Topspiel mit markanten Strukturen
Die taktischen Vorteile der italienischen Struktur bescherten der Squadra Azzura einen etwas überraschenden Auftaktsieg. Contes Team konnte sich auf konsequente Flügelbreite, geschickte Ablagennutzung gegen Mannorientierungen und Defensivpräsenz verlassen.
- Belgiens freie Aufbauspieler waren gegen die 5-3-2-Verteidigung Italiens die Außenverteidiger. Diese versuchten aus den Halbräumen mit vielseitigen Direkpässen anzurkurbeln, was auch einige Ansätze brachte. In tiefen Zonen konnte sich Italien aber auf ihre Stabilität fokussieren. Insgesamt fehlte es gerade Hazard und de Bruyne an ausreichender Unterstützung in den Halbräumen, da das Mittelfeld oft zögerlich aufrückte. Die besten Ansätze gab es mit einzelnen Überladungen um Hazard auf links, bei denen man die Schnittstelle neben Barzagli attackierte.
- Italiens breite Aufbauausrichtung war eine unangenehme Herausforderung für die Belgier, und ihre losen Mannorientierungen im 4-2-3-1. Sie erhielten nur bedingt Zugriff auf die raumsuchenden Ausweichbewegungen der Achter, die Seitenwechsel auf die hohen Flügelläufer und die Direktpässe auf das füreinander ablegende Sturmduo. Gerade diese Momente konnten durch die vielen Direktpässe der Dreierkette gut angespielt werden, die per langem Ball auch das 0:1 einleitete. Die Defensivrollen von Fellaini, de Bruyne und Hazard waren problematisch bis ambivalent.
- Insgesamt hatte die Begegnung viele spannende und auch gute Momente. Im zweiten Durchgang fehlten lange die großen Veränderungen, abgesehen vom größer werdenden belgischen Vorwärtsdrang in Offensive und Pressing. Am Ende gab es sogar eine verrückte, aber teils unpassende Halbdreierkette zu sehen, die Italien aber in der Nachspielzeit auskonterte.
Über den Verlauf der ersten Halbzeit waren die Belgier das konstant etwas präsentere Team, Italien aber schon anfangs tendenziell die gefährlichere Mannschaft. Insgesamt ergab sich dadurch ein taktisch ansprechendes, interessantes Spiel, in dem beide Seiten überzeugende Ansätze lieferten. Letztlich hatte Italien mit stabilerer Leistung das bessere Ende für sich, während Belgien zwar im Aufbau etwas strukturierter agierte als zuletzt, jedoch Defensivschwächen offenbarte, die die Squadra Azzura gezielt ansteuern konnte.
Freie Außenverteidiger gegen das 5-3-2
Die Belgier verbuchten insgesamt leichte Feldvorteile und ein kleines Ballbesitzübergewicht. In der zurückgezogenen 5-3-2-Formation Italiens blieben die Flügelverteidiger im Normalfall tief, scheuten Lücken für die individuell starken de Bruyne und Hazard. Vorne versperrten Pellè und Éder den gegnerischen Sechserraum, Letzterer deckte gelegentlich Witsel als tiefsten Mittelfeldmann. Ohnehin sind die Belgier eine Mannschaft, die bevorzugt über die Außenverteidiger und direkt ins Vorwärtsspiel eröffnet. Gegen die italienische Defensivformation waren Ciman und Vertonghen die freien Spieler, mit viel Zeit am Ball. In der Regel blieb bei Italien der Flügelspieler zunächst tief und der ballnahe Achter löste sich, um ein wenig nach außen zu verschieben, ohne aber aggressiv zu pressen.
Die belgischen Außenverteidiger eröffneten aus diesen seitlichen Räumen neben der gegnerischen Formation mit vielseitigen Direktpässen in die Spitze. Der bullige Lukaku startete immer wieder diagonal hinter die italienische Abwehr, teilweise suchte auch einer der Mittelfeldspieler Läufe in die Schnittstellen. Vereinzelt gelang es den beiden belgischen Superstars, mit ihrer Bewegung die Abstände zwischen Bonucci und dem jeweiligen Halbverteidiger (bzw. auch mal zu den Flügelläufern) zu vergrößern. Es gelang ihnen zumindest relativ konstant, Unruhe zu erzeugen, und so wirkten sie auch stets gefährlich.
