Strafraumspektakel in Madrid

Durch eine gute Strafraumbesetzung konnte Juventus die mindestens nötigen drei Tore erzielen und war knapp dran an einer Sensation. Dass es bei Allegris risikoreicher Ausrichtung aber auch einen Gegentreffer geben würde, war nicht verwunderlich. So scheiterte die alte Dame in letzter Sekunde am Halbfinaleinzug.

Mit dem Fehlen von Paulo Dybala entschied sich Trainer Massimiliano Allegri zur Rückkehr zur 4-3-3-Grundformation, in welcher Gonzalo Higuain im Angriff von Mario Mandzukic und Douglas Costa unterstützt wurde. Mehdi Benatia rückte in die Innenverteidigung. Als rechter Verteidiger begann Mattia De Sciglio, welcher aber bereits nach rund einer Viertelstunde verletzungsbedingt durch Stephan Lichtsteiner ersetzt wurde.

Zinedine Zidane wechselte mit seiner Grundformation zwischen 4-4-1-1 und 4-3-1-2. Überraschenderweise musste Karim Benzema auf der Bank Platz nehmen, statt ihm kam Gareth Bale in die Startelf. Jesus Vallejo begann in der Innenverteidigung an Stelle des gesperrten Sergio Ramos.

Druckvoller Beginn

Juventus hatte nach der 0:3-Heimniederlage so einiges aufzuholen, begann mit dementsprechend hoher Intensität, um Real unter Druck zu setzen. Die Italiener pressten sehr hoch, wechselten die Phasen des Offensivpressing aber stets auch mit tieferem Pressing ab und ließen Real dann ein wenig kommen.

Im Offensivpressing wurde Keylor Navas immer wieder in hohem Tempo angelaufen, um unkontrollierte lange Bälle zu erzwingen. Die fünf Mittelfeldspieler und Higuain schoben extrem weit nach vorne, um einen flachen Spielaufbau zu verhindern. Durch das Anlaufen des Torwarts ergab sich eine Unterzahlsituation für Juventus. Da sich die Mittelfeldspieler in Bezug auf die Höhe der Positionierung zwar stark an den Gegenspielern orientierten, sich aber gut zwischen diesen positionierten, konnte Real diese Situationen nur schwer ausspielen.

Reals Mittelfeld bewegte sich in Ballbesitz überwiegend in sehr tiefen Zonen nahe an der eigenen Abwehr. Im Offensivpressing schob Juventus hier stark nach, was einen großen Zwischenlinienraum ergab, welcher jedoch von Real unbesetzt blieb und auch bei den Turinern nur nach Möglichkeit von Pjanic gesichert wurde. In den meisten Situationen ergaben sich lange Bälle, welche von der kopfballstarken Innenverteidigung abgefangen wurden. Dennoch war das Pressing mit einem gewissen Risiko verbunden, denn vereinzelt konnte Real die durch den Torwart kreierte Überzahl ausspielen und über Juves hoch positioniertes Mittelfeld rüberkommen, dann mit Tempo die Abwehr attackieren und den freien Raum in der gegnerischen Hälfte ausnutzen.

Offensivpressingszene von Juventus. Nach einem Rückpass wird Navas von Mandzukic angelaufen. Higuain verhindert ein Zuspiel auf Vallejo. Dahinter schaffen es drei Spieler von Juventus fünf Spieler von Real zu pressen. Den langen Ball von Navas kann Chiellini abfangen.

Im tieferen Pressing reagierte Juventus anders auf das Mittelfeld von Real und ließ sich nicht rauslocken. Im 4-3-1-2 kippte Kroos zumeist links heraus und auch Casemiro und Modric positionierten sich nahe an der Innenverteidigung. Isco fokussierte in seinem weiträumigen Bewegungsspiel vor allem den linken Flügel, womit er sich ebenfalls außerhalb des italienischen Defensivblocks befand. Juventus schob im tieferen Pressing im 4-1-4-1 nur wenig auf Reals Mittelfeld heraus und öffnete so keine Räume innerhalb der Defensivformation. Durch geduldige Ballzirkulation von Flügel zu Flügel und Überladungen der Räume neben des Defensivblocks konnte Real aber dennoch immer wieder auch in die Nähe des Strafraums kommen und von außen in diesen eindringen.

