Wer wird zum Star bei dieser EM?
Welcher junge Fußballer träumt nicht davon, auf einer großen Bühne mit einem weltweiten Millionenpublikum seinen endgültigen Durchbruch zu feiern. Kurz vor dem Start der Europameisterschaft möchten wir fünf Kicker vorstellen, die das Potenzial haben, beim Turnier in Frankreich groß herauszukommen.
Piotr Zieliński: Der Kreative
Polen gehört bei der anstehenden Europameisterschaft zu den Geheimtipps. Der deutsche Gruppengegner ist vor allem im Konterspiel extrem gefährlich. Neben einem hervorragenden Stürmerpärchen, Robert Lewandowski und Arkadiusz Milik, lässt auch die Mittelfeldzentrale aufhorchen. Dreh- und Angelpunkt ist Grzegorz Krychowiak. Neben ihm könnte Piotr Zieliński auflaufen.
Der Jungstar, der in der vergangenen Saison von Udinese Calcio an Empoli ausgeliehen war, könnte die etwas offensivere Rolle auf der Doppelsechs einnehmen. Ähnlich wie bei seinen Spielen für Sevilla bevorzugt es Krychowiak auch im Nationaldress, aus der Tiefe heraus die Angriffe zu eröffnen. Zieliński hingegen dribbelt gerne die gegnerischen Defensivverbände an oder begibt sich in verdichtete Räume, um Platz für seine Mitspieler zu schaffen.
Der 22-Jährige beherrscht nicht nur den präzisen Außenristpass, sondern er ist ebenso in der Lage, sehr geschmeidige Haken zu schlagen und den richtigen Moment zur Tempoaufnahme zu finden. Neben Passgeber Krychowiak wäre Zieliński eigentlich der passende Verbindungsgeber. Er kann zu Milik, welcher meist etwas hinter Lewandowski positioniert ist, vorstoßen oder bei Flügelangriffen den Rückraum besetzen. Im polnischen Team gibt es jedoch auch nicht zu unterschätzende Konkurrenz: namentlich Krzysztof Mączyński und Karol Linetty.
Sollte sich Zieliński durchsetzen und an einem möglichen erfolgreichen Abschneiden der Polen seinen Anteil haben, könnte er einer der Jungstars dieser EM werden. Clubs wie Liverpool sollen bereits Interesse angemeldet haben. Womöglich hilft Zieliński sogar seine leicht egoistische Spielweise. Im Sinne des Teamerfolgs sollte er allerdings die richtige Balance finden.
Emil Forsberg: Der Durchbrecher
In der Analyse zum Team von RB Leipzig vor einigen Wochen verdeutlichten wir bereits, welche Stärken Emil Forsberg besitzt und warum der Flügelstürmer mit seinen Dribblings seiner Mannschaft helfen kann. Obwohl Forsberg zuletzt nur als Zweitligaprofi aktiv war, gehört er fest zur Startelf der Schweden. Nationaltrainer Erik Hamrén möchte vom 24-Jährigen allerdings nicht nur Solos sehen, bei denen er gegen hochklassige Verteidiger womöglich zu oft hängen bleibt.
Im Trikot der Blågult fungierte Forsberg in der jüngeren Vergangenheit häufig als verkappter Zehner oder zusätzlicher Mittelstürmer. Er spielte in der Regel höher als sein Pendant auf der rechten Seite und reagierte konkret auf die Bewegungen von Zlatan Ibrahimović. Die Schweden eröffneten viele Angriffe über Sechser Kim Källström und damit eher über die linke Seite. Ibrahimović ließ sich in Richtung Källström fallen, während Forsberg dazu angehalten war, nach innen und somit in den Rücken Ibrahimovićs zu schieben.
