Strategiediskussion: Positionelle Überladung gegen kompaktes Verschieben
Roger Schmidt verabschiedet sich mit sechs Gegentoren aus Leverkusen. Tuchel wählte gegen sein System eine logische Antwort. Diese haben wir interessanterweise schon einmal vor dem Hinspiel intern diskutiert. Wir analysieren, warum es zu so einem Zufall kommt.
4-2-2-2 bis zum Schluss
Auch in seinem letzten Spiel in Leverkusen setzte Roger Schmidt auf das System, sein System, welches ihn zu seinem Erfolg verhalf und im Laufe der letzten Monate zunehmend im Stich ließ. In diesem letzten Spiel gab es zwei Ebenen, auf denen es scheiterte: die der strategischen Planung und die der spielerischen und athletischen Umsetzung.
Dass es auf der Ebene der strategischen Planung scheiterte soll heißen: Schmidt wurde mit seinem System ausrechenbar und er wurde auch ausgerechnet. Das ist ja immer so ein ahnungslos geratener 0-8-15-Erklärungsansatz, wenn es bei irgendeinem erfolgreichen Trainer nicht mehr läuft (selbst bei Trainern, die alle 30 Minuten umstellen). In diesem Spiel war es aber tatsächlich ein wichtiger Faktor und generell hatte Schmidts Ansatz zu Beginn wohl auch von einem gewissen Überraschungseffekt gelebt, den es jetzt nicht mehr hat; zumal das System zunehmend kopiert wird.
Die logische asymmetrische Überladung
Zum einen hatte Tuchel den Vorteil, dass das aktuelle Dortmunder Grundsystem eine ziemlich praktische Grundstruktur bietet, um weiträumig ein eng angelegtes Pressing zu umspielen. Wieso das 3-4-2-1/3-5-2 der Borussen sich dafür so gut eignet hat der Kollege Tom Payne auf Spielverlagerung.com bereits etwas ausführlicher analysiert.
Es gab aber schon genügend Spiele, in denen ähnliche Dreierkettenformationen vom 4-2-2-2 recht effektiv gepresst und vor allem auch ausgekontert wurden. Was den BVB dabei heraushebt waren der bessere Passrhythmus, die flexiblere, asymmetrische Grundstruktur mit überaus starken Spielern in den Zwischenräumen und eine kleine taktische Anpassung. Ich möchte letzteres Detail hier etwas näher beleuchten, das auf den ersten Blick unscheinbar ist, aber von der strategischen Grundlage dahinter äußerst interessant und in vielen Situationen den Unterschied gemacht hat. Schauen wir kurz auf den Rasen:
Was an dieser Szene interessant ist, ist die starke Überladung auf der linken Seite. Der BVB hat quasi sieben Spieler in der linken Hälfte, dazu Dembele, der Kontakt zu dieser Ballung von Spielern hält. Nur zwei Spieler halten sich klar rechtsseitig auf. Wo man ja bei eigenem Ballbesitz eigentlich das Spiel breit machen will und die Abstände zwischen den Spielern groß, ist das sehr ungewöhnlich. Wenn man anders auf das Bild schauen will: Dortmund hat ein relativ normales 3-1-4-1 und dazu Castro einfach noch zusätzlich auf der ballnahen Seite.
So merkwürdig diese Staffelung ist, so hab ich vor dem Hinspiel zwischen Dortmund und Leverkusen – also bereits im Oktober – eine Grafik gemacht mit einer Idee, wie die Borussen das 4-2-2-2 der Leverkusener vielleicht aushebeln könnte. Die sah fast exakt so aus wie das, was wir da oben sehen:
Den gegnerischen Plan zum eigenen machen
Der Effekt davon und – zumindest von meiner Seite – die Idee dahinter: eine Struktur herstellen, in der man sich durch die verschobene Pressingformation der Leverkusener durchspielen kann. Das 4-2-2-2 ist halt im Zentrum so kompakt, dass man zwangsweise über den Flügel spielen muss. In einer symmetrischen Formation fehlen einem dort aber die Anspielmöglichkeiten, sodass das 4-2-2-2 beim Verschieben massive Überzahl herstellt. Gleichzeitig hat man eine massive ballferne Überzahl, die man aber durch den gegnerischen Druck nicht angespielt bekommt.
Logische Schlussfolgerung: Man reduziert die Überzahl ballfern und erhöht das Personal ballnah. Das Resultat: Die Staffelung bei eigenem Ballbesitz wird asymmetrisch, nicht nur in ihrer Form (links anders als rechts), sondern auch in ihrer Verteilung (links mehr als rechts [dafür gibt’s kein richtiges Wort in dem Kontext – „Schwerpunkt“!?]).
Was man also tut ist, dass man schon vor dem Verschieben des Gegners eine Staffelung herstellt, die dann funktioniert, wenn der Gegner verschoben hat. Normalerweise will der Gegner, dass man nach außen spielt, um dann da hinzuschieben. Jetzt stellt man eine Situation her, in der man genau das gleiche will und besser darauf vorbereitet ist als der Gegner. Der Gegner führt seinen Plan durch und tut dabei genau das, was man auch selber von ihm wollte.
Überzahl im richtigen Moment
In Taktikdiskussionen wird immer wieder über Unter- und Überzahlverhältnisse zwischen Formationen gesprochen. Einfachheitshalber finden diese Betrachtungen oft statisch statt, was aber zuweilen dazu führt, dass sie effektiv falsch sind. Die Überzahlen auf dem Feld sind immer dynamisch; insbesondere dann, wenn eine Mannschaft sich stark ballorientiert verhält.
So hat die Dreierkette gegen das 4-2-2-2 theoretisch den Vorteil der freien Halbverteidiger (3 gegen 2 in der Abwehr) und der freien Flügelläufer (4 gegen 2 im defensiven Mittelfeld). Die Frage ist aber, wann und wie diese Überzahl nutzbar ist. Bei gutem Pressingverhalten entsteht schnell eine Gleichzahl in der Abwehr, weil der gegnerische Zehner vorschiebt. Wenn der Flügelläufer den Ball bekommt, wird seine freie Position eventuell vom herausrückenden Außenverteidiger des Gegners aufgehoben und dann durch den kompakt verschiebenden Mittelfeldblock des Gegners binnen Sekunden zu einer massiven Unterzahl.
Die Positionierung des Dortmunder Mittelfelds – besonders von Castro – ermöglichte es, die Überzahl im richtigen Moment auch ausnutzen zu können. Kollege Adin Osmanbašić hat den Effekt der Dortmunder Strategie im privaten Chat gut beschrieben und liefert eine nette Grafik gleich mit. Ich zitiere an dieser Stelle einfach und setze darauf, dass die meisten Leser Englisch sprechen:
„Durm plays a similar part to bind the two defenders as a striker would. Reus and Durm give a bit of freeness to Aubameyang to overload the diagonal press in ten-space.
Guerreiro behaves diagonally like a halfback would vs. a front 2. He is free driving forward as the opponent FB cannot press him or Reus will be open. Reus‘ movement binds the FB and CB into depth. Durm binds the far FB and the CB because they have to defend depth. The far #6 of Leverkusen can get overloaded now with Aubameyang’s movement next to Dembele. Really nice progression diagonally and immediately creatively dangerous with options into depth.
It’s somehow like a diagonal 3-4-2-1 vs. a diagonal 3-1-4-2 with the opponent back 3 binded by the two wing players running behind.“
In dieser Grafik ist die zweite Variante zu sehen: Guerreiro tiefer, Reus höher. Im Spiel wechselte das, aber diese Variante wurde häufiger genutzt. Das ist logisch, weil sie leichter zu spielen ist, aber auch schade, weil die Überladung dadurch an Effektivität verliert.
Dortmund (unnötig?) flügellastig
An der Stelle besteht dann doch ein relativ großer Unterschied zwischen dem von mir skizzierten System und dem, was der BVB dann spielte. Ich hatte eine noch klarere Betonung der überladenen Seite im Kopf und ein konsequenteres Ausspielen der Überzahl durch Kombinationen. Deshalb hatte ich die Reus-Position in der Grafik auch konstant tiefer und mit Götze besetzt, sowie Dembele als Mittelstürmer, der eine zusätzliche vertikale Passoption anbieten kann. Die beiden verschobenen Sechser wären dann öfter angespielt worden, um das gegnerische Pressing auszulösen, Gegenspieler herauszulocken und dann entweder mit Drehungen zu umspielen oder nach Rückpässen mit Vertikalpässen aus der Abwehr zu überrumpeln.