Nach etwa 25 Minuten änderte sich die Rolle von Sechser Casemiro. Er agierte ab diesem Zeitpunkt vermehrt als Balancespieler und glich die Bewegungen von Modric und Kroos aus. In Ballbesitz schob er häufig nach vorne, wodurch er leichter Halbraumverlagerungen zwischen dem Deutschen und dem Kroaten ermöglichte. Kam Real in Strafraumnähe, dann rückten Modric und Kroos nach und Casemiro wiederum ließ sich zurückfallen, um die beiden abzusichern. Isco hingegen besetzte mit der Zeit öfters das Sturmzentrum, welches durch die breiten Positionierungen von Bale und Ronaldo ansonsten verwaist blieb.

Im Spiel gegen den Ball wurde aus dem 4-3-1-2 von Real Madrid ein 4-4-1-1 mit Kroos und Bale als Außenspieler im Mittelfeld. Dadurch konnte die Mannschaft von Zidane im Mittelfeld die Breite besser abdecken als mit der Raute, hatte Isco stets nahe an Pjanic und Ronaldo in Unterzahl gegen Chiellini und Benatia. Mit Ronaldo als vorderstem Spieler konnte das Pressing jedoch schlecht ausgelöst werden, da der Portugiese nur sehr passiv verteidigte und einer der beiden Innenverteidiger meistens ungestört andribbeln konnte.

Juventus fokussierte insbesondere das Spiel über die rechte Seite. Lichtsteiner blieb zunächst eher tief und diente als sichere Anspielstation für die Innenverteidigung. Douglas Costa kam am Flügel entgegen und zog damit auch stets Marcelo aus der gegnerischen Abwehr. Die Bewegung von Douglas löste daraufhin weiterführende Läufe von Khedira und Lichtsteiner aus. Khedira, der sich generell äußerst intelligent bewegte und immer wieder freie Räume anvisierte oder Räume freizog, attackierte sehr häufig mit Tiefenläufen die von Douglas Costa geöffnete Schnittstelle zwischen Marcelo und Vallejo, konnte dadurch für den Brasilianer Platz im Halbraum schaffen. Lichtsteiner hingegen hinterlief sehr oft, womit Marcelo und Toni Kroos im Zuge des schlecht ausgelösten Pressings auf die Innenverteidigung ihre Probleme hatten. Immer wieder konnte Juventus am rechten Flügel durchbrechen. Und dann wurde es richtig gefährlich. Denn mit welchem Nachdruck und welcher Präzision die Italiener den Strafraum attackierten, war beeindruckend.

Flanken, aber gut

Flanken gelten bei Spielverlagerung nicht gerade als beliebtes Angriffsmittel. Diverse Statistiken zeigen eine geringe Torerfolgswahrscheinlichkeit bei hohen Zuspielen, natürlich abhängig von diversen Faktoren wie den Positionen von Flankengeber und Flankenverwerter. Juventus zeigte in dieser Partie, dass nicht Flanken per sè ein schlechtes Mittel sind, sondern oft einfach nur schlecht eingesetzt werden. Die Bianconeri spielten 14 Flanken aus dem Spiel heraus, erzielten dadurch alle drei Tore.

Real Madrid verteidigte die Situationen am Flügel nur mit einem Außenverteidiger, üblicherweise Marcelo, da Juventus fast alle Flanken von der rechten Seite aus spielte. Die restlichen drei Verteidiger blieben im Strafraum, die 1-gegen-1-Situation wurde also nicht abgesichert, um das Zentrum vor dem Tor besser verteidigen zu können. Die drei Lücken zwischen den Abwehrspielern wurden allerdings sehr genau angelaufen. Zunächst kam wieder das Durchlaufen von Khedira ins Spiel, welcher auch im Strafraum den Raum zwischen Vallejo und Marcelo anvisierte. Dadurch orientierte sich Vallejo ein wenig auf ihn und wurde leicht vom Tor weggezogen, der Raum in der Gefahrenzone so etwas vergrößert. Auch der zweite Achter lief durch und visierte dabei erneut den Raum zwischen Innen- und Außenverteidiger an. Dabei durchlief Matuidi das gegnerische Mittelfeld und war nicht direkt im Blickfeld von Reals Verteidigung, hatte jedoch auch gegenüber Casemiro und Modric einen initiativen Vorteil. Die größte Waffe von Juventus lauerte dann am zweiten Posten: Mario Mandzukic.

Die Idee Mario Mandzukic links im Mittelfeld einzusetzen ist keine neue, aber immer noch eine gute. Defensiv macht der Kroate seinen Job gut, offensiv ist er nur wenig in das Ballbesitzspiel eingebunden und ist erst auffällig, wenn er in den Strafraum zieht. Die Vorteile bei Flanken gegenüber einer Positionierung als Mittelstürmer sind groß. Die Orientierung für den Außenverteidiger bei solchen Flanken ist schwierig, da der Ball von der einen Seite, der Gegenspieler allerdings von der anderen Seite aus dem Rücken kommt und so schwer sichtbar ist. Zudem sind Außenverteidiger physisch zumeist schwächer als die Innenverteidiger. Der 1,73 Meter große Dani Carvajal war gegen den 1,90 Meter großen Mario Mandzukic bei zwei Gegentoren chancenlos.

Abgerundet wurde die Strafraumbesetzung bei Flanken noch von Gonzalo Higuain. Er war der zentrale Punkt im Strafraum und brachte die Verteidigung teilweise mit zurückfallenden Bewegungen noch zusätzlich durcheinander. Pjanic und der eingerückte Alex Sandro dienten als Absicherung und sollten die zweiten Bälle auffangen.

 

Alex Sandro bringt den Ball von der linken Seite auf Pjanic, welcher auf Douglas Costa weiterverlagert. Lichtsteiner hinterläuft den Brasiliener, welcher nun nach innen ziehen und Flanken kann. Entscheidend ist erneut das Durchlaufen der Achter, welche beide in den Raum zwischen Innen- und Außenverteidiger stoßen. Matuidi kommt von extrem weit hinten und läuft Richtung Fünfmeterraum durch, verwertet dann nach dem Fehler von Navas. 

 

Khedira positionierte sich geschickt zwischen Vallejo und Marcelo. Der brasilianische Außenverteidiger steht dadurch recht zentral und kann erst spät auf Lichtsteiner rausrücken. Die Situation scheint zunächst gar nicht so gefährlich, doch der Schweizer bringt den Ball gut auf den zweiten Pfosten, wo Carvajal das Kopfballduell gegen Mandzukic verliert. 

 

Zweite Halbzeit

Aufgrund des 0:2-Rückstandes nahm Zidane bereits zur Halbzeit die ersten beiden Wechsel vor. Er nahm Casemiro und Bale aus dem Spiel, brachte dafür Asensio und Vazquez, welche im 4-4-1-1 die Positionen links und rechts im Mittelfeld einnahmen. Das Spiel änderte sich durch die beiden Umstellung allerdings nur wenig. Reals Positionierungen im Mittelfeld waren ähnlich wie zuvor, nur dass Isco nun auf vermehrt den rechten Flügel rauskippte.  Durch die tiefen Überladungen der rechten Seite und das dynamische Nachrücken konnte Real auch weiterhin zu Durchbrüchen am Flügel kommen. Ansonsten wurde das Spiel über den tiefen Ballbesitz verwaltet.

Doch genau in einer Phase, in welcher Real das Spiel ganz gut im Griff hatte, folgte Matuidis Treffer zum 0:3.  In der Folge wurden die Angriffe der Madrilenen wieder druckvoller, Asensio und Isco schoben etwas weiter nach vorne. Durch die hohe Absicherung konnten Angriffe von Juventus gut abgefangen werden, woraufhin sich die Turiner eher auf eine stabile Ballzirkulation zur Entlastung fokussierten. Trotzdem konnte sich Real nun vermehrt in der gegnerischen Hälfte festsetzen. Lieblingsangriffsmittel waren dabei Flanken, jedoch konnte Real Madrid den Strafraum nicht so genau und druckvoll wie auf der Gegenseite Juventus besetzen. Eine strittige Foulentscheidung im Strafraum  brachte in letzter Sekunde schließlich doch noch den rettenden Treffer für Zidanes Team.

Fazit

Nach der Aufholjagd der Roma gegen Barcelona schien der nächste italienische Vertreter einen spanischen Klub auf sensationelle Art und Weise auszuschalten. Doch es reichte nicht ganz. Zwar konnte Juventus die defensiven Schwächen von Real gut ausnutzen und durch eine starke Strafraumbesetzung gleich drei Tore nach Flanken von der rechten Seiten erzielen. Doch waren die Madrilenen immer wieder gefährlich und konnten auf den überladenen Flügeln durchbrechen, wodurch der Treffer zwar sehr spät, aber nicht wirklich überraschend fiel.

TT 13. April 2018 um 14:33

Alles in allem also doch eine „simple“ Überladung des 16ers bei Flanken, die Real Madrid schon beinahe zu Fall bringt?
Für mich eher der Schlüssel zum Erfolg, den man Juve ja durchaus im zweiten Spiel attestieren darf, dass sie den Ball „wollten“ und Tore erzielen ja zwangsläufig erzielen mussten. Defensiv gefällt mir Real schon einige Zeit nicht, Ronaldo taucht immer wieder ab und auch ein Kroos geht (meiner bescheidenen Meinung nach) Zweikämpfen eher aus dem Weg, weil er nunmal ein Spielmacher und kein Zerstörer ist. Mit Modric verhält es sich da durchaus ähnlich.