Soweit so gut. Nur das wird Forsberg nicht zu großem Ruhm verhelfen. Die breite Öffentlichkeit möchte Übersteiger und Tunnel sehen. Womöglich schadet Forsbergs zentrale Rolle sogar dem schwedischen Angriffsspiel. In unserem EM-Vorschauheft, das für nur 5,55€ erworben werden kann, schreiben wir dazu: „Olsson rückt auf der Linksverteidiger-Position weit vor, wenn Källström abkippt. Forsberg agiert ebenfalls höher als sein Pendant. Schweden forciert diese Durchbrüche über die linke Seite. Gerade mit diagonalen Flügelwechseln versuchen sie, die hohe linke Seite einzusetzen. Da im Zentrum ein Verbindungsspieler fehlt, kann es jedoch auch leicht passieren, dass sich die Schweden am Flügel in der Folge selbst isolieren.“
Was bedeutet das für Forsberg? Seine zentrale Rolle könnte schädlich sein, weshalb Hamrén womöglich „in der Vorbereitung ein paar taktische Gespräche führt und Forsberg seine Quasi-Zehner-Rolle austreibt.“ Auch in Diensten von RB Leipzig ist Forsberg nicht unablässig im Zentrum zu finden. Im Vergleich zu Marcel Sabitzer oder Dominik Kaiser ist der 24-jährige Schwede sogar ein flügelfokussierter Spieler. Dann kommt seine Stärke im Dribbling zur Geltung, mit welcher er im besten Fall regelmäßig bis zur Grundlinie durchbrechen kann. Aber wie erwähnt: Er muss diese Stärke gegen Top-Abwehrreihen, wie sie die Gruppengegner aus Belgien und Italien besitzen, erst noch unter Beweis stellen.
Emre Mor: Der Dribbler
Aufgrund seines bereits feststehenden Wechsels vom FC Nordsjælland zu Borussia Dortmund ist Emre Mor für andere europäische Top-Clubs im Moment nicht wirklich von Interesse. Der 18-Jährige ist trotzdem noch kein etablierter Star bei dieser Europameisterschaft. Es steht noch nicht einmal fest, ob er unter Nationaltrainer Fatih Terim auf viele Einsatzminuten kommen wird.
Mit einer Körpergroße von 168cm und seiner schmächtigen Statur wirkt Mor auf dem Feld zuweilen wie ein Kind, das gegen erwachsene Männer spielt – Männer, die er gerne alt aussehen lässt. Der niedrige Körperschwerpunkt, die vielen Ballberührungen beim Dribbling und die Explosivität in seinen Bewegungen führte unter Beobachtern schnell zum Label „Türkischer Messi“. Eigentlich ist man mittlerweile müde von diesen Vergleichen mit dem argentinischen Jahrhundertfußballer.
Zumindest im Dribblingstil gibt es gewisse Ähnlichkeiten, was Mor in seiner ganz eigenen Welt – außerhalb dieser Wahnsinnsvergleiche – zugutekommt. Positionell ist der 18-Jährige noch nicht festgelegt. Er kann wahlweise als Flügel-, Schatten- oder Mittelstürmer zum Einsatz kommen. Mor wird gerne attestiert, dass er in der Rolle der sogenannten falschen Neun brillieren kann.
Aufgrund seiner Balance und engen Ballführungen kann er sich gegen viele Verteidiger im Eins-gegen-Eins durchsetzen. Er schlägt zumeist einfach Haken oder zieht in der Beschleunigung schlichtweg am Gegenspieler vorbei. Aufgrund der vielen Ballkontakte sind kleinere Richtungsänderungen und Täuschungsmanöver immer möglich. Allerdings sind diese Bewegungen alle nach vorn ausgerichtet, mit dem Blick zum gegnerischen Tor.
Steht Mor jedoch mit dem Rücken zum Gehäuse und hat ihm physisch überlegene Verteidiger in seiner Nähe, wird es für ihn um einiges komplizierter. Seine Stärken kann er aktuell am besten nutzen, wenn er aus dem Rückraum – ob nun auf dem Flügel oder im Zentrum – nach vorn stößt. Mit Arda Turan, Hakan Çalhanoğlu, Volkan Şen, Yunus Mallı und anderen hat er große Konkurrenz auf den Offensivpositionen im türkischen Team. Kann er sich hier eventuell durchsetzen, wird das ihn noch weiter ins Rampenlicht rücken.
Im Übrigen haben die Kollegen von Konzeptfußball einen ausführlichen Scoutingbericht zu Emre Mor veröffentlicht.
