Deutsch-italienischer Europa-League-Abend: RB Leipzig schlittert in die nächste Runde

0:2

Knapp 30 Jahre nach dem letzten Spiel – damals noch unter dem Titel UEFA Cup firmierend – war Leipzig wieder einmal Gastgeber im zweitwichtigsten europäischen Wettbewerb. Während sich die Mannschaft von Lokomotive 1988 den Neapolitanern um Diego Maradona über zwei Partien hinweg geschlagen geben musste, konnten die Rasenballer am Donnerstagabend das Weiterkommen feiern.

Grundformationen

Aufstellungen

RB Leipzig musste für die Partie im eigenen Stadion auf die Dienste von Naby Keïta, Kapitän Willy Orban und Neuzugang Ademola Lookman verzichten. Auch für den erst kürzlich wiedergenesenen Flügelstürmer Emil Forsberg reichte es noch nicht für die Startelf, die stattdessen mit Diego Demme und Kevin Kampl auf der Doppelsechs und Bruma sowie Marcel Sabitzer auf der Doppelzehn besetzt wurde. Das noch rohe Innenverteidigertalent Ibrahima Konaté ersetzte Orban. Bernardo kam links hinten zum Einsatz.

Cheftrainer Ralph Hasenhüttl wechselte in den letzten Monaten immer wieder zwischen 4-2-2-2- und 4-3-3-Grundordnungen. Für das Aufeinandertreffen mit Napoli entschied sich der 50-Jährige wie schon beim 3:1-Sieg im San Paolo für Ersteres.

Beim SSC Napoli vertraute der allseits gehypte Maurizio Sarri auf das gewohnte 4-3-3 mit einer im Vergleich zum Hinspiel hochklassiger besetzten Startelf. Dries Mertens kehrte von einer Gelbsperre zurück und ersetzte José Callejón auf der Neun. Der Top-Torjäger der Mannschaft wurde von Piotr Zieliński und Lorenzo Insigne flankiert. Hinter dem Angriffstrio agierten zunächst Allan und der ewige Neapolitaner Marek Hamšík auf den Achterpositionen.

Der Kampf um Mittelfelddominanz

Eine zentrale Fragestellung in dieser Partie lautete: Welche Mannschaft konnte das Mittelfeld besser kontrollieren? Gerade der Ausfall von Keïta hätte die Chancen der Leipziger in diesem Teilduell der beiden Teams vermindern müssen. Aber die Gastgeber fanden einen Weg, besonders in der ersten Halbzeit Napoli in Zaun zu halten. Kampl schob sich während des Spielaufbaus häufig als Keil zwischen Allan und Hamšík, ließ sich aber rasch nach Ballverlusten wieder zurückfallen. Keiner der beiden Achter sollte in seinen Rücken gelangen und den Slowenen überspielen.

Demme verstärkte unterdessen die rechte Leipziger Seite und sicherte dort gelegentlich für Konrad Laimer ab, der gerade nach Bekanntwerden von Marcel Halstenbergs Knieverletzung mehr Einsatzminuten in der Außenverteidigung bekommt. Hamšík forderte Demme und Laimer auch mit fortschreitender Spielzeit immer mehr. Nicht nur entstand die erste große Torchance für Napoli über diese Seite, auch das 0:1 fiel aufgrund der Beteiligung von Hamšík und Insigne, der nach einem Pass auf Ersteren Laimer außen überlief und in den Strafraum flankte.

Der grundsätzlichen Mittelfelddominanz Leipzigs in Phasen der Partie tat dies aber keinen Abbruch. Das clevere Positionsspiel von Kampl in Kombination mit Sabitzers typischem Einrücken wurde interessanterweise von Timo Werner ergänzt. Der 21-Jährige bewegte sich nicht nur immer um Yussuf Poulsen herum und zum rechten Flügel, er ließ sich auch regelmäßig halblinks zurückfallen. Da Bruma aufgrund seines präferierten Spielstils vornehmlich an der Seitenauslinie blieb, entstand im Halbraum ein Loch, das in frühen Phasen des Aufbaus des Öfteren von Werner bespielt wurde. Bernardo rückte diagonal ein, sobald Leipzig Raumgewinn erzielt hatte.

