Ineffektive Rückfallbewegungen hier wie dort, doch Stendera scort

1:2

Über weite Phasen gab es wegen unbalancierter Verknüpfung zwischen Mittelfeld und Sturm sowie geringer Angriffspräsenz kaum Chancen in diesem Match. Der Beginn des zweiten Durchgangs sah eine veränderte Offensivorganisation bei Frankfurt und drei Tore, von denen Stenderas Doppelpack aus dem Rückraum den Gästen den Sieg bescherte.

Nach der jüngsten Niederlagenserie, der großen medialen Kritik und dem 1:5 gegen Gladbach sah sich Armin Veh für diese Partie veranlasst, von der bisher bevorzugten Rautenformation abzuweichen und stattdessen auf eine 4-2-3-1-Grundordnung zu setzen. Gegen den Ball stellte sich diese fast immer als 4-4-1-1 dar, in der die Mittelfeldreihe mit guter horizontaler Kompaktheit zu überzeugen wusste. Davor ließ sich Alex Meier als hängender Stürmer sehr weit fallen und bewegte sich bisweilen einfach unmittelbar vor der höheren Viererkette der Eintracht. Da Vehs Team die eigene Defensivausrichtung also sehr passiv interpretierte, kam es insbesondere am Anfang der Partie zu vielen längeren Dominanzphasen der Gastgeber aus Hannover, die zuletzt ihrerseits vor allem abgewartet hatten.

4-2-1-3- und 4-3-3-Staffelungen ohne Effektivität nach vorne

h96-fra-2015Vom Prinzip nahmen sie solche Momente, um das Spiel zu machen, auch an, wenngleich in ambivalenter Ausführung. Die beiden Sechser blieben meist außerhalb des gegnerischen Defensivblocks, staffelten sich aber etwas asymmetrisch versetzt, indem Schmiedebach leicht nach rechts in die Räume vor Alex Meier ging. Zusätzlich ließ sich der vielseitige, emsige Kiyotake aus seinem halblinken Offensivbereich im Aufbau einige Male ballfordernd etwas nach hinten fallen, was zu 4-2-1-3- oder 4-3-3-haften Aufbaustaffelungen führen konnte. Grundsätzlich kann das ein sinnvoller und interessanter Mechanismus sein. Damit gelang es Hannover auch, den Ball im zweiten Drittel zunächst einmal recht gut laufen lassen.

Allerdings fehlte es anschließend an den Verbindungen und der Interaktion zur Sturmreihe, die sich über Phasen prinzipiell beweglich, aber auch klar an der letzten Linie zeigte. Gelegentlich fiel mal einer der Außen einrückend in den Halbraum zurück, doch fand er trotz guter Grundbewegungsmuster in isolierter Umgebung wenige Anschlussmöglichkeiten und damit ebenso nur geringe Erfolgsstabilität. Hannover musste also viel über einzelne Dribblings oder andere Flügelaktionen und lange Diagonalbälle in Richtung der Stürmer, speziell auf außen, versuchen. Einige Male wurde dieses Prinzip durchaus sauber und konsequent durchgezogen und führte zu manchem Ansatz. Doch insgesamt war diese Anlage zu schematisch, individuell abhängig und allein raumgreifend.

Kiyotake-Momente gegen das Verschieben

Die besten Szenen des ersten Durchgangs entstanden aus den Bewegungen Kiyotakes innerhalb des Zwischenlinienraums. Zwar konnte er sich dort nur vereinzelt direkt freilaufen, aber wenn er nach voriger Einbindung die tiefe Verlagerung des Hannoveraner Aufbaus nach rechts in seinen eigenen Laufwegen mit begleitete und bis auf jene Seite durchzog, ergaben sich mal vielversprechende Konstellationen. Beispielsweise band sich der Japaner dort in improvisierte Flügelüberladungen ein, an deren Ende Hannover – beispielsweise über das individuelle oder gruppentaktische Ausnutzen der entstehenden Unruhe, durch kurze Dribblings oder Rochaden – mal seitlich zur Grundlinie durchbrechen konnte, wenngleich die entstehenden Positionen auch nicht absolut hochwertig waren.

