Wolfsburger Arbeitssieg
Es hätte für den VfL Wolfsburg in dieser Situation einen dankbareren Gegner geben können als die defensivstarken, unangenehmen Ingolstädter. Diese machten dem VfL auch über weite Strecken das Leben schwer, waren aber offensiv zu harmlos, um die solide Effektivität der Hausherren ausgleichen zu können.
Nach der Niederlage auf Schalke, bei der sich Hecking mit seiner zu offensiven Besetzung im 4-1-4-1 und der einhergehenden Absicherungsproblematik verschätzt hatte, traten die Wolfsburger diesmal mit einer stabileren Ausrichtung an. Vorne bildeten Julian Draxler und Max Kruse – die zu hoch agierenden Achter vom vergangenen Wochenende – nun das Duett in vorderster Front einer 4-2-3-1/4-2-4-0-Formation. Im Mittelfeld gab es also wieder eine Doppel-Sechs, auf der Hecking mit den ins Team zurückkehrenden Luiz Gustavo und Träsch auf Stabilität setzte.
Enge Deckungen in engen Staffelungen
Das machte sich in dieser Partie gegen die nach Rautenversuchen wieder im gewohnten 4-3-3 und Personal antretenden Ingolstädter auch bemerkbar. Insgesamt entstanden – wie prinzipiell zu erwarten – wenige Torszenen, beide Teams neutralisierten sich und zu Beginn konnten eher die Gäste der Begegnung ihren Stempel aufdrücken. Die Konsequenz der unangenehmen Spielweise machte den Hausherren zu schaffen. Gegen die frühen langen Bälle des FCI hielten sie sich im Pressing aber gut zurück, stellten nur Abstöße zu. Die Zuspiele der Gäste waren in hohe, seitliche Zonen gerichtet, wohin sie mit der kompletten Formation weit hinterher schoben.
Dagegen setzte Dieter Hecking – grundsätzlich ohnehin für den Einsatz von Mannorientierungen bekannt – in den hinteren Bereichen auf eine Intensivierung klarer Zuordnungen. Wenn die Ingolstädter sich in typischer Manier weit auf einer Seite ballten, wurden deren Stürmer oft eng gedeckt. Innerhalb der zugeschobenen Szenen verließen die Verteidiger die Kette mehrmals sogar horizontal und „übergingen“ dann ihre Kollegen. Ähnliches galt für die beiden Sechser, die in die letzte Linie, Richtung Flügel oder vereinzelt sogar leicht ballfern verfolgten.
Auf den ersten Blick mochte dies zu rigide und damit instabil scheinen, war gegen den konkreten Stil der Ingolstädter allerdings gar nicht so unpassend. Die Schanzer nutzen nicht so viele Dynamikmechanismen, klare Rückzirkulationen oder gezielte Bewegungen zum Raumschaffen aus den präsenten, konsequenten Staffelungen, sondern arbeiten viel über Dribblings, Improvisation und den Fokus auf diese numerische Präsenz. Daher bestand für den VfL nicht so viel Gefahr, in den klaren Deckungen ausgespielt zu werden. Vereinzelt versuchten die Achter mit Rochaden hinter den Stürmern außen durchzubrechen, aber gerade Groß agierte insgesamt schon zu seitlich.
Trotz Stabilität vom Gegner genervt
Wenn der Gegner in so hohen und so seitlichen Bereichen agiert, ist auch ohnehin nur noch wenig Raum da, in dem sich so etwas entscheidend entzünden könnte. Zumal hatten die Hausherren in diesem Getümmel noch gute Möglichkeiten, bei drohender Gefahr ein Bein dazwischen zu bekommen oder einzelne misslungene Mannorientierungen abzusichern. Letztlich geriet Wolfsburg also kaum mal in Gefahr, konnte die Versuche der Gäste mit einer tiefen Grundstaffelung über die klaren Zuordnungen fast immer auffangen und solide abblocken.
Gewissermaßen nutzten sie die enge, kompakte, darin feste Positionierungsweise des Gegners zur eigenen Orientierung in eine stabile Abwehrform. Gerade auf ihre linke Defensivseite schoben die Wolfsburger teilweise sauber mit den Sechsern und der gesamten Mittelfeldlinie nach, um die Abstände klein zu halten und den Flügeln zu helfen. Potentiell konnten die Mannorientierungen dabei gewechselt bzw. übergeben werden, wenn einer der Sechser dann seitlich beispielsweise einen der ausweichenden Angreifer übernahm. Situativ gab es in diese Szenen hinein kurze Rückstöße von Draxler oder Max Kruse.