Tuchel wählte stattdessen eine flügellastigere Variante im Ausspielen der Staffelungen. Der vertikale Ball kam häufiger von Guerreiro als von Bartra oder den Sechsern, was mit der hohen Rolle von Reus Sinn ergibt. Die Positionen von Dembele, Reus und Guerreiro unterstreichen daher die unterschiedlichen Ansätze. (Also bei einer Verteilung wie bei mir wäre der zentrale Angriff wohl besser gewesen, die real gewählte Verteilung kommt aber dem flügellastigeren Ausspielen zugute.)
Problematischer als das Ausspielen der Überladung – was ja letztlich aufging – war die mangelnde Klarheit im Anspielen der Überladung. Öfters spielten die Borussen unnötig auf die rechte Seite oder spielten dort zu freimütig nach vorne. Dort fehlte eben der Spieler, der sich zusätzlich links herumtrieb. Zudem sind Piszczek und Durm nicht die Spieler, die sich dann in Unterzahl durchsetzen. So entstand beispielsweise der Freistoß zum 3:2-Anschlusstreffer aus der folgenden Situation, wo Bürki sich ohne Not entscheidet, Piszczek einzusetzen statt Bartra.
Raumgewinn, Stabilisierung und Gegenpressing
So waren die Leverkusener – das klingt jetzt vielleicht merkwürdig – die längste Zeit des Spiels eigentlich relativ stabil und wurden nicht sonderlich oft wirklich ausgespielt. Die Dortmunder Überladung führte aber dazu, dass sie nicht konstant den Druck aufbauen konnten, um die Bälle zuverlässig zu erobern. Dortmund konnte sich entlang der Linie nach vorne spielen und dadurch Raum gewinnen. Das Pressing wurde also erst einmal aus dem Mittelfeld gedrängt.
Durch den Raumgewinn und die verschobene Struktur hatten die Borussen dann eine sehr gute Ausgangslage für das Gegenpressing, wenn sie nun Bälle am Flügel verloren. So fiel dann auch direkt das 1:0. (Gegenpressing kann eben gerade dann ein effektiver „Spielmacher“ sein, wenn der eroberte Ball dann zu einem Reus oder Dembele in aktueller Form kommt.)
Der stabile Raumgewinn führte dementsprechend auch zu den strafraumnahen Standardsituation, die dann zwar etwas glücklich in gleich zwei wichtige Tore umgemünzt worden, die man aber eben nicht hat, wenn das gegnerische Pressing richtig greift. (Könnte aber sein, dass wir an dieser Stelle nun über die fehlende zentrale Präsenz der Dortmunder sprechen würden, wenn Leverkusen vor Aubameyangs beiden Treffer den Ball geklärt kriegt.)
Schwieriges Thema: Ballorientierung bei Ballbesitz
Die Flügellastigkeit entstand auch dadurch, dass die Asymmetrie nicht mit voller positioneller Konsequenz durchgeführt wurde: Castro und Weigl hielten sich nicht als Grundposition so weit links auf, sondern liefen meist erst in diese Positonen, wenn der Ball auf die linke Seite kam. Dadurch kamen sie manchmal etwas zu spät und hatten ungünstige Sichtfelder und Bewegungsmöglichkeiten. (Praktisches Beispiel dazu: Bartra will auf Castro spielen. Szenario A: Castro ist in der breiten Position, kann dem Ball kurz diagonal entgegenkommen und leicht zur Mitte hin aufdrehen, um das ganze Feld zu sehen. Szenario B: Castro bewegt sich gerade nach außen. Er braucht länger um seine Bewegung abzubrechen, sieht dabei den zentralen Raum hinter sich nicht und muss den Ball wahrscheinlich sicherheitshalber nach außen mitnehmen.)
Diese Problematik ist auch einer der Gründe, wieso man eigentlich bei Ballbesitz nicht zum Ball joggen sollte, gerade wenn der Ball außen ist. Normalerweise läuft man mit dem verschiebenden Gegner mit, wird deswegen nicht frei, sondern blockiert nur den Mitspielern den Raum und fehlt anschließend bei einer Verlagerung in anderen Zonen. Deshalb ist das Grundkonzept des Juego de Posicion ja, dass man seine Position mehr oder weniger hält. Der Ball läuft zu den Positionen, nicht die Positionen zum Ball.
Warum das hier dennoch sinnvoll war, ist die restliche Struktur der Borussen und der genaue Rhythmus im Verschieben. Weigl und Castro liefen eben nicht nach links, weil sie unbedingt schnellstmöglich den Ball haben wollten. Sie veränderten die Positionsstruktur so, dass sie zur Situation passte. Castro stellte die Verbindung zwischen Bartra, Reus und Guerreiro her und band zwischen gegnerischem Sechser und Zehner zwei bis drei Gegenspieler (siehe Grafik zum 1:0). Weigl positionierte sich als Verlagerungsspieler für Rückpässe von Castro oder als Passalternative für Bartra.
Um die beiden Sechser herum hielten die Borussen dennoch ein Positionsnetz aufrecht und sie spielten innerhalb der verschobenen Struktur wie beim Juego de Posicion. Konzeptionell könnte sich das meines Erachtens zum nächsten Schritt des Offensivfußballs entwickeln; zumal es immer mehr Spieler gibt, die gut in engen Räumen zurechtkommen.
Leverkusen zerfällt zum 4-4-2
Nachdem ich jetzt einen halben Roman verfasst hab, was Tuchel so gegen das 4-2-2-2 gemacht hat, bleibt einzuwenden: Richtig bitter wurde es für Leverkusen erst, als man nicht mehr von einem 4-2-2-2 sprechen konnte. Das 4:2 fiel nach einem Einwurf. Bei den wunderbar herausgespielten Toren fünf und sechs hatte Leverkusen nicht mehr die typische horizontale Kompaktheit, sondern stand in einem handelsüblichen 4-4-2 da. Dieses war zudem noch ziemlich unintensiv. Schmidts Mannschaft wirkte in diesem Moment wehrlos, weil wohl auch schlichtweg die Kräfte nicht mehr da waren.
Gerade in der Endphase des Spiels hat der aktuelle 4-2-2-2-Primus aus Leipzig immer noch mal Körner übrig. Leverkusen hat diese nicht, vor allem nicht nach einem Spiel mit unter 50% Ballbesitz. Dazu passt, dass die Leverkusener ihr Pressingsystem in der aktuellen Saison auch nur selten auf das ganz hohe Niveau bringen konnten, das man von Leipzig regelmäßig sieht. Das Tempo ist etwas niedriger, oft ist auch die Sauberkeit im Verschieben schwächer. Wenn man in den Szenengrafiken die Positionen der beiden ballfernen Mittelfeldspieler betrachtet, so sind diese nicht optimal.
So ist die Entlassung von Roger Schmidt vielleicht nur die logische Folge einer anderen Entlassung: der von Oliver Bartlett. Der Athletiktrainer, der auch die Dortmunder Meistermannschaften 2011 und 2012 fit machte, wurde im Dezember entlassen. Sein Tätigkeitsfeld ist vor allem die Verletzungsprävention, zudem plant er im Trainingsbetrieb die Feldgrößen und Intervalllängen der Spielformen, was entscheidend dafür ist, in den Spielformen Kondition zu entwickeln. Nun habe ich keinen genauen Einblick in die internen Vorgänge oder die Arbeit von Bartlett. Die Verletzungsmisere der Leverkusener im Laufe der Hinrunde spricht jedoch von einem Scheitern. Die Intensitätsmängel im Pressing der Mannschaft dürften auch eine Konsequenz davon sein. Und ohne herausragende Intensität und Kompaktheit ist das 4-2-2-2 direkt viel weniger Wert.
Diese Problematik ist sicher nicht der alleinige Grund für Roger Schmidts Scheitern. Man könnte über individuelle Fehler sprechen, über Defizite im Spielaufbau, über mangelnde taktische Anpassungsfähigkeit von Schmidt. Im Kontext von Schmidts Erfolgen bei RB Salzburg ist die Berücksichtigung des Fitnessaspekts aber wohl sehr wichtig. Ansonsten gehörte Leverkusen weiterhin zu einem der taktisch stärkstem Teams der Liga – mit einigen Abstrichen, die vieles kaputt machten. So war zuletzt die Struktur im Spielaufbau beispielsweise ziemlich gut, doch spielte die Mannschaft die Staffelungen zu ungeduldig aus, griff zu unnötigen, ungeduldigen langen Bällen und war zu fixiert auf Verlagerungen.
Trainerhölle Bundesliga
Solche Kleinigkeiten machen heutzutage oft einen immensen Unterschied in der Bundesliga. Ich habe in den Sonderpodcasts zur Hinrunde schon mehrfach darüber gesprochen: Die Bundesliga ist zur Zeit merkwürdig. Sie hat eine neue Qualität entwickelt. Es gibt quasi keine taktisch schwachen Teams mehr. Alle können gut verschieben, pressen, gegenpressen, umschalten und immer mehr können auch ordentlich bis gut aufbauen. Dadurch können Kleinigkeiten im (taktischen) Mannschaftsgefüge dafür sorgen, dass ein Ergebnis nach dem anderen enttäuschend ausfällt.
