Besinnlicher Pflichtsieg der Bayern in Hannover
Hannover empfängt die Bayern – wie würde dieses Mal die Anpassung gegen den übermächtigen Tabellenführer aussehen und was hat Pep als Reaktion im Köcher?
Hannover im 4-4-1-1
Frontzeck sprach bereits vor dem Spiel davon, man wollte – im Gegensatz zu zum Beispiel dem FC Ingolstadt – die Bayern nicht hoch pressen, sondern sich mithilfe eines tieferen Pressings auf die Defensivstabilität konzentrieren und eher auf das Konterspiel fokussieren. Als Formation dafür wurde das 4-4-1-1 gewählt. Andere Mannschaften wie etwa Eintracht Frankfurt hatten deutlich mehr Spieler in der letzten Linie genutzt; in gewisser Weise suchte Hannover also einen Mittelweg.
Sie pressten auch nicht nur am eigenen Strafraum, sondern probierten die Bayern hinter der Mittellinie unter Druck zu setzen. Das 4-4-1-1 war allerdings interessant gestaffelt. Wegen der bayrischen Dreierkette wichen die Hannoveraner auf den vier Mittelfeldpositionen immer aggressiv nach vorne, um einzelne Spieler der Bayern – neben den Halbverteidigern auch die Achter – unter Druck zu setzen. Ursache dafür war auch, dass ein besonderer Fokus Alonso galt.
Die zwei Stürmer standen zwar wie in dieser Formation häufig üblich diagonal zueinander oder gar in einer Linie, doch einige Male entstanden 4-4-1-1-Staffelungen, wo die hängende Spitze nur wenige Meter und fast schon in einer geraden vertikalen Linie hinter dem Sturmpartner stand. Dies entstand wegen einer klaren Mannorientierung auf Alonso, womit man vermutlich dessen Möglichkeit für Diagonalbälle einschränken wollte.
Wie erwähnt wurden auch zu ein paar 4-4-2-0-Staffelungen hergestellt. Die „0“ bezieht sich übrigens darauf, dass sich die Stürmer eigentlich dort positionieren, wo die dritte Linie wäre; und sich nicht an der ersten gegnerischen Aufbaulinie orientieren (also die Dreierkette um Boateng), sondern an der bayrischen zweiten Aufbaulinie mit Alonso.
Guardiola reagiert
Schon zu Beginn gab es eine leichte Asymmetrie der Halbspieler und Flügel bei den Bayern im 3-1-4-2 – Coman agierte höher als Rafinha, woraufhin Badstuber bei bestimmten Passmustern etwas nachschob; spätestens nach den anfänglichen Minuten war es dann eigentlich keine Dreier-, sondern eine Viererkette. Gegen den Ball formierten sie sich anstatt eines 3-1-4-2 nun im 4-1-4-1 mit tiefem Alonso und Müller auf der rechten Seite. Daraus entstanden aber wiederum natürlich die üblichen 4-1-3-2-Staffelungen mit diagonal herausrückendem ballnahen Flügelstürmer.
Im Spielaufbau spielte fortan Rafinha ebenfalls etwas tiefer und Badstuber höher, wodurch sich meistens Mechanismen wie bei einer Viererkette ergaben. Erst in höheren Zonen blieb Badstuber wieder tiefer und sicherte ab, während Rafinha weiterhin nach vorne preschte. Die nominelle Viererkette im Aufbau war dennoch nicht zu verkennen.
Vermutlich wollte Guardiola damit die Pressingmechanismen der Hannoveraner in der Anfangsphase auflösen und eine stärkere Flügelbesetzung haben. Coman und Müller waren nun in der letzten Linie der Hannoveraner positioniert, standen breit und erhielten zahlreiche Diagonalbälle aus der ersten Linie, insbesondere vom verstärkt zurückfallenden Alonso und natürlich Boateng.
Müllers Rolle
Die Asymmetrie in hohen Zonen hatte auch einen passenden Effekt auf Müller; dieser konnte in die Mitte einrücken, weil Rafinha die Seite besetzte. Thiago, Alonso und Badstuber besetzten meistens die zweite Linie vor den zentralen Verteidigern, die ersteren beiden wechselten sich häufig beim Herauskippen in den rechten tiefen Halbraum ab. Mit Müller als freiem Radikal konnte dieser den Zwischenlinienraum oder das Sturmzentrum besetzen und kurbelte einige Positionswechsel mit Lewandowski an, der sich einige Male zurückfallen ließ oder in die Halbräume pendelte, um dort als Anspielstation zu fungieren.