Dennoch wirkte die Spielweise des Aufsteigers unangenehm für Wolfsburg und machte ihnen das Leben schwer. Die vielen Mannorientierungen auf beiden Seiten, die zahlreichen eng zugeschobenen Flügelszenen mit einer Menge an kleinen Fouls und Unterbrechungen sorgten für eine aufreibende Partie, unterbrachen immer wieder den Spielfluss. Vor allem führten sie dazu, dass es für den VfL kaum mal klare, wirkliche Aufbauszenen gab. Vielmehr waren es ständige abgehackte Übergänge, zwar ohne die extreme Intensität oder chaotisches Hin und Her, aber mit Tendenz dahin, ohne wirklich beruhigte Phasen.
Präsenz- und Rückzugsaspekte
Dazu trugen die Ingolstädter zusätzlich noch mit einzelnen höheren Pressingstichen bei. In der Regel rückte einer der Außenstürmer diagonal etwas ein oder Lezcano schob gegen Casteels nach und kappte einen Innenverteidiger ab. Zudem agierten die beiden Achter phasenweise etwas vorgeschoben und gaben dabei die Mannorientierungen auf die Wolfsburger Sechser auf, die sie stattdessen in ihrem Rücken zu verdecken suchten. In diesem Zusammenhang hatte der VfL Wolfsburg durch die zwar leicht verschobene, aber eher zurückhaltende Besetzung im defensiven Mittelfeld des 4-2-3-1 Probleme mit Ingolstadts Vorgehen.
Die Sechser und die zwei vorderen Akteuren bildeten zwei jeweils stabile Pärchen, die allerdings phasenweise zu klar angelegt waren. Dadurch litten die kreativen Synergien ein wenig und die Präsenz in den höheren Bereichen war nicht immer ausreichend. In Bedrängnis mussten sie einige Male auf längere Zuspiele zurückgreifen. Insgesamt gestaltete sich die Anlage trotz einzelner balancierter Zurückfallbewegungen eines Offensivspielers eher konventionell und simpel, zwar mit manchen guten Staffelungen im zweiten, aber auch mal Verbindungsproblemen im letzten Drittel.
Eine der Ingolstädter Schwächen liegt in der Art, wie ihr Rückzugsverhalten organisiert ist, nachdem eine höhere Pressingphase mal überspielt wurde. Bisweilen haben die Schanzer hier – verglichen mit vielen anderen Teams, die solche Szenen etwas natürlicher, flexibler und solider „recovern“ – mehr Schwierigkeiten, ihre Zuordnungen sauber aufzulösen, ausgewogen nach hinten zu schieben und seitlich gegen Raumgewinn nachzuschieben. Im vertikalen Rückwärtspressing wissen sie – wie auch bei den Münchener Bayern demonstriert – zu überzeugen, aber in horizontalen Belangen sieht das nicht immer so gut aus.
Auch in dieser Begegnung traten problematische Szenen mal dann auf, wenn beispielsweise das diagonale Vorrücken eines Flügelstürmers im Pressing überspielt wurde und auch der jeweils nahe Achter nicht direkt nachschieben oder Zugriff erzielen konnte. Gelegentlich schuf Wolfsburg mit Anschlussrochaden eines Sechsers nach außen schnell Dynamik und öffnete kleinere Lücken um die Halbräume. So wurde Ingolstadt zusätzlich ein wenig destabilisiert und musste das gegnerische Umschalten bis zum Strafraum durchlaufen lassen. So entstanden im Ansatz einzelne Halbchancen.
Einzelne Wolfsburger Offensivmomente zum 2:0
Daneben gab es im Verlauf der ersten Halbzeit noch eine weitere vielversprechende Route, über die die Hausherren gelegentlich Gefahr ausstrahlten. Gerade in ruhigeren Aufbauszenen, wenn sie mal in die Zirkulation gekommen waren und Ingolstadt sich dann ein recht normales 4-1-4-1 zurückzog, konnte dies zum Tragen kommen. In diesen Szenen eröffneten Knoche und vor allem Naldo druckvoll wie zielstrebig über die Halbräume. Ein wichtiger Adressat wurde der nach hinten weichende Max Kruse, der sich zunehmend gezielt halbrechts in Zwischenlücken um Christiansen anbot – insgesamt recht systematisch angelegt.
