Türchen 13: AS Monaco – Real Madrid 2004

3:1

Die Champions League im Jahr 2004 entwickelte sich zur Königsklasse der Außenseiter. Reihenweise wurden die Startruppen Opfer der Aufsässigen aus Portugal, Spanien und einem kleinen Fürstentum.

Magische Nacht an der Côte d’Azur

Champions League, 6. April 2004

Das Viertelfinalhinspiel im Estadio Santiago Bernabéu entpuppte sich für AS Monaco zum bittersüßen Erlebnis. Der Außenseiter verlor gegen das übermächtige Real Madrid mit 2:4, konnte aber die Hoffnung aufgrund der zwei erzielten Auswärtstore am Leben erhalten. Die Blancos hatten in der Runde zuvor Bayern München ausgeschaltet und wollten nach dem Triumph 2002 wieder ins Finale der Königsklasse einziehen. Siegessicher fuhren die Madrilenen ins Fürstentum an der Côte d’Azur.

Sie trafen auf eine monegassische Mannschaft, trainiert von Didier Deschamps, die sich aus jungen Hoffnungsträgern wie Patrice Evra und erfahrenen, aber in ihrer Karriere bis dahin nur mäßig erfolgreichen End-Zwanzigern wie Ludovic Giuly, Jérôme Rothen und Dado Pršo zusammensetzte. Sturmführer Fernando Morientes hatte in den Jahren zuvor den einen oder anderen Erfolg feiern können, tat dies aber in Diensten des Gegners aus der spanischen Hauptstadt.

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Grundformationen

Beide Mannschaften traten in für diese Zeit geläufigen 4-4-2-/4-4-1-1-Grundformationen an, wobei es auf beiden Seiten keine klassischen Flügelstürmer gab. Zinédine Zidane und Luis Figo bei Madrid und Giuly sowie Rothen bei Monaco drifteten regelmäßig durch die Halbräume und schalteten sich bis auf Giuly auch ständig in den Spielaufbau des eigenen Teams ein.

Eiskalte Blancos

Die Partie begann mit einem Ballverlust Zidanes nach rund zehn Sekunden. Es war kein gutes Omen für den französischen Spielmacher, der aufgrund der schwachen Besetzung auf den Sechserpositionen sehr oft im Zentrum gefragt war und die linke Seite zumeist Roberto Carlos überließ. Gelegentlich wich auch Spielmacher Raúl auf die Außenbahn aus.

Zidane bekam es oftmals mit Gegenspieler Jaroslav Plašil zu tun, der sich situativ aus der Mittelfeldkette löste und den Franzosen verfolgte. Erst wenn Zidane an der Seitenauslinie war, überließ Plašil Rechtsverteidiger Hugo Ibarra die Deckungsarbeit. Da beide madrilenischen Sechser im Spielaufbau häufig passiv blieben, war eine direkte Attacke gegen Zidane ein durchaus effektives Mittel. Auch Figo rückte in den Halbraum, stand aber zumeist eine Reihe weiter vorn und bewegte sich nach Ballannahme diagonal in Richtung Sturmspitze Ronaldo. Die Außenbahn war derweil offen für Míchel Salgado, welcher jedoch nur unregelmäßig aufrückte.

Monaco zeigte sich in der Anfangsphase des Rückspiels bei eigenem Ballbesitz in passabler Verfassung. Das Abkippverhalten in den beiden vorderen Linien hatte seine gewünschten Effekt. Abwechselnd ließen sich Pršo und Morientes zurückfallen. Rothen baute aus dem tiefen linken Halbraum auf, wodurch er gleichzeitig Figo in dieser Zone an sich band und Evra den Raum außen öffnete. Der junge Linksverteidiger verhielt sich aggressiv und verstrickte Salgado in ständige Eins-gegen-Eins-Duelle.

Jene Eins-gegen-Eins-Duelle sollten aber den Monegassen selbst bis zur 35. Minute fast zum Verhängnis werden. Deschamps‘ Team schaffte es nicht, die Flügelangriffe der Madrilenen besser zu isolieren, wodurch sich Ibarra und Co. am eigenen Strafraum gegen die technisch versierten Gegenspieler behaupten mussten. Zudem konnte Monaco den Pressingdruck gegen die situativ tief positionierten Halbspieler Zidane und Figo nicht aufrechterhalten.