Durchschlagskraft auf beiden Seiten

Sowohl Leipzig als auch Napoli verbuchten in der ersten Halbzeit regelmäßig Aktionen im Strafraum des Gegners. Die beiden Angriffsreihen verdeutlichten ihre jeweilige Durchschlagskraft, nachdem die ersten Pressinghürden überwunden waren. Napoli beispielsweise lief die Aufbauspieler der Gastgeber recht mannorientiert und frontal an. Da sich aber im Zentrum eigentlich fast zwangsläufig ein Winkel vom Anlaufenden zum Angelaufenen ergab, probierten es beide Innenverteidiger mit kürzeren Dribbelbewegungen vorbei an Mertens und Co. Der Raum dahinter wurde jedoch von Hamšík und Allan bedroht, sodass ein weiteres Vorstoßen ausblieb.

Aber das bereits erwähnte Bespielen der linken Seite eröffnete Passoptionen für Dayot Upamecano und Bernardo. Auf dem rechten Flügel diente unterdessen Poulsen in gewohnter Manier als Ziel- und Ablagenspieler. Da Werner nicht etwa ganz vorn verharrte und auf weiträumige Anspiele hinter die Abwehrlinie Napolis wartete, konnte er sich auch auf dieser Seite entsprechend einbringen und als Ausweichoption zu oder Ablagenoption für Poulsen dienen.

Die größte Durchschlagskraft schien Leipzig jedoch über links zu erzielen. Bruma blieb bei vielen Angriffen zunächst an der Seitenauslinie und kam an den Ball, nachdem Bernardo über den inneren Kanal nach vorn gestoßen war und im besten Fall einen Gegenspieler mitzog. Der geöffnete Raum gab Bruma den notwendigen Platz für Dribblings. Kampl stieß nur unregelmäßig in die Spitze vor und positionierte sich stattdessen im Rückraum, wo er zweite Bälle einsammeln konnte.

Während sich die Ballbesitz- und Offensivstruktur der Leipziger in der jüngeren Vergangenheit verbessert hat, büßte das Pressing etwas an Zugriffsstärke ein und ist insgesamt weniger leitend. Die vier vorderen Akteure der Rasenballer laufen vermehrt frontal an und versuchen das Vorankommen des Gegners lediglich zu unterbinden. Pressingfallen – und die damit verbundene Vorbereitung – kommen seltener zur Anwendung. Leipzig war in der Lage, Napolis Spielaufbau situativ zu unterbinden, indem die Mitglieder der Abwehrreihe rasch unter Druck gerieten und teils in Zweikämpfe gezwungen wurden, aber sobald Leipzigs erste Linie überspielt war, zeigte der Defensivdamm einige Risse.

Napoli nutzte bewusst die mannorientierte Spielweise von Demme, Laimer und Co., indem die Gäste mit zunehmender Spielzeit immer mehr Direktkombinationen versuchten. Entweder wurde der Ball mit einem Klatschkontakt nach hinten ablegt oder es erfolgte die schnelle Weiterleitung nach außen. Da Hamšík und seine Nebenmänner oftmals die Leipziger nur im Rücken hatten, aber den einzelnen Pass empfangen konnten, entwickelte sich eine Dynamik in den Angriffen, die im für Napoli besten Fall zum Durchbruch hinter die Abwehrlinie der Hausherren führte.

Zusätzlich bewegte sich Insigne nach einer Weile vermehrt in den Zehnerraum. Entweder er lockte dadurch einen Verteidiger Leipzigs aus der Kette und öffnete Raum für Mertens oder aber er konnte ohne großen Druck selbst ins mittige Kombinationsspiel eingreifen und die Mittelfeldbalance des gesamten Spiels beeinflussen.

Zweite Halbzeit

Nach den ersten 45 Minuten blieb ein Sturmlauf der Neapolitaner, die immerhin noch zwei Tore zum Weiterkommen benötigen, zunächst aus. Leipzig konnte das Spiel sogar in manchen Phasen komplett beruhigen und zwischen den Strafräumen halten. Die meisten Versuche beider Teams, in die Nähe des gegnerischen Tores zu kommen, versandeten bis tief in die zweite Halbzeit hinein.