Da sich Stendera meist an Kiyotakes Läufen zu jenem Flügel orientierten sollte, entstand während des Frankfurters Verschiebens auf die linke Defensivseite bisweilen ein horizontales Loch in der Mittelfeldreihe, wenn Reinartz nachschob und sein Partner quasi in seinem Rücken hinter ihm auf den Flügel gezogen wurde. Dies hätte Potential geboten, konnte Hannovers Offensivstruktur aber eigentlich überhaupt nicht nutzen. Generell gab es ansonsten noch die eine oder andere Szene, in der Sobiech einen langen Ball in den Zwischenlinienraum auf Kiyotake ablegte, was bei Zuspielen von halbrechts hinten gegen das Frankfurter Verschieben etwas bessere Aussichten hatte – so auch bei der frühen Chance für Klaus. Dies waren letztlich die vielversprechendsten Momente, um den spielstarken Zehner frei zwischen den Linien zu finden.

Torschusslose Eintracht vor der Pause

Eine Enttäuschung waren in der ersten Halbzeit die Offensivbemühungen der Frankfurter Eintracht. Gegen das wie zuletzt zwar prinzipiell solide, aber keinesfalls von Schwächen freie Defensiv-4-4-2 der Hannoveraner brachten sie es vor der Pause insgesamt nur zu einem einzigen Abschlussversuch – obwohl sie die Ballbesitzverhältnisse schnell auf ausgeglichenes Niveau zogen. Ein zentrales Problem betraf die Anordnung innerhalb des defensiven Mittelfelds: Es gab Phasen, in denen Stendera sehr weit aufrückte, dies aber kaum genutzt oder eingebunden wurde, so dass vor allem die Verbindungen durch das zweite Drittel geschwächt wurden. In anderen Momenten ließ er sich weit zurückfallen, teilweise weiter als Reinartz, aus dem gegnerischen Defensivblock heraus, und versuchte von halbrechts gestaltend aufzubauen.

Diesen Szenarien fehlte es ebenfalls an ausreichender Anbindung – vor Stendera gab es wenig Optionen, während Reinartz halblinks diagonal von den ersten beiden Linien Hannovers zugestellt war. Oft ließ sich der halblinke Sechser daher in die hinterste Reihe zu den beiden Innenverteidigern fallen, was zwar in verschiedenen Anordnungen geschah, aber mannschaftlich auch nicht wirklich gut ausgeführt wurde. Manchmal standen also beide Sechser tief und es fehlte an Bindungen nach vorne. Dass die Pendants auf Hannover-Seite sie oft mannorientiert verfolgten und die Niedersachsen sich in den vorderen Linien des 4-4-2 jeweils unkoordiniert daran anpassten, konnte die Eintracht dadurch zunächst praktisch nie wirklich aufdecken. Teilweise ließ sich Alex Meier ebenfalls nach hinten fallen und versuchte sich, ansatzweise Kiyotake bei Hannover, im linken Halbraum einzuschalten.

Dadurch verloren die Gäste in den offensiveren Bereichen aber endgültig an Präsenz. Gelegentlich wurden diese Bewegungen wirkungsvoll, wenn Alex Meier sich nach dem Lauf anschließend schnell und überraschend wieder in offensivere Räume orientierte. Hatte Hannover gegen die ursprüngliche Bewegung gerade eine ihrer kurzfristigen Mannorientierungen aufgenommen, wurde der jeweilige Spieler eventuell weggezogen und um den linken Flügel etwas Platz geschaffen. Nach einem kurzen Vorstoß mit Ball, beispielsweise von Reinartz aus der letzten Linie, ließ sich das Leder nach vorne und zügig zum dortigen Flügelpärchen tragen, das somit etwas Raum erhielt. Vereinzelt entstanden Möglichkeiten für schnelle Doppelpässe oder andere Abläufe zwischen Djakpa und Oczipka, mit denen die Eintracht für Ansätze von Unruhe sorgen konnte. Aber alles in allem bot das Offensivspiel der Gäste aber nicht viel.

