht die Spieler. Und Haaland ist selbst jemand, der von der Dynamik im Umschalten lebt.

Favre müsste vielleicht von seinem Dogma abrücken. Reus kann wie auch in der Nationalmannschaft vor kurzem auf der Halbposition spielen. So viele Alternativen hat der BVB für die Halbpositionen gar nicht: Neben Sancho und Hazard gibt es eigentlich nur noch Bruun Larsen, der qualitativ nicht mithalten kann. Alternativ gibt es noch Guerreiro und Brandt, die jedoch auf anderen Positionen gebraucht werden. Insofern „muss“ Reus sogar für die Halbposition eingeplant werden.

WVQ 1. Januar 2020 um 11:57

Im Prinzip kann ich allem nur zustimmen. Das Reus-Dogma ist seit eineinhalb Jahren eine Katastrophe für das Dortmunder Spiel, weil man eine echte Zehn bzw. gewissermaßen den gesamtem Zentrums-Aufbau für einen zusätzlichen Abschluß-Spieler opfert. (In dem Sinne hätte Favre Reus schon sehr lange für andere Positionen als die Zehn einplanen „müssen“.) Das 3-4-3 hat das nun übergangsweise recht elegant kaschiert, zumal Alcácer auch noch verletzt bzw. rekonvaleszent war; mit Haaland (und Alcácers Fitness, wenn er denn bleibt) hat sich die Eleganz dieser Lösung aber auch schon wieder erledigt. Man kann nur hoffen, daß Favre dann endlich das Gesamtbild sieht und Reus nicht mehr vor alle anderen stellt. Im 3-4-3 sehe ich da auch eine realistische Chance – vor allem deswegen, weil Favre durch Haaland jetzt unter dem Druck steht, mittelfristig beide bringen zu müssen. Im 4-2-3-1 aber kann ich es mir schon wieder kaum noch vorstellen. Zumal man bedenken muß, daß Reus auf außen (unabhängig von der Formation) notwendig viel mehr Defensivaufgaben übernehmen müßte. Und dann wäre es gar nicht mehr so klar, ob andere auf der Position nicht gelegentlich schlicht besser geeignet wären – womit Favre gleich noch das nächste Dogma aufzulösen hätte, nämlich „Reus spielt immer“…

Bezüglich des von Dir genannten Musters: völlig richtig. Aber ebenso richtig, daß die von Dir angesprochene Art der Dominanz eben auch gar nicht das Ziel ist. Es geht doch für Dortmund jetzt erst mal darum, auch gegen unangenehme Gegner stabil zu bleiben und eigene Mechanismen durchbringen zu können. In dieser Hinsicht war das Leipzig-Spiel (und Hertha und Prag und Hoffenheim auch) gegenüber den eineinhalb Jahren davor eben schon eine enorme Verbesserung. Man vergleiche das mal mit dem Bayern- oder den Inter-Spielen davor und auch vielen anderen Spielen, in denen man beim geringsten Gegnerdruck gleich völlig die Kontrolle verlor. Deswegen meine ich einfach, daß es (endlich) eine Entwicklung in die richtige Richtung gibt. Ob die weit genug gehen wird, um auch wieder auf internationalem Niveau (oder auch nur dauerhaft gegen die nationale Konkurrenz) zu bestehen, ist Stand jetzt völlig unklar, aber ich sehe zumindest wieder einen brauchbaren Ansatz, und da würde ich es nun nicht als großes Problem sehen, daß man den in den ersten vier Spielen im 3-4-3 (und eben u. a. gegen den verdienten Herbstmeister) nicht durchgehend auf den Platz gebracht hat. Diesen Maßstab sollte man dann in der Rückrunde anlegen, wenn man das Ganze überhaupt mal vernünftig hat trainieren können. (Falls es denn beim 3-4-3 überhaupt bleibt. Bei einer Rückkehr zum 4-2-3-1 wären meine Hoffnungen wahrscheinlich schnell wieder nahe null.)