Neben den Direktpässe spielenden Außenverteidiger wurden die seitlichen Aufbauzonen auch von de Bruyne und Hazard selbst genutzt. Sie ließen sich etwas zurückfallen, forderten neben dem italienischen Dreiermittelfeld die Bälle und versuchten dann Aktionen zu starten. Gerade de Bruyne fand auf rechts aber kaum ins Spiel: Über weite Strecken war seine Rolle – gegenüber der freieren Interpretation bei Hazard – zu sehr auf diesen Raum festgelegt, auch in anderen Situationen agierte er oft breit. Bei den Aktionen, die er über seinen rechten Flügel dann mal einleiten konnte, fehlten ihm etwas die unterstützenden Optionen. Einige Male schob Hazard als Anspielstation bis in den rechten Halbraum herüber, viel mehr Aktivität erzeugten die Belgier dort jedoch nicht.
Belgien gerade über links mit Ansätzen, aber nicht konsequent genug
Gerade im ersten Teil der ersten Halbzeit rückte das Mittelfeld nur zögerlich auf, die beiden Kollegen hinter Fellaini befanden sich oft tiefer als Ballhöhe. In den Sechser- und Achterräumen zeigten sich Witsel und Nainggolan dafür aber präsenter als gewohnt. Neben manchen Abkippbewegugnen, insbesondere nach links, erhielten sie auch innerhalb des italienischen Fünferblocks im Zentrum einige Pässe von den Außenverteidigern. Dort agierten sie bemüht und konnten die Zirkulation relativ fehlerfrei und zügig weiterlaufen lassen, sie aber kaum in gezielte Vorwärtsaktionen überführen. Insgesamt unterstrich das nochmals den Gesamteindruck der Belgier:
Sie zeigten sich sehr variabel in der Wahl ihrer Aufbauräume und hatten um die beiden Superstars auch mal kleinere Ballungen, aber oft in peripheren Zonen – die letzte Verbindungsstabilität und Rationalität in der Tororientierung fehlten dafür. Ihre Abschlüsse resultierten daher letztlich oft aus Distanzversuchen, mit denen sie kleinere Ansätze durch das Zentrum schnell abschlossen. Vielversprechend in Sachen klarer Gefahr wirkten allein Ansätze über die linke Seite, die Mitte der ersten Halbzeit zunahmen: Vertonghen spielte hier einige kluge horizontale Pässe von außen zwischen die Linien und Hazard erhielt mehr Unterstützung aus dem Mittelfeld, als es gegenüber der Fall war.
Nicht nur bewegte sich Fellaini aktiv diagonal in Schnittstellen – das tat er punktuell auch rechts – und suchte Vorwärtsläufe, auch die weiteren Kollegen bot sich mal stärker im Kombinationsspiel an oder konnten Parolo beschäftigen. Zudem bot Italien auf dieser Seite etwas mehr Räume, da sie mit der offensiveren Natur Candrevas vorrückender in der Verteidigung ausgerichtet waren. Anders als links sah man auch das Herausrücken des Flügelläufers auf den Außenverteidiger Vertonghen und in der Konsequenz des Halbverteidigers gegen Hazard. Diese weiträumigen Mannorientierungen führte Barzagli gelegentlich etwas unvorsichtig aus, was größere Abstände innerhalb der Abwehr zur Folge hatte. Die Lücke zu Bonucci konnte zwar manchmal vom Mittelfeld verstellt werden, aber nicht immer – dann boten sich mit die besten Ansätze für Hazard und Co.
Breite und Raumfinden als italienische Strukturvorteile
Die Belgier hatten im Verlaufe der Partie wiederkehrende Probleme mit der Verteidigung der Breite gegen die Italiener. Wie schon in den Testspielen mit dieser formativen Grundausrichtung rückten die Flügelläufer in Contes Team sehr hoch auf. Teilweise traf das auch auf die nominellen Achter zu, die sich außerdem phasenweise ungewohnt breit bewegten. Ihre tieferen Herauskippbewegungen waren für Belgien über die Positionierungen der Außenstürmer Hazard und de Bruyne aufzufangen. Diese stellten grundsätzlich in einem 4-2-3-1/4-2-1-3 und breiter Staffelung die Halbverteidiger Italiens lose – ohne wirklich Druck zu machen – zu und konnten dabei gelegentlich Parolo bzw. Giaccherini bei deren Zurückfallen ebenso den Raum abschneiden.
