Typischer Zizou-Sieg gegen untypisches Atlético
Im Madrider Stadtderby kam es unter dem Flutlicht des Vicente Calderon zur Neuauflage des diesjährigen Champions League-Finales. Es wurden wieder Helden gesucht.
Die Aufstellungen
Nach der Niederlage bei Real Sociedad und der darauffolgenden Länderspielpause vertraute Diego Simeone nahezu derselben Elf, die mit einem 0:2 aus dem Baskenland zurückkehrte. Lediglich Fernando Torres kam anstelle von Gameiro zu seinem fast schon obligatorischen Derbyeinsatz. Im 4-4-2 stürmte er an der Seite von Griezmann. Carrasco und Saúl Niguez besetzten die Außenpositionen vor Koke und Gabi. Die Viererkette setzte sich derweil aus Filipe Luis, Godin, Savic und Juanfran zusammen.
Bei den königlichen Gästen fehlten im Gegensatz dazu einige Stammspieler verletzt: Kroos stand gar nicht erst im Kader, Benzema und Ramos saßen mit Blessuren nur auf der Bank. Da auch Casemiro nicht dabei war, kam Zidane kaum umhin, eine Doppelsechs aus Modric und Kovacic an der Seite von Isco, der eine Mischrolle aus Achter und Zehner spielte, aufzubieten. Das Außenverteidigerpärchen aus Carvajal und Marcelo blieb etatmäßig. Nacho besetzte, wie schon in den letzten beiden Ligaspielen, den vakanten Posten in der Innenverteidigung. Auch Morata stand nicht zur Verfügung, weshalb Cristiano Ronaldo als Mittelstürmer begann, diese Position aber im Zusammenspiel mit seinen Nebenleuten Bale und Vazquez flexibel interpretierte.
Real drückt sein Spiel durch
Dabei lag das Augenmerk Reals vor allem darauf, viel Präsenz in den ersten Aufbaulinien zu erzeugen und im Anschluss vermehrt einen der beiden Flügel zu fokussieren. Hierzu ließen sich die beiden Außenspieler, aber auch Ronaldo, immer wieder in Halbraum-Lücken fallen, während Kovacic und Modric horizontal aktiv Verbindungen gaben und Isco durch die freien Räume driftete, gelegentlich auch mal nach links herauskippte. Darüber hinaus variierten vor allem die drei vorderen Spieler vermehrt einmal die Positionen – beispielsweise, wenn Ronaldo nach links auswich oder Vazquez und Bale weit einrückten.
Dies war wie üblich nicht von der allergrößten mannschaftlichen Kohärenz geprägt, wenngleich der Fokus auf die vorderste Linie im Laufe der Amtszeit Zidanes nachgelassen hat. Die
Verbindungen von einer Seite zur anderen sowie zwischen den gegnerischen Linien gestalteten sich insgesamt dennoch zu inkonstant. Zusammengefasst: Die gesamte mannschaftliche Struktur ist in ihrer Abstimmung erst einmal statisch. Durch individuelle Aktionen und einzelne gruppentaktische Elemente kommt allerdings dennoch eine teilweise schwer aufzuhaltende Dynamik in die Angriffe der Königlichen.
Ist das Atlético?
Nach weiträumigen Vorstößen über eine Seite oder mithilfe von Diagonalbällen zielten viele der Angriffsbemühungen letztlich auf Flanken und eine aggressive Strafraumbesetzung ab. Diese verleitete die Innenverteidiger sowie den ballfernen Außenverteidiger und weitere Spieler Atléticos dazu, ebenfalls im Strafraum zu verharren, sodass die Kompaktheit zum ballnahen Außenverteidiger (meist Juanfran) hin suboptimal wurde. Sowohl Rückraum als auch Räume im Rücken blieben zu häufig ungedeckt. Nicht nur in diesen Situationen agierte das Team von Diego Simeone auf ungewohnt plumpe Weise mannorientiert.
Allgemein ließ es erstaunlich große Räume, während gleichzeitig die letzte Intensität fehlte – gerade was die Rückwärtsbewegung anging. Das frühe Anlaufen im 4-1-3-2 konnte Real am Anfang noch durchaus vor Probleme stellen. Doch im weiteren Verlauf kamen sie ohne größere Schwierigkeiten an den beiden Stürmern vorbei und konnten gegen das tiefer werdende Mittelfeldpressing eine recht ruhige horizontale Ballzirkulation aufbauen, zumal Atlético es versäumte die Verbindungsmängel dahingehend aufzudecken, dass die wenigen verfügbaren Passoptionen nicht aggressiv belauert oder zugestellt wurden. Zumindest der Rückpass konnte so stets eine Möglichkeit für die Königlichen bleiben. Diese zeigten sich im Gegenpressing außerdem zumindest recht fleißig, wenngleich die Ausgangsposition hierzu nicht optimal war.
Umschaltmonster ohne Gegenwehr
Im Ausspielen eigener Umschaltsituationen zeigte Real hingegen seine große Klasse. Insbesondere die zentralen Spieler konnten die erste Druckwelle der Rojiblancos mit versammelter Pressingresistenz häufig umspielen und anschließend die schnellen Akteure weiter vorne suchen. Dies hing neben individuellen Faktoren wiederum mit einer Inkohärenz bei den Gastgebern zusammen, die dazu führte, dass es nach Überspielen der ersten Welle des Gegenpressings an „Nachschub“ mangelte und die Konter bis zum Strafraum nur schwer gebremst werden konnten. Ein Spiel wie gemalt für Bale und Ronaldo.