Der Führungstreffer Madrids in der 36. Minute resultierte wiederum aus dem mannorientierten Verteidigungsverhalten der Monegassen. Zidane erhielt in der Nähe der Mittellinie mit dem Rücken zum Tor den Ball und lockte dabei einmal mehr Plašil aus der Kette. Eine schnelle seitliche Ablage auf Ronaldo brachte Tempo in den Angriff. Der Brasilianer ging durch den linken Halbraum auf die Abwehr zu. Der aufgerückte Guti bewegte sich hin zu Ronaldo und band somit den linken Innenverteidiger Gaël Givet, welcher folglich eine Lücke für Raúl ließ. Evra war noch am Flügel, als der Kapitän Madrids das Spielgerät nach Ronaldos Querpass erhielt und zur Führung für die Auswärtsmannschaft einschob.

Somit musste Monaco nun drei Tore erzielen, um in die nächste Runde einzuziehen. Deschamps‘ Spieler übernahmen zwar das Kommando nach dem zwischenzeitlichen Rückschlag und sie nutzten einige Positionswechsel im Mittelfeld, um Verwirrung zu stiften, aber ein Ausgleichstreffer lag trotzdem nicht in der Luft. Doch in der Nachspielzeit erzielte Giuly dennoch das enorm wichtige 1:1. Auf einen Einwurf folgte eine Ibarra-Flanke, die Morientes auf seinen Mannschaftskollegen ablegte. Giuly traf per Direktabnahme aus der zweiten Reihe unerreichbar für Iker Casillas.

Zwergenaufstand nimmt seinen Lauf

Taktische Änderungen nahm weder Deschamps noch sein Pendant Carlos Queiróz zur Halbzeitpause vor. Die Dramatik der Begegnung sollte sich aber innerhalb weniger Minuten entscheidend verändern, als Ex-Madrilene Morientes nach einer Allerweltsflanke aus dem linken Halbfeld Gegenspieler Álvaro Mejía übersprang und zum 2:1 traf.

Real Madrid offenbarte anschließend gehörige Probleme, wenn sie aus der Defensivformation heraus gegen den Ball arbeiteten. Dem Giganten aus der spanischen Hauptstadt mangelte es an der passenden Abstimmung, wodurch er wenig Druck auf die gut kombinierenden Monegassen erzeugen konnte.

Figo und Zidane blieben zudem nun häufiger auf den Außenbahnen, weshalb die beiden Sechser Madrids mehr Präsenz in der Angriffsgestaltung zeigen mussten, was ihnen nur mit mittelmäßigen Erfolg gelang. Doch bevor sich Queiróz dieses Problem annehmen konnte, mussten er und sein Team den nächsten, finalen Rückschlag einstecken.

Infolge einer simplen Seitenverlagerung begab sich Ibarra ins Eins-gegen-Eins mit Roberto Carlos, ohne von anderer Seite unter Druck gesetzt zu werden. Der Argentinier knickte nach innen und flankte flach mit dem linken Fuß in den Strafraum. Der Ball erreichte Giuly, der sich vor Iván Helguera aufrichtete und das Spielgerät mit der Hacke bewusst ins Tor abfälschte. Der Jubel im ansonsten eher gesetzten Stade Louis II kannte kein Halten mehr. Giuly riss sich das Trikot vom Körper. Die Monegassen schnupperten an der Sensation.

Die Ideen- und Harmlosigkeit Real Madrids sollte sich bis zum Schlusspfiff fortsetzen. Die Flügelangriffe wurden selten ausgespielt, weil es an Passoptionen im Zentrum mangelte, da die beiden Stürmer in der vordersten Linie verharrten. Der Spielaufbau wirkte zunehmend unpräziser, was in einigen Ballverlusten mündete. Und wenn es doch vermeintlichen Grund zum Jubeln wie bei Raúls Kopfballtor gab, dann wurde der Treffer aufgrund einer Abseitsstellung nicht anerkannt.