Marko Pjaca: Der Alleskönner
In unserem EM-Vorschauheft wird erwähnt, dass Kroatien einen eigenen Franck Ribéry besitzen würde. Sein Name ist Marko Pjaca und im Moment befindet er sich noch bei Dinamo Zagreb unter Vertrag. Dies könnte sich allerdings schon bald ändern und ein großer Auftritt in Frankreich würde die Chancen auf einen Wechsel noch steigern.
Ist Pjaca nun ein Ribéry-ähnlicher Spielertyp? Seine direkte, torfokussierte Spielweise vom Flügel aus deutet darauf hin. Ähnlich wie der Flügelstürmer der Bayern sucht auch Pjaca sehr oft den Weg nach innen. Aber der 21-Jährige ist mehr als nur das. Seine flexible Spielweise bringt ihm noch andere Vergleiche ein.
So sagte Tomislav Ivković, Pjacas ehemaliger Trainer bei Lokomotiva: „Er ist einer der seltenen Spieler, die in beide Richtungen gehen können. Es gibt jemanden, der mich an ihn erinnert, wenn er am Ball ist, das ist Karim Benzema. Ich sage nicht, dass das der neue Benzema ist, aber er erinnert mich in Eins-gegen-Eins-Situationen an ihn.“ Eine Mischung aus Ribéry und Benzema also. Es ginge wahrlich schlechter.
Für eine Körpergröße von 186cm bewegt sich Pjaca vergleichsweise wenig staksig. Er kann sich bei Tempodribblings gut über den Ball legen, aber in langsameren Situationen in aufrechterer Position die Übersicht behalten. Von seinen taktischen Bewegungen auf dem Spielfeld ist er in diversen Rollen vorstellbar. In der kroatischen Nationalmannschaft könnte er sehr wahrscheinlich eine Flügelzange mit Ivan Perišić bilden.
Der Ex-Dortmunder und Ex-Wolfsburger ist Pjaca in einigen Facetten nicht unähnlich. Beide laufen nicht nur die Außenbahn entlang, sondern haben das Tempo und ein Auge dafür, in offene Räume vorzustoßen. Mario Mandzukic kann mit seinem typischen horizontalen Ausweichen Platz für beide Flügelstürmer schaffen. Ob und inwieweit Pjaca am Ende in der kroatischen Offensive zur Geltung kommt, wird darüber entscheiden, ob er den großen Durchbruch bei dieser EM schafft.
Breel Embolo: Der Athlet
Ein Unbekannter ist Breel Embolo auf keinen Fall mehr. Der 19-Jährige wird Medienberichten zufolge heftig von RB Leipzig, wie auch von einigen Clubs aus der Premier League umworben. Noch in diesem Sommer könnte der Angreifer für eine zweistellige Millionensumme seinen Verein, den FC Basel, verlassen.
Seit 2014 spielt er für die Profimannschaft und wurde seit dem unersetzbar in der Offensive Basels. Sein früherer Mannschaftskollege Fabian Frei nannte Embolo einst „eine Sensation“. Der im kamerunischen Yaoundé geborene Fußballer brilliert vor allem mit seiner Athletik. Embolo erinnert in manchen Szenen an Pierre-Emerick Aubameyang, da er sich in die Schnittstelle zwischen zwei Verteidiger schleicht und dann seine Schnelligkeit bei Tiefenläufen ausnutzt, um Steilpässe zu empfangen. Der variable Angreifer kann sowohl im Zentrum als auch auf dem Flügel spielen.
Da Embolo auf überflüssige Tricks und Spielereien verzichtet, sein Positionsspiel hingegen oftmals sehr gut auf die jeweilige Situation angepasst ist, wirkt er nicht wie ein wilder 19-Jähriger. Sicherlich gibt es noch an vielen Stellen Verbesserungsbedarf, aber Embolo gehört zu den reiferen U20-Spielern im europäischen Fußball.
Für die Nationalmannschaft der Schweiz könnte er bei der EM entweder als Außenstürmer, sollte sich Vladimir Petković beispielsweise dazu entschieden, Xherdan Shaqiri doch auf die Zehnerposition zu stellen, oder als Sturmspitze zum Einsatz kommen. Im Vergleich zu Haris Seferović könnte Embolo für ein noch fluideres Angriffsschema sorgen.
