Gegenpressing oder Torgefahr?
Barca attackiert gegen Atletico in einem stabilen 2-5-1-2. Die Defensivspezialisten aus Madrid können aber durch Ballbesitz dagegenhalten.
Barcelona erleidet bei Atletico den ersten Punktverlust. Die Madrilenen konnten mit ihrem typischen Spiel lange Zeit führen. Unterm Strich enttäuschte Barcelona jedoch nicht und konnte später zunehmend den Druck erhöhen.
Das 2-5-1-2 als Gegenpressing-Netz
Atletico setzte gegen den Ball vereinzelt auf Angriffspressing. Meistens jedoch zogen sie ihr übliches tiefes 4-4-2-0 auf: Beide Stürmer weit in der eigenen Hälfte, kompakt vor dem Mittelfeld. Die Mittelfeldreihe verteidigte wie üblich sehr kompakt, sodass quasi sechs Spieler das Zentrum abschirmten. Besonders Koke rückte weit ein und verhinderte Halbraumverlagerungen von Messi oder Rakitic auf Iniesta. Die Viererkette agierte ein wenig breiter.
Barcelona setzte gegen diese tiefe Formation vor allem auf ein gutes Gegenpressing-Netz: Iniesta und Rakitic positionierten sich recht breit und eher tief, meist etwa auf Höhe von Busquets. So kontrollierten sie die vertikalen Konterräume für die gegnerischen Flügelstürmer und die Ausweichräume für die Mittelstürmer. In der 2-3-Staffelung konnte Barcelona recht problemlos um Atleticos Block herum zirkulieren und stand dann sehr gut bei Ballverlusten.
Die beiden Achter wurden noch dadurch unterstützt, dass Alba und Semedo bei ballferner Position etwas Einrücken, um die Restverteidigung zu stärken. Sie hielten sich nicht in der letzten Linie auf, sondern tiefer, sodass sie im Gegenpressing Zugriff auf Atleticos Flügelstürmer hatten. Die Wege außen entlang waren für Madrid daher dicht.
Atleticos Sechserräume waren hingegen nicht sofort unter höchstem Druck. Hier brillierte aber Busquets, der seine typischen Aufrückbewegungen im Gegenpressing unternahm und mehrfach bis kurz vor den Strafraum „hochpresste“ und dadurch etwaige Vertikalaktionen durch das Zentrum unterband. Bei direkten Pässen auf die Stürmer wiederum waren Pique und vor allem Umtiti sehr aggressiv, verhinderten das Aufdrehen und dann konnten Griezmann oder Correa eingekesselt werden.
Interessante Rolle(n) für Gomes
Während diese feste Struktur sich gut für die Ballzirkulation und Absicherung eignete, so sorgte sie doch für wenig Durchschlagskraft. Die beiden Achter fehlten in den engen Offensivräumen, sowohl strukturell als auch hinsichtlich ihrer individuellen Qualität. Die Besetzungsmöglichkeiten der Offensivräume waren daher sehr limitiert.
Suarez konnte nicht viel Effekt verursachen, da er in Barcelonas asymmetrischer Struktur nicht mehr nach rechts ausweichen kann, nach links aber zwei bis drei Gegenspieler hat. So blieben die Offensivaktionen an Messi, Gomes und den Außenverteidigern hängen.
Gomes und Semedo waren dabei gut aufeinander abgestimmt: Meist war einer von beiden Breitengeber und der andere eingerückt. Gomes‘ Rolle dabei war sehr interessant. Er wechselte zwischen der breiten Position, einer eingerückten Zwischenraumposition für Kombinationen und dynamischer Besetzung der letzten Linie in Raumdeuter-Manier. Diese Mischung aus drei verschiedenen Rollen ist umso kurioser, wenn man bedenkt, dass Gomes eigentlich für keine dieser Rollen der passende Spielertyp ist. Dennoch führte er alle ziemlich gut aus. Im Laufe des Spiels wurde er immer aktiver und zeigte viele gute Bewegungen in vorderster Front.
Zu wenig Messi
Letztlich half dieser Kniff aber wenig, weil Barcelona einfach zu selten in gefährliche Räume kam. Messi wurde von Saúl und seinen Nebenleuten hervorragend abgeschirmt und konnte fast nie im Zwischenlinienraum angespielt werden. Ab und zu fiel er tiefer zurück, hatte dann aber quasi die gesamte Atletico-Mannschaft vor sich.