Die üblen Leistungseinbrüche von Klopps BVB, Favres Gladbach und Heckings Wolfsburg sind die beeindruckenden Extrembeispiele dafür. Gemessen daran ist die Leverkusener Saison noch in Ordnung. Natürlich sind die Ergebnisse nicht dem Leverkusener Potential entsprechend. Gerade weil der Kader mittlerweile auch hervorragend auf Roger Schmidts Fußball abgestimmt war, ist das sicherlich eine große Enttäuschung.
In der Bundesliga wird man sich aber wohl daran gewöhnen müssen, dass es Enttäuschungen gibt. Zur Zeit sind zwei Drittel der Bundesliga-Trainer seit weniger als einem Jahr in ihrem Job. Gefühlt sind vielleicht sechs, sieben Teams mit ihren Ergebnissen zufrieden. Die deutsche Bundesliga ist ein hartes Pflaster geworden.
46 Kommentare Alle anzeigen
tobit 7. März 2017 um 20:04
Könntet ihr euch statt Durm auch Schürrle als rechten Tiefenläufer vorstellen? Prinzipiell müssten ihm die offeneren Räume und der Fokus auf direktes, geradliniges Spiel und schnelle Abschlüsse ziemlich entgegenkommen.
BS 8. März 2017 um 15:33
Offensiv bestimmt aber defensiv eher nicht so. Schürrle arbeitet zwar als Außsenstürmer relativ viel defensiv mit aber als ‚Wingback‘ ist er ein bisschen verschenkt. Gerade wenn Schorsch unten recht hat und Durm Dembeles Aktionen absichern soll, dann wäre das eine sehr undankbare Aufgabe für jemanden, der so offensiv denkt. Außerdem sehe ich Schürrles stärkste Position eher als inverser Außen auf links. Aber da gibt es eben auch Reus und Pulisic… (mal sehen, wer Reus heute vertreten wird)
Camp Mou 7. März 2017 um 11:35
(links mehr als rechts [dafür gibt’s kein richtiges Wort in dem Kontext – „Schwerpunkt“!?])
Ballung(szentrum), Dichte?
luckyluke 7. März 2017 um 14:08
Oder einfach die Einteilung in vertikale und horizontale (A-)Symetrie?
koko 8. März 2017 um 13:33
Bei einer Wahrscheinlichkeitsverteilung wäre es die „Schiefe“.
Peda 7. März 2017 um 11:11
Ich habe das Spiel leider nicht gesehen (Musik > Fußball, isso ;-)) und jetzt einmal darüber schlafen müssen, um für mich persönlich aus den Artikeln von MR und TP etwas mitnehmen zu können.
Nicht falsch verstehen: die Artikel sind beide großartig geschrieben und beleuchten selten besprochene Aspekte sehr gut verständlich. Ein 6:2 klingt auch wirklich imposant, aber nach 75 Minuten standen wir bei 3:2 und die xG kommen auf ungefähr 3,05 (+E):0,61.
Von Dortmunder Seite ist natürlich die asymmetrische Herangehensweise, sowie die dynamische Herstellung von Überzahlen und Verbindungen interessant.
Aber mir fällt bei den Grafiken viel mehr bei den Leverkusenern auf: schlechte Orientierung im Pressing (ich sehe da zu viele mannorientierte Positionierungen, vor allem auch ballfern), mangelndes Verschiebeverhalten, mangelnde Deckungsschattennutzung und insgesamt ein fehlendes Vertrauen in die eigene Spielweise. Wenn sich vier Abwehrspieler durch zwei Angreifer binden und zurückdrängen lassen und (entgegen der üblichen Vorgehensweise) nicht entsprechend ballnah herausrücken, dann hat man offensichtlich den Glauben verloren.
Das wäre umgekehrt in etwas so, wie wenn sich Piszczek und Bartra ihre Sechser nicht in den Engen anspielen trauen würden, wodurch nicht genügend Raum geöffnet wird um nach vorne zu kommen.
Ich bin da der selben Meinung wie ein paar andere Kommentare: bedingungsloses Pressing ist für eine Spitzenmannschaft zu wenig. Das soll weder heißen, dass Angriffspressing per se zum Scheitern verurteilt ist noch, dass es als grundsätzliche Spielidee für keine Manschaft brauchbar ist. Aber wer regelmäßig zumindest ein Halbjahr international dabei ist und in mehr als die Hälfte seiner Spiele als Favorit geht, der kommt damit früher oder später in Teufels Küche.
Rjonathan 7. März 2017 um 07:45
Was mich interessieren würde: Beim Spiel Gladbach-Schalke trafen ähnliche Systeme aufeinander und es ging andersrum aus. Hat das jemand gesehen und eine Meinung dazu, welche Faktoren hier am Werk waren?
MR 8. März 2017 um 00:28
Gladbach hat das Spiel gemacht und war dabei in der Offensive übelst gut.
Rjonathan 9. März 2017 um 15:35
Das trifft auf den Großteil der ersten Halbzeit so nicht zu. Da hat Gladbach sich ja eher hinten reingestellt und auf Fehler gewartet. In Hälfte 2 haben sie zunehmend das Zepter übernommen, aber zwei der vier Tore fielen aus Ballgewinnen beim offensiven Gegenpressing. Auf Schalker Seite stand Bentaleb phasenweise unmittelbar an der Außenlinie, so dass der Schalker Aufbau der ersten Grafik des Artikels recht nah kam. Deswegen meine Frage – auch bei größtenteils unterschiedlicher Interpretation des Systems gab es dann doch irgendwie auch ein paar Parallelen zur Spielanlage dieser Partie. Ich bin jetzt nicht genug Experte um das detaillierter zu durchschauen. Wenn ihr die Partie nicht gesehen habt, könnt ihr mir da aber natürlich auch nicht bei helfen… Auf jeden Fall dennoch vielen Dank für die Antworten.
FAB 10. März 2017 um 09:54
Der BVB scheint auch ein bißchen auf Doppelsechs umgestellt zu haben. Ich finde Castro macht das aktuell sehr gut und rennt nicht mehr wie in der Hinrunde irgendwo wirr umher. Der BVB steht dadurch deutlich stabiler.
Theoretisch geht die Doppelsechs mit der Dreierkette zu Lasten der Präsenz im 10er Raum, aber dadurch dass Dembele einfach ein brutal guter Kicker ist, dessen Aktionen nicht vorbereitet werden müssen, sondern der auch alleine überall auf dem Platz für Präsenz bzw. Gefahr sorgen kann, fällt das nicht ins Gewicht.
Ein Talent das z.B. Goretzka irgendwie nicht hat. Gerade in der Anfangsphase, als er wohl in einem 4-4-2 vorne neben Burgstaller spielen sollte, hat man gemerkt, dass er sich oft sehr schwer tut mit der Positionsfindung, die oft nicht so gelungen war (entweder zu nah an der Defensive oder zu weit weg), nach der Umstellung auf 4-3-3 kam er dann besser zurecht.
Letztlich spielt es keine Rolle ob mit Dreierkette oder Viererkette gespielt wird, entscheidend ist doch ob im zentralen Mittelfeld die wichtigen Positionen besetzt werden. Das sind situativ relevante Halbraumpositionen neben dem 6er und oft auch die 10er Position. Schalke tut sich da einfach deutlich schwerer diese Positionen zu besetzen und lässt oft eine große Lücke zwischen Defensive und Offensive.
tobit 11. März 2017 um 10:14
Zu Castro: Er ist brutal formabhängig. Aber nicht wie andere beim Erfolg seiner Aktionen mit und ohne Ball, sondern bei seiner Positionierung und den Entscheidungen, wann er den Ball fordert und wann er passiv bleibt. Die Hinrunden in Dortmund und besonders die Rückrundenstarts war er jeweils ziemlich schwach, um dann im Saisonendspurt richtig heftig aufzudrehen. Woran diese brutalen Schwankungen liegen, kann ich mir überhaupt nicht erklären.
Zur Doppelsechs mit 3er-Kette: es geht nur zu Lasten der Zone 14, wenn man weiterhin die Flügel doppelt besetzt. Sonst hat man gerade in den zentralen Räumen sehr viel Präsenz, wo Reus, Dembélé, Pulisic und Guerreiro dann natürlich brillante Dinge tun können.