In Spielen für Basel lässt er sich häufig aus der Spitzen in den Zehnerraum fallen oder er bewegt sich in den ballnahen Halbraum, um kleinräumigere Kombinationen zu initiieren, damit er am Ende hinter die gegnerische Abwehrlinie gelangt. Seine aufmerksame Spielweise hilft ihm, nach eigenen Pässen direkt wieder nach der richtigen Feldposition zu suchen. Zieht man zusätzlich noch in Betracht, dass er mit relativer Leichtigkeit viele Manndecker abschütteln kann, sehr geschickt darin ist, seinen Körper zwischen Ball und Gegner zu schieben, und eine strategisch kluge Schussauswahl trifft, wird immer deutlicher, warum Embolo bei vielen Spitzenclubs in Europa auf dem Zettel steht. Und nach einer erfolgreichen Europameisterschaft könnte sein virtueller Marktwert noch weiter steigen.
Fazit
Auffällig ist, dass vier von fünf ausgewählten Talenten vornehmlich in offensiven Flügelrollen zum Einsatz kommen. Bei der anstehenden Europameisterschaft werden viele Mannschaften voraussichtlich auf bereits etablierte Akteure in der Defensive setzen. Und gibt es doch einen jungen Innenverteidiger wie etwa Schwedens Victor Lindelöf, dann wird dessen Stern in den kommenden Wochen wohl nicht allzu stark strahlen.
Internationale Turniere sind für alle teilnehmenden Spieler stets eine gute Gelegenheit, den eigenen Wert zu steigern. Trotz aller modernen Scoutingmethoden gilt dies insbesondere für Kicker, die entweder noch in kleinen Ligen oder überhaupt erst seit kürzerer Zeit im Seniorenfußball unterwegs sind. Die geringe Anzahl an Partien, die gerade Teams außerhalb des Favoritenkreises bestreiten werden, verlangt allerdings, dass besondere Leistungen abgerufen werden müssen.
6 Kommentare Alle anzeigen
Atütata 12. Juni 2016 um 10:06
Ich denke auch individuelle Fehler werden von Position zu Position anders wahrgenommen. Wenn ein Offensivspieler sich immer wieder verdribbelt ist das für den Trainer weniger schlimm, als wenn ein IV oder ZDM eine schlechte Zweikampfquote hat
Atütata 10. Juni 2016 um 19:55
Ich denke die Trainer sind noch zu sehr in diesem alten Schema „offensiv kann man experimentieren, defensiv muss man dichthalten“, wobei es auch Ausnahmen gibt, wie die 19-jährigen Hummels und Subotic in ihrer ersten Saison in Dortmund, was ja hervorragend gut funktioniert hat.
Alfie 11. Juni 2016 um 14:55
Ein anderer Punkt könnte auch der frühere Peak der Aging Curve für Angreifer sein.
tobit 10. Juni 2016 um 16:56
Denkt ihr, dass der Fokus auf Erfahrung bei Defensivspielern begründet ist? Gibt es nicht immer wieder Beispiele von hervorragend funktionierenden „Kinderriegeln“?
Worin seht ihr die Gründe, dass man eher selten auf junge Verteidiger aber um so öfter auf junge Offensivspieler setzt?
wewewww 10. Juni 2016 um 18:53
Interessante frage ????????????… Eventuell liegts an der konstanz, die in der defensive wohl wichtiger ist, und bei älteren akteuren durchschnittlich höher ist, oder?
Todti 10. Juni 2016 um 20:31
Ich glaube, die oder eine ähnliche Diskussion gab es schonmal in einer Kommentarsektion. Zumindest ging es um die Wahrnehmung von individuellen Fehlern; ihre Position auf dem Feld, ihr Zustandekommen (Dribbling oder Pass, etc.) und daraus resultierend Absicherung und Auswirkung.
Ich stimme hier zu, dass die Trainer vermutlich grundsätzlich das Vorurteil (wie gerechtfertigt auch immer) haben, dass junge Spieler häufiger Fehler machen, und sie deshalb eher in offensiveren Positionen aufstellen, da in dem Fall mehr Spieler hinter dem Ball zur Absicherung bereit stehen. Das ist natürlich eine sehr generelle Auffassung und kann ihrerseits wieder ein Vorurteil sein. Also ein Vorurteil über die Vorurteile anderer Menschen. Bias-ception! 😀