Kontrolle mit Hektik, Unsauberkeit mit Ruhe
Die Schweiz erreicht mit guter Aufbauarbeit häufig den Zwischenlinienraum, kann das aber nicht in Zählbares ummünzen. Mit punktuell plötzlicher Gefahr nach langen Bällen und Flügellinienpässe sind die Rumänen unangenehm und erarbeiten sich ein Remis.
Wie schon im ersten Spiel konnte die Schweizer Mannschaft entscheidend von ihrem guten Aufbauspiel profitieren. Gegen die soliden, aber doch strukturell auch etwas laschen Rumänen gelang es ihnen somit, über Ballbesitz und Gegenpressing, weite Teile der Begegnung zu kontrollieren. Insbesondere in der zweiten Halbzeit sollten sie den Gegner in vielen Phasen hinten festdrücken.
Schweiz dominiert über Aufbauspiel
Für das Aufbauspiel holten sich die Sechser der Schweizer dominant die Bälle, ließen sich dafür zurückfallen oder wichen nach außen in die Räume zwischen Sturmspitze und Außenspieler des rumänischen Defensiv-4-4-2. Gleichzeitig fächerten die Innenverteidiger in sehr breite Positionen auf, so dass Rodríguez und insbesondere Lichtsteiner weit vorschieben konnten. Zudem zeigte sich die in vielen Fällen enge Anordnung der Offensivabteilung: Insbesondere Shaqiri rückte häufig weit ein, eher war Mehmedi dort noch der breiteste Spieler.
Sehr selten gab es dabei aber zurückfallende Bewegungen von weiträumiger Natur etwa ins zweite Drittel. Insbesondere die drei nominellen Stürmer fokussierten sich auf den Raum um die gegnerische Abwehrlinie. Das hätte zu Verbindungsproblemen zwischen enger, hoher Offensive und den tiefen Aufbauakteuren führen können, trat aber nicht ein. Vielmehr fand die Schweiz gute Wege, längere und direkte Vertikalpässe so einzubinden, dass diese den Link herstellen konnten.
Anfangs überwogen noch höhere Bälle hinter die Abwehr, die von einzelnen Tiefensprints erlaufen werden sollten. Die in der Rückzugsbewegung gut funktionierende Abwehrkette Rumäniens konnte sich aber darauf einstellen, zudem blockierten die zumeist recht aufmerksam anschließenden Mittelfeldakteure stets die zumindest direkte Gefahr möglicher Abprallerszenen. Vielversprechender war es für die Schweizer demgegenüber, die Breite der ersten Aufbaulinien zu nutzen, um die Räume neben den rumänischen Stürmern zu kontrollieren und dann seitlich bzw. diagonal in den Block zu eröffnen versuchen.
Mit ihren Sechsern konnten sie viel Präsenz um diese seitlichen Aufbauzonen herstellen, zumal das Aufrücken der Außenverteidiger einige Male die eingerückten rumänischen Flügel nach hinten drücken konnten – und damit aus jenem Bereich weg. Gerade Chipciu verteidigte nicht selten in Fünferkettenansätzen mit. Das Spiel aus diesen Aufbauräumen setzten die Schweizer auch gruppentaktisch konsequent um. Im defensiven Mittelfeld ließ die Mannschaft von Vladimir Petkovic das Leder laufen, konnte Rumänien dort herum schieben und auf gute Passmöglichkeiten warten.
Aus nebenformativen Zonen in den Zwischenlinienraum
In Szenen, bei denen sie mal stärker die Außenverteidiger mitnahmen und sich seitliche Querpasswege zwischen die ersten beiden rumänischen Linien erarbeiteten, rückten die Sechser nach diesem kleinen Raumgewinn zielstrebig nach und besetzten die gewonnenen Zonen als zusätzliche Anspielstationen umgehend. Umgekehrt zeigte Dzemaili einige gute Zurückfallbewegungen aus dem Zehnerraum in den ballfernen Halbraum, um dort Bälle per Verlagerung zu fordern und einzelne Gegner – etwa durch die Mannorientierungen der rumänischen Sechser – für den weiteren Verlauf hinauszuziehen.