Goretzka ist halt gegenüber denen ein völlig anderer Typ. Er ist (ein bisschen wie Vidal) nur dann wirklich herausragend, wenn er sich überall einschalten darf, ohne der fokussierte Spielmacher zu sein (dafür fehlt ihm etwas das Strategische und die letzte Präzision im Passspiel). Eigentlich wäre ein 3331 mit Meyer, Bentaleb und Stambouli um ihn herum (+Schöpf, Caligiuri auf den Flügeln) ein perfektes Umfeld. Er könnte im Pressing vorstoßen oder absichern und in Ballbesitz stark vertikal herumpendeln, ohne dass dadurch die Präsenz im Mittelfeld verloren ginge.
Im 442 mit Geis und Stambouli als Doppelsechs, wären wohl auch Dembélé oder Guerreiro mit der Rolle überfordert gewesen, da sie einfach zuviel von einem Spieler verlangt.
tobit 11. März 2017 um 11:32
http://lineupbuilder.com/?sk=dy66m
Sowas wäre – in Verbindung mit einem funktionierenden Spielaufbau durchs Zentrum – ein Team, das sich immer in der Nähe der CL-Ränge bewegen würde. Leider wird man das wohl nie zu sehen bekommen, da Goretzka und Meyer wohl nach dem Verpassen der EL in dieser Saison wechseln werden und ich die Hoffnung auf ein Aufbauspiel, das seinen Namen auch verdient (trotz all der spielstarken Spieler), aufgegeben habe.
tobit 8. März 2017 um 16:15
Gesehen habe ich das Spiel nicht, aber die Berichterstattung zeigt eigentlich klar, wie das Spiel lief. Die Formationen waren ähnlich, aber die Ausrichtungen völlig verschieden. Gladbach war, wie MR bereits sagte, aufgrund ihres Spielermaterials die weitaus aktivere Mannschaft am Ball. Die Schalker haben im 352 seit Monaten massive Probleme im Spielaufbau und sind nur seltenst dazu in der Lage das gegnerische Pressing (selbst, wenn es nicht so extrem wie von Bayer oder RaBa ist) auszuspielen. Die Voraussetzungen der Partie MGB-S04 waren also völlig anders als bei BVB-B04.
Izi 6. März 2017 um 23:24
„So waren die Leverkusener – das klingt jetzt vielleicht merkwürdig – die längste Zeit des Spiels eigentlich relativ stabil und wurden nicht sonderlich oft wirklich ausgespielt.“
Das entspricht auch Schmidts Fazit des Spiels — wofür er von der Sportschau verhöhnt wurde…
Geiler Artikel, wie immer! Den Taktik-Nagel auf den Kopf getroffen.
ode. 7. März 2017 um 13:29
@Izi: Natürlich hat Schmidt damit teilweise Recht gehabt. Bayer hat definitiv gegen Dortmund besser gespielt als gegen Mainz. Aber man stellt sich nach einem solchen 2:6 nicht vor die Kameras und sagt so was. Da sagt man halt Sachen wie: „Dortmund war besser. Brutale Qualität im Angriff. Wir nicht so toll. Haben die Köpfe hängen gelassen. So geht’s nicht weiter…“ Phrasen halt. Der redet da ja nicht auf der Trainertagung, sondern mit der Masse an Fernsehzuschauern.
Es erinnerte ein wenig an den armen Thomas Hörster vor ein paar Jahren, der irgendwann nach dem Spiel sagte, er glaube nicht mehr an den Klassenerhalt. Geht halt nicht. So was kannst du nicht sagen. Auch, wenn du einen Sondertrostpreis für ehrliches Verhalten verdient hättest.
tobit 7. März 2017 um 15:18
Du kannst diese schon sagen – Frings hat es doch vorgestern erst wieder vorgemacht.
Was Schmidt gesagt hat, fand ich übrigens absolut korrekt – niemand will die Phrasen hören, aber alle hauen drauf, wenn einer Mal was anderes (richtigeres) sagt. Wenn ich es richtig im Kopf habe, dann hat er sich mit seiner Aussage zum Schritt in die richtige Richtung auch klar auf die Zeit bis zum 3:2-Anschluss bezogen und danach eben auf die besondere Qualität der BVB-Offensive und die psychologische Komponente des erneut direkten Konters verwiesen. Dieser Teil passt dann halt nicht mehr ins Bild des realitätsblinden Dogmatikers, der Schmidt jetzt sein soll (und teilweise auch ist).
Schorsch 7. März 2017 um 20:19
Du solltest die Art und Weise, wie Medien oft agieren, nicht außen vor lassen. Es war schon immer eine ‚gern genommene‘ Methode, einen bestimmten Teil aus einem größeren Zusammenhang zu nehmen und diesen ‚Ausschnitt‘ zu thematisieren ohne den dazugehörigen Kontext. Auffällig war dies in Vor-Internetzeiten insbesondere bei ‚Boulevard‘-Medien, aber diese Methode zog sich immer schon durch die gesamte Medienlandschaft. Heutzutage, wo jede Petitesse in Sekundenschnelle über die online-Medien weltweit millionenfach verbreitet wird und eine neue ‚Meldung‘ die nächste jagt, um clicks zu bekommen, ist diese Methode fast schon Standard geworden. Wieviele Menschen haben wohl die gesamte Pressekonferenz nach dem Spiel gesehen? Und wieviele nur genau die besagte Aussage von Schmidt? Diese ist auf sämtlichen Kanälen hinauf und hinunter genudelt worden – ohne Erläuterung des Gesamtzusammenhangs. Dessen hätte sich Schmidt, der ja auch ‚Medienschulungen‘ (wie alle seine Kollegen) erhalten hat, bewusst sein müssen. Sicherlich ist es schwer, nach einem solchen Spiel in solch einer Drucksituation an den Formulierungen genaustens zu feilen, bevor ich sie benutze. Dennoch ist es notwendig. Mit einer anderen Formulierung das Gleiche ausgedrückt, ohne missverstanden werden zu können und man hätte Schmidt diese Äußerung nicht um die Ohren gehauen. Die Medienmeute wartet in solchen Situationen doch nur auf auf einen Fehler (oder was man dazu machen kann) des in die Enge getriebenen Wildes. Um es dann zum Abschuss freizugeben. Ich möchte nicht wissen, in welcher Art und Weise sich da am Sonntag gewisse ‚Aasgeier‘ auf dem Trainingsgelände Bayers aufgeführt haben.
Beim Lutscher war die Gesamtsituation anders. Jeder der das Spiel im Stadion oder via TV verfolgt hat konnte sehen, dass die Lilien Werder in HZ spielerisch überlegen waren und die deutlich klareren Chancen hatten. Auf dieses Spiel traf der altbekannte Spruch von ‚Kobra‘ Wegmann zu (1. HZ kein Glück gehabt, 2. HZ kam Pech dazu). Bayer hingegen war zwar gegenüber dem Spiel in Mainz in der ersten Phase des Spiels eindeutig stabiler, aber offensiv ohne Wirkung. Die meisten werden die Spiele in der Zusammenfassung gesehen haben (Sportschau, Aktuelles Sportstudio, etc.). Was bleibt da n Bildern hängen? Pfostentreffer und gute Chancen für Darmstadt, Bayer hingegen kassiert 6 Tore. Das wird die ‚Wahrnehmung‘ von Millionen von Fußballinterssierten gewesen sein.
Man kann sich darüber aufregen oder nicht, die Medienrealität ändert man aber nicht. Ein Rehhagel konnte sich noch als Konsequenz den Medien verweigern und ein Happel hat mit einem lakonischem die Ultra-Kurz-Pressekonferenzen des geliebten Trainers Ernst Happel ‚Schreibt ä os was ihr wollt. Ist mir eh wurscht!‘ seine Meinung dazu kundgetan. Heute undenkbar. Wer sich mit den Medien als Trainer anlegt (Klopp z.B. tut dies manchmal) muss sich darüber klar sein, wie er in Krisenzeiten ‚behandelt‘ werden wird.
tobit 7. März 2017 um 23:31
Das ist ja klar, dass man sich mit solchen Statements wenig Freunde macht. Aber soll man deswegen Schweigen wider besseren (GE)Wissens? Wenn ja, dann Gnade uns Gott (Nietzsche hab ihn selig ????).
Was Millionen Fussballinteressierte denken, sollte auch heute dem Trainer nicht wichtiger sein, als eine ehrliche und korrekte Einschätzung des Sachverhalts. Das selbe gilt auch für die SpoDis und Vorstände: Solange es keine wirklich eklatante Misskommunikation gibt, sollte die Außendarstellung kein Grund sein, am Stuhl des Trainers zu sägen.