Ein Problem war auch, dass die Breite der Außenverteidiger wenig nützlich war: Direkte Flügelangriffe zur Grundlinie oder Flanken versuchte Barcelona (typischerweise) nicht. Man zwang Atletico lediglich zum Verschieben, aber das machen die ja gerne. So öffnet man gegen diese Mannschaft keine Lücken. So kam Barcelona in den ersten 30 Minuten nur zu einem einzigen Schussversuch. (Interessant wäre vielleicht gewesen einen oder gar beide Außenverteidiger mit in die Offensivräume rücken zu lassen und auf Breite zu verzichten.)
Atletico überlädt die Lücke ineffektiv
Während Atletico so gut wie keine Konterchancen bekam, konnten sie zumindest aus dem eigenen Ballbesitz heraus etwas Gefahr erzeugen. Ohnehin hat der Kader mit Spielern wie Koke oder Saúl mittlerweile eigentlich enorm viel Ballbesitz-Qualitäten, lediglich die Innenverteidiger fallen da ein bisschen heraus. Dementsprechend war der Aufbau und die Ballzirkulation auch etwas merkwürdig strukturiert: Gabi und Saúl kippten teilweise weit heraus oder kamen sehr tief, um sich Bälle abzuholen. Wegen Barcelonas oftmals laschem Pressing war das jedoch häufig kein Problem.
Die Struktur in der gegnerischen Hälfte war dann recht interessant und schlüssig, da sie sehr asymmetrisch war und an Barcelonas unorthodoxe Defensivstruktur angepasst: Der rechte Flügel wurde als Zirkulationszone genutzt, da Barca dort quasi keinen Spieler hat. Juanfran schob deutlich weiter nach vorne als sein Gegenpart Luis, da er keinen Flügelstürmer abzusichern hatte. Dafür bewegte sich Koke sehr viel durch tiefere und zentralere Räume und unterstützte die beiden Sechser.
Die Spielfortsetzung aus dieser Lücke heraus schien aber nicht so recht durchdacht zu sein: Kokes tiefe Rolle war zuweilen etwas ineffizient und sorgte für Präsenzprobleme in den höheren Halbräumen. Diese besetzte dann primär Griezmann. Das passierte aber unstetig, da der Franzose von halblinks aus längere Wege hatte. Correa startete zuweilen in den Raum hinter Alba, aber konnte nicht angespielt werden. Gabi und Juanfran hatten außerdem wenige tororientierte Aktionen, sodass die Spielauslösung von dieser Seite nicht gut war.
Saúl dominiert Rakitic
Den Unterschied machte dann Saúl, der nicht nur das 1:0 mit einem Kunstschuss selber erzielte, sondern Barca und vor allem Rakitic dabei förmlich vorführte: Er rochierte mit in Richtung der überladenen rechten Seite, bekam dann zentral den Ball, weswegen Rakitic herausrückte. Dann verlagerte er auf links, startete in den offenen Raum hinter Rakitic und schirmte den Kroaten sogar noch kurz mit seinem Körper ab, um torseitig bleiben zu können. Im Zwischenlinienraum brauchte er nur drei Kontakte und kaum Raum, um aufzudrehen und abzuschließen.
Man kann das Duell Saúl gegen Rakitic auch in anderer Hinsicht als entscheidendes Duell der ersten Halbzeit herausstellen: Der Spanier rückte oftmals heraus, um den Raum hinter Griezmann zu schließen und verhinderte dadurch vertikale Aktionen von Rakitic. Außerdem war er natürlich der hauptsächliche „Bewacher“ von Messi und verhinderte in dieser Funktion hervorragend Zuspiele auf den Superstar – diese wiederum wären vor allem Rakitics Aufgabe gewesen. Allerdings darf man in diesem Kontext auch Carrasco loben, der sehr diszipliniert in die Mitte arbeitete und den Raum um Saúl verknappte.
Neue Rollenverteilungen in der Endphase
Passend dazu konnte Barcelona jedoch erst ausgleichen, nachdem Rakitic vom Platz ging – und zwar drei Minuten danach. Paulinho war zwar Saúl nicht überlegen, doch spielte die Rolle anders: Er schob deutlich weiter nach vorne, versuchte hinter Atleticos Mittelfeld präsent zu sein und dadurch Raum für Messi zu öffnen. Beim Tor besetzte er quasi als Mittelstürmer die letzte Linie und schuf damit auch etwas Raum für Suarez, der Sergi Robertos Flanke einköpfen konnte.
Apropos Roberto; der kam vorher schon für Semedo und gemeinsam mit Deulofeu, was eine Umstrukturierung auf der rechten Seite zur Folge hatte. Deulofeu gab nun meist den Breitengeber und Roberto rückte mit spielmachenden Aufgaben im Halbraum nach vorne. Das harmonierte zunächst nicht mit Rakitics Rolle; oft war einer von beiden ohne Effekt. Doch Roberto konnte doch in dieser diagonalen Rolle Angriffe aus dem richtigen Raum anleiten und kombinierte gut mit Messi.
Zudem wechselte Gomes auf die linke Achterposition, die er etwas höher interpretierte. Busquets spielte dadurch ein wenig linksseitiger, sodass Messi sich ein wenig zentraler anbieten konnte für ihn, was wenige Male effektiv wurde. Zuweilen entstand beinahe eine Busquets-Messi-Doppelsechs.
Alles in allem brachte Barcelona im Laufe des zweiten Durchgangs mehr und mehr Personal in die gefährlichen Räume, ohne die Absicherung großartig zu beschädigen. Dass das Gegenpressing etwas weniger dicht wurde, war in einigen Szenen sogar ein Vorteil: Atletico kam bei den Kontern weiter heraus und offenbarte größere Räume zwischen den Mannschaftsteilen. Barca konnte nach späteren Ballrückeroberungen Gegenkonter fahren. So entstanden einige der gefährlichsten Situationen der Gäste.
Fazit
Ein weiteres interessantes Spiel zwischen Atletico und Barcelona. Interessant war, dass Atletico verstärkt über den Ballbesitz kam und kommen musste, während Barcelona im Kontermoment gefährlicher wirkte.
Für Ernesto Valverde stellt sich die Frage nach der Balance zwischen Restverteidigung und Offensivpräsenz. In der 2-5-1-2-Struktur funktionierte ersteres hervorragend. Zweiteres war später deutlich besser, als man mehr in Richtung 2-3-1-4 tendierte. Unterm Strich scheint sich für Barca anzubieten, sich weniger breit zu staffeln, um das Spiel in Zwischenräume noch mehr zu fokussieren, ohne die Abstände in der Restverteidigung zu erhöhen.
15 Kommentare Alle anzeigen
DrKlenk 19. Oktober 2017 um 15:12
Wenn Barça doch einen Spieler hätte, der die Dreifachrolle von Gomes gut ausführen könnte. Dembélé wäre so einer…
tobit 19. Oktober 2017 um 18:06
Deulofeu hat mir da schon ganz gut gefallen. Klar ist der kein herausragender Kombinationsspieler oder besonders kreativ, aber alles andere bringt er mit. Dazu kommt noch ein unfassbares Tempo, das im Konter sehr wertvoll ist, da der RA ja aus einer sehr tiefen Position hinter Messi startet. Ansonsten würde mir da Rafinha einfallen, der sehr gut mitkombiniert und durchaus dribbeln kann. Ob der aber die Positionsintelligenz dafür hat, kann ich nicht beurteilen.
Dembélé könnte das, hat den „RA“ aber in seinen paar Minuten eher wie Deulofeu als Pacemaker interpretiert. Diese Rolle kommt ihm bisher auch noch eher entgegen, da er sich sonst durch sein unsauberes/wildes Positionsspiel Messi ins Gehege kommen könnte.
Später würde ich gerne mal Messi und Dembélé in relativ ähnlichen Rollen sehen. Das Problem dabei ist, dass das Iniesta die Räume wegnimmt, der ja sonst halblinks den Zwischenlinienraum besetzt. Wäre aber ohnehin erst was für einen etwas erwachseneren Dembélé. Das würde glaube ich ganz gut zu Paulinhos „simpler“ Box-to-Box-Rolle im Zentrum passen, zu Busquets sowieso. Irgendwo hatte ich mir mal eine 3142-Formation mit Messi und Dembélé als „Favre’sche“ Doppelspitze ausgedacht (also quasi als doppelte falsche Neun), wo dann die Wingbacks diagonal in den Strafraum ziehen.
tobit 19. Oktober 2017 um 19:34
Sowas halt: http://lineupbuilder.com/?sk=fx60s
Dafür bräuchte man nur noch einen Flügelspieler, der lange breit bleibt und dann am Ende im Strafraum zum Abschluss kommen kann. Der muss noch nichtmal zwingend defensivstark sein, sondern nur die Wege nach hinten konsequent mitgehen können. Spieler wie der junge Bale, Dani Alves, Pedrito (mit Absicht dieser Spitzname, da er sich davon mittlerweile etwas weg entwickelt hat) oder Pulisic wären dafür gut geeignet. Prinzipiell könnte man das auch mit gelernten AV auf den Flügeln spielen, könnte dann aber Probleme mit der Durchschlagskraft, ähnlich wie oben beschrieben, bekommen. Die Achter bauen dann neben Busquets auf oder stoßen Richtung Spitze vor (am besten bleibt einer tief, während der andere höher geht – so ähnlich wie das Sergi und Paulinho gestern gemacht haben), während sich Messi und Dembélé weiträumig ins Zentrum und die Halbräume fallen lassen.
Problematisch könnte das Pressingverhalten von Messi und Dembélé sein, da beide eher passiv bis unbeteiligt sind. Da käme dahinter viel Arbeit auf Mittelfeld und Abwehr zu.
DrKlenk 19. Oktober 2017 um 19:38
Finde Deulofeus Passspiel potentiell eigentlich ziemlich gut. Hat auch teilweise sehr kreative Momente drin. Zuletzt schien aber ein bisschen der Wurm drin zu sein. Rafinha in der Rolle fände ich auch nicht uninteressant, nur die Tiefenläufe könnten ihm etwas fehlen.
Dembélés Positionsfindung ist oft herausragend und auf keinen Fall eine Schwäche. Vor allem wie er freie Räume erkennt und nutzt ist wirklich top (schönes Beispiel dafür wären zum Beispiel die Vorlage für Aubameyang gegen Bayern im DFB-Pokal oder sein Tor gegen ManU in einem Vorbereitungsspiel). Ist irgendwie wieder so ein typischer Fall vom Halo-Effekt. Spieler ist dribbelstark, unkonventionell und neben dem Platz schlecht beraten, und daraus wird auf andere Eigenschaften geschlossen.
Iniesta, Messi, Dembélé können auch zu dritt. den Zwischenlinienraum besetzen. Und in der aktuellen Ausrichtung ist Iniesta ja sowieso tiefer im linken Halbraum. Also eine Art 4-3-2-1 mit Paulinho in einer Box-to-Box Rolle, einem dafür situativ vorstoßenden Piqué und Messi und Dembélé mit Freiräumen zwischen den Linien (wenn Dembélé oder Messi breit gehen, kann dafür auch Iniesta vor zwischen die Linien schieben und dafür ein Außenverteidiger tiefer bleiben.
Damit hätte man auch weiter Suárez drin, der momentan einfach nicht optimal eingebunden und in Form ist, aber natürlich trotzdem weiter eine hohe Qualität hat.
tobit 19. Oktober 2017 um 20:16
Dembélés Raumfindung ist sehr gut, keine Frage – vor allem ist sie unfassbar durchschlagskräftig und überraschend (wenn Thomas Müller ein Tempodribbler wäre, wäre er Dembélé). Trotzdem finde ich ihn da teilweise ziemlich wild (das ist die passendere Beschreibung, unsauber ist hier zu negativ besetzt). Er besetzt halt aus Instinkt Räume (teilweise ohne Rücksicht auf die eigene Struktur, die bei Barca noch wichtiger ist als beim BVB), wo er Bälle bekommt und dann Durchschlagskraft und Überraschungsmomente kreieren kann.
Da er das wie Messi (bisher) bevorzugt halbrechts tut, könnte das zu einer überpräsenten Ballung der beiden Magier (das wäre nun nicht so schlimm), gegenseitigem Abschneiden von Optionen oder unharmonischen Angriffsverläufen (die beiden haben da sehr unterschiedliche Standardrouten – wenn man bei denen überhaupt von „Standard“ sprechen kann – die dem anderen nicht so liegen, wenn er da direkt in der Nähe ist) führen. Ihr volles Potential können sie für mich (alles rein hypothetisch und hochspekulativ) nur ausspielen, wenn sie mit einer gewissen Distanz zueinander beginnen und sich erst spät annähern.
Klar geht das auch mit Iniesta dazu, muss dann aber wirklich gut abgestimmt werden. Sonst hängt von denen einer in der Luft, wie Draxler zuletzt bei der Nationalmannschaft – auch wenn ich die drei für intelligent genug halte, sich individuell besser anzupassen als Draxler. Da sich Paulinho auch noch oft durch den Zwischenlinienraum bewegt, wenn er auf dem Weg zur Abseitskante ist, würde es da etwas arg voll werden.
Iniesta gefällt mir aktuell als LA/8er/10er-Hybrid wieder deutlich besser, da er eben seltener richtig tief aufbauen muss (da macht Paulinho einen guten Job neben Busquets), sondern schon früh im Zwischenlinienraum (der auch oft gut geöffnet wird durch die etwas anlockenden Momente von Paulinho und Busquets) anspielbar ist.
Für Suarez sind finde ich zwei Spieler direkt hinter ihm am besten, dann kann er sich auch mal zentral etwas fallen lassen. Stehen da drei, muss er immer nur in die Tiefe gehen (dafür reicht auch Alcacer, da muss man nicht einen der kreativsten Mittelstürmer der Welt verschwenden) oder auf Messis Stöße in die Spitze warten.
Wer bei Barca spielt (und da ausgebildet wurde) hat eigentlich fast immer ein (mindestens potentiell) starkes Passspiel. Bei Deulofeu fehlt mir halt dieses gewisse Etwas um ihn da als wirklich herausragend einzustufen. Gestern fand ich seine scharfen, flachen Hereingaben z.B. sehr gut, auch wenn die oft geblockt wurden. Die Halbfeldflanken mit Schnitt sollte er dagegen eher Messi oder Roberto überlassen, die können das deutlich besser.
Wenn er sich mal im Halbraum rumgetrieben hat, hatte er da auch gute Ideen, aber halt nicht so genial wie Messi oder Iniesta – mit denen er dann automatisch verglichen wird, weil die zwei Minuten vorher von genau da einen magischen Moment kreiert haben (und das dann auch noch sehr konstant umsetzen können).
Gh 20. Oktober 2017 um 22:23
noch früh in der saison zeichnet sich ein bisschen ab, dass valverde sehr klare vorgaben an die neuen spieler hat: zB Deulofeu: pass zurück in den halbraum hinter ihm oder durchbruch außen mit reingabe oder abschluss. simple sachen, auf die hauptqualitäten abgestimmt, mehr erstmal nicht. ebenso bei paulinho, wie von mr beschrieben. auch andre gomes (ich zähl ihn mal zu den neuen), hat von klaren, wiederkehrenden mustern profitiert. das hilft enorm zur stabilisierung, mal sehen, was so im verlauf der saison noch für schmankerl eingebaut werden, dass es dann auch geschmeidiger und weniger eckig wird.
tobit 21. Oktober 2017 um 10:50
Ich habe irgendwie das Gefühl, dass sie aktuell versuchen, sich von Messi zu emanzipieren. Viele Spielzüge würden auch ohne Messi (also mit jemand anderem auf der Position) funktionieren. Prinzipiell sind da auch viele durchschlagskräftige Momente dabei, die aber bisher noch nicht stabil zu Toren führen – dafür hat man dann zum Glück noch Messi, der dann halt Mal einfach einen Freistoß reinmacht oder die perfekte Flanke schlägt.
Diese klaren Vorgaben an jeden einzelnen kommen Messi einerseits entgegen, da er weiß, was seine Mitspieler tun werden (und sich nicht mehr für jeden Angriff den Ball selbst von Busquets abholen muss). Andererseits wirkt er auf mich manchmal eingeschränkt, weil er nicht mehr so brutal fokussiert wird, sondern selbst klarere Vorgaben (hauptsächlich Zwischenlinienraum besetzen, Strukturlöcher füllen und Engstellen auflösen) hat. In den paar Spielen, die ich gesehen habe, hat er dann oft einfach den Ball „nur“ (in verdammt anspruchsvoller Weise) weitergespielt, statt sofort nach dem einen supergenialen Moment zu suchen. Manchmal hat er dann aber auch überambitionierte Soli von der Mittellinie versucht (von da hat er sonst oft seine Verlagerungen auf Neymar gespielt, der Raum ist aktuell aber selten besetzt) und ist öfter hängen geblieben, als man das von ihm gewöhnt ist.
Zusammengefasst: die sehr klaren Rollen sind gut für Barca, aber nicht immer für Messi.
DrKlenk 21. Oktober 2017 um 12:55
Das Dembélé und Messi nicht zu nah beieinander starten sollten, sehe ich auch so. Messi muss sollte auf keinen Fall irgendwo links starten, sehe aber keinen Grund, warum Dembélé nicht eine Mischrolle aus halblinker 10er/8er und LA spielen sollte. Er ist einer der beidfüßigsten Spieler überhaupt und nicht auf eine Seite beschränkt. Dann könnte Iniesta tatsächlich erstmal in tieferen Aufbauzonen starten und Alba für seine Vorstöße befreien. Außerdem könnte Paulinho ohne Probleme seine Läufe von halbrechts starten.
Außerdem wäre Suárez nicht mehr so isoliert.
Bleibt man allerdings bei der aktuellen Asymmetrie ohne linken Flügel könnte ich mir Brandt sehr gut für die Suárez-Rolle vorstellen. Der kann solche komplizierten isolierten Situationen super auflösen und bringt auch Durchschlagskraft mit (wenn auch noch nicht so krass wie Suárez). Über Brandt gibt es ja tatsächlich Gerüchte im Umfeld, der sportliche Leiter hat sich auch schon ein paar Spiele von Leverkusen angeschaut.
tobit 21. Oktober 2017 um 15:20
Also würdest du dann den RA (Deulofeu, Gomes, oder wer da gerade spielt) rausnehmen und dafür Dembélé als etwas breitere Version der aktuellen Iniesta-Rolle bringen. Könnte passen, dann muss der RV aber fast schon zwingend linear agieren, oder man bringt wieder Rakitic (scheint seine Rolle unter Valverde noch nicht wirklich gefunden zu haben) statt Paulinho um Roberto und Messi einrücken zu lassen.
Wird dann fast schon mehr ein 4231 (wo Messi dann als RA mehr mitverteidigen müsste als bisher, da ich Paulinho nicht außen verschwenden würde), das rein strukturell viele Ähnlichkeiten mit dem aktuellen System der deutschen Nationalmannschaft hätte. Dann würde im Pressing eher mit Suarez und Iniesta vorne gepresst. Die beiden leiten dann natürlich nach links, damit Messi sich in der Tiefe weiterhin erholen kann. Das würde auch ganz gut zu Alba und Umtiti als dynamischen Zugriffsspielern passen.
Was finden so viele an Brandt? Der ist talentiert, keine Frage – aber doch längst nicht auf dem Level, Barca zu verstärken (geschweige denn Suarez zu verdrängen). Als verkappten Mittelstürmer sehe ich ihn auch nicht, dafür fehlt ihm zu oft die absolute „Torgeilheit“ – manchmal hat er das, aber auch dann ist er für mich eher ein HS oder einrückender Außen.
Bevor ich da Brandt bringe, würde ich da eher Dembélé hinstellen. Der kann diese ekligen Situationen genauso gut auflösen und daraus effektiv Torchancen kreieren. Das würde ich dann aber etwas anders zwischen ihm und Iniesta abstimmen: Dembélé eher aus einer breiteren Position am linken Flügel beginnen lassen (so wie Suarez am Mittwoch in der Schlussphase) und Iniesta auch gegen den Ball ins Zentrum beordern, weil mir sein balancierendes Pressingverhalten hinter Messi besser gefällt als Dembélés. Durch Albas Vorstöße kann er sich ja im Angriffsverlauf immer noch sehr weit nach innen orientieren und dann mit Iniesta und Messi kombinieren (oder trotzdem mal als Isolationsdribbler außen bleiben). Mit Paulinho wird die letzte Linie ja sowieso besetzt (und es kann ja auch wertvoll sein, mal niemanden ganz vorne stehen zu haben – Pep lässt grüßen), auch wenn er und Messi sich gerade zurückfallen lassen.
tobit 19. Oktober 2017 um 11:23
Gestern gab es gegen Olympiakos wieder eine ähnliche Struktur zu sehen. Die Flügel wurde jedoch anders besetzt. Statt Alba spielte Digne, was die Rolle nicht großartig veränderte, abgesehen davon, dass der junge Franzose nicht so brachial dynamisch und durchschlagskräftig ist wie der sehr erfahrene Spanier. Der rechte Flügel wurde statt Semedo und Gomes von Roberto und Deulofeu besetzt. Roberto spielte als gelernter Mittelfeldspieler sehr diagonal und rückte oft ins Zentrum, während Deulofeu die Breite hielt und nach Verlagerungen häufig in isolierte 1vs1-Duelle gegen den griechischen LV ging.
Dabei fand ich die „Pärchenbildungen“ auf der rechten Seite sehr interessant.
Paulinho (statt Rakitic auf der rechten Acht aufgeboten) und Roberto besetzten beim Übergang ins Angriffsdrittel eine tiefe, absichernde Position neben Busquets und eine sehr hohe Position halbrechts (manchmal auch zentral) an der letzten Linie (die wurde einige Male auch von Deulofeu eingenommen, dann blieben der höhere der beiden als „Prallspieler“ für Messi und Iniesta im Zwischenlinienraum), nachdem sie im Aufbau ihre Rollen eher klassisch als tiefer Sechser und mittelhoher RV interpretiert hatten. Dabei waren sie sehr flexibel, beide waren sehr aufmerksam und passten ihre Position in Relation zueinander gut an.
Das zweite Pärchen bildeten Messi und Deulofeu. Einer (zu Beginn fast immer letzterer) besetzte die RA-Position an der letzten Linie, der andere begann etwas tiefer im Halbraum und kombinierte dort mit Busquets und dem aufgerückten Teil des Paulinho/Roberto-Duos oder versuchte sich in ballschleppenden Dribblings.
Durch diese beiden rechtsseitigen Pärchen spielte Suarez stark nach links versetzt. Er besetzte dort entweder den äußeren Halbraum und zog von dort diagonal (oder bogenförmig) hinter die Abwehr. Oder begann etwas zentraler und höher, dann wich er nach links aus (um den Zwischenlinienraum für Messi, Iniesta und den durchlaufenden Paulinho/Roberto zu öffnen) oder startete gelegentlich (wie letzte Saison) nach rechts hinter die Abwehr.
Dann muss ich hier mal Abbitte leisten. Paulinho passt sehr gut in die Mannschaft und ist in allen Spielphasen sehr gut eingebunden. Sein Verständnis mit Busquets im tiefen Aufbau (in der eigenen Hälfte) ist sehr gut. Dieser öffnet ihm da oft Räume, so dass er wenig Druck und viel Zeit für seine dann sehr sauberen und klugen Pässe erhält. Er ist in diesen tiefen Phasen sehr ruhig und fokussiert auf „einfache“ Pässe. Versucht nichts, was seine Fähigkeiten übersteigt.
In der gegnerischen Hälfte kehrt sich die Rollenverteilung dann um. Paulinho bewegt sich viel, zieht Gegner von Busquets weg, der dort dann viele Bälle erhält. Die Offensivspieler weichen in dieser Phase viel nach außen aus und konnten damit gestern teilweise Kreisstrukturen mit geöffnetem Zentrum beim Gegner erzeugen. In dieses Strukturloch stößt dann Paulinho (oder auch Roberto, dann sichert Paulinho halbrechts ab) sehr dynamisch hinein und erhält den Ball mit Blick zum Tor. Dort spielt er dann wieder einfache Pässe zu Messi oder Iniesta, die sich von den Seiten in das Loch bewegen oder geht bei Gelegenheit direkt für einen Abschluss an/in den 16er. Sobald er den Ball bei den beiden Zehnern abgeliefert hat, läuft er (ohne irgendwo vorher abgestoppt zu haben) weiter an die letzte Linie und verhindert ein Herausrücken eines Verteidigers auf den Ballführenden, gleichzeitig kann er per Doppelpass direkt wieder angespielt werden und dann abschließen.
In der letzten Phase des Angriffs positioniert er sich clever im Rückraum oder attackiert einen der Pfosten, wodurch er zu einigen gefährlichen Abschlüssen kommt. Auch bei Standards ist er sehr gefährlich, da er in der Luft überaus durchsetzungsstark und brachial (also mit sehr viel Wucht aus einem kurzen Anlauf) agiert. Seine Kopfbälle sind dann auch ziemlich präzise und gut platziert.
Gegen den Ball ist er sehr aktiv im Gegenpressing, kann da durch seine hohe Position sehr früh Zugriff erzeugen. Scheitert das Gegenpressing, zieht er sich sehr schnell und diszipliniert an die Abwehrkette zurück. Im regulären Pressing agiert er oft als absichernder Sechser hinter den linksseitig aus dem 442 herausrückenden Iniesta und Busquets. Hier sichert er von der Position des rechten Sechsers bis zum linken Flügel sehr viel Raum und agiert dabei sehr bewusst und balanciert. Auch der RA (gestern Deulofeu) passt seine Position daran gut an, spielt dann deutlich enger und tiefer, kann aber immer noch explosiv auf dem rechten Flügel herausrücken.
Nach der dämlichen gelbroten Karte (sehr harte, aber richtige Entscheidung) für Pique – er hatte nach einem Standard den Ball mit der Hand ins Tor befördert und war vorher schon für ein taktisches Foul verwarnt worden – kurz vor der Pause und dem Wechsel Mascherano für Deulofeu (der in der ersten Hälfte ein gutes Spiel gemacht und auch die Führung erzwungen hatte) spielte Barca im 432 weiter das sich im Pressing oft zum 4212 umformte. Dabei rückte bis zu seiner Auswechslung (Rakitic kam für ihn, Paulinho übernahm dann die linke Acht) oft Iniesta auf die „Zehn“ vor, danach war es eigentlich immer Busquets, der auch in Ballbesitz dann als leicht linksseitiger Achter/Zehner vor der Doppelsechs Rakitic/Paulinho agierte. Kurz vor Schluss kam dann doch Gomes für Busquets, Rakitic rutschte auf die Sechs und Paulinho zurück nach rechts. Dort gab es dann kaum noch 4212-Staffelungen, sondern Suarez fiel noch konsequenter (gab es vorher im tiefen Verteidigen auch schon) halblinks auf eine Art Zehnerposition zurück, während Messi rechtsaußen zockte.
In Ballbesitz begannn Messi jetzt meist als sehr breiter RA und zog später auf die rechte Stürmerposition. Suarez startete von links aus der Tiefe Richtung Sturmzentrum und das Paulinho/Roberto-Pärchen war im Aufrückverhalten etwas vorsichtiger, da Roberto auch oft außen blieb und dort Breite gab.
Gefühlt tat die Unterzahl Barca gut, da sie die im System definierten Offensivpositionen (mehr Positionen als Spieler, aber nicht alle müssen zwingend besetzt sein) nun freier besetzten. Gerade Messi, Iniesta und Suarez fanden so öfter mal halblinks zusammen.
tobit 19. Oktober 2017 um 13:03
So Grafiken wie immer im Extra-Post 😉
Pressing: http://lineupbuilder.com/?sk=fx5qy0
Im Pressing standen Suarez und Messi meist versetzt – bzw. Suarez bewegte sich entsprechend hinter Messi umher, um dessen Geschlurfe auszugleichen. Teilweise stellte Messi aber auch passiv einen tiefen Mittelfeldspieler zu, dann lief Suarez auch mal aggressiver einen IV an. Wenn Barca sich mal etwas länger zurückzog, rückte Suarez auch wieder näher ans Mittelfeld, so dass sich 441(0)-Staffelungen mit irgendwo halbrechts außerhalb des Bildes zockendem Messi ergaben.
Ballbesitz: http://lineupbuilder.com/?sk=fx5qy3
2. Halbzeit: http://lineupbuilder.com/?sk=fx5q32
In der zweiten Hälfte waren beide AV etwas offensiver (wenn auch eher nachstoßend, denn frühzeitig aufrückend) und Roberto deutlich linearer als vor dem Seitenwechsel, da sie jetzt oft alleine die Breite im letzten Drittel gaben. Im Übergangsspiel positionierte sich Messi im zweiten Drittel häufig auf der Seitenlinie und auch Suarez bewegte sich eher in den äußeren linken Halbraum und konnte dadurch theoretisch über den Flügel starten, zog aber meist in die Mitte.
Gh 18. Oktober 2017 um 19:19
saul, wieso?
Cali 18. Oktober 2017 um 01:25
Wer ist besser, Saul oder Rabiot?
tobit 18. Oktober 2017 um 19:24
Saul würde ich rein individuell etwas stärker und vor allem variantenreicher sehen. Rabiot hat dafür einzelne, sehr ausgeprägte und seltene Stärken.
Zusammen könnten die beiden eine sehr interessante Doppelsechs bilden. Beide sind zweikampfstark, passsicher und auf sehr unterschiedliche Art dribbelstark. Gleichzeitig könnten sie ihre jeweiligen Schwächen gegenseitig wohl ganz gut kompensieren.
Rabiot fühlt sich in den ganz engen Räumen am gegnerischen 16er (noch) nicht so wohl, hält dafür aber (abgesehen von ein paar Rochaden mit einem zurückfallenden Achter) sehr sauber seine Position auf der Sechs. Von dort kann er das Spiel sauber ankurbeln und rückt in Angriffsverlauf sehr gut nach.
Saul finde ich aus der Tiefe kommend nicht so kreativ und eher offensiver in seiner Positionswahl – er ist mehr Achter als Sechser. Dabei bewegt er sich viel durch verschiedenste Räume, bietet sich immer wieder unterschiedlich an und beschleunigt das Spiel Richtung Tor. Manchmal erinnert er mich da an Müller, der aus offensiverer Grundposition auch (teilweise ziemlich wirr und chaotisch) durch alle möglichen Räume wandert und dabei die eigenen Strukturen teilweise behindert, teilweise genial ergänzt. Generell ist Saul für einen gelernten Abräumer (erinnere ich mich da richtig?) sehr durchschlagskräftig und tororientiert, aber phasenweise (noch) nicht präsent genug.
CHR4 18. Oktober 2017 um 00:42
Danke für diese Analyse und auch für Pool-ManU – solche hochkarätigen Spiele sind für mich hier das Salz in der Suppe.