Damit übernahmen Hazard und de Bruyne gewissermaßen die Gegenspieler ihrer eigenen Sechser in einer belgischen Grundstruktur, die mit mannorientierten Grundzuteilungen arbeitete. Auch wenn sie nicht alle klar ihre jeweiligen Gegner verfolgten, schwebte dieses Grundschema doch als Folie im Hintergrund. Eine wirklich enge Deckung zeigte etwa Fellaini gegen de Rossi, obwohl dieser gar nicht so prominent in den italienischen Aufbau einbezogen war. Punktuell wurden Witsel und Nainggolan von den Bewegungen der italienischen Achter unsauber auseinandergezogen. Gerade das höhere Ausweichen war unangenehm: Während sich Parolo insgesamt simpler als Mitspieler für Candreva betätigte, hatte Giaccherini einige gestaltende Momente.
Er agierte raumsuchend im Rücken von de Bruyne und konnte dort einige Male angespielt werden. Die erste belgische Sturmlinie agierte häufig zurückhaltend, rückte nicht immer konsequent nach hinten und verteidigte Dribblings nicht immer unmittelbar. Daher konnten die italienischen Halbverteidiger einige Male in die Schnittstellen zwischen belgischem Mittel- und Außenstürmer andribbeln. Diese zogen sich erst verspätet zusammen, so dass der ballführende Gegner noch den Pass in den Ausweichraum spielen konnte. Das zwang Witsel und Nainggolan zu aufwändigen Herausrückbewegungen zur Seite. Der jeweils andere tat sich bei der Sicherung des Zentrums entsprechend schwerer.
Italien mit Direktpässen in die Offensivabteilung
So gingen gelegentlich horizontale Lücken zwischen beiden auf – und diese konnten sehr gefährlich werden, da Italiens Aufbaufokus dazu passte. Abgesehen vom seitlichen Raumsuchen der Achter im zweiten Drittel zeigten die Italiener wenig Mittelfeldspiel. Stattdessen sahen ihre Aufbauwege so aus, dass die erste Linie – also in Person eines Akteures aus dem Juve-Verteidigertrio – direkt den Pass auf die vordersten Offensiven suchte. Der Raum dazwischen wurde in der Regel überspielt. Das geschah über verschiedene Wege, von denen im ersten Teil der ersten Halbzeit noch der einfache lange Ball aus der Dreierkette überwog. Bonucci und Co. suchten das weite Zuspiel in die letzte Linie, die mit dem Sturmduo aus Pellè und Éder sowie den weit aufrückenden Flügelspielern präsent besetzt war.
Gerade Candreva sollte diagonal auch für Dribblings in Szene gesetzt werden, ansonsten ging es eher um den Gewinn des zweiten Balles. Beide Wege waren – durch die enorm breiten horizontalen Abstände – allerdings nicht so erfolgsstabil und für die hinten auch individuell gut besetzten Belgier leicht zu verteidigen. Eine der wenigen Ausnahmen war später das Führungstor, als einmal noch Giaccherini aus dem zentralen Mittelfeld vorstieß, damit die belgische Endverteidigung überlud und hinter die Abwehr durchkam. Allerdings wurde das einleitende Zuspiel Bonuccis in diesem Fall bereits aus einer höheren Situation heraus gespielt. Insgesamt kam Italien quantitativ zunächst gar nicht so häufig zu Gefahr, wenn sie ihre Breite ins Spiel bringen konnten, deutete sich meist umgehend auch deren Potential an.
Vielversprechender waren jene Vertikalpässe, die von den hinteren Verteidigern flach in die Sturmlinie gespielt wurden. Die nicht immer besonders engen Abstände zwischen den belgischen Sechsern boten dafür gute Möglichkeiten. Der Adressat der Zuspiele war das Sturmduo der Italiener, wobei insbesondere Pellès ruhige, rationale Ablagen sehr wichtig waren. Er ließ die Bälle kurz in Freiräume klatschen, häufig auf den wilder herum driftenden Éder, teilweise auch mal auf den nachrückenden Giaccherini. Anschließend konnten diese das Leder weiträumig und attackierend nach außen verteilen. In höheren Zonen gab es auch einige gefährliche Weiterleitungsversuche hinter die Abwehr. Die belgischen Innenverteidiger mussten in dieser Struktur hinter ihren Sechsern immer wieder mannorientiert verteidigen, riskant herausrücken und öffneten eventuell Lücken für die Anschlussaktionen.