PS:

„Das Spielsystem ist allerdings auch nicht darauf ausgelegt, Gegner über 90 Minuten an die Wand zu spielen. Dafür hat Dortmund gar nicht die Spieler.“

Jetzt erst recht nicht mehr…

Koom 1. Januar 2020 um 14:18

Reus ist so einer dieser Spieler, bei denen man beständig abwägen muss, ob es die Extrawurst, die man für sie braten muss, auch wert ist. Das ist so ein Spieler, der etwas divenhaft Freiräume auf dem Platz bekommt, die dem Mannschaftsgefüge schaden, weil sie sich im Defensivspiel rausnehmen. Ronaldo, Müller, Messi – es gibt eine Menge von dieser Sorte. Manchmal ist die Entscheidung eher leicht, weil die Effizienz dieser Spieler hoch ist, manchmal eben sehr schwer. Bei Bayern sind auch Gnabry, Coman und Coutinho noch Vertreter dieser Sorte.

Bei Reus finde ich das schwer vertretbar. Er spielt offensiv ja quasi so nirgens. Weder vorne drin, noch knapp dahinter, noch Flügel. Er spielt quasi Halbstürmer, aber da fehlt der (mitspielende, raumschaffende) MS bei Dortmund. Und Reus‘ Effizienz ist eher „ok“, nicht überragend.


barcaberlin 26. November 2019 um 21:14

Sehr interessante Analyse und Fragestellung. Insofern erstmal vielen Dank.

Ich muss allerdings ehrlich sagen, dass ich einige Schlussfolgerung nicht nachvollziehen kann und für durchaus diskussionswürdig halte. Insbesondere betrifft das deine Einordnung von Alcacer als „perfekten Stürmer für den BVB“, der ich ziemlich widersprechen würde und wofür ich in den von dir vorgebrachten Statistiken auch nur bedingt Anhaltspunkte sehe. Da mich diese extrem unterschiedlichen Ansichten zum Thema Alcacer etwas verwirren, würde ich gerne meine Wahrnehmung mal darlegen und deine/eure Meinung dazu hören.

Ich stimmte zu, dass uns in den letzten Wochen ein Alcacer sehr geholfen hätte, aber das liegt meiner Meinung nach absolut nicht daran, dass Alcacer der ideale Stürmertyp für den BVB ist, sondern in meinen Augen vor allem, weil beim BVB mit Alcacer und Reus die einzigen beiden Spieler durch Verletzung/Formkrise/Erkältung „fehlten“, die instiktiv den Weg in die Box suchen. Die Kombination aus Spielern wie Brandt und Götze in der Offensive, die von ihrer Anlage her deutlich näher an der 8er als 9er Position sind, ist sicherlich extrem ungünstig gewesen und alles andere als optimal. Daraus aber den Rückschluss zu ziehen, dass dann Alcacer ideal ist, halte ich für genauso falsch.

Ich würde sogar soweit gehen und sagen, dass wenn Reus spielt, dann ist Alcacer sogar fast ein denkbar ungünstiger fit für die Philosophie des Trainers und das Stärken- und Schwächenprofil des Kaders. Spielt Reus haben wir auf einmal oftmals gleich zwei Spieler im Zentrum die auf Höhe der Vierkette des Gegners agieren und auf Zuspiele in die Tiefe warten und da gleichzeitig kein richtiger B2B-Player zur Verfügung steht, der den Ball nach vorne tragen könnte, sondern wir oftmals mit zwei Deeplying Playmakern wie Weigl und Witsel agieren oder Weigl vor allem durch Zweikampfstärke (Delaney) ersetzen wird, reißt dann eine riesen Lücke im Zentrum auf, wodurch unser Spiel extrem leicht auf den Flügel zu lenken ist und der Gegner uns dort isolieren kann und wir dann auf Einzelaktionen angewiesen sind. Hinzu kommt dass Alcacers Contribution im Pressing als deutlich geringer einzustufen ist, als bspw. Bei Götze (was sich nicht zuletzt auch in den von dir zitierten Statistiken zu Pressure Regains und Pressure wiederspiegelt). Auch dies ist wieder denkbar ungünstig für unseren Kader, weil auf der einen Seite unsere Spielidee vorsieht, dass wir mit recht offensiven AV agieren und dementsprechend AV in unserem Kader stehen deren Stärken eindeutig im Vorwärtsgang liegen (Hakimi/Guerreiro/Schulz ) und oftmals in ihrem Rücken Lücken entstehen, die der Gegner ohne Pressingdruck dann eben auch sehr gut anspielen kann. Hinzu kommt da das Problem dass wir auch noch mit Weigl und Hummels zwei Spieler im Defensivblock haben, die Schnelligkeitsdefizite haben und dann bei solchen langen Bällen und Verlagerungen durchaus mal in den Bredouille kommen.