Jeder der sich etwas mehr mit dem Fussball auseinandersetzt, als nur Samstags Sportschau und Sonntags Doppelpass zu gucken, der wird diese Spielchen der Medien auch schnell durchschauen.
luckyluke 7. März 2017 um 23:58
Nur um mal eine Lanze für die Sportschau zu brechen: Ich hatte in deren Zusammenfassung durchaus das Gefühl, dass sie bemüht waren, die verbesserten Ansätze bei Bayer herauszuarbeiten, sind dann aber auch einfach an der Zeit gescheitert (8 Tore, da bleibt nicht viel Zeit für anderes). Und auch das Interview mit Schmidt haben sie nicht als „wie kann der sowas nur sagen“ hingestellt, sondern es ergab meiner Meinung nach im Kontext mit der Zusammenfassung ein stimmiges Bild, wobei Schmidt nicht unbedingt Unrecht hatte mit seinen Ausführungen…
Einfach nur, um mal aufzuzeigen, dass es auch sehr einfach sein kann mal prinzipiell dir Sportschau zu verdammen 😉
Schorsch 8. März 2017 um 00:25
Und wieviele sind dies? Profifußball ist Teil der Unterhaltungsindustrie. Als mit Abstand beliebtester Volkssport ist die Zielgruppe riesig. Und es wird eben in den Massenmedien für diese riesige Zielgruppe berichtet. Da ist der Grad der Differenzierung vielleicht nicht ganz so hoch. Ist auch für mich völlig in Ordnung; wer es gerne differenzierter hat, dem stehen andere Möglichkeiten offen.
Wie schon gesagt, oftmals ist nicht das was man sagt, sondern wie man es sagt (z.B. in welcher Formulierung) der casus knacktus. Und wo in unserer Gesellschaft gibt es einen Bereich, in dem immer offen und klar geredet wird? Politik? Wirtschaft? Wissenschaft? In Familien? Wenn eine Fusion (Übernahme etc.) zweier Unternehmen offiziell verkündet wird, hat man da schon einmal von der beabsichtigten Zahl der Kündigungen gehört? Eher weniger, dafür mehr von den erwarteten/erhofften ’synergistischen Effekten‘.
Sicherlich soll ein Trainer nicht unbedingt Lyrik zum besten geben. Früher nannten Journalisten die Pressekonferenzen nach Spielen oft ‚Märchenstunde‘, weil eben wenig konkrete Aussagen kamen. Ein Trainer sollte schon seine Analyse wiedergeben, zu der er tatsächlich gekommen ist. Aber er wird nicht daran vorbeikommen, diese in bestimmten Situation ‚verpacken‘ zu müssen.
PS Ich bin nicht davon überzeugt, dass z.B. im Falle Roger Schmidts die ‚Außendarstellung‘ der entscheidende Grund für seine Demission war. Sie hat sicherlich eine Rolle gespielt und Schmidt hatte auch deswegen Gegner im Club. Läge B04 allerdings aktuell klar auf CL-Kurs, wäre Schmidt auch nach wie vor Trainer. Aber Bayer ist weit davon entfernt und das Verpassen der Saisonziele wurde immer wahrscheinlicher. Wenn es dann auch noch im Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft nicht stimmt und es clubintern noch andere schwerere Differenzen gibt, dann haben die Befürworter des Trainers irgendwann keine Argumente mehr.
Gh 8. März 2017 um 10:58
zunächst mal wird über fußball differenzierter in den medien berichtet als über jeden anderen sport, jedenfalls in deutschland. schade ist, dass halt in deutschland gefühlt 12 von 18 buli-teams am saisonende als loser dargestellt werden, dass ist z.B. in spanien keinesfalls so. zu schmidt: seine analyse zum aktuellen spiel war sicherlich nicht verkehrt, da den leverkusenern ähnliches aber in der saison schon öfters „wiederfahren“ ist kann man als reflektierter trainer auch schon mal auf die idee kommen, dass das nicht nur zufall und schlecht gelaufen ist. leverkusen hatte so ein bisschen das soufflee-problem: wenn alles lief war das ergebnis delikat, wenn aber kleine abweichungen auftraten ist das ganze in sich zusammengefallen. fußball ohne netz und doppelten boden halt.
tobit 8. März 2017 um 16:33
@luckyluke: Es geht mir nicht darum, die Sportschau zu verdammen oder ihr vorsätzliche Simplifizierung vorzuwerfen. Trotzdem ist der Detailgrad der Sportschau bei Torreichen Spielen eben genau darauf begrenzt, was dann in Kombination mit einem zusammenhanglosen Interviewschnipsel eben ein bestimmtes Bild beim nur Sportschau schauenden Fan ergibt, ob beabsichtigt oder nicht. Was ich ganz klar für Quatsch halte, ist das Meiste von dem Zeug, was die ganzen „Experten“ da Sonntags beim „Live-Frühschoppen“ von sich geben.
@Schorsch: Natürlich war die Außendarstellung nicht der Grund für Schmidts Entlassung, aber offensichtlich war man damit im Vorstand nicht gerade zufrieden in den letzten Monaten. Krasse sportliche Talfahrten übersteht ein Trainer (ob das richtig ist oder nicht, will ich her nicht beurteilen oder diskutieren), wenn er ansonsten alle Gremien voll auf seiner Seite hat (z.B. Klopp 14/15, wo man sich dann zum Saisonende getrennt hat). Ansonsten finde ich nicht, dass ein Trainer die Verpflichtung hat, sich nach außen möglichst diplomatisch zu äußern. Einzelkritiken sollte man intern besprechen, alles andere kann man auch öffentlich und verständlich analysieren.
@Gh: Stimme dir da weitestgehend zu. Diese klare Selbstreflexion zu ihrer Außendarstellung und spielerischer Methoden ist ja nicht nur bei Schmidt eingeschränkt, das teilt er mit den meisten anderen Trainern auf dieser Stufe.
Schorsch 9. März 2017 um 15:05
@tobit
Klopp war eine Ausnahme, so wie Schaaf eine war. Beide hatten mit ihren Clubs Erfolgsgeschichten geschrieben, ihre jeweiligen Teams aus der Tristesse wieder ans Licht geführt und mit dem Fußball, den man hat spielen lassen, Millionen von Menschen begeistert. Und das über lange, im Falle Schaafs sehr lange Zeit. Und dennoch, auch für diese Trainer wurde es eng, als es so gar nicht mehr lief. Von Schaaf trennte man sich, Klopp zog selbst die Konsequenzen (welche Diskussionen hinter den Kulissen geführt wurden, wissen wir Außenstehende nicht). Dass beide Trainer bis zum jeweiligen Saisonende ihre Tätigkeit ausüben durften (wobei Schaaf immer davon ausgegangen war, seinen noch für eine weitere Saison gültigen Vertrag
erfüllen zu können), war wohl einzig und allein ihren Meriten und ihrer Beliebtheit zu verdanken. Schmidt war weder so lange bei B04, noch hatte er vergleichbare Meriten.
Was öffentliche Äußerungen von Trainern anbelangt, so geht es nicht darum, sich ‚möglichst diplomatisch‘ zu äußern. Sondern die richtigen Formulierungen zu wählen, ohne inhaltlich Abstriche zu machen. Jeder, der in Verantwortung und gleichzeitig unter Druck steht (und nicht nur dann), weiß um diesen Spagat. Umso mehr, wenn es darum geht, dass die eigene Position auf dem Spiel steht.
tobit 6. März 2017 um 20:38
@MR
Warum hättest du in deiner Fantasy-Aufstellung Auba und Sokratis nach rechts gestellt? Auba könnte von dort sicherlich am langen Pfosten sehr gefährlich werden oder bei (frühzeitigen) Verlagerungen durch große Räume ohne enge Deckung marschieren, aber Sokratis kommt das doch überhaupt nicht entgegen. Er hätte im Normalfall nur zwei echte Anspielstationen (Ginter und einer aus Castro/Weigl) und wäre viel zu leicht an der Auslinie zu isolieren, wo er zu unfassbar schlechten Entscheidungen neigt. Dazu könnte man seine Schnelligkeit nichtmehr zur Absicherung der Risikopässe halblinks nutzen.
Apropos Verteidigung: Wie würdest du daraus eine stabile Defensivformation bauen? Schmelzer als IV neben Guerreiro als LV und Sokratis als RV? Oder doch eine 3er-Kette mit Auba als Wingback? Beides klingt nicht wirklich tragfähig.
Ginter als zentraler Mann der 3er-Kette wäre wirklich interessant. Er spielt meist so passiv (defensiv UND offensiv), dass er dort vielleicht seine Paraderolle finden könnte. Durch die zentrale Position würde er erzwungenermaßen mehr Bälle im Aufbau erhalten und dann sein eigentlich gutes Aufbauspiel (meist ballbesitzerhaltend, aber ab und zu auch mal sehr gefährlich nach vorne) öfter zeigen. Defensiv könnte diese Rolle der Balance des Teams insgesamt entgegenkommen, da er das Herausrücken (bzw. -stürmen) seiner Nebenmänner (besonders Bartra) instinktiv absichern könnte, wo Sokratis nicht immer perfekt ist (er rückt auch gerne weit nach vorne, kann aber Fehler durch seinen Speed und seine schnelle Reaktion sehr gut wieder ausputzen). Nachteil wäre hier Ginters große Schwäche im direkten Zweikampf und seine geringere Explosivität, Kopfballstärke und Beweglichkeit im Vergleich mit Sokratis.
