Einzelaktionen in den Raum schlagen ambivalent-instabile Hessen
Die bewegliche Mainzer Offensive fand die Unkompaktheiten bei Frankfurt und nutzte sie zur 2:0-Führung. Trotz erheblicher Balanceprobleme im Aufbau zeigte die Eintracht-Offensive bessere Ansätze als zuletzt und machte die Partie in Unterzahl nochmal spannend.
Mainz 05 gegen Eintracht Frankfurt, ein kleines Derby-Duell, in dem sowohl Martin Schmidt als auch Armin Veh ihre Teams in einem 4-2-3-1/4-4-1-1 auf das Feld schickten. Größere personelle Überraschungen blieben eigentlich aus, doch vereinzelt gab es Erwähnenswertes: Während bei Mainz Hack neu in der Innenverteidigung spielte, lief Frankfurt diesmal mit einer aus Ignjovski und Medojevic gebildeten Doppel-Sechs auf. Der vielleicht interessanteste Namen war der von Mijat Gacinovic: Der junge Serbe, im Sommer U20-Weltmeister geworden, gab sein Bundesliga-Debüt auf dem linken Flügel in der Eintracht-Formation.
Direktpässe auf Malli und Muto
Aus dem Frankfurter 4-4-2/4-4-1-1 rückten die defensive Mittelfeldakteure oft weit heraus, um die gegnerischen Sechser zu stören. Dadurch entstanden bisweilen breite 4-0-2-3-1-Staffelungen, die in der ersten Linie überzeugten. Die Lücken dahinter waren jedoch instabil abgesichert und potentiell anfällig. Es gelang Mainz, das viele Herauskippmechanismen zeigte, aber nur vereinzelt, diese zentralen Kompaktheitsschwächen anzusteuern. Das 1:0 war eine der Ausnahmen, in denen das Mittelfeldzentrum mehrfach interagierte. Oft suchten sie, wenn Frankfurt früh zustellte, stattdessen längere Bälle in die Spitze, um dort in Freiräume zu gelangen. Das war eine andere Möglichkeit, die gegen die aufrückenden Sechser der Eintracht und deren allgemein nicht optimale Vertikalkompaktheit vor allem in der ersten Halbzeit gut aufging. Gelegentlich gelang es ihnen, Malli im Zehner- oder seltener rechten Halbraum mit einzelnen Direktpässen freizuspielen.
Auch wenn die Bewegungsmuster der Offensivabteilung inear und einfach gehalten waren, so dass speziell in der zweiten Halbzeit einige Szenen an der letzten Abwehrlinie hängen bleiben sollten, ergaben sich durch den großen Raum und individualtaktische Aspekte aber gelegentlich auch größere Chancen. So konnte der Mainzer Zehner das frühe 1:0 ungestört einleiten: Zwar zeigte auch jene Szene den phasenweise zu großen Verlagerungsfokus im attackierenden Passspiel der Hausherren, führte in diesem Fall durch ein erfolgreiches Dribbling gegen die in der Rückzugsbewegung nicht konsequent doppelnden Gäste aber doch zum Treffer. Ein zweites wichtiges Element im Spiel der 05er bestand darin, die längeren Zuspiele in seitliche Freiräume zu bringen, häufig als weite Diagonalpässe auf den Flügel von einem Innenverteidiger oder herausgekippten Sechser.
Gerade Muto zeigte sich als Abnehmer sehr umtriebig und wich zu beiden Seiten engagiert aus, wofür ihm die offensiven Mainzer Außenspieler Raum zu öffnen versuchten. Vielversprechend waren dabei zudem solche Konstellationen, wie bei der Entstehung des 2:0. In diesem Fall suchte Muto die ballferne Überladung zusammen mit Jairo, der die diagonale Verlagerung erhielt und anschließend hinter der gegnerischen Mittelfeldlinie das Dribbling zum Strafraum startete. Die großen Abstände, die Frankfurt zwischen Mittelfeld und Abwehr – zumal in dieser Szene bereits in Unterzahl – ließ, erleichterten den Lauf des Spaniers. So konnte er bis in zentrale Strafraumposition durchgehen, ehe Malli den Abstauber aus dem folgenden Gewühl verwertete.