Alcacer mag zwar wie du es beschreibst durchaus flexible sein, was seine Positionierung auf dem Feld angeht und wie er zu Chancen kommt, wo er allerdings meiner Wahrnehmung nach deutlich weniger flexible und anpassungsfähig an unsere Bedürfnisse ist, ist wenn es darum geht den Spielstil umzustellen. Letztendlich ist Alcacer für mich ein ganz klarer Abschlussspieler dessen Bewegungen und seine Positionierung einzig darauf aus ist sich selbst in gute Abschlusssituationen zu bringen. Durch diesen Fokus hat er sicherlich den von dir beschrieben Effekt, dass er die gegnerische Verteidigung etwas beschäftigen kann und sie etwas in die Tiefe treibt, was wiederum Räume schaffen kann für andere. Das er sich wirklich aktiv in das Spiel einbringt oder ständig als Anspielstation zur Verfügung stehen würde sehe ich aber ehrlich gesagt nicht und habe eher das Gefühl, dass er vorne lauert und im Prinzip nur als letzten Glied in der Kette zum Abschluss kommen möchte. Für diese Interpretation sprechen meiner Meinung nach neben meinem subjektiven Eindruck sowohl die Laufdaten als auch wenn es um Torbeteiligungen, Ballkontakte und Pässe geht. So war Alcacer in der kompletten letzten Bundesligasaison nicht an einem Tor direkt als Vorbereiter beteiligt und hat auch nur 2 Pre-Assists (laut Transfermarkt-User-Statistiken im BVB Forum) zu Stande gebracht. Durchschnittlich kam er zu dem pro 90 Minuten letzte Saison nur auf 21.2 und diese Saison sogar 18.3 Pässe (wobei ich meine, dass selbst davon auch noch viele in eher uninteressanten Position geschehen und kein wirklich spielgestalterisches/kreatives Element haben, sondern eher ein kurzes abklatschen lassen sind – wobei hier eine Statistik sicherlich interessant werde, aber ich keine Daten haben unter anderem weil Squawka down ist).

Merkwürdig find ich hier auch, dass du eine statistische Ähnlichkeit von 80% zwischen Kramaric und Volland sowie Alcacer feststellst. Meine Vermutung wäre, dass du da bei der Auswahl der Statistiken, die in die Ähnlichkeit einfließen sehr stark auf den Abschluss ausgesiebt oder du hast irgendwelche Effekte drin die durch fehlende Normierung passieren, weil ich finde auf Anhieb eine ganze Menge sehr unterschiedlicher Werte für diese Spielertypen. Das fängt dann bei einem der meiner Meinung nach fundamentalsten Werte an und das sind die Ballberührungen pro 90 Minuten als Indikator dafür inwiefern ein Stürmer eher mitspielenden oder lauernd agiert. Da ich die Ballberührungen nicht habe seien hier die Pässe als Annäherungswert herangezogen. Während Alcacer im Laufe seiner Karriere im Prinzip immer um die 20 Pässe pro 90 Minuten produziert hat, ist Volland bei Leverkusen bei über 27.4 letzte Saison und Kramaric gar bei 35.8 letzte Saison (sicherlich auch positionsbedingt bei Kramaric). Generell hab ich das Gefühl, dass Alcacer in so ziemlich allen Statistiken, die man in die Kategorie „Mannschaftsdienlichkeit“ einordnen würde deutlich schwächer abschneidet als die beiden Vergleichspersonen und ganz besonders Volland. Dazu zählen dann KP90, xA90, A90 (siehe understats.com), die Laufleistung (Alcacer 9,64km, Volland 11,16, Kramaric 10,88) oder Zweikampfquote (+5-6% bei beiden), Anzahl Zweikämpfe (Volland fast doppelt so viele je 90min). Jetzt könnte man das alles auf unterschiedliche Systeme schieben, aber wie gesagt die Anzahl Pässe ist über verschiedene Stationen bei Alcacer relativ konstant und Reus/Götze zeigen auf ähnlichen Positionen eingesetzt deutlich andere Werte. Insofern stellt sich mir die Frage inwiefern die Auswahl der Variablen hier nicht vielleicht irreführend ist, wenn solche fundamentalen Unterschiede zwischen Spielern damit nicht erfasst werden.