Zwischen ballfernen, Rückraum- und Konterräumen
War Italien also nach vorne gekommen, kam die Breite ihrer Offensivlinie zum Tragen. Diese konnten sie für Seitenwechsel und druckvolle ballferne Nachstoßbewegungen nutzen. In diesen Szenen deuteten sich auch die typischen Abläufe mit kurzen Ablagen und anschließenden riskanten Wechselpässen an. Das Flügelspiel erwies sich als umso effektiver, da bei Belgien die nominellen Außenstürmer nur bedingt den Weg ins Abwehrdrittel machten. Stattdessen blieben sie häufig im seitlichen Halbraum, wo sie teilweise die gegnerischen Achter attackierten, ansonsten aber auf Umschaltmomente lauerten. Die belgischen Außenverteidiger hatten also wenig Unterstützung.
Gleichzeitig bedeutete dies eine leichte Offenheit der Belgier im Rückraum, da im Anschluss an die Doppelsechs keine Präsenz von hinten mehr folgte. Zudem wurde auch Fellaini einige Male mannorientiert klug von de Rossi weggezogen, was die Kompaktheit zwischen defensivem und offensivem Mittelfeld weiter verringerte. Umgekehrt ergab sich dadurch aber auch Konterpotential: Bei Umschaltaktionen strahlte Belgien prinzipiell viel Gefahr aus und hatte einige gute Ansätze. Hinter dem weiten Aufrücken der italienischen Außenspieler und teilweise auch Achter – was noch das Gegenpressing erschwerte – hatten de Bruyne und Hazard große Zwischenräume.
Im Endeffekt war die Wirkung dessen nicht so groß, wie zu erwarten, da Belgien die Szenen diesmal gruppentaktisch ungewohnt hektisch ausspielte. Gleichzeitig hatte demgegenüber Italien zwar die Zwischenlöcher, dahinter mit der stabilen Dreierkette aber eine umso wertvollere Restabsicherung. Trotzdem: Selbst mit diesem wichtigen Pluspunkt im Rücken brauchten sie immer noch einige sehr rigorose taktische Fouls für die Konterunterbrechung, um Belgien zu stoppen. Ansonsten hätten deren Szenen durchaus ein Tor bringen können. Das zeigte, wie unangenehm diese Momente eigentlich für Italien waren, auch wenn sie letztlich keine klaren Konterchancen zuließen und im Endeffekt diesbezüglich vermeintlich ungefährdet wirkten.
Zweite Halbzeit
Insgesamt hatte die Partie somit schon einige aufreibende, dynamische, raumgreifende Momente mit vielen interessanten Szenen. Das wurde zwischenzeitlich in der strukturell ähnlichen zweiten Halbzeit noch verstärkt, da Belgien die Pressinglinie vermehrt höher anlegte und 4-3-3-haft mit den Außenstürmern die Halbverteidiger anlief. Dadurch öffnete sich das Spiel noch etwas mehr, da Italien mit langen Bällen, aber vereinzelt auch riskantem und wechselhaft ausgehendem Durchspielen durchs Mittelfeld antwortete. Erste wirkliche Änderungen gab es mit der Einwechslung Mertens´ als zusätzlichem Offensivakteur, wofür Fellaini nach hinten auf die Doppel-Sechs rückte.
Die Belgier setzten sich phasenweise vorne fest, versuchten immer wieder mit kleinen Dribblingaktionen anzukurbeln. Prinzipiell forcierten sie einige kluge, ansehnliche Aktionen mit Raumöffnung und Dreiecksspiel im Halbraum. Allerdings fehlte die letzte Sauberkeit und gruppentaktische Qualität. Alternativ konnten sie mit den vereinzelt auch mal Überhand nehmenden Flanken die Einbindung Fellainis am zweiten Pfosten einbringen. In fast allen Situationen hatte Italien mit starker Abwehrleistung am Strafraum aber noch eine Antwort. Die Horizontalabstände bewegten sich noch nicht immer auf Topniveau, die ballferne Absicherung und vor allem das Blocken des Mittelfelds waren aber sehr stark.