Taktische Änderungen von Seiten Carlos Queiróz‘ blieben aus. Er verzichtete bis zur 88. Minute auf den obligatorischen Offensivwechsel, hatte aber ansonsten auch keine Idee parat. Santiago Solari ersetzte den ineffektiven Borja Fernández im Zentrum, was zumindest leichte Besserung brachte.

Deschamps hingegen hatte schon vorm 3:1 Shabani Nonda für Pršo eingewechselt, was sich als kluger Schachzug entpuppen sollte. Denn nicht nur brachte Nonda mehr Tempo beim Ausweichen auf den linken Flügel, der Kongolese konnte sich gegen den Ball auch regelmäßig auf die Seite fallen lassen und ein noch kompakteres 4-5-1 erzeugen.

Die Monegassen trafen bis zur Nachspielzeit noch zweimal den Pfosten und schienen dem vierten Treffer näher als Real Madrid dem zweiten. Nach einer turbulenten Szene im Strafraum der Hausherren in der dritten Minute der Nachspielzeit trat Zidane im Rückraum über den Ball und beging anschließend ein Foulspiel. Es war der Schlussakt für einen verkorksten Abend. (Den wirklichen Schlusspunkt setzte jedoch Raúl, der nach einer Hereingabe, die Torwart Flavio Roma nicht erreichen konnte, einen komplizierten Seitvolleyversuch nicht im leeren Tor unterbrachte.)

Nach einem knappen Halbfinal-Aus gegen Juventus in der Spielzeit 2002/2003 war für Real Madrid nun schon im Viertelfinale Schluss. Die einstmals glänzende Fassade begann langsam aber sicher zu bröckeln. Carlos Queiróz hatte sein Verfallsdatum bereits innerhalb einer Saison erreicht. Und die Königsklasse war nach den zwischenzeitlichen Triumphen um die Jahrtausendwende wieder toxisches Territorium für das Weiße Ballett.

Monaco hingegen machte sich auf, bis ins Finale der Champions League vorzustoßen, wo sie an einer noch talentierteren Mannschaft aus Porto mit einem jungen und äußerst selbstbewussten Trainer scheitern sollten.

Schorsch 13. Dezember 2016 um 13:39

Rothen ist für mich ein Beispiel, wie sehr Clubwechsel eine Spielerkarriere im Positiven wie Negativen beeinflussen können. Mit Caen hatte er die richtige Wahl getroffen, ebenso mit Troyes und dann mit Monaco. Der große Fehler war sein Wechsel zum PSG. Dort brauchte er lange Zeit, um sich einigermaßen zu etablieren. Dann wurde er von Clubführung und Trainer ‚gebannt‘ und verliehen; wegen kritischer Äußerungen. Du brauchst halt auch einen Trainer, der auf dich setzt. Danach konnte er nicht mehr an seine früheren Leistungen anknüpfen; vielleicht noch bei Bastia in Liga 2. In der Nationalelf war die Konkurrenzsituation nicht ohne. Außerdem setzte der damalige Nationalcoach nicht unbedingt auf ihn. Später wurden die Grüppchen in der Nationalelf immer einflussreicher und der Trainer immer schwächer. Da hatte Rothen auch keine ‚Lobby‘.

In der Saison 03/04 war er aber ein entscheidender (und überragender) Spieler für AS Monaco, in der Meisterschaftsrunde und in der CL.

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savona 13. Dezember 2016 um 12:34

Monaco spielte damals eine großartige CL-Saison mit einem spektakulären 8:3 gegen La Coruña und zwei großen Spielen im Halbfinale gegen das seinerzeit schon sehr starke Chelsea. Ich hatte bei diesen Spielen den Eindruck, dass Jérôme Rothen noch eine große Karriere bevorstünde; ganz so gewaltig wurde es dann doch nicht. Monaco hätte ich 2004 jedenfalls den CL-Gewinn am meisten gegönnt, insofern war der klare Finalsieg von Mourinho & Co. schon eine kleine Enttäuschung.

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