Auch wenn ich deiner Analyse und Einschätzung von Alcacer nicht zustimme, würde ich allerdings zu dem gleichen Urteil kommen und sagen, dass Volland und Kramaric interessante Kandidaten sind, weil sie eben deutlich mitspielender sind und dadurch besser mit einem Reus harmonieren könnte und besser mit dem restlichen Kader funktionieren könnten.

Ich stimme dir außerdem insofern zu, dass ich auch nicht glaube das Favre ein Problem mit Physis bei einem Stürmer hat. Ich glaube dass dies ein Missverständnis ist welches sich mit der Zeit verbreitet hat, weil Favres Philosophie keinen langen Bälle, keine hohen Flanken und keine reinen Abschlussspieler vorsieht, sondern er Werte wie das xG eben seit Jahren ad absurdum führt in dem er selbst im Strafraum eben noch kombinieren lässt um Unordnung zu schaffen, keine Flanken schlagen lässt sondern liebe flache Hereingaben und Rücklagen, etc. und dafür und für seine generelle Philosophie des Ballbesitzes Bedarf es eben eher einen mitspielenden Stürmer. Wenn dieser robuster ist wie bspw. Hanke, Balotelli oder Plea ist das für Favre sicherlich kein Problem. Viel mehr scheint mir auch hier wieder Alcacer mit seinen 20 Pässen pro Spiel die krasse Ausnahme zu sein während andere Stürmer unter Favre (Raffael, Reus, Götze, Voronin, Pantelic, Plea) alle im Bereich 30+ Ballkontakte zu finden waren und sehr umtriebig agierten und selbst der als faul geltende und von Favre teilweise dafür kritisierte Balotelli kam noch auf 27, was immer noch fast 35% mehr als bei Alcacer ist.

Insgesamt komme ich daher auf eine etwas andere Analyse mit der sich (unter der Voraussetzung dass man weiterhin mit Favre plant) auch eine Forcierung eines Abgangs von Alcacer im Sommer durchaus rechtfertigen lassen würde. Auf jeden Fall würde ich allerdings nicht nach einem Alcacer Clon suchen, sondern viel mehr einem Hybriden zwischen Götze und Alcacer, der in keine der beiden Extremrichtungen geht und wahrscheinlich auch mit Reus deutlich besser harmonieren würde. Diesbezüglich kann man dann auch wieder bei einem physischeren Stürmer landen, wenn dieser im Optimalfall vorne als Anspielstation und Kombinationspartner zur Verfügung steht und sich nicht zu Schade ist für die Mannschaft sich aufzureiben. Mit dieser Idee lässt sich bspw. ein Giroud begründen der bei Frankreich gezeigt hat, dass es ihm nicht unbedingt um die eigenen Tore geht, sondern er durchaus auch einfach Freiräume erarbeiten kann und in den letzten Jahren eigentlich immer mit 25-35 Pässen pro 90min dabei war. Auf der anderen Seite könnte man aber eben auch einen Spieler verargumentieren, welcher sich öfter mal Fallen lässt und damit Reus Bewegung ausgleicht und dann im Zentrum durch Technik und Kombination Abschlusssituationen kreiiert. Hier würde mir bspw. Das Profil eines Dries Mertens sehr gut gefallen. Sicherlich kein Vollblutstürmer wie Alcacer/Giroud/etc. aber eben auch niemand der nicht gerne in die Spitze geht und einen Zug zum Tor entwickelt. Dafür aber eben durch seine Technik, Schnelligkeit und Kombinationsstärke eine ganz neue Waffe, die im Gegensatz zu der Variante um Giroud, den ich mir schwer mit Alcacer zusammen vorstellen könnte, durchaus auch gut mit sowohl Alcacer als auch Reus funktionieren könnte.

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kalleleo 27. November 2019 um 18:34

Die Laufleistung kommt ja fast an die Bestwerte von Auba ran! 🙂

Sehr guter Beitrag zu den Unterschieden der Spielertypen trotz aller Gemeinsamkeiten.

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osch@d 3. Januar 2020 um 08:59

Jetzt muss ich nach all der Zeit nochmal nachfragen, da es keine Antwort gab und ich den Beitrag sehr interessant fand: wie seht ihr denn das Problem der Mannschaftsdienlichkeit bzw. Unterstützung im Passspiel von Alcacer?

Noch interessanter finde ich die Ausführungen zu den Laufwegen, die zu strukturellen Problemen führen. Ich selbst hab einfach nicht soviel taktisches Know-How, dass ich das aus den Worten oder Positionsbildern immer entnehmen kann.

Daher mal eine Frage in die Runde: gibt es eigentlich ein sinnvolles technisches Hilfsmittel, mit dem man Animationen der Bewegungen zeigen kann? In einer dynamisch dargestellten Positionsverteilung (also z.B. ein Ablauf über 2-5 Sekunden der Positionen) könnte ich sehr viel besser verstehen, wofür hier z.T. sehr viele Worte benutzt werden und ich am Ende immer noch nicht richtig kapiere. Tut mir leid, dass mein Hirn nicht soviel Fantasie hat für Taktik. 🙂

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WVQ 3. Januar 2020 um 13:21

Ich kann nicht mit Animationen oder dergleichem dienen, aber mein visueller Eindruck von Alcácer deckt sich im wesentlichen mit den von barcaberlin angeführten Statistiken. Ich halte Alcácer grundsätzlich für einen Spieler, der relativ simple Abläufe bevorzugt und darin durchaus sehr effektiv ist, aber je kombinativer und „langsamer“ das Spiel wird und je weiter es sich vom Tor (bzw. Torabschluß) entfernt, desto unproduktiver werden seine Aktionen. Es ist durchaus korrekt, daß er – wie CE oben ausführt – nicht nur vorne drin klebt und auf „seine“ Situationen wartet, sondern sich situativ auch tiefere Räume sucht, wenn er sich da bessere Anspielbarkeit erhofft, was grundsätzlich schon zum Dortmunder Spiel paßt; aber was er dann dort macht, sieht für mich meist sehr durchschaubar und nicht selten unpassend aus, weil es irgendwie immer auf das klassische Kontermuster ausgelegt ist, daß der Ball dann spätestens mit dem übernächsten Paß im Grunde schon wieder vor dem Tor sein müßte. Einfache Ablagen oder Weiterleitungen meist, vielleicht mal ein kurzes Ballhalten (was aber meines Erachtens schon nicht mehr zu seinen Stärken zählt), aber in dem Moment, wo es darum ginge, den durch einen Vertikalpaß aus dem tiefen Aufbau entstandenen Raumgewinn zu sichern und stabil weiterzukombinieren (statt baldmöglichst den Weg in die Tiefe zu suchen), sind seine Aktionen oft unpassend und ratlos und der Vorteil des zurückgefallenen Stürmers verpufft schnell.

Die andere Seite der Medaille ist allerdings, daß seine tieferen Aktionen auch meist nur unzureichend unterstützt werden. Oft ist er in solchen Situationen mit dem jeweiligen Außenspieler oder mit dem Zehner relativ isoliert, was schon numerisch nicht viel mehr zuläßt als den Versuch, sofort die Tiefe zu suchen (wenn man denn nicht wieder komplett zurück in den tiefen Aufbau spielen will). Zumal der Zehner ja dann für gewöhnlich Reus ist, welcher Alcácer in dieser Hinsicht sehr ähnlich ist, weil er ebenfalls kein Spieler für raumsichernde oder zumindest verzögernde Kombinationen oder Dribblings ist (damit der Rest der Mannschaft nachrücken und mitmachen kann), sondern seinerseits schnell die Tiefe und einfache Durchbrüche sucht bzw. instinktiv bei Zurückfallen des Neuners schlicht sogar auf dessen Position vorrückt, wo er für ihn (der dann mit dem Rücken zum Tor steht) aber kaum von Nutzen ist. (Einer der vielen Gründe, warum eigentlich Brandt oder Götze auf die Zehn gehören, weil die genau in solchen Situationen den Spielfluß aufrechterhalten können, ohne zwanghaft den nächstbesten Steil- oder Durchsteckpaß anvisieren oder gar selbst in die Spitze gehen zu müssen – und sei es auch nur, um einen Paß oder einen Ballkontakt mehr einzustreuen, der es dem Neuner erlauben würde, sich nach einer Ablage wieder in Richtung Spitze zu orientieren.)