Alles in Allem sehe ich für die Bayern tatsächlich Chancen ins Finale einzuziehen, machen sie doch taktisch einen viel besseren Eindruck als Real. Spannend wird es dann, wenn es im Finale zum Duell mit Liverpool kommen würde. Klopp hat ja durchaus gezeigt, dass er das Positionsspiel, was die Bayern langsam wieder entdecken, schlagen kann.

PS:
Nungut, ich mache sie dann doch mal auf, die Stammtischdiskussion (aber nur, weil es mir eigentlich herzlich egal ist, ob nun Real oder Juve weiter):
Für mich ein Elfmeter. Klar, wie oben beschrieben ein Glücklicher, den andere in der Situation nicht pfeifen (weil sie die von Buffon genannten „Eier“ eben nicht haben), aber dennoch ein plumpes Einsteigen von Benatia. Meiner Meinung nach also durchaus berechtigt.

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Taktik-Ignorant 13. April 2018 um 23:37

Stammtisch die zwote: von schraeg hinten den einschussbereiten Gegner zwei Meter vor dem Tor weggerempelt und dann zufaellig noch den Ball getroffen, klarer Elfer. Sorry, musste sein.

Off topic: Schon spannend, wie fanatisch in den Leserbriefforen deutscher Online-Medien ueber diese Szene und das nicht gegebene Tor von Sané fuer MC diskutiert wurde. Bei letzterem oft ohne jegliche Regelkenntnis.

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Daniel 13. April 2018 um 23:47

Ich würde auch sagen, dass es für Bayern tendenziell ein gutes Zeichen ist, dass Juve Real mit guter Nutzung von Flanken so in Bedrängnis bringen konnte. Gute Flankengeber auf rechts hat Bayern mit Müller und Kimmich ja ebenso wie kopfballstarke Abnehmer in Gestalt von Lewy, Müller, Vidal und Tolisso. Insofern wäre das ein möglicher Ansatz, um die prinzipiell relativ ungefährliche Offensive der Bayern zu beleben. Trotzdem muss Bayern aber die Konzentration und Kompaktheit defensiv und im Spielaufbau deutlich steigern, wenn man wirklich realistische Chancen haben will.

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Taktik-Ignorant 21. April 2018 um 21:58

Tolisso ist bei Heynckes wohl nicht unbedingt einer fuer die erste Elf, und dass er in der CL mehr trifft als in der Buli und dann auch noch insequent mit dem Schaedel, ist wohl einer jener statistischen Zufaelle, die keine Logik erklaeren kann. Und Vidal ist wohl diese Saison nicht mehr einsatzfaehig.
Ich sehe die Bayern auch mehr in der Aussenseiterrolle, viele Schluesselspieler sind ueber den Leistungszenit hinaus. Macht nix, dann hat der Bundestrainer den Kern der Nationalmannschaft frueher zur Verfuegung und kann vielleicht mal eine WM-Vorbereitung auf die Beine stellen, die laenger als 5 Tage dauert. Damals in Malente waren es noch vier Wochen ;-))

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Daniel 21. April 2018 um 23:16

Eine Option für die erste Elf ist Tolisso bestimmt nicht und das auch völlig zurecht. Aber die ganze Herangehensweise wird Bayern bestimmt nicht von Anfang an so spielen. Wenn überhaupt ist das der Alternativplan, wenn man was aufholen muss (so wars ja bei Juve auch). Und als Einwechseloption seh ich Tolisso in einem solchen Szenario schon recht weit vorne. Sollte Heynckes ohne Thiago starten steht außer Wagner kein Offensivspieler zur Verfügung, wenn man ein Tor braucht. Insofern wären dann wohl Wagner+Thiago und Tolisso als torgefährliche Mittelfeldspieler die Einwechseloptionen. Sonst halt der draußen sitzende Offensivspieler (wahrscheinlich Robben)+Wagner und Tolisso.

Ich seh die einzigen Chancen Bayerns auch darin, Real mit der individuell sehr starken Defensive den Zahn zu ziehen. In einem torreichen Spiel wird Real aufgrund der besser besetzten Offensivreihe ziemlich sicher als Sieger hervorgehen, vielleicht sogar deutlich. Alles hängt davon ab, ob die Bayern ihre Probleme im defensiven Mittelfeld in den Griff bekommen.

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