Bewegungen mit Engagement, aber ohne Balance
Der frühe Rückstand aus Frankfurter Sicht brachte die Hessen schnell in die „gestaltende“ Rolle. Die Spielanteile der Gäste nahmen stetig zu und so verschob sich das Ballbesitzübergewicht nach einer halben Stunde auf ihre Seite. Aus dem defensiven Mittelfeld gab es zahlreiche und vielfältige Bewegungen, ob zurückfallend, herauskippend oder auf verschiedene Arten freilaufend. Auch wenn sogar einige gut asymmetrisch verschobene Staffelungen daraus erwuchsen, hatten die Frankfurter im Aufbau Probleme, dieses enorme Engagement in Effektivität zu überführen. Der Knackpunkt bestand vor allem darin, die im Ansatz gut begonnenen Ab- oder Herauskippbewegungen zu balancieren.
Beispielhaft zeigte sich das auch dann, wenn gerade mal etwas Raum gewonnen war, die Frankfurter sich diese Teilerfolge aber selbst zerstörten – indem die Mitspieler mit überdrehten oder unbedachten Anschlussbewegungen dem Kollegen die Optionen zuliefen. Einmal versperrte Ignjovski Medojevic einen vielversprechenden Passweg, den die Hessen mit einer diagonalen Anordnung halbrechts geschaffen hatten. In einer anderen Szene öffnete eine passable Ballstafette viel Aufrückraum für Zambrano, bis Alex Meiers zuletzt typisches Zurückfallen einfach diesen Raum samt möglicher Dynamik blockierte. Solche Momente waren exemplarische Extremfälle für die Balanceprobleme und kleineren Unsauberkeiten, die Frankfurts Offensivversuche über Phasen prägten und beeinträchtigten.
Hinzu kam hier die unspektakuläre, aber sehr solide, gleichförmig von hoher Intensität geprägte Defensivspielweise der Hausherren. Das Pressing der Mannschaft von Martin Schmidt kann man als lehrbuchhaft bezeichnen, da es vor allem ein Programm zuverlässig abspult – mit einigen kleinen Besonderheiten, wie den auch heute zu sehenden Diagonalbewegungen der Außenstürmer – ohne sich aber groß zu verändern. Trotzdem sind die Mainzer eben wegen ihrer Eingespieltheit und gewissermaßen „Eingeschliffenheit“ in den Abläufen sehr gut dazu in der Lage, sich im Detail gruppentaktisch leicht anzupassen und auf kleinere Feinheiten zu reagieren.
Das war in dieser Partie sehr wichtig, um in den ersten Linien auf die verschiedenen und oft wechselnden Staffelungen, die Frankfurt zwischen Innenverteidigern und den umtriebigen Sechsern bildete, zu reagieren. Insgesamt gelang es Muto, Malli und Co. sehr gut, sich feinfühlig an diesen gegnerischen Strukturen entlang zu bewegen und die eigenen Staffelungen immer wieder leicht zu aktualisieren. Ein solches Vorgehen lag den Mainzern gut und trug dazu bei, dass die Effekte der Frankfurter Bewegungen in erster Instanz nicht so erheblich waren, weshalb dann deren Balanceschwächen schwerwiegender ins Gewicht fielen.
Aufrückmomente und Präsenzangriffe
Trotzdem war es kein enttäuschender Auftritt der Hessen, denn schon zu Beginn gab es auch Positiveindrücke und gute Ansätze zu vermelden. Es bestanden zwei Wege, mit denen die Gäste trotz der erwähnten Aufbauschwierigkeiten doch nach vorne kommen konnten. Das gelang ihnen dann jeweils plötzlich und direkt, aber insgesamt gar nicht so selten. Beide Varianten profitierten auch von den gegnerischen Mannorientierungen, die die Mainzer Intensität gerade auf den Flügeln nutzt. Zum einen gab es direkte Pässe in den Raum – geöffnet von gleichzeitigem Zurückfallen des Außenspielers, oft Aigner – auf den seitlich ausweichenden Seferovic, der das Leder festmachte und anschließend in die höher geschobene Zirkulation seines Teams zurückgab.