Übrigens bin ich auch nicht so sicher, ob sich an dieser Problematik mit Haaland allzu viel ändern würde, sollte Dortmund mit ihm zum 4-2-3-1 zurückkehren. Eventuell wäre er geschickter im Freilaufen und im Festmachen vertikaler Zuspiele, aber auch für ihn gilt, daß er prinzipiell über Vertikalität und Schnelligkeit kommt und zwischen den Linien entsprechende systematische Unterstützung benötigt. Das sehe ich im Dortmunder Spiel nicht so klar und intensiv umgesetzt, wie es beide Stürmer bräuchten (und wie es für Haaland in Salzburg gegeben war). Auch diesbezüglich sähe ich das 3-4-3 als deutlich geeigneter, weil die offensive Dichte da deutlich höher ist (auch aus der Tiefe heraus, in Form der 6+8+10-Brandt-Rolle), so daß grundsätzlich die Gefahr der Isolation für einen zurückfallenden Angreifer geringer ist und die Zahl der möglichen Anschlußaktionen größer.

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Georg 24. November 2019 um 22:52

Ich wollt schon sagen, das hast du doch von statsbomb. Dann erst gesehen, der ist von dir… Dein erster artikel dort? Grats! 🙂

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CE 25. November 2019 um 18:30

Ein kleines Crossover, was es auch in Zukunft geben wird.

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Schueby 24. November 2019 um 14:38

Wie sieht es mit Mandzukic aus? Bringt er nicht alles mit, was der BVB kurzfristig braucht?

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tobit 25. November 2019 um 11:45

Was siehst du an ihm, was der BVB kurzfristig braucht?
Außerdem muss der nach einem halben Jahr ohne jede Spielzeit im Verein (ist wie Can von Sarri aussortiert worden) auch erstmal wieder in Rhythmus kommen.

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Daniel 25. November 2019 um 15:11

Alles was der BVB an Giroud, Paciencia, Alario usw kurzfristig braucht? Nur halt in besser und wahrscheinlich in leichter zu bekommen, vielleicht sogar im Winter. Als Bayernfan kann ich Mandzukic gut einschätzen, das ist ein verdammt guter Stürmer mit hervorragendem Pressing und Defensivarbeit, allen in diesem Artikel genannten deutlich überlegen (außer langfristig vielleicht Haland). Wenn der BVB einen großgewachsenen Stürmertyp sucht ist Mandzukic die offensichtliche Lösung, sowohl von seinem sportlichen Profil als auch von den „Soft Skills“ (fließende Deutschkenntnis, Mentalität). Er wäre ein völlig anderer Spielertyp als alle anderen BVB-Angreifer und würde den BVB wesentlich flexibler machen und nebenbei das Offensivpressing auf ein neues Niveau heben.
Dass Alario, Silva und Kramaric für den BVB nicht zu bekommen wären bezweifle ich sehr stark. Alle drei spielen bei wesentlich schwächeren und kleineren Vereinen, sind nicht mehr besonders jung und werden kaum von anderen regelmäßigen CL-Teilnehmern mit Angeboten überschüttet werden. Alario ist hinter Volland ähnlich Reservist wie er es hinter Alcacer wäre…nur ist Alcacer viel mehr verletzt als Volland und Leverkusen schlechter als selbst ein kriselnder BVB. Das Problem mit den dreien ist aber, dass sie eigentlich zu schlecht für den BVB sind und in einem Alter sind, wo sie einen mehrjährigen Vertrag wollen würden. Im Winter als Sofortmaßnahme wären die alten Mandzukic und Giroud wohl passender, für eine langfristige Lösung muss der BVB ein bis zwei Regalfächer über den Genannten zugreifen. Das heißt wahrscheinlich jemand aus dem Ausland, auf Bundesligaebene vielleicht noch Thuram, wenn er seine bisherigen Leistungen bestätigen kann.