Aber auch diese Aufteilung schien Guardiola nicht unbedingt zu passen; nach ungefähr 25 Minuten gab es die nächste Umstellung.
Unorthodoxes 4-4-1-1
Thiago tauchte plötzlich auf der linken Seite auf, Coman auf der rechten Außenbahn. Der Hintergrund war vermutlich eine verstärkte Fokussierung der Dribblings beider Spieler und das Auflösen der Mannorientierungen Hannovers. Badstuber besetzte die Breite, spielte dabei aber recht passiv und zurückhaltend, wenn auch noch ein kleines Stücken höher als zuvor. Thiago konnte dadurch von der linken Seite in den vorderen Halbraum einrücken und versuchen, hier als pressingresistente Option zwischen den Linien zu agieren, in die Mitte zu ziehen und nach Pässen zu suchen. Vielfach ging er sogar weiter als in den linken Halbraum und fand sich im Zehnerraum wieder.
Auf der anderen Seite spielte Coman meistens breiter als Thiago auf links. Rafinha hinterlief ihn kaum und gab auch selten breite, sondern spielte als hineinkippender Außenverteidiger; immer wieder fand er sich im rechten Halbraum neben Alonso wieder, sicherte die Angriffe ab, öffnete Passwege für die Innenverteidiger auf Coman und verteilte Bälle. Ein paar Mal vorderlief er auch gefährlich Coman durch die geweiteten Schnittstellen Hannovers. Dies dürfte das Motiv dieser Umstellung gewesen sein, neben dem erhöhten Fokus auf Coman.
Hannover verteidigte nämlich unsauber in den Abläufen und öffnete immer Räume beim Verschieben in der Schnittstelle zwischen Innen- und Außenverteidiger, die sowohl Raifnhas Vorstöße als auch Comans Dribblings attackieren sollten.
Ein weiterer Effekt fand sich in den Passmustern wieder. Mit Müller und Lewandowski gab es nun eine klare Besetzung der Sturmmitte mit zwei Spielern, die sowohl Thiago mit seinen einrückenden Bewegungen und möglichen Schnittstellenpässen wie Lupfern bespielen sollte, während Coman über rechts Kombinationen und Flanken in die Mitte suchte.
Spätestens ab dieser Phase dominierten die Münchner komplett. Das Pressing Hannovers in den ersten zwei Linien wurde nahezu mühelos umspielt und Hannover stand nun fast ausschließlich in der Nähe des eigenen Strafraums. Die zwei Stürmer arbeiteten viel nach hinten und versuchten Pässe in die Mitte zu versperren, aber Bayerns Bewegungen passten gut dazu und man ließ sich selten nach hinten drängen, wenn man mit Kurzpässen das Spiel verlagerte.
Flanke, Elfmeter, Game Over
Eine Flanke Comans führte zum Handspiel innerhalb des Hannoveraner Strafraums, was Müller dann zum 1:0 verwertete. In weiterer Folge hatten die Bayern nun alles auf ihrer Seite: Das gewünschte Ergebnis, die strategisch-taktische Dominanz und natürlich die technisch-taktische individuelle Überlegenheit ihrer Akteure. Hannover hatte nie ausreichend Ballbesitzphasen, um überhaupt organisiert anzugreifen. Gleichzeitig waren sie gegen den Ball nicht stark genug, um sich Konter zu erspielen.
Guardiola änderte einige Zeit nichts (Erkennbares) mehr. Auch die Einwechslung Kimmichs für Badstuber änderte wenig; Rafinha ging auf links, Kimmich übernahm die Position des rechten Außenspielers. Insgesamt spielten die Außenspieler der Münchner nun tiefer und zurückhaltender, auch etwas simpler in ihrer Positionierung. Vermutlich wurde dies so gemacht, um bei möglichen Kontern noch stabiler zu stehen und auch die Hannoveraner herauszulocken, um die Schnittstellen zu bespielen und dann Durchbrüche zu suchen. Die Bayern gewannen letztlich erwartet souverän.
Fazit
Hannover kämpfte viel, war einigermaßen stabil, hatte aber eigentlich keine Chance sich erfolgreich aus der Affäre zu ziehen. Bayern dominierte sie gegen den Ball und mit Ball, einzelne Instabilitäten der Anfangsphase wurden von Guardiola und seinen Spielern innerhalb kurzer Zeit ausgemerzt. Die schnellen Anpassungen Guardiolas führten zu erhöhter Kontrolle. Der Elfmeter erleichterte den Bayern die Aufgabe, welche die Partie dann problemlos zu Ende spielten.