Für die letzte Viertelstunde ging Marc Wilmots endgültig in die Offensive, als Carrasco für Ciman kam. Prinzipiell bildeten die verbleibenden Abwehrspieler eine Dreierkette, wofür Vertonghen und Co. als Typen auch sehr gut geeignet sind. Davor schien Carrasco als Flügelläufer zu agieren, die linke Seite wurde sehr improvisiert und wechselweise von den verschiedenen Dribblern besetzt. Dort agierten Mertens oder Hazard bei Ballbesitz oftmals gar breiter als Carrasco rechts, für ihre ankurbelnden Aktionen sogar zu seitlich. Zunehmend gingen die horizontalen Verbindungen über den Halbraum zum Strafraumeck verloren. Gegenüber rückte Carrasco dafür immer wieder passiv ein, allerdings wirkte die Rolle etwas undefiniert und war unsauber an die Gesamtausrichtung angebunden.
Der Joker von Atlético Madrid kam dort letztlich kaum zur Geltung, konnte auch nur sehr vereinzelt mal gegen de Sciglio Raum schaffen und vor allem sein Tempo nicht einbringen. In den allerletzten Schlussminuten agierte auf rechts Alderweireld eher wie ein Außenverteidiger neben einer Zweierkette, der dann teilweise Carrasco in seltsamen Abläufen hinterlief. Dieses finale Konstrukt wirkte nicht sonderlich harmonisch oder überzeugend, letztlich lief es nun aber ohnehin auf Strafraumpräsenz hinaus. Mit dem ebenfalls eingewechselten Origi, Fellaini und Co. wurde diese auch sehr groß und drückend, hätte Italien mit numerischer Überzähligkeit ein oder zweimal fast ins Wanken gebracht. Die Squadra Azzura übersteht diese Szenen aber – auch mit etwas Glück – und konnte über das veränderte Sturmduo am Ende gut kontern – wie dann beim 0:2.
Fazit
Man kann diese Begegnung schon zu den besten Partien des bisherigen Turnierverlaufs rechnen. Am Ende setzte sich Italien durch, weil ihre taktische Ausrichtung einfach besser auf die belgischen Eigenheiten passte und gewisse strukturelle Vorteile hatte. Sie waren über das breite Flügelspiel und die Ablagen-Direktangriffe zwischen den Sechsern gefährlich, stellten sich defensiv mit Fokus auf das Abwehrdrittel den Belgiern präsent entgegen. Diese litten an suboptimaler Balance bei der Unterstützung ihrer Offensivsansätze sowie etwas zu geringer Kollektivität im Rückwärtsgang. Die Relativierung ihres Geheimfavoriten-Status ist insgesamt nicht ganz unangemessen, die Enttäuschung über ihre Leistung in dieser Begegnung dürfte auch aus zu hohen Erwartungen herrühren, denn ganz so schwach zeigten sie sich gegen passend eingestellte Italiener nicht.
17 Kommentare Alle anzeigen
Truu 16. Juni 2016 um 14:57
Dieses Spiel ist ein Lehrbuch-Beispiel für die Weisheit: „Alles kommt wieder“. 😉
Es war erstaunlich zu sehen, mit welchen einfachen Mitteln die Italiener es geschafft haben, die 6-er der Belgier auseinander zu ziehen, um dann durch diesen Kanal durch die beiden zentral positionierten Stürmer anzuspielen, die ihrerseits wiederum sich oft in 1 gegen 1 Situationen bringen konnten.
Sollte irgendwann wieder eine Diskussion ausbrechen darüber, wer der beste Trainer der Welt ist, möchte ich gerne irgendwo den Namen Conte lesen.
FAB 16. Juni 2016 um 11:11
… das wird jetzt für Belgien im zweiten Spiel gegen Irland auch nicht gerade einfach.
Auch dort werden sich Hazard und de Bruyne wieder in isolierten Situationen aufreiben …
D.h. sie können nur noch darauf hoffen, dass Ibrahimovic keinen Glanztag im dritten Spiel hat, sonst gehts gleich nach Hause …
fluxkompensator 16. Juni 2016 um 10:57
ich fand das belgische pressing bisher eines der schwächsten des turniers. die drei (hazard, fellaini, de bruyne) ließen sich meistens zu weit aus der pressingformation locken, wurden dann meistens hoch und lang überspielt (es folgten die ablage- und nachrückmechanismen der italiener) und bewegten sich in folge nicht zurück. das erzeugte einige male sogar eine gleichzahl im angriffsdrittel der italiener, zudem große lücken, die die belgischen sechser nicht füllen konnten (im grunde war die gesamte spielfeldbreite löchrig).
die zweite hz brachte mit fellaini auf der sechs noch einmal einen rückschritt fürs belgische spiel, zumal die pressing“struktur“ ja lange zeit beibehalten wurde. insofern vielleicht auch kritik an wilmots angebracht.
david 16. Juni 2016 um 10:41
Ich fand, dass dieses Spiel eines der besten bisher war.
Von Belgien war ich enttäuscht…irgendwie kaum Synergien zwischen den Spielern und ein schlechtes Pressing.
Italien dagegen mal wieder unfassbar gut im eigenen Drittel, sowohl was die Zweikampfführung in Strafraumnähe, wie auch die generelle Verschiebungsbewegung der Ketten angeht.
Insgesamt – um in die Polemik einzusteigen 😉 – wirkte das Spiel auf mich so, wie wir früher als Bezirksliga A-Jugendmannschaft gegen die Alten Herren des Vereins gespielt haben.
Man wusste, dass man besser Dribbeln kann, schneller ist, ggf. auch konditionell stärker ist, als die AH (Ü35 oder so). Aber letztendlich haben die sehr, sehr oft gewonnen, weil die einfach die allermeisten Dinge richtig oder richtiger machten.
Ich las mal, dass man die Überreste (alle, die noch Kohle brauchen) der WM-Elf von 1990 wohl für Einlagespiele engagieren kann. Bei diesen treffen sie häufig auf Kreisauswahlen und/oder besser, mit jungen Spielern zwischen 18 und 30. SIe selbst sind ca. 50 und gewinnen am Ende trotzdem, was vermutlich neben der fußballerischen Klasse (die ja nicht verschwindet) auch an den Erfahrungen und Entscheidungen liegen muss.
JFA 16. Juni 2016 um 08:11
Zu dem Spiel der Belgier kommt mir irgendwie nur Polemik in den Sinn. So hochgelobt, und bis auf Ansätze nichts davon zu sehen. Fangen wir mal mit dem Lukaku an: ich sehe den ja nicht of spielen, aber was genau qualifiziert den außer seinem Stiernacken eigentlich zum Klassespieler? So was unbewegliches habe ich lange nicht gesehen. Wenn der nicht angeschossen wurde hatte der doch keine Ballberührung?
De Bruyne: nach allein dem Spiel zu urteilen hat Wolfsburg einen guten Verkauf getätigt. Irgendwie kam der mir nicht fit vor. Mag sein, dass seine Rolle in der N11 nicht so optimal ist, aber er war auch langsam, lethargisch.
Und dann, die Krönung, Vertonghen: was hat Willie dem eigentlich vor dem Spiel mit auf den Weg gegeben? „Wenn Du den Ball hast, hau ihn möglichst hoch und weit in Richtung Strafraum“? Was der an Flanken aus dem 2. drittel geschlagen hat, meine Güte. Dabei hätte er doch nur noch weiter hoch gemusst und Hazard mal unterstützen.
Der hat mir gefallen, war viel unterwegs, hat durch Dribblings Unordnung geschaffen. Nur ging es dann nicht weiter, weil keine Unterstützung kam. Gerade in der ersten Halbzeit hat er sehr oft vom linken Flügel nach innen gezogen, und nicht einmal (!) wurde er von Vertonghen hinterlaufen. Das allereinfachste Mittel um Hazard wenigstens einen Gegenspieler zu nehmen, oder hinter die Abwehr zu kommen, wurde nicht angewandt. Erst Mertens hat das mal gemacht, also irgendwann (zu) spät in der 2. Hälfte.