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Koom 26. November 2019 um 09:13

Fände den Mandzukic, wie ich ihn damals bei den Bayern sah, auch ziemlich passend. Für mich so ein Fixpunkt-Spieler im Angriff, der da Räume schafft und Gegner binden kann. Etwas, was dem Halbstürmer-lastigen BVB extrem gut tun würde. Alcacer ist ja auch eher Strafraumgoalgetter. Der bindet durchaus auch Leute, aber anders.

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tobit 22. November 2019 um 15:28

Sehr schöner Artikel. Gerade das kleine Lob für Volland, der für mich ein Wunschspieler wäre aber wohl kaum zu bekommen sein wird.
Etwas schade, dass keiner der genannten Spieler (abgesehen von Giroud) eine wirklich realistische Option für den Winter oder Sommer ist.

Was mich noch interessieren würde:
Welcher der zwei Gruppen würdest du Isak zuordnen? (ich würde ihn eher in der ersten sehen)
Hättest du ihm schon dieses Jahr die Rolle als Alcacer-Ersatz zugetraut?
Und könnte er in der Zukunft nochmal für die Dortmunder Planungen relevant werden?

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CE 22. November 2019 um 19:14

Ich kann mir schon vorstellen, dass einer der drei Bundesliga-Spieler im Sommer eine Option sein kann. Isak würde ich auch eher in der ersten Gruppe sehen, aber ob Dortmund wirklich 30 Millionen zahlt, halte ich momentan für unwahrscheinlich. Vielleicht wenn ein neuer Trainer kommt.

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tobit 25. November 2019 um 11:59

Eine Option für Dortmund auf jeden Fall. Nur bekommen werden sie kaum einen davon.
Volland und Alario wird Leverkusen nicht hergeben. Schon gar nicht an einen nationalen Konkurrenten.
André Silva ist nur per Leihe in Frankfurt, die können ihn also gar nicht hergeben.
Kramaric will meine ich eher nochmal zurück in die PL und wird trotz seiner vielen Verletzungen entsprechend so teuer, dass Dortmund das nicht zahlt.
Einzig Paciencia und Finbogason sehe ich als realistisch für Dortmund zu verpflichten. Und und die bringen sie beide nicht wirklich weiter, da ersterer seine erste Saison in der Nähe der Stammmannschaft spielt (Mal sehen ob er sich wirklich langfristig gegen Dost und Silva durchsetzt) und letzterer wie Kramaric viel zu viel verletzt ist.
Giroud könnte im Winter tatsächlich wieder interessant werden. Aber erstmal warte ich jetzt ab, wer dann Trainer ist.

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CE 25. November 2019 um 18:32

Wenn der Preis stimmt, wird Bayer auch nachgeben. Genau wie der BVB nachgibt, wenn jemand sehr viel Geld für einen Spieler auf den Tisch legt. Bei Milan gerade in Bezug auf Silva sicherlich nicht anders, wobei deren Transferpolitik sowieso unvorhersehbar ist.

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tobit 25. November 2019 um 21:01

Klar ist jeder Spieler ab einer gewissen Summe zu haben. Nur ist glaube ich keiner der Spieler den Dortmunder Verantwortlichen die entsprechende Summe wert. Dortmund gehört auch nicht zu den Klubs, die Mal eben sehr viel Geld für einen Spieler auf den Tisch legen. Dafür ist man zu klein und agiert aktuell schon finanziell zu nah an der absoluten Kante der Belastbarkeit.
Ich glaube kaum, dass man einen erstmal als Backup von Alcacer eingeplanten Stürmer jenseits der 30 Mio.-Marke verpflichten wird/will. Das würde aber Völler wahrscheinlich schon für Alario aufrufen. Volland und Kramaric kosten wahrscheinlich eher 40-50 Mio., das wäre für mich bei beiden grenzwertig, Watzke und Zorc würden das denke ich als überzogen einstufen. Silva ist für mich hauptsächlich aufgrund des Vertragskonstukts sehr unwahrscheinlich. Und Zweifel an seiner Topteam-Eignung dürften da ohne eine absolut herausragende Saison in Frankfurt (die ihn dann wahrscheinlich wieder unerreichbar macht) auch noch bestehen.

Giroud und Mandzukic sehe ich aufgrund der Altersstruktur der Dortmunder Leistungsträger auch kritisch. Da sammelt sich mit Hummels, Piszczek, Reus und Witsel zu viel auf der „falschen“ Seite der dreißig.

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Daniel 28. November 2019 um 19:32

Find jetzt nicht, dass der BVB zu viele alte Spieler hat. Paar 30-jährige haste doch überall. In München Lewy, Martinez, Boateng, in Leverkusen die Benders und Aranguiz, in Gladbach Wendt, Stindl, Traoré usw. Nur Leipzig nicht, weil der ganze Verein so jung ist. International fang ich gar nicht erst an, im Vergleich zu Juve würde der BVB als Jugendmannschaft durchgehen. Find fast, dass der BVB eher ein umgekehrtes Problem hat. Nämlich dass zu viel Verantwortung auf (sehr) junge Spieler abgeladen wird, die entweder charakterlich oder fußballerisch noch nicht die erforderliche Reife haben (oder beides). Teilweise zerbrechen diese Spieler an überzogener Erwartungshaltung und werden aufgrund weniger schwächerer Leistungen vom Hof gejagt bzw gar nicht mehr eingesetzt, die bei so jungen Spielern halt mal vorkommen (Ishak, Zagadou). Das andere Extrem sind Dembélé und Sancho, die im Teenageralter zu den neuen Superstars gehypt werden und an denen dann gleich wohl und wehe eines Meisterschaftsanwärters hängt. Irgendwann endet der Hype dann und alle Beteiligten sind nur noch enttäuscht voneinander.

tobit 28. November 2019 um 20:47

Klar sind andere Teams älter besetzt. Die sind aber auch nicht auf Gewinne aus Spielerverkäufen angewiesen um das Gehaltsniveau halten oder neue Spieler verpflichten zu können. Was dem BVB wirklich fehlt, sind Leistungsträger im Alter von 25-29, wovon bei anderen Top-Teams eine Menge zu finden sind. Da gibt es quasi nur Bürki. Alle anderen sind entweder frisch da, viel verletzt oder sportlich nicht auf dem Level eines Leistungsträgers. Mit Abstrichen könnte man da noch Delaney und Guerreiro nennen, die aber auch keine unumstrittenen Stammspieler sind. Aktuell ist man offensichtlich nicht bereit, die entsprechenden Summen für echte Leistungsträger (z.B. Volland) dieser Altersklasse auszugeben, hat aber auch nicht die Geduld, sie selbst zu formen. Dass dann viel Last auf alten und jungen Spielern landet und man immer wieder die „nicht gut genugen“ dazwischen austauscht, ist irgendwie folgerichtig.

Den Umgang mit Talenten beobachte ich auch schon einige Zeit recht kritisch. Wenn sie gut sind, werden sie gebauchpinselt bis zum Abwinken und dürfen sich jede Undiszipliniertheit erlauben. Dembélé, Sancho und damals auch Mor haben da erhebliche charakterliche Defizite offenbart, die man offenbar billigend in Kauf genommen oder sogar selbst gefördert hat. Auch Pulisic war am Ende nicht mehr der mannschaftsdienliche, ruhige Spieler der ersten Monate. Wenn es bei einem mal nicht sofort auf höchstem Niveau klappt, wird er dann auch ziemlich rasant auf die Tribüne verbannt und spielt keine Rolle mehr. Nicht nur Isak und Zagadou sind da zu nennen, die waren aber davon noch die mit den meisten Chancen in der ersten Mannschaft. Diallo hat man ohne Not an PSG verschachert um mal wieder einen verlorenen Klopp-Schützling und Watzke-Liebling zurückzuholen. Passlack hat man nach einem Jahr bei der ersten Mannschaft gegen Toljan getauscht. Gomez ist wieder in Spanien ohne je eine Rolle gespielt zu haben. Balerdi hat noch gar nicht stattgefunden und dürfte ohne Trainerwechsel wohl spätestens im Sommer wieder weg sein. Kilian spielt mittlerweile bei Paderborn erstklassig, würde beim BVB aber immernoch nur Regionalliga spielen. Raschl und Morey wird wohl ein ähnliches Schicksal blühen. Diversen eigenen Jugendspielern wurden externe Talente vorgesetzt, nur um dann nach einem Jahr den eigenen Jugendspieler abgegeben und in den Externen das Vertrauen verloren zu haben.

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