MR 8. März 2017 um 00:39
Das war in erster Linie eine offensive Idee, kein ausgearbeiteter Aufstellungsvorschlag, glaub ich. Wenn ich mich recht entsinne und wie es mir grad am sinnigsten erscheint, hatte ich im Kopf, Weigl in die Verteidigung zu ziehen. Normales 4-4-2 dann also mit Castro-Guerreiro Doppelsechs. Ich meine, das hätte Weigl kurz zuvor auch schon so gespielt.
Sokratis würde eben nur angespielt, wenn er massig Raum hat (Trigger wäre, dass der der ballferne Flügelspieler von Bayer klar auf die andere Feldseite schiebt), dann ist er nicht zu isolieren, sondern kann vorwärts dribbeln und leichte Bälle spielen oder im Notfall einfach Auba lang schicken.
Michi 6. März 2017 um 14:12
Warum es zu so einem Zufall kommt?
Ihr habt ganz offensichtlich einen Maulwurf!
Schorsch 6. März 2017 um 14:02
Ausgezeichneter Artikel, sehr treffende Analyse!
Zum Spiel des BVB: Ich muss Tuchel ein großes Kompliment machen. Nachdem ich nach dem einen oder anderen Spiel etwas ratlos war, war sein Plan dieses Mal für mich sehr logisch und wurde auch weitgehend adäquat von seinem Team und den einzelnen Spielern umgesetzt. Ob er sich mit MR vor dem Spiel ausgetauscht hat…? 😉 Jemanden genau das machen zu lassen (z.B. Verschieben), was dieser machen will (weil er es immer so macht) und ihn dann in einer vermeintlichen Sicherheit am wunden Punkt zu treffen – Chapeau! Das konnte mMn aber (u.a.) nur gelingen, weil der BVB in seiner Arbeit gegen den Ball (nicht nur beim erneut klar verbesserten Gegenpressing) wiederum sehr sicher und souverän agierte – wenn man von einigen wenigen Fehlern absieht. Sokratis wirkt erstaunlicherweise momentan etwas ‚wackelig‘, während Bartra erneut eine Klassepartie zeigte. Bis auf sein überflüssiges Foul, das zum Freistoß und damit zum Anschlusstreffer führte, eine fehlerfreie Defensivleistung und im Spielaufbau mit sauberen und sicheren Pässen. Interessant, dass Tuchel Bartras Steigerung mit Änderungen in dessen Verhalten vor dem Spiel erklärt. Auch Durm hat seine Aufgabe mMn gut erfüllt, nicht zum ersten Male, wie ich finde. Mir hat sich ein wenig der Eindruck aufgedrängt, dass er auch Dembélé ‚absichern‘ soll, da dessen Defensivverhalten doch etwas zu wünschen übrig lässt. Wobei Dembélé zuzuschauen einfach ein Augenweide ist!
Was Schmidt anbelangt, so scheint es bei B04 schon seit längerem intern nicht zu stimmen. Wenn jemand eingestellt wird, um die Kommunikation des Trainers mit anderen Abteilungen zu optimieren, dann muss da offensichtlich etwas schief gelaufen sein. Was die tieferliegenden Gründe sind, warum es letztlich in den Spielen nicht so gelaufen ist, wie Schmidt es sich vorgestellt hat, bleibt ein wenig Spekulation. Aber es ist schon sehr richtig von MR festgestellt, dass schon Kleingkeiten dafür verantwortlich sind, wenn die Dinge nicht mehr richtig funktionieren. Bei der Frankfurter Eintracht ist es momenatn ebenso (obwohl eine solche Negativserie erwartbar war), bei Schalke auch. Dennoch ist die SGE immer noch auf Rang 6. Werder hingegen eiert sich zum dritten Sieg in Folge und Gladbach und Freiburg punkten fleißig. Wenn das so weitergeht, dann spielen BMG und SCF international oder Werder schnuppert sogar noch an der EL (letzeres ist nicht ganz so ernst gemeint… 😉 ).
Noch ein Wort zu Bartlett: Wenn man eine relativ geringe Verletzungshäufigkeit bei den Spielern auf seine Arbeit zurückführt, dann muss man konsequenterweise auch eine relativ hohe Verletzungshäufigkeit darauf zurückführen. Aber auch bei dieser Personalie scheinen Differenzen zwischen Trainer und ihm eine Rolle gespielt zu haben.
Wie auch immer, man wird sehen wie B04 unter einem Nachfolger Schmidts (Korkut als Interimslösung bis zum Saisonende wird kolportiert) auftreten wird. Und da Aubameyang mittlerweile wieder eingefallen ist, wo das Tor steht, habe ich große Hoffnung, dass der BVB in der CL eine Runde weiter kommen wird. Ach ja, noch zu den ersten Toren des BVB im Spiel gegen B04: Erfreulich, dass der BVB doch noch nach Standards treffen kann. Aber das Defensivverhalten der B04-Abwehr war desolat. Sollte man von einer Mannschaft, die in der CL spielt, nicht unbedingt erwarten.
Daniel 6. März 2017 um 23:06
Also dass es mit Schmidt intern nicht gestimmt hat kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, dafür wurden in der Vergangenheit zu viele „Chancen“, ihn vor die Tür zu setzen, nicht wahrgenommen. Platz 10 ist für den Anspruch des Vereins viel zu wenig und mit diesem Kader eine Riesenenttäuschung. Wenn Schmidt mit seinen Bossen über Kreuz gelegen wäre hätte er sich wohl kaum so lange halten können.
Schorsch 7. März 2017 um 00:48
Täusch Dich da mal nicht. In einem Club gibt es immer verschiedene Fraktionen und Schmidt war intern schon seit längerem umstritten. Er hatte aufgrund seiner fachlichen Qualifikation starke Fürsprecher, allen voran Völler. Und solange die CL-Qualifikation geschafft wurde, hatten die auch die Oberhand. Aber insbesondere bei den vom Bayer-Konzern kommenden Clubverantwortlichen wurde er vor allem wegen seines Auftretens (z.B. sich mit den Schiedsrichtern anlegen oder auch die clubinterne Kommunikation) sehr kritisch gesehen. Warum hat man denn wohl einen ‚Kommunikator‘ eigens für Schmidt eingestellt, damit dessen Kommunikation mit anderen Abteilungen im Club ‚optimiert‘ würden? Das war schon so etwas wie ein letztes Zugständnis. Der durfte übrigens auch gleich mit gehen. Man hat bei ihm eine zu große Nähe zu Schmidt gesehen. Nachdem die Saison bislang enttäuschend verlaufen und aktuell die Chancen auf eine Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb nicht gestiegen sind, hatten die Fürsprecher Schmidts keine Argumente mehr. Es war im übrigen nicht das erste ‚Entscheidungsspiel‘ für Schmidt. Überdies waren seine Aussagen auf der Pressekonferenz nach dem Spiel in Dortmund etwas unglücklich formuliert, friendly speaking. Es stimmt, dass in der ersten Phase des Spiels B04 stabil war und nichts zugelassen hat. Das kann man als Schritt in die richtige Richtung sehen. Allerdings hatte B04 auch keine einzige Torchance. Das war sicherlich kein Schritt in die richtige Richtung. Wer sich sechs Treffer fängt und in der Schlussphase sich quasi defensiv in Auflösung befindet, sollte bei allem Verständnis für die schwierige Drucksituation seine Worte etwas sorgfältiger wählen. Im übrigen hat es schon vor dem Spiel Kritik gegeben, weil Schmidt einige Spieler verbal angegriffen hatte. Die gewählte Aufstellung war wohl ein Zeugnis davon. Dies alles kann in solchen Situationen schnell so ausgelegt werden, als habe der Trainer in schwierigen Situationen seine Nerven nicht mehr im Griff und verlöre seine Souveränität.
ode. 7. März 2017 um 13:40
Dazu würde ich auch gern noch was sagen:
Jörn Wolf wurde wohl auch Betreiben von Schmidt eingestellt. Das war nicht vom Verein ausgehend. Schmidt wollte wohl einfach tatsächlich einen ungewöhnlichen und neuen Weg gehen, weil er als jemand gilt, der alles selber machen will. Das überfordert auch einfach irgendwann. Wolf ist ein Freund von Schmidt und sollte ihm bei der ganzen Organisation helfen, Schmidt mehr Raum für die tatsächlichen Traineraufgaben lassen. Auf der gestrigen Pressekonferenz wurde ja nur gesagt, dass Wolf sich „bereits Sonntag verabschiedet“ habe. Wolf ist entweder selber dann auch gegangen oder er wurde von der Geschäftsführung ebenso gefeuert. Der Gesichtsausdruck und der Tonfall von Schade lassen bei mir die Vermutung aufkeimen, dass in der Entscheiderebene diese Personalie eher unerwünscht war.