Das verstärkte auch nochmal die Präsenz seitlich neben der rumänischen Formation. Weil die anderen, nicht an der Besetzung dieser Bereiche beteiligten Spieler – also alle, die potentiell zur Offensivabteilung zu rechnen wären – recht eng geballt in der Zielzone standen, konnte die Schweiz aus der Aufbauzirkulation das Spiel auch wirklich weitertragen. Am Ende der tiefen Kontrolle um Rumänien herum standen daher vergleichsweise viele erfolgreiche Zuspiele, die sauber in den Zwischenlinienraum gebracht wurden.
Das funktionierte auch deshalb, weil Rumäniens Struktur ohnehin nicht über die klare Intensität in Details und gleichmäßige Sauberkeit kam, in diesen Turniertagen auch noch etwas lascher und weniger anpassungsfähig wirkt. Sie verlassen sich auf ihre Grundordnung und solide Staffelungen, versuchen die Basisstruktur zumindest so stabil zu halten, dass sie Gegner bei Gefahrenmöglichkeit schnell bedrängen können. Sie stellen aber nicht jeden einzelnen Passweg sauber zu oder schieben bei kleinen situativen Veränderungen sofort aufmerksam und absichernd zu. Das erleichterte den Schweizern die initialen Aktionen in die Zwischenräume hinein.
Ausspielen ohne das letzte Erfolgserlebnis
Stattdessen versuchen die Rumänen, solche Szenen mit möglichst passiven und wenigen Umformungen zu handlen, um dem Gegner keine Dynamik zu bieten und bei Reaktionen nicht ungeordnet zu werden. Daran zeigt sich aber auch schon, was die Stärke der Mannschaft von Anghel Iordanescu ist – und diese Stärke trug letztlich entscheidend zu der häufigen Konstellation bei, dass die Schweiz oft zwischen die Linien eindrang, daraus aber – wenngleich auch durch fehlende Chancenverwertung – nichts Zählbares machen konnte: Rumänien kann aus der Passivität schnell reagieren, drängt Gegner recht geschickt ab und wird kaum mal so richtig klar unorganisiert. Auch in Unsauberkeiten bleiben sie sehr ruhig, was ein entscheidendes Merkmal ist.
Rumänien kam also oft noch zu verspäteten Zugriffsmöglichkeiten, konnte die Schweizer verlangsamen und etwas nach außen wegdrängen. Über Lichtsteiner entwickelten sich zwar noch einige ordentliche Hereingaben und ohnehin wurden einige Angriffe gut auf Abschlusschancen für Seferovic zugeschnitten. Doch die Schweizer ließen auch viel liegen, Rumänien konnte seine bisher starke Strafraumverteidigung betonen. Die beiden Hauptgründe waren zweierlei: Zum einen agierten die Schweizer zwischen den Linien zu hektisch und vergaben mehrere Möglichkeiten durch den zu frühen Pass in die Tiefe.
Zum zweiten besetzten und bespielten sie zwar dort gut den Raum, waren effektiv aber letztlich trotzdem in Unterzahl, da den drei bis vier engen Zentrumsspielern die Unterstützung aus der Tiefe des Mittelfelds etwas fehlte. Dazu kamen mehrere kleinere Faktoren: Trotz seiner vielversprechenden Diagonalläufe war die mitspielende Einbindung Seferovic´ etwas unsauber und halbgar. Während Mehmedi in vereinzelten Szenen zu breit fehlte, trugen einfach auch die etwas hektischen, wühlenden Spielertypen dazu bei, dass den Schweizern aus den Räumen hinaus die letzte Sauberkeit fehlte.