7 Kommentare Alle anzeigen
Jule 20. Dezember 2015 um 12:36
Mal etwas aus aktuellem Anlass:
Folgt bald ein Artikel über Ancelotti bzw. dessen künftige Ausrichtung als Bayern-Trainer? 🙂
HW 20. Dezember 2015 um 12:56
Das ging schnell.
Wen die Glaskugel nicht interessiert kann hier eh schon ein Portrait über Ancelotti lesen.
https://spielverlagerung.de/2014/05/21/carlo-ancelotti-stoischer-maestro/
luckyluke 20. Dezember 2015 um 08:16
Ich hätte da mal eine allgemeine Frage/Beobachtung zu den kleineren Problemen, die sich in letzter Zeit immer mal wieder bei den Bayern gezeigt haben.
Oftmals konnte man doch beobachten, dass die Bayern vor allem gegen tiefstehende Gegner eigentlich nur das Mittel haben über die Flügel zu kommen und dabei die Dribblings der dortigen Spieler zu fokussieren? Und im gleichen Moment fällt mir auf, dass Guardiola sehr oft ohne 10er spielen lässt oder wenn doch, dann eher mit einem Müller oder vielleicht noch Costa, die dann wiederum sehr stark auf Abschlüsse und Dribblings fokussiert sind.
Daher meine zwei Fragen: Sind die Problematiken von mir richtig beobachtet (hab in letzter Zeit auch viele Spiele nicht komplett gesehen)? Und könnte es nicht helfen da einen „klassischeren“ 10er aifzustellen wie Götze oder eben Thiago wie im Artikel angesprochen?
HK 20. Dezember 2015 um 13:24
Was du da ansprichst ist die Lücke die Kroos hinterlassen hat und die bisher nicht geschlossen werden konnte.
Götze ist alles, aber kein Zehner. Dann gibt es noch Thiago. Aber der ist auch beileibe nicht immer einsatzfähig bzw. wird im Bayernlazarett immer wieder dahin geschoben, wo es gerade personell brennt.
HW 20. Dezember 2015 um 14:21
Götze ist dazu auch verletzt.
Außerdem, was ist ein klassischer 10er? Muss man einen haben um kreativ durch die Mitte spielen zu können? Und wäre ein Zehner in der Praxis so effektiv wie theoretisch durchdacht?
luckyluke 21. Dezember 2015 um 10:11
Wieso siehst du Götze nicht als 10er?
Ich weiß, dass er verletzt ist. Hatte nur den Eindruck, dass man mit einem Spieler, der etwas Verbindung herstellen kann zwischen diesem U, das sich oft formt, auch wenn Guardiola das nicht will, und den zentralen Stürmern dem Spiel guttun würde. Und gerade in diesem engen Raum hätte ich Götze jetzt als sehr passend empfunden, um den Ball anzunehmen und evtl. schnell weiterzuleiten/den Abschluss zu suchen nach Dribblings/Doppelpässe spielen…
Ich meinte mit klassischem Zehner auch weniger einen Spieler a la Zidane oder so, sondern wollte damit nur ausdrücken, dass es vielleicht besser wäre nicht immer einen Stürmer dort aufzubieten, der „von Natur aus“ über Tempo kommt und/oder auf Abschlüsse fokussiert ist. Also eine Art Verbindungsspieler, wofür der 10er Raum meiner Meinung nach perfekt geeignet ist…
Ob das dann so klappt, wie in der Theorie gedacht , steht natürlich noch mal auf einem anderen Blatt.
HW 21. Dezember 2015 um 11:07
So war es nicht gemeint. Es gibt eben verschiedene 10er Typen. Götze würde den Bayern sicher gut tun, egal ob nun als offizieller 10er oder nicht. Leider ist er selten lange am Stück fit. Das ganze Bayernteam ist leider nie konstant fit.
Ich finde es ist nur immer einfacher vom 10er zu sprechen als den richtigen zu haben. Und selbst wenn man den Spielertyp hat, muss man ihn nicht zentral hinter für Spitze stellen. Manche 10er sind besser im Halbraum (oder abhängig vom Gegner oder von Mitspielern sogar über außen).