Zu Bartlett kann ich noch hinzufügen, dass Schmidt ein großer Befürworter war. Anders als große Teile des Teams. Es hat angeblich bereits vor der Entlassung Gespräche vom Mannschaftsrat mit der Geschäftsführung gegeben, in denen sich die Mannschaft gegen Bartlett ausgesprochen hat. Schmidt wollte aber nicht, dass er geht. Die Entlassung war auch eine Schwächung von Schmidt und in meiner Wahrnehmung ein Bugschuss für Schmidt im Dezember, in dem er ja auch schon angeschlagen war…
SandyRavage 6. März 2017 um 13:40
(i)So waren die Leverkusener – das klingt jetzt vielleicht merkwürdig – die längste Zeit des Spiels eigentlich relativ stabil und wurden nicht sonderlich oft wirklich ausgespielt.(/i) gut, dass du es ansprichst. ist das der grund, dass schmidt nach dem spiel von einem schritt in die richtige richtung sprach, was jetzt etwas komisch ist, weil er offensichtlich paar schritte zuviel in welche richtung auch immer gemacht hat und jetzt arbeitslos ist
Dr. Acula 6. März 2017 um 13:34
(i)In diesem letzten Spiel gab es zwei Ebenen, auf denen es scheiterte: die der strategischen Planung und die der spielerischen und athletischen Umsetzung.(/i)
existieren denn noch mehr ebenen? es gibt eig nur die planung (theorie) und die umsetzung dieser planung (praxis) im sport…
mba123 6. März 2017 um 13:30
Wie viel Tuchel steckte in der Taktik des BVBs?
Das System und die Aufstellung waren gegen Freiburg die selben. Also könnte er hier auch nach dem Moto „never change a winning team“ verfahren sein.
Die Flügellastigkeit kann sich auch automatisch aus dem Zentrumpressing der Leverkusener ergeben haben.
Gab es andere, klare Anzeichen für taktische Modifikationen seitens Tuchels?
Oder ist es eher ein allgemeinerer Ansatz, der gegen Pressingmannschaften wie Leipzig und Leverkusen zum Erfolg führte?
So scheint mir Tuchel das Risiko im Aufbau reduziert zu haben. Der BVB hat in der Rückrunde weniger Ballbesitz und deutlich schlechtere Passquoten. Statt Kurzpassspiel wird häufiger der lange Ball nach vorne gewählt.
Dafür scheint man aber auch seltener Pressingopfer zu werden.
tobit 6. März 2017 um 19:03
Das System war in der Grundformation identisch, aber besonders auf links gab es schon klare Unterschiede. Besonders die tiefe, einleitende Rolle von Guerreiro und die stark verschobene Doppelsechs sahen nach klarer Anpassung an Leverkusen aus.
Insgesamt sind sich Leverkusen und Freiburg auch nicht unähnlich. Beide versuchen sehr kompakt und intensiv zu verschieben und spielen eher selten tief am eigenen 16er. Die Grundformationen sind auch relativ ähnlich (442 vs. 4222), ebenso wie einige Umformungen im Pressing (hauptsächlich die verschobenen 433-Staffelungen mit einem Flügel/10er ballnah neben den Stürmern und dem anderen neben den 6ern). Daher ist eine ähnliche Strategie (gerade wenn sie bereits herausragend gut funktioniert hat) durchaus ein guter Ausgangsansatz.
Ich denke, dass es als Ansatz gegen Mannschaften, die sehr kompakt das Zentrum verteidigen, aber keine 3er-Kette spielen viel Potential hat – ob es auch gegen deutlich passivere Teams die bestmögliche Strategie ist, freiwillig die Flügel so früh zu fokussieren (und ob es da überhaupt nötig ist), wage ich nicht zu beurteilen.
Der BVB hat sich im Winter im Gegenpressing sehr deutlich gesteigert, was ihnen jetzt ermöglicht, deutlich riskantere Pässe in allen Bereichen zu spielen, ohne ein direktes Gegentor oder einen langen Zeitraum ohne Ball fürchten zu müssen. Und wenn das Gegenpressing Mal nicht funktioniert, sieht die defensive Ordnung besser balanciert (nur noch selten ultrapassives Zurückfallen oder ultraaggressives Herausrücken, was in der Hinrunde jeweils etliche Gegentreffer begünstigte) aus oder Bürki rettet (was einer der Hauptpunkte sein dürfte).
Mehr lange Bälle sind es finde ich nicht geworden, aber es ist wegen der oft besser verbundenen Struktur (die Achter bzw. der zweite Sechser sind in passenderen Räumen unterwegs) deutlich öfter die Option eines halblangen Balls von den IV aus da, was dann auch öfter versucht wird (und auch öfter mal schiefgeht). Wenn lange Bälle gespielt werden, dann meist direkt hinter die Abwehr nach kurzem Anlocken. Hierbei kommt ihnen evtl. sogar ihre in der Hinrunde gezeigte Schwäche gegen hohes und aggressives Pressing zu Gute, da nun mehr Teams versuchen situativ höher zuzustellen (wofür die Abwehr nachrücken muss, um nicht Dembélé und Auba Beschleunigungsräume hinter dem Mittelfeld zu schenken), die sich sonst eher an der Grenze zum Abwehrpressing aufgehalten hätten.
Daniel 6. März 2017 um 13:00
Mich würde es nicht wundern, wenn man im Rückblick das Scheitern von Schmidt in Leverkusen nicht mehr nur als Scheitern eines Trainers ansieht…sondern als Ende der Idee, ein radikales Pressingsystem bei einer (erweiterten) Spitzenmannschaft zu installieren. Ich weiß, bei Leipzig scheint das gerade perfekt zu funktionieren. Aber dort herrschen in vielerlei Hinsicht Laborbedingungen: Zum einen sind sie in die ersten Spiele der Saison noch mit einem Überraschungseffekt gegangen, da keiner wusste, was von diesem Emporkömmling eigentlich genau zu erwarten war. Seitdem profitieren sie auch einfach von ihrem Momentum und der Euphorie in Mannschaft und Umfeld. Der Kader besteht aus jungen, talentierten Spielern, die aber alle noch nicht das ganz große Renommee haben und deshalb hervorragend mitziehen. Zudem beherbergt der Leipziger Kader eine absurde Zahl extrem schneller und dynamischer Spieler, die im Pressing schnell Zugriff erzeugen können und die Gegenstöße hochprozentig abschließen können. Der wichtigste Punkt aber ist: Leipzig kann sich wirklich komplett auf die Liga konzentrieren, nachdem sie in der ersten Pokalrunde ausgeschieden sind. Im bisherigen Saisonverlauf hatte Bayer Leverkusen ein Drittel mehr Spiele als RB (23 BL+7 CL+2 Pokal im Vergleich zu 23 BL+1 Pokal).
All diese Faktoren haben dazu geführt, dass Bayer Leverkusen sein System nicht auf dem erforderlichen Niveau aufs Feld bringen konnte. Wenn ich eine so radikale ballnahe Überzahl erzeuge wie Leverkusen ist es ein schmaler Grad zwischen „rechtzeitig den Gegner unter Druck gesetzt und (vielleicht) den Ball gewonnen“ und „knapp zu spät gekommen, Gegner konnte das Spiel verlagern und hat oftmals eine große Chance, weil die pressenden Spieler logischerweise überspielt wurden“. Und ein schwieriges CL-Spiel in den Knochen kann genau dieser entscheidende Unterschied sein, der diese Saison zwischen den taktisch ähnlichen Teams aus Leipzig und Leverkusen besteht.
Es wird interessant, wie es in Leipzig und Leverkusen weitergeht. Leverkusen sollte einen Trainer holen, der auf den (nicht so schlechten) Grundlagen Schmidts aufbaut und insbesondere ein konstruktives System bei Ballbesitz installiert. Unabhängig von der Machbarkeit würde ich da Nagelsmann als Ideallösung sehen.
In Leipzig wird Hasenhüttl im Sommer vor seine schwerste Prüfung gestellt werden: Um ein Schicksal wie das von Schmidt zu vermeiden muss er sein Team wegführen vom relativ eindimensionalen Pressingmonster. Wenn Leipzig auf drei Hochzeiten tanzen will (und das ist der Anspruch) muss Leipzig auch mit Ball eines der fünf bis sechs stärksten Teams der Liga werden. Ob er das kann ist unklar, bisher stand er noch nicht vor dieser Aufgabe.