Sarri nahm Hamšík vom Platz, was dem Angriffsspiel Napolis nicht unbedingt gut tat, obwohl die Gäste weiterhin über links gefährlich wirkten. Anspiele auf dieser Seite lockten regelmäßig Laimer heraus, was Napoli anschließend mit Anspielen aus dem Mittelfeld zu nutzen versuchte. Die Leipziger selbst verbuchten mehrere Ballbesitzphasen, in denen sie Angriffe sogar manchmal abbrachen und über die hinteren Linien zirkulierten, wodurch sie natürlich Zeit von der Uhr nahmen.

In der Endphase der Partie kam Napoli noch zweimal gefährlich vor das Gehäuse von Péter Gulácsi. Einmal leitete Insigne die Chance mit einer Verlagerung auf die rechte Seite ein, wobei er zuvor nicht entscheidend unter Druck gesetzt wurde. Die zweite Chance führte zum 2:0 für Napoli, bei dem Allan im Umschaltangriff Kampl zentral aussteigen ließ und auf Callejón verlagerte. Bei der Hereingabe kam Insigne vor Laimer an den Ball. Ein weiterer Treffer blieb jedoch aus und Leipzig zitterte sich in die nächste Runde.

Fazit

Aufgrund des etwas überraschenden Auswärtssieges konnte Leipzig gegen den favorisierten Titelanwärter aus Italien einen Erfolg feiern. Inwieweit Napoli den Wettbewerb zunächst ernst nahm, bietet sicherlich Diskussionsstoff. Aber im Rückspiel wollte sich Sarris Mannschaft nicht einfach mit einem Ausscheiden abfinden und der Cheftrainer bot die meisten seiner Waffen auf.

Obwohl Leipzig eine gewisse Sicherheit im Spielaufbau ausstrahlte und ein Konzept für Raumgewinn hatte, war es einmal mehr die defensive Instabilität und teils individuelle Unterlegenheit in der letzten Linie, die es den Rasenballern schwer machte.

AG 24. Februar 2018 um 14:08

War im Stadion und fand es sehr auffällig, dass Neapel die Aussenverteidiger im Aufbau sehr tief positionierte, fast auf einer Höhe mit den Innenverteidigern. Denke wollte Sabitzer und Bruma breit ziehen um das 3vs2 im Zentrum auszunutzen. Gelang erste Halbzeit nur sehr mäßig. 2.Halbzeit dann besser als man nutzte, dass die 10er von Leipziger eben nicht frühzeitig breit gingen und versuchte dann einfach schnell über außen nach vorne zu kommen.
Fand ich sehr interessant, vor allem was a) Matchplan vorm Spiel anfing und b) die Anpassung durchs In-Game-Coaching.

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rb 24. Februar 2018 um 08:38

scoutet der bvb eigentlich direkt mal im 16el-finale seinen neuen trainer?

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tobit 24. Februar 2018 um 12:23

Sarri wäre klasse. Einzige Sorge bei mir wäre, dass der seine Philosophie auf deutsch schlechter vermitteln kann als auf italienisch. Die kleine italienischsprachige Fraktion wurde und wird ja auch immer kleiner beim BVB.
Ein weiteres Problem sehe ich (grundsätzlich) im zentralen Mittelfeld. Da fehlt ein Spielmacher der in der Qualitätskategorie Marek Hamsik.

Wenn du das Achtelfinale meinst: Rose und sein Team kann ich nicht wirklich einschätzen, aber RM beim BVB wäre schon cool.

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August Bebel 25. Februar 2018 um 13:01

Sarri war nicht gemeint, denke ich. Wäre auch völlig unrealistisch.
Außerdem ist Hamsik meiner Meinung nach mitnichten Napolis Spielmacher. Wenn überhaupt irgendwen, würde ich da entweder Jorginho auf der Sechs oder Insigne hervorheben, der oft auf links sehr dominant spielt.