Sowieso find ich die Rollen der AVs bei diesem Turnier sehr merkwürdig. Man stellt die irgendwo außen an die Mittellinie, und dann? Gestern bei der Schweiz war es auch so: auf beiden Seiten inverse Flügelspieler, und sobald die nach innen ziehen ist der Flügel verwaist, Gegner kann das vor dem Ballbesitzer verdichten. Deutschland mit den extrem hohen AVs gefällt mir da viel besser.
GatlingJ 15. Juni 2016 um 23:58
Also das Spiel und auch die drei Punkte der Itas im ersten Spiel haben schon eine sehr markante Änderung für Deutschland – wie sich die Dinge doch ändern können – how things can change. Noch unmittelbar vor dem Spiel war der Gedanke an erstplatzierte Italiener eher weit weg als unmittelbar bevorstehend.
Jetzt wird das VF also mal wieder der Mentalitätscheck, nämlich dann wenns wieder gegen sie geht – nie gewonnen im Turnier – und abermals spielt die N11 gegen sich selbst und kann nur dann gewinnen, wenn sie auch daran glaubt. Wartet es ab, so kommts, im VF.
LM1895 15. Juni 2016 um 23:18
Danke für die ausführliche Analyse!
Mir kommt Belgien dabei allerdings deutlich zu gut weg. Deren Pressing habe ich als mittlere Katastrophe empfunden, vor allem das höhere Pressing war furchtbar löchrig, unkollektiv und von den vorderen Akteuren zu passiv. Die Mannorientierung haben insbesondere im Zentrum dauernd riesige Lücken gerissen, Nainggolan und Witsel standen zum Teil gefühlte 40m auseinander. Unpassende Mannorientierungen und dadurch ein schlechter Kettenmechanismus haben auch zum 0:1 geführt, plus natürlich zu wenig Drück auf Bonucci (was immer ne schlechte Idee ist…). Ich hatte die ganze Zeit den Eindruck, dass die Belgier nicht davon profitieren, dass fast die gesamte erste Elf in England spielt…
Offensiv wirkte das alles auch so, als würde sich hauptsächlich darauf verlassen, dass einer der Individualisten mal eine gute Idee hat, wenn Hazard nicht so viel gedriftet wäre, hätten die Belgier ihre Mitspieler mit dem Fernglas suchen müssen (Polemik! :O ja, ich bin glaub ich bin einfach ziemlich enttäuscht…). De Bruynes Rolle sehe ich so wie hier beschrieben als viel zu limitiert und beraubt ihn seiner größten Stärken.
Noch kurz zu Italien: defensiv gewohnt stark mit sauberen Abläufen, offensiv mit guter, passender Anlage gegen den Gegner.
TR 15. Juni 2016 um 23:45
Hallo, ja, das belgische Pressing war in der Tat nicht gut. Eigentlich sollte das bzw. die Kritikpunkte im Artikel auch deutlich geworden sein. Ich hatte schon das Gefühl, dass ich die Problematik scharf genug angesprochen habe, fandest du es also zu „nett“? Zumindest im Fazit klingt es, wenn ich es mir jetzt noch einmal durchlese, vielleicht tatsächlich insgesamt zu positiv in der Gesamtbetrachtung, das stimmt, danke für den Hinweis.
Mike the Knight 16. Juni 2016 um 07:17
Meiner Meinung nach gibt die Analyse und das Fazit den Spielverlauf sehr gut wieder. Soooo schlecht waren die Belgier jetzt nun auch wieder nicht, die Italiener waren einfach cleverer.
Koom 16. Juni 2016 um 08:56
Italien wie fast immer: die geballte Abgewichstheit.