Roger Schmidt ist in meinen Augen dennoch ein guter Trainer, aber mehr für einen Verein im unteren Bereich der Tabelle. Für diese geht es ohnehin nur um die BL, zudem geraten sie seltener in die Verlegenheit, ein Spiel selbst gestalten zu müssen. Unter diesen Voraussetzungen könnte er denke ich ähnlich überraschen wie Hasenhüttl vergangenes Jahr in Ingolstadt. Wenn er sich dort dann unter geringerem Druck weiterentwickelt könnte er vielleicht auch nochmal bei einer Spitzenmannschaft ein Thema werden. Für Werder Bremen beispielsweise könnte Schmidt in meinen Augen sehr interessant sein.
Koom 6. März 2017 um 14:10
Das sich ein sehr stark Gegenpressing-orientiertes Team als Spitzenmannschaft schwer tut, ist klar. IMO hat es – außer Dortmund, und die waren gefühlt Pioniere zu der Zeit – keines der Teams geschafft, über mehr als eine Saison hinaus damit großen Erfolg zu haben. Also dann, wenn das entsprechende Team als klarer Favorit geführt wurde.
Auf Leipzig bin ich auch deswegen gespannt. SV.de hat es ja auch schon unter die Lupe genommen und gesagt, dass sie schon jetzt mehr zu bieten haben als nur wildes Pressinggerammel. Was sicherlich auch der Qualität von Keita und anderen zu verdanken ist. Wenn die Spieler bei der Sache bleiben und der Kader intelligent erweitert wird um das Mehr an Belastung tragen zu können, sehe ich RBL auch nächstes Jahr vorne dabei.
Roger Schmidt hat zudem das Problem, kein Menschenmagnet zu sein. Mit seiner Art wirkt er sehr egoistisch, arrogant, selbstzerfressen. Er lässt neben sich wenig zu, das macht es dann irgendwann schwer, ihm zu folgen, wenn du für die Spielweise eigentlich 100% Einsatzbereitschaft des ganzen Kaders brauchst – oder es zusammenbricht.
tobit 6. März 2017 um 18:10
Leverkusen hat sich ja nicht schwer getan, weil sie auf Gegenpressing gesetzt haben, sondern weil sie versucht haben Langholz auf Chicharito, Brandt und Calhanoglu zu spielen, während die Sechser sich tief anboten und Bellarabi und die AV an der Seitenauslinie klebten. immer wenn sie das eigene Aufbauspiel nicht völlig vernachlässigt haben, gab es Siegesserien (oder zumindest überzeugende Auftritte).
Dasselbe Problem hatte der BVB irgendwann auch, nur halt etwas kaschiert von der individuellen Qualität von Hummels, Reus und Lewy. Gerade in der CL-Final-Saison war das schon sehr ansprechend mit Ball. Piszczek und Kuba auf dem absoluten Peak, Götze, Reus, Hummels, Lewy, Gündogan konstant fit, dazu dann Subotic, Bender und Schmelzer als individuell spielschwächere, aber mannschaftstaktisch sehr gute Balancegeber/Ausputzer. Davon sind jetzt nur noch Schmelzer (hat sich klar gesteigert), Götze (klar schwächer), sowie Reus und Bender (ständig verletzt) übrig.
Leipzig musste sich halt auch die letzten zwei Jahre schon damit rumplagen, das Spiel zu machen, was ihnen jetzt zu Gute kommt.
Daniel 6. März 2017 um 19:41
Ich kritisiere ja auch nicht das Gegenpressing an sich, sondern dass Leverkusen das Aufbauspiel zugunsten des Gegenpressings vernachlässigt hat. Die Einseitigkeit der Entwicklung war wohl letztlich das Problem
Koom 7. März 2017 um 13:34
Gegenpressing an sich ist ok. Theoretisch auch für eine Spitzenmannschaft, aber sie muss sich wirklich darauf spezialisieren, ihr Gegenpressing auf den jeweiligen Gegner maßschneidern. Das schien mir RS bei B04 in den letzten Monaten nicht mehr zu tun und wurde von der fleissig lernenden Bundesliga – die jetzt recht lange Umschalt/Gegenpressing-fokussierte Teams hatte – dann erwischt.
Daniel 6. März 2017 um 12:12
Sehr schöne Analyse, besonders gefällt mir die allgemeine Gültigkeit einiger Feststellungen über dieses konkrete Spiel hinaus.
„Solche Kleinigkeiten machen heutzutage oft einen immensen Unterschied in der Bundesliga. Ich habe in den Sonderpodcasts zur Hinrunde schon mehrfach darüber gesprochen: Die Bundesliga ist zur Zeit merkwürdig. Sie hat eine neue Qualität entwickelt. Es gibt quasi keine taktisch schwachen Teams mehr. Alle können gut verschieben, pressen, gegenpressen, umschalten und immer mehr können auch ordentlich bis gut aufbauen. Dadurch können Kleinigkeiten im (taktischen) Mannschaftsgefüge dafür sorgen, dass ein Ergebnis nach dem anderen enttäuschend ausfällt…Zur Zeit sind zwei Drittel der Bundesliga-Trainer seit weniger als einem Jahr in ihrem Job.“
Die Frage ist: Ist das jetzt eine gute oder schlechte Entwicklung? Dass sich die Buli taktisch nach vorn entwickelt hat ist zunächst mal natürlich rundweg positiv-aber um eine Mannschaft wirklich weiter zu entwickeln braucht ein Trainer auch eine gewisse Zeit, die ihm der Verein geben muss. Da bin ich auf die weitere Entwicklung gespannt.
Koom 6. März 2017 um 11:51
Das Innenleben von Bayer 04 und Schmidt bleibt türlich ein Geheimnis. Aber man merkt schon, dass da schon länger Dinge aus dem Ruder liefen und Schmidts Überzeugung vielleicht etwas zu wenig Reflexion beinhaltete. Pressingtechnisch war Leverkusen schon seit Monaten nicht mehr soo stark. Schwer zu sagen, was da alles schief lief. Schmidt scheint seinem Dogma wohl zu sehr verfallen zu sein und erinnert damit ein wenig an Zorniger. Beide wirken wie Glaubensextremisten (quasi die ISIS der Pressingtaktiken), während Rangnick als Pressing-Papst zwar auch dogmenhaft wirkt, dabei aber auch Entwicklung zulässt – wie von Hasenhüttl herbeigeführt.
Michi 6. März 2017 um 14:15
Ich schätze Koom’s Beiträge sehr, auch wenn ich teilweise nicht der gleichen Meinung bin. Aber der Vergleich mit ISIS, die Kinder greade wg. Fussballschauen hinrichten?
Koom 6. März 2017 um 15:37
Mir fiel spontan keine extremistischere Glaubens“ausübung“ ein. Sorry, wenn das unpassend erscheinen mag, aber ich denke, es sollte recht klar sein, dass das kein ernster Vergleich war. 🙂
Koom 6. März 2017 um 11:45
Danke vor allem für den letzten Absatz. Das ist in der Tat so, dass kaum einer zufrieden ist mit dem, was seine Mannschaft so bringt. Man sieht, dass etwas mehr Konstanz einen gleich sehr weit nach vorne bringt (siehe Leipzig, Hoffenheim als Extrembeispiel), aber die meisten Mannschaften können diese Konstanz nicht finden. Das sind ja oft auch keine unglücklichen Niederlagen, sondern manchmal schlägt die gewählte Strategie in dem Spiel einfach fehl.
Dadurch, dass so „Sicherheiten“ wie die Viererkette mittlerweile eben nicht mehr da sind, ist sehr vieles in Bewegung geraten.
August Bebel 6. März 2017 um 10:40
Schöne Analyse mit einigen allgemein sehr interessanten Bemerkungen zu Roger Schmidt und der jüngsten Entwicklung der Bundesliga. Wenn Leverkusen tatsächlich zu ausrechenbar wurde, hat Schmidt es auch versäumt, seinen Spielstil gelegentlich anzupassen oder weiterzuentwickeln. Ich hatte oft den Eindruck, dass durch die langen Bälle im Aufbau spielerisches Potential brach liegt, das sie gerade gegen „kleinere“ Gegner hätten gebrauchen können.
Übrigens schreibt es sich 08/15 (nach dem Gewehr und den Romanen von Kirst, denke ich).
Schorsch 6. März 2017 um 17:04
Denkst Du richtig. Wobei Kirst eine seit dem Ersten Weltkrieg gebräuchliche Nutzung des Begriffs im übertragenen Sinn aufgreift.
Nur als Hinweis: In einer der Grafiken ist Weidenfeller statt Bürki abgebildet. Tangiert die Aussage der Grafik aber überhaupt nicht.