Zu Beginn zeigte Atlético dabei in Ballbesitz durchaus gute Ansätze. Koke ließ sich halblinks häufiger einmal zurückfallen, Griezmann bewegte sich umtriebig. Durch das Einrücken beider Außenspieler und einige gegenläufige Bewegungen wurden zudem gezielt Überladungen, gerade auf links, erzeugt. Für Reals ebenfalls mannorientiertes Pressing ergab sich so zunächst die ein oder andere Schwierigkeit, ehe sie gerade Tiefenläufe deutlich konsequenter übergaben und Atlético seinerseits einen zu hohen Fokus auf die vorderste Angriffslinie legte.
Gegen das durchaus anpassungsfähige und zumindest zum Strafraum hin kompakte Pressing der Gäste, das zwischen 4-4-2, 4-2-3-1 und 4-1-4-1 wechselte, gab es so kaum ein Durchkommen, weil auch Flanken dagegen kein besonders effektives Mittel darstellten. Stattdessen war ihre Pressingstruktur für die Königlichen eben aufgrund der Verengung eine gute Ausgangsposition für befreiende Kombinationen. Sie staffelten sich, überspitzt formuliert, gegen den Ball kombinativer als mit Ball.
Die zweite Halbzeit kommt zu spät
Nachdem Simeone bereits Mitte der 2. Halbzeit ohne größere stabilisierende oder schöpferische Wirkung auf ein 4-1-4-1 mit Gabi als Sechser, Koke und Saúl als Achtern sowie Griezmann auf links und Carrasco auf rechts umgestellt hatte, kehrte er zu Beginn der zweiten Halbzeit zu einer angepassten Form der ursprünglichen Ausrichtung zurück, was die beste Phase der Gastgeber zur Folge hatte.
Sie zeigten sich im hohen Pressing deutlich kompakter und kollektiver, während die Staffelung in Ballbesitz nun eine aktivere Rolle für Filipe Luis vorsah. Dieser positionierte sich konstant auf der Innenbahn oder im Halbraum, während Carrasco die Breite hielt. Dies tat auf der anderen Seite weiterhin Juanfran, Saúl pendelte immer wieder Richtung Zehnerraum. Die linke Seite wurde in dieser Phase dementsprechend fokussiert, auch Griezmann schaltete sich dort entsprechend mit ein. Das Gegenpressing wurde aktiver – auch hier mischte Filipe Luis teilweise im Zentrum mit, um beispielsweise Flanken besser abzusichern.
Als in der 62. Minute Correa und Gameiro für Gabi und Torres ins Spiel kamen, rückte Saúl auf die Sechserposition und Filipe Luis agierte wieder konventioneller, was insgesamt für Atléticos Ausrichtung galt. Durch ein Foul des ingesamt unglücklich agierenden Savic bekam Real schließlich einen Strafstoß zugesprochen. Die Dinge nahmen ihren Lauf bis ein 3:0 auf der Anzeigetafel stand, das vor allem nach den Eindrücken der zweiten Halbzeit kein 3:0 hätte sein müssen.
Fazit
2 Wochen vor dem Duell mit dem FC Barcelona hat Real Madrid somit 4 Punkte Vorsprung auf den Erzrivalen aus Katalonien und ist der lokalen Konkurrenz noch weiter enteilt. Diese steht spielerisch und tabellarisch am Scheideweg. Diego Simeone hat nicht mehr viel Zeit, den negativen Trend umzukehren. Ansonsten droht die erste waschechte Krise bei den Rojiblancos seit langem.
2 Kommentare Alle anzeigen
Merengue-Man 22. November 2016 um 04:14
Anscheinend braucht es gar nicht die gesamte „BBC“ vorne drin. Ein besonders gutes Gefühl hatte ich vor dem Spiel nicht, im Calderon gab es in den letzten Jahren nichts zu holen. Insofern muss schon fast zwangläufig irgendetwas nicht passen bei den „Matratzenmachern“. Mich haben in diesem Spiel vor allem Kovacic (die erwähnte Pressingresistenz) und Isco (Defensivarbeit) überrascht, diese Spieler waren lange aussen vor und sind erst durch die Verletzungen von Kroos und Casemiro reingerutscht. Teamleistungen, wie sie im Artikel beschrieben werden (immerhin trainierte man laut Zidane das neue 4-2-3-1 die ganze Woche lang), zeigt Real Madrid unter Zidane meist gegen starke Gegner, gegen schwächere Gegner aus der eigenen Liga gibt es dagegen eher eine Mischung aus Abwarten und individueller Qualität; nicht die schlechteste Mischung imho….
Gh 22. November 2016 um 12:26
Spieler können sich in ZiZous recht simplen System schnell einfinden, selbst wenn sie länger auf der Bank gesessen haben. Zidane hat mehrere recht unelegante aber effektive Sicherheitsnetze eingebaut (Casemiro als personifiziertes Netz), die dem einzelnen dann ermöglichen, individuelle Fähigkeiten einzubringen ohne dass die perfekt eingebunden sein müssen. Wenns schiefgeht greift eins der Netze. Sicherlich taktisch ein bisschen hölzern, aber bei der Klasse (aber auch Inhomogenität) des Kaders nicht verkehrt. Dies Jahr ist LaLiga drin.