Isabella 17. Juni 2016 um 01:07
Mal anders formuliert: Sie haben den einzig fähigen Trainer! Mal ehrlich, wer von denen im Trainerfeld der EM, aber auch Copa America, würde denn ernsthaft im Vereinsfußball was reißen? Wsl niemand… Man könnte aufgrund seiner Erfolge bei Real jetzt del Bosque nennen, aber der wirkt mittlerweile doch auch etwas unkreativ und starr. Seine Personalpolitik fand ich auch nicht immer nachvolziehbar.. Also ich denke ja, dass es die Franzosen aufgrund von emotionalen Vorteilen, die sicher im Tunierverlauf noch größer werden, oder die Italiener wegen Conte gewinnen werden. Deutschland kanns nur dank Neuer und Boateng werden, Özil mit diesen Leistungen nicht rauszunehmen, und das seit Jahren, ist eine Vollkatastrophe, Kroos zu weit hinten, Götze kaum eingebunden und kaum Unterstützung für Müller durch Höwedes und Draxler jedes mal runter nehmen, obwohl dem noch am meisten gelingt… Nicht gerade ne Glanzleistung. Spanien hat vill noch ne Chance, die haben schließlich Iniesta. Belgien hat mich schwer enttäuscht, auf die hätte ich evtl vorher noch getippt. England wirds nicht, nicht mit Joe Hart, oder kann sich jemand an nen Tuniersieger erinnern, der nicht einen der besten Torhüter der Welt hatte ? OK, Dänemark vill xD, aber da hats auch an McDonald’s gelegen. Mein Tipp ist nach diesem Spiel Italien. Oder denkt ihr, eine der bisher eher schwachen Offensiven kann diese italienische Abwehr besiegen?
Chris 17. Juni 2016 um 16:46
Heldenfußball, ick hör dir trapsen. 🙂
Ganz abgesehen davon, dass du offensichtlich keine Ahnung hast, so wie du Özil bewertest – Stammtisch halt. Glaube, in dem Forum wirst du nicht glücklich – empfehle sport1 o.ä.
LM1895 16. Juni 2016 um 09:02
In meine fast schon vernichtende Kritik Spiel wohl auch hinein, dass mit dem Kader eigentlich besserer Fußball möglich sein sollte, denke ich. Natürlich war Belgien nicht auf Kreisliganiveau, aber ich war schon arg enttäuscht. Hatte sie allerdings auch vor der em nicht gesehen, nur was so in den Zusammenfassungen im TV zu sehen war. Hatten sich diese taktischen Mängel schon angedeutet? Asche auf mein Haupt, ich hab die Vorschau nicht gekauft…
Chris 16. Juni 2016 um 17:15
Sehe auch das belgische Spiel deutlich kritischer – übrigens auch das italienische, bis auf die sehr clevere und saubere taktische Defensivarbeit.
Aber was da technisch und offensivtaktisch geboten wurde – wir müssen zwei unterschiedliche Spiele gesehen haben, TR: Ein wildes Gebolze, der arme Ball hatte kaum Bodenkontaktzeiten, weil er so oft in der Luft schwebte und auf Köpfen landete. Würde gerne mal Kopfballstatisken fürs mittlere Drittel sehen – sicherlich eine der höchsten des bisherigen Turniers.
Und obwohl die Italiener nicht mal durch Belgiens Pressing sonderlich gefordert waren, zeigten sie auch keine mannschaftliche offensivtaktische Leistung.
Nein, ich bin ganz entspannt für ein mögliches VF. Sowohl D – Ita als auch D – Bel wäre eine gut lösbare Aufgabe.
Somit lege ich mich im Gegensatz zu euch bei eurer sehr langen, aber tollen Italien-Vorschau im pdf fest. 🙂
Rene 17. Juni 2016 um 07:37
Dann haben wir beide wohl ein anderes Spiel gesehen. Für mich war das bis jetzt beste – auch aus taktischer Hinsicht – Spiel der EM. Wobei ich allerdings sagen muss, taktisch ist diese EM sogar anspruchsloser als die Premier League!
Die Italiener sind einfach abgebrühter, gerade wenn ich mir das Spiel gestern anschaue muss ich sagen Deutschland hätte gegen Italien keine Chance!
Badstuber 17. Juni 2016 um 09:15
Ich kann mich hier nur anschliessen. Die EM war bisher eher als enttäuschend anzusehen, sowohl vom spielerischen her als auch vom taktischen. Da haben Belgien und Italien sicherlich in beiden Kategoeiren noch das ansprechenste gezeigt. Bei Belgien sehe ich das Problem, dass sie zwar sehr gute Einzelspieler haben, aber nicht unbedingt eine so starke geschlossene Mannschaft.
Bajuware 17. Juni 2016 um 10:18
Ich stimme sowohl TR als auch dir zu 😀
Die Kritik im Artikel an Belgien ist mMn berechtigt. Aber ich gebe dir Recht, im Vergleich was man sonst bei der EM bis jetzt gesehen hat, haben die Belgier tatsächlich richtig gut gespielt, auch taktisch. Das sagt leider alles 🙁