Hannover geht in Führung

Die zweite Halbzeit sollte ein wenig offener werden, was auch durch frühe Treffer mit bedingt wurde. Nachdem die Frankfurter etwas mehr durchs Zentrum zu spielen versuchten und ihr Mittelfeld auch ein Stück weiter nach vorne schoben, gab es in den ersten Momenten gegen einrückende Pressingaktionen von Hannovers Flügel hinter dem leicht unkoordinierten Herausschieben den einen oder anderen Ballgewinn. So ergaben sich für die Hausherren nun mal Ansätze von Konterchancen mit Dribblingoptionen, von denen Kiyotake eine zur Einleitung des Führungstors nutzte. Dafür wich der Japaner etwas auf die linke Seite aus, konnte sogar das Tempo aus der Aktion nehmen und dann nach zwei Haken auf Klaus durchstecken.

Im Anschluss begannen sich die kleinen Frankfurter Verbesserungen mit Ball auszuzahlen, da sie nun Hannovers Schwächen mal andeuten konnten. Das intensivierte, aggressivere 4-4-2-Pressing, andererseits, griff allerdings nicht wirklich. Die Kohärenz zwischen den beiden Stürmern und den zentralen Mittelfeldmann passte nicht, so dass Hannover gelegentlich zu simpel Raum fand, um über die Sechser schnell diagonal zum aufrückenden Außenverteidiger zu verlagern. Gerade über links tat sich für Albornoz mehrmals viel Raum für schnelle Vorstöße auf, der zwar sehr einseitig für schnelle Flanken genutzt wurde, was aufgrund der Situationen aber zumindest einige Halbchancen brachte. Ansonsten zogen sich die Hausherren nach der Führung etwas zurück und warteten auf Frankfurts Offensivversuche.

Veh organisiert die Offensive um

Diese profitierten zunächst von einer etwas besseren, harmonischeren Verteilung in der Positionsfindung zwischen den beiden Sechsern, wo sich Medojevic auch recht gut einfügte, und konzentrierten sich zudem nun stärker auf die rechte Seite, wo Stendera sich verbindend einzuschalten versuchte. Zudem ließ sich Seferovic gelegentlich in Halbraumlücken zurückfallen, während Alex Meier nun passiver in Richtung ballferne Zonen tendierte. Das hing mit einer weiteren auffälligen Veränderung zusammen, die die Rolle Oczipkas betraf. Statt auf dem linken Flügel hielt sich dieser immer häufiger zentral auf, leicht vor den Sechsern, wie eine Art tiefer Zehner, teilweise auch raumschaffend noch etwas weiter hinten. In direkter Einbindung und für konkrete spielerische Aktionen hatte das zwar kaum einen Effekt, es erhöhte aber die Grundpräsenz auch bei längeren Pässen, Abprallern oder losen Bällen und zog Hannovers Orientierung etwas weiter hierhin.

Einige Male gelang es dadurch auch, die linke Seite ein wenig zu öffnen. Wenn man auf rechts – was im Endeffekt aufgrund der suboptimalen, unabgestimmten Ausführung dieser kleinen Überladeansätze häufig der Fall war – nicht entscheidend vorankam, suchten die Frankfurter Djakpa mit Verlagerungen. Eigentlich verschob Hannover gar nicht so schlecht, hatte schnell wieder zumindest Präsenz in den umliegenden Zonen und konnte den Ivorer lose stellen. Zweimal zahlten sich Frankfurts Versuche aber doch aus, als die Szenen im Anschluss an Djakpas Flanken, die Hannover dann eben passiv zuließ, einen schnellen Doppelