Facetten des Umschaltfußballs
Die Vorzeichen für das Champions-League-Debüt von RB Leipzig waren eindeutig und die Partie wurde den Erwartungen gerecht. Die beiden Umschaltmannschaften Monaco und Leipzig rieben sich aneinander auf und ließen sich kaum Räume. Monaco verteidigte wie gehabt etwas tiefer und fokussierte sich bei Ballbesitz auf Flügelspiel. Leipzig machte weiter vorne Druck, hatte dadurch mehr vom Spiel und versuchte, im 4-2-2-2 durch den Zwischenlinienraum durchzubrechen.
Individuelle gegen kollektive Aggressivität
Mit dieser Zusammenfassung ist das Spiel schon weitestgehend erzählt, wenn man beide Mannschaften mal gesehen hat. Aus taktischer Sicht war es aber interessant zu beobachten, wie die beiden Herangehensweisen gegeneinander prallten: Auf der einen Seite das sehr kollektive und risikoreiche Pressingspiel der Leipziger, die die Mitte extrem dicht machten und immer im Schwarm den Ball attackieren. Auf der anderen Seite die Spielweise von Monaco mit breiter gestaffeltem Mittelfeld und eher individueller Aggressivität auf den Positionen.
So war Monacos Ansatz nicht so sehr, die wichtigen Räume durch eine kompakte Grundhaltung zu versperren. Die Flügelstürmer verteidigten orientierten sich mehr an den gegnerischen Außenverteidiger und die drei zentralen Spieler verhielten sich zuweilen leicht mannorientiert. Allerdings lauerten alle Mittelfeldspieler permanent auf die Zuspiele in die gefährlichen Räume und suchten dann sehr schnell und sehr aggressiv die Zweikämpfe. So kam Leipzig tatsächlich ziemlich oft in den Zwischenlinienraum, dort kamen sie aber schlichtweg selten durch.
Auf der anderen Seite war die Mitte für Monaco meist völlig versperrt; dafür der Flügel natürlich etwas offener. Das nahm Monaco auch gerne an und versuchte unter Einbindung der Außenverteidiger, sich mit schnellen, linearen Kleingruppenkombinationen an den Seiten entlang zu schieben. So zwangen sie Leipzig immer wieder in Laufduelle an den Seiten. Monaco verzeichnete dabei fast drei Mal so viele erfolgreiche Dribblings wie Leipzig. Der Unterschied zwischen beiden Herangehensweisen zeigt sich wunderbar, wenn man sich die statistisch erfassten Zweikampf-Balleroberungen darstellen lässt:
Das ist so eine akkurate Beschreibung des Spiels, wow. #RBLASM pic.twitter.com/oYwxhk1w6f
— Martin Rafelt (@MartinRafelt) 14. September 2017
Unsaubere Dreierkette
Leipzigs Ausrichtung war dabei auf den ersten Blick gut geeignet, um Monacos Struktur zu bespielen. Werner und Poulsen konnten gut die Viererkette binden und vor allem Werner attackiert immer wieder mit Läufen die Schnittstellen. Dahinter konnten die beiden Zehner Lücken suchen, unterstützt vom umtriebigen Demme. Ilsanker kippte häufig zwischen die Innenverteidiger ab und stabilisierte die Ballzirkulation gegen Falcao und Tielemans etwas.
Letztlich passten aber die Details im Leipziger Positionsspiel nicht, um richtige Dominanz aufzubauen. Die vier zentralen Spieler hielten das 4-gegen-2 nicht sauber aufrecht und Gulacsi wurde nur notdürftig eingebunden. Nach Rückpässen gab es kaum Freilaufbewegung, um das Spiel flach zu halten, sondern sobald Monaco anlief, bolzte der Keeper den Ball in Richtung Poulsen. So war das Leder relativ viel in der Luft, was Monaco Zeit gab, die kleinen Fehler in den Positionsabständen zu korrigieren und sich mit ihrer individuellen Wucht in den Kampf um die zweiten Bälle zu stürzen.
Asymmetrien in der Leipziger Rollenverteilung…
Gute Szenen hatte Leipzig teilweise beim Spiel über halbrechts, wo sich Sabitzer teilweise fallen ließ und Demme vereinzelt in den Halbraum kam um mit ihm und Klostermann zu kombinieren. Dabei gelang aber selten der Durchbruch hinter Moutinho, aber Monaco wurde in die Mitte gezogen und dadurch dann Raum für Klostermann geöffnet. Der Rechtsverteidiger hatte ein paar ordentliche Situationen, aus denen letztlich aber wenig Gefahr entstand.
Forsberg spielte etwas breiter und tororientierter als Sabitzer, was sich anhand des Tores bereits erahnen lässt. Die Angriffe über links waren überhaupt etwas direkter und breiter angelegt als auf rechts. Sidibe verhinderte Bälle in den Halbraum besser als Diakhaby, dafür rochierten Poulsen und Werner aber verstärkt auf diese Seite. Poulsen agierte häufiger etwas linksseitig und fiel dann halblinks zurück für lange Bälle von Gulacsi. Außerdem waren beide Stürmer schnell auf dieser Seite, wenn die Monegassen (wie häufiger) über ihre rechte Seite angriffen. Aus solch einer Szene resultierte auch das Tor, bei dem Werner und Poulsen nach einer Balleroberung quasi den Weg für den Ball „freiblockten“ und Forsberg dadurch frei hinter die Abwehr kam.
…und in Monacos ebenfalls
Auch Monaco griff über beide Seiten unterschiedlich an, was sich schon an der personellen Besetzung ablesen ließ: Den linken Flügel besetzte ein nomineller Mittelstürmer, den rechten ein Außenverteidiger. Zudem agierte Falcao sehr rechtslastig und Tielemans zog es eher nach links. Auch Moutinho, der offensivere Teil der Doppelsechs, spielte linksseitig.
Dadurch hatten die Gäste im Grunde einen leichten Halbraumfokus auf der linken Seite. Tielemans und Moutinho waren in diesen Räumen präsent, während Diakhaby in die Spitze zog und für beide – theoretisch Raum öffnete. Allerdings war auch hier das Ballbesitzspiel nicht sauber genug, um Leipzigs extreme Kompaktheit ernsthaft zu durchbrechen. Oft blieben die Angriffe nach wenigen Pässen hängen oder wurden zurück in die Abwehr gespielt oder mit langen Bällen quasi abgebrochen.
Simple Flügelangriffe gegen das 4-2-2-2
Rechts war der Plan simpler, aber funktionaler. Sidibe startete immer wieder aus einer leicht eingerückten Position Sprints in die Tiefe oder in Richtung der Seitenlinie, während auch Almamy Touré sehr offensiv agierte. So konnten beide schnelle entlang der Seite kombinieren und dabei füreinander Räume öffnen. Falcao kam nach rechts dazu und versuchte, Abwehrspieler zu binden und Bälle abzulegen.
Zwar waren diese Angriffe oft mit langen Bällen eingeleitet und dadurch recht unsauber, aber zumindest wurde der zentrale Block der Leipziger überspielt und dann an einer empfindlichen Stelle mit viel Tempo attackiert. Meistens resultierte das in Vertikalpässen, die Orban oder Upamecano ablaufen konnten. Doch aus genau so einer Szene entstand der Einwurf, der zum 1:1 führte. Auch nach diesem Einwurf setzten sich die Monegassen relativ plump an der rechten Seitenlinie durch und kamen so zur Flanke.
Fazit
Die Partie hatte etwas von einem Abnutzungskampf, nur ohne Abnutzung. Beide Mannschaften hielten ihre Spielweise über 90 Minuten durch, ohne nennenswerte Änderungen zu unternehmen. Außer den Toren gab es kaum Chancen, zum Schluss hatten beide Teams nur zwei Schüsse auf’s Tor platzieren können. Durch den unglücklichen schnellen Ausgleich nach der Leipziger Führung gab es auch keine Änderungen der Spieldynamik aus strategischen oder taktikpsychologischen Gründen.
Der Zuschauer bekam, was er erwarten musste, und das endete in einem 1:1. Gegen andere Gegner, die selber weniger auf das Umschaltspiel fokussiert sind, wird die Herangehensweise der Leipziger voraussichtlich brisantere Partien hervorbringen.
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