Lange Bälle und Flügellinienpässe bei Rumänien
Gegen Albanien hatte sich die Kehrseite der weiträumigen Herausrückbewegungen des Schweizer Mittelfelds gezeigt, die zwar im Pressing druckvolles Potential haben, aber auch Risiken bergen. Der Underdog konnte Xhaka und Behrami am ersten Gruppenspieltag einige Male herauslocken, wodurch die diagonalen Direktpässe hinter die Abwehr effektiver wurden: Passwege konnten nicht so gut geschlossen werden, die Viererkette wurde verstärkt allein gelassen. Auch gegen die Rumänen gab es einen nicht unähnlichen Effekt: Bei diesen nahm nach den Umstellungen Pintilii die höhere Sechserrolle ein und rückte einige Male weit vor.
Letztlich konnte Rumänien im Zentrum aber wenig sichere Vorwärtsverbindungen herstellen, wollte in der typisch vertikalen Art ohnehin oft direkt eröffnen. Dafür herrschten wieder zwei bekannte Mittel vor: lange Bälle der Innenverteidiger in die – diesmal teilweise zu – hohe Viereroffensive oder simple Flügellinienpässe Rats. Gegen mannorientierte Raumdeckungen können die Rumänen mit letzterem Mittel durch dessen ruhige Ausführung doch recht solides, unriskantes Aufrücken sicherstellen, wenn der Linksaußen von Halbstürmer und höherem Sechser Unterstützung erhält oder mit diesen rochiert. So kam das Team zwischendurch zu seinen Phasen von Offensivpräsenz.
Insgesamt ergab sich damit folgendes Bild: Die Rumänen wirkten eigentlich nicht besonders gefährlich, aber ihre simplen Aufbaumittel rutschten gegen das Aufrücken des Schweizer Mittelfelds doch punktuell mal durch und konnten dann einzelne plötzliche, unsaubere Gleichzahlsituationen im Angriffsdrittel schaffen. So wirklich kam das erst in der Phase nach dem Führungstor per Elfmeter zum Tragen, das noch fast aus dem Nichts gefallen war. Anfangs hatte die Schweiz noch deutlich mehr Konsequenz in der Rückzugsbewegung gezeigt, so dass Stancus wichtiges Ausweichen nach links noch von Shaqiri im tiefen Halbraum mit aufgefangen worden war. Später banden die Rumänen ihre vielseitigen Bewegungen der hohen Offensive, Flügelüberladungen, Dribblings und Improvisation von Unsauberkeit ein, was auch die eine oder andere Gelegenheit brachte.
Zweite Halbzeit
Den zweiten Durchgang brachten die Schweizer immer mehr in ihren Griff. Sie begannen mit einem nun sehr klaren Fokus auf die linke Angriffsseite, indem Shaqiri weit einrückte und gerade Xhaka – nun zunehmend der deutlich offensivere Sechser – in einer zur Seite verschobenen Ausrichtung auch weiter nach vorne unterstützte. Um Mehmedi herum gab es einige spielerische Ansätze, über die Präsenz konnten sie auch manche gescheiterte Szenen nochmals neu aufrollen und gerade die bei Rumänien in den Horizontalabständen anfällige Schnittstelle zwischen Sapunaru und Chiriches wurde gezielt fokussiert. Die Ecke vor dem 1:1 resultierte auch in etwa aus diesen Zonen links.
Die deutlich in Schweizer Richtung pendelnde Dominanz hing zudem mit rückläufigem Pressingzugriff Rumäniens zusammen, die zwar den Anschein machten, früher und herausrückender attackieren zu wollen, genau dadurch aber wie schon gegen Frankreich sich selbst eher schwächten. In der zweiten Halbzeit wurden in Rumäniens Mittelfeldreihe und besonders bei den Sechsern die Mannorientierungen immer deutlicher: Prepelita stand teilweise mit Dzemaili kurz vor der eigenen Abwehrreihe, während der eingewechselte Hoban sich nun Xhaka annahm und auch dessen Zurückfallen weiträumig verfolgte. Die großen Abstände waren teilweise zu unausgewogen und ließen weniger gegenseitige Unterstützungsmöglichkeiten.
Zudem mussten die Außenspieler einrückender agieren. Ab einem bestimmten Grad ließ sich das nicht mehr so weit balancieren, dass sie noch genug Zugriff nach außen gehabt hätten. Links konnte Torjes nomineller Gegenspieler Rodríguez daher einige Male gut mit langen Bällen hinter die Abwehr geschickt werden. So hatten die Schweiz auch nach dem Seitenwechsel die etwas besseren und konstruktiveren Szenen für sich, ohne aber in allen Belangen zu überzeugen. Trotzdem war es durchaus beachtlich, wie sie über Aufbaukontrolle und ihr weiträumiges, zwischen Innenverteidigern und Sechsern vielseitiges Gegenpressing die eigenen Spielanteile immer drückender erhöhten. Rumänien hatte am Ende nur noch sporadische, improvisierte Entlastung und musste mit dem Remis zufrieden sein.
3 Kommentare Alle anzeigen
juventino 17. Juni 2016 um 00:19
ich muss sagen, ich habe die schweiz deutlich stärker erlebt. seferovic macht in meinen augen sehr viel gut, ausser halt den abschluss – bei einem anderen stürmer gibt’s aus zwei solchen chancen schon mal locker mindestens ein tor. auch dzemaili hat eine extrem hochprozentige extrem schlampig vergeben. auf der anderen seite kam von den rumänen extrem wenig, die elfmeterszene war gefühlt der erste rumänische schritt im schweizer strafraum.
mich würde eher interessieren, was ihr denn konkret verbessern würdet. mir scheint das offensivspiel schlicht auch oft zu improvisiert, vielleicht würde eine konstantere fokussierung und bessere ausnutzung des linken halbraums mit extrem breitem, ballfernem lichtsteiner gefallen. damit bindet man in meinen augen die stärken der eigenen spieler auch besser ein. die tendenz könnte dann auch richtig 3er kette im aufbau gehen, mit einem deutlich tieferen rodriguez, der bei den überladungen auf links eine sichere rückspiel option darstellen könnte. rechts wären aufrückbewegungen mit ball möglich von schär. dzemaili wäre dann vielleicht ein wenig obsolet und könnte platz machen für embolo, der in meinen augen gut mit seferovic harmonieren könnte und den raum nutzen, den dieser durch sein ausweichen kreiert.
so was:
http://lineupbuilder.com/?sk=b9sx7
was haltet ihr davon?
messanger 17. Juni 2016 um 10:33
In deiner Formation wäre Lichtststeiner nur Breitengeber auf rechts. Da wäre er ein bisschen verschenkt.
Rayclaudio 18. Juni 2016 um 14:55
Bin derselben Meinung. Die Ballung auf links war in vielen EM-Quali-Spielen berits stark zu sehen, als CH noch Raute spielte mit Shaqiri als 10. Es kam dann der raumöffnende Pass auf Lichtsteiner, doch der stand dann völlig isoliert und wusste nicht recht wie weiter. Shaq stand ja fast auf links…mit Shaq auf rechts ist trotz seinem Einrücken immer noch eine Kombi möglich. CH muss sein Timing und die Sauberkeit im letzten Pass verbessern, schneller und zielstrebiger den Abschluss suchen und die Gelegenheiten dann auch verwerten. Nicht immer bis ins Tor hineinkombinieren… zudem wären dynamischeres Zurückfallenlassen eines Zentralen Offensiven in den 10er-Raum oder Halbraum manchmal wünschenswert, um die Verbindung nach Vorne herzustellen oder einfach mehr Unruhe in die gegnerische Verteidigung zu bringen. Und dann ist da dieser riesige Raum zwischen Mittelfeld und Verteidigung, der bei CH-Offensivaktionen so schön zum Kontern einlädt und den das Mittelfeld bei Ballverlust nur zurückarbeitet, wenn es gerade Lust hat. Bei Ernstkämpfen ist das meist etwas besser. Oft wird die Defensive – dann nur noch aus Innenverteidiger und Berahmi bestehend – einfach sich selbst überlassen. Gerade Shaq und Xhaka sind da die Sünder… und natürlich kann man sich fragen, ob man sich so offensive Aussenverteidiger leisten kann, wenn man nicht über die nötige Ballsicherheit und stabile Endverteidigung verfügt…