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tobit 25. Februar 2018 um 16:03

Die Qualität eines Insigne oder Jorginho ist für Dortmund aber (genau wie Sarri, da stimme ich dir zu) nicht einzukaufen. Solche Spieler muss man, wenn man sie haben will, selbst entwickeln. Die Klasse eines Hamsik (natürlich nicht er persönlich, der wird immer König von Neapel bleiben) ist vielleicht so gerade noch darstellbar.

Hamsik ist sicherlich nicht DER Spielmacher, aber den braucht es auf der Acht weder bei Neapel noch beim BVB, wenn man sich den restlichen Kader (Götze, Reus, Weigl, Castro, Sancho – Jorginho, Insigne, Mertens, Diawara, Zielinski, Koulibaly) anschaut. Da ist so ein weiträumiger Allrounder und Verbinder etwas passender.

Sancho oder Gomez könnten in eine Insigne-Rolle wachsen, Pulisic vielleicht auch. Um davon aber wirklich viel zu haben, müsste der dann in Dortmund ähnlich heimisch werden wie der kleine Neapolitaner.

Jorginho ist halt ein genialer Sechser, weil er fast alles kann (hat der überhaupt echte Schwächen?). Sowohl einfach „nur“ tief kontrollieren als auch dominant und etwas vorstoßend das Spiel bestimmen. Diese Komplettheit, gepaart mit seiner Ruhe und Abgezocktheit (die hat ein Keita, der auf seine Art ähnlich komplett ist, nicht) habe ich so im aktuellen Weltfussball nur bei ihm gesehen.
Auf der Position ist in Dortmund aber mit Weigl eher weniger Handlungsbedarf als eine (halbe) Reihe weiter vorne.

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P_N_M_123 26. Februar 2018 um 13:45

So gut Jorginho, Hamšik und Insigne auch sind – Weigl, Götze, Pulisic müssen sich da aber mal gar nicht verstecken.
Sehe jeden der drei mindestens gleichwertig, eher besser.

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Daniel 26. Februar 2018 um 14:30

Vom Talent her würde ich da nicht wiedersprechen. Die drei Neapolitaner sind halt älter und erfahrener als die Dortmunder und daher leistungstechnisch stabiler. Das ist die Herausforderung, der sich der BVB jetzt stellen muss: solche Spieler müssen jetzt gehalten werden, damit auch mal Top20 Spieler in ihren besten Jahren beim BVB spielen und nicht nur im Talentalter. Die Logik des Ausbildungsvereins, der alljährlich seine Leistungsträger verkauft, muss durchbrochen werden. Zudem muss ein sportliches Konzept ausgearbeitet werden, für welchen Fußball der Verein eigentlich stehen soll, und dann danach ein Trainer ausgesucht werden (nicht umgekehrt).

Koom 26. Februar 2018 um 14:51

Ja, dieser Ausverkauf muss mal enden, wenn man IRGENDWANN mal wieder national wie international um irgendwas mitspielen will und nicht nur eine börsennotiertes Spielerausbildungsunternehmen sein will. Sie müssten mal alle Leistungsträger über 1-2 Jahre zusammenhalten und mit 1-2 potentiellen weiteren künftigen Leistungsträgern anreichern.

Aber das beginnt auch schon damit, dass Zorc Ausstiegsklauseln und seltsame Zusagen mal weglassen muss und Verträge frühzeitig verlängert. Das er das kann, ist er mir in all den Jahren noch schuldig geblieben.


Daniel 23. Februar 2018 um 16:12

„Während sich die Ballbesitz- und Offensivstruktur der Leipziger in der jüngeren Vergangenheit verbessert hat, büßte das Pressing etwas an Zugriffsstärke ein und ist insgesamt weniger leitend.“

Das ist denk ich eine zwingende Anpassung an die erste Saison mit Dreifachbelastung. Ich persönlich glaube nicht dass es möglich ist, den unfassbaren Aufwand der letzten Leipziger Saison auch mit einem Drittel mehr Spielen zu machen.

Gibt es hier irgendwen, der was zu Zenit und Leipzigs Chancen gegen die sagen kann?

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