Dort erhielt er die Bälle und drehte sich dann – auch gegen potentielles Herausrücken von Roger – systematisch zur Mitte ein, um schnelle Diagonalbälle nach links zu spielen. Dort attackierte gerade Caligiuri diagonal die Spitze, Schäfer sorgte bisweilen für hohe nachschiebende Präsenz und vereinzelt unterstützte jemand aus dem Mittelfeldtrio. Mehrmals bot, wenn er nicht passiv Raum geschaffen oder Roger gebunden hatte, sich Draxler ausweichend an. Insgesamt war dieses Mittel aber keinesfalls herausragend effektiv, eher nur in Ansätzen, konnte vor allem durch die Konsequenz in der Vorbereitung etwas Gefahr verströmen.
Nicht nur in diesen Szenen schienen die Hausherren bewusst eine unpräsente Rolle für Draxler zu forcieren, der als Zehner wenig eingebunden wurde, sondern sich einige Male ballfern hielt. Einige Male durfte er im Pressing höher bleiben, was ihm die Einleitung des schließlich von ihm selbst erzielten 1:0 ermöglichte, nachdem der lose Wolfsburger Zugriff auf den Außenverteidiger einen unsauberen Rückpass ausgelöst hatte. Wenig später erhöhte Knoche nach einer Ecke auf 2:0, sorgte für die entscheidende Durchschlagskraft, die den tendenziell gefährlicheren Niedersachsen bis dahin noch gefehlt hatte, und gleichzeitig eine Vorentscheidung.
Zweite Halbzeit
Dass die sich in der zweiten Halbzeit stärker zurückziehenden Hausherren nach dem Pausentee überhaupt keinen Abschlussversuch mehr hatten, zeigt nochmals, wie ungünstig der Ingolstädter Stil eigentlich für sie war. Vom Pressing der Gäste ließen sich die stärker auf Passivität gepolten Wolfsburger nun schnell zu vielen langen Bällen verleiten, ohne großes Risiko einzugehen. Auch wenn das Ballbesitzübergewicht der Schanzer nun gar nicht so deutlich war, konnten sie die Niedersachsen etwas nach hinten drängen und mit ihrer aufreibenden, unnachgiebigen Art malträtieren.
Mit der Einwechslung von Cohen tendierte das Mittelfeld des Aufsteigers vermehrt in Richtung einer Doppel-Sechs, die durch einzelne verschobene Staffelungen in Zusammenarbeit mit Vorstößen Hübners immer mal Aufrückräume auf links erschließen konnte. Insgesamt schafften sie es ansonsten aber nicht konstant, spielerische Anbindungen durch das Mittelfeld an die in sich fluide, aber stark auf das Angriffsdrittel fixierte Sturmreihe zu erzeugen. Zumal sich Pascal Groß bei diesen Szenen eher in einer tendenziell rechtsseitigen Position bewegte, war das besonders problematisch.
So verlor der Ingolstädter Fokusspieler in Szenen, in denen er sich gerade nicht zurückfallen ließ, um die Präsenz zu erzeugen, genau selbige. Zwar kam die Mannschaft von Ralph Hasenhüttl insgesamt zu neun Abschlüssen nach dem Seitenwechsel, aber viele davon resultierten auch aus Standards oder waren nicht wirklich gefährlich. Wolfsburg konnte sich rein auf seine Stabilität fokussieren, tat dies in – normalerweise gewohnter – Manier auch insgesamt diszipliniert und brachte das 2:0 mit einer jedoch erstaunlich wenig ambitionierten Vorstellung über die Runden.
Fazit
Eigentlich brachte das Spiel kaum neue Erkenntnisse, abgesehen vielleicht sogar von personellen Konstellationen. Es konnte für Wolfsburg gegen Ingolstadt – den für sie unerwartet unangenehmen Gegner – fast nur um einen Arbeitssieg gehen, den sie mit strategisch klugem und solidem Vorgehen auch einfuhren. Auf der anderen Seite deutete der Gast aus Oberbayern grundsätzlich wieder an, was ihn ausmacht und wieso das schon mehrmals sehr wirksam war, aber hatte letztlich nicht annähernd genug Vielseitigkeit, Kreativität, Durchschlagskraft vorne, um nach den zwei auch etwas unglücklichen Gegentoren noch etwas zu ändern.
1 Kommentar Alle anzeigen
Nepomuk 15. Februar 2016 um 22:43
Schöne Analyse. Sehr bildlich. Lässt sich irgendwie einfacher lesen als sonst. Zumindest brauche ich für deine Texte sonst mehr Zeit.