Zum anderen zeigten die Mannen von Armin Veh auf den Außenbahnen diesmal sehr viele Dreiecksbildungen, meist zwischen den beiden Flügelspielern, dem ballnahen Sechser und situativ noch einem der Angreifer. Dies schienen sie mit schnellen Weiterleitungen und raumöffnenden diagonalen Läufen bespielen zu wollen. In den gruppentaktischen Zusammenhängen konnten sie potentiell etwas Raum öffnen und dann das Aufrücken nach vorne sicherstellen. Das gelang allerdings bei weitem nicht immer, sondern hatte nur eine durchwachsene Erfolgsstabilität, so dass viele Versuche, diese Mechanismen durchzuspielen, auch ins Aus gingen oder abgefangen wurden.
Ein wichtiger Grund – neben der seitlichen und dadurch naturgemäß etwas bedrängten Anlage oder der zwischendurch auftretenden Ungeduld bis Hektik – dafür bestand darin, dass die Frankfurter diese Muster zwar konstruktiv auszuspielen versuchten und insgesamt auch bisweilen recht kombinativ fokussiert wirkten, die Ausführung aber noch sehr unsauber daher kam. Das bezog sich beispielsweise auf die genaue Staffelungsfindung oder die Abstimmung in der Synchronisation von Pass- und Bewegungsspiel. Vom Prinzip wäre das Gezeigte aber eine gute Basis zur Weiterentwicklung und so könnte man darin, nach zuletzt dürftigen Offensivauftritten der Eintracht, einen Schritt in die richtige Richtung sehen.
Wenn sie über einen dieser beiden Wege also schließlich mal in die vorderen Zonen aufgerückt waren, prägte über weite Strecken der Begegnung in erster Linie aber einfache Präsenz das dortige Frankfurter Vorgehen. Sie schoben in diesen Momenten – gerade zum Ende der ersten Halbzeit deutlich zu sehen – bloß sehr viele Akteure in Strafraumnähe und ließen auch einen der Sechser weit aufrücken. Das spielten sie letztlich improvisiert und etwas unstrukturiert aus, so dass sich damit trotz einiger nicht ungeschickter Einleitungspässe an den Sechzehner heran kein Treffer erzwingen ließ. Chancen entstanden entweder aus Standards oder nach Aktionen über den zurückgefallenen Seferovic.
Raum um das 4-4-1
Nach Alex Meiers Platzverweis kurz vor Ende der ersten Hälfte konnten die Mainzer den Ball in den seitlichen Zwischenräumen neben dem einzigen Stürmer des entstehenden Frankfurter 4-4-1 noch besser und ruhiger laufen lassen. Das bot ihnen eine gute Ausgangsposition, um im zweiten Durchgang daran anzuschließen und die Partie zu beruhigen. Mainz nutzte den in dieser Phase geringen Gegnerdruck und fehlenden Zugriff der – im Mittelfeld sinnvoll etwas zurückgezogenen – Frankfurter für einige schnelle Angriffsversuche durchs Zentrum, hätte in der Raumnutzung aber noch viel konsequenter sein können. Trotz ihrer beweglichen Herauskippbewegungen schafften sie es weiter nicht, deren schematische Anlage in harmonische Synergien zu überführen und damit das Zentrum entscheidend zu überladen.
Später gelang es den Gästen dagegen besser, einzelne riskante, weiträumige Bewegungen der Sechser so zu timen, dass sie vom Mainzer Mittelfelddreieck nicht so leicht auszuspielen waren. Da die Gastgeber zwar verschiedene Mittelfeldstaffelungen aufzogen und mit ihren Freilaufsystematiken überzeugten, allerdings innerhalb von Angriffen wenig rochierten und nur selten dynamisch untereinander Raum schufen, konnten Frankfurts Sechser ihre Bewegungen sehr klar an dieser Struktur entlang schieben, ohne direkt wieder eine neue Raumbesetzung oder Vorstöße in ihrem Rücken fürchten zu müssen. Trotzdem mussten sie dafür weite Wege, teilweise isoliert in hoher Intensität, gehen, sich schnell wieder zurückziehen und neu herausschieben. Das ging nur mit viel individueller Laufstärke unter Inkaufnahme gewisser Instabilitäten.
Mainz vergibt die Entscheidung, Seferovic erspielt den Anschluss
So kamen die Mainzer in der Anfangsphase des zweiten Spielabschnittes trotzdem zu einigen Gelegenheiten. Nun wurden die schon vor der Pause immer mal wieder auftretenden, aber aus verschiedenen Gründen – gute Frankfurter Absicherung im ersten Drittel und Mainzer Tiefe in Strafraumnähe – gar nicht so prominenten Konter auch etwas wichtiger. Ob per Umschalten oder aus dem Aufbau: Mainz vergab ihre guten Chancen zum 3:0 jedoch. Stattdessen sorgte die Eintracht nach einer Stunde mit der ersten Möglichkeit seit dem Platzverweis für ein überraschendes Teilcomeback: Wieder einmal war eine zurückfallende Aktion von Seferovic, der einen Gegner herauszog und dann einleitete, entscheidend.
Vor allem seine positionellen Wechsel mit dem dann ins Sturmzentrum weichenden und dort ablegenden Aigner waren sehr vielversprechend, wie bei diesem Treffer. Überhaupt gab es von Seiten der Frankfurter nun einige Überladungsversuche oder andere Mechanismen auf dieser generell prominenten rechten Seite. Aus dem Mittelfeldzentrum unterstützte Hasebe, der mittlerweile mit Ignjovski getauscht hatte, und gelegentlich schob sich der ansonsten kaum eingebundene Gacinovic mit herüber. Auch die Dreiecksbildungen mit schnellem Durchspielen halfen hierbei und brachten die Frankfurter immer mal in die vorderen Zonen hinein. Die eine oder andere Möglichkeit war da, es reichte aber nicht mehr zum 2:2.
Fazit
Bei dieser Begegnung ist es vor allem schwer, über ein gerechtfertigtes Ergebnis nachzudenken. In der ersten Halbzeit gelang es Mainz sehr gut, die größeren Lücken bei Frankfurt auszunutzen. Andererseits ließen sie in manchen Aspekten viel Potential liegen, beispielsweise im Mittelfeldzentrum, das oft nur punktuell seine Wirkung ausspielte. Gerade nach der Unterzahl hatten die Gäste dann wiederum Phasen, wo sie ihre Bewegungen im Mittelfeldzentrum besser anlegten, was zuvor auf die Pressingversuche in der ersten Linie bereits partiell zugetroffen hatte. In der ersten halben Stunde hatte Mainz daher gar nicht so viele Abschlüsse. Frankfurt wiederum zeigte sich gegen eine in ihrer Solidität gute und sehr anpassungsfähige, aber nicht ideale und teils zu mannorientierte Mainzer Pressingvorstellung ebenso ambivalent. Im ersten Drittel gab es großes Engagement mit klaren Balanceproblemen, im zweiten Drittel gute, etwas unsaubere Ansätze für die Übergänge nach vorne und nahe des Strafraums schließlich zu viel Präsenzorientierung, wenn nicht gerade von Seferovic eingeleitete Kombinationen anliefen.
1 Kommentar Alle anzeigen
Raumdeuter 29. November 2015 um 21:56
Ich konnte das Spiel leider nicht sehen, habe in der Zusammenfassung aber auch einige starke Szenen Gacinovics gesehen. Offensiv könnte die Eintracht doch gerade mit Interaktionen zwischen Seferovic und Aigner sowie Oczipka und Gacinovic (dieser in einer Inui-ähnlichen Rolle nur umtriebiger) etwas machen. Mit Stendera und einem hereinkippenden Haseboss muss da doch nicht so eine spielerische Armut herrschen wie man sie als Eintracht-Fan oft ertragen muss?
Veh wird Gacinovic wohl beim ersten Spiel, das nicht so gut für den Flügelspieler läuft, aus dem Kader verbannen für ein halbes Jahr. Zumindest hat man ihn so kennengelernt.
Und bezüglich ordentlicher Aufbaustrukturen habe ich bei Veh schon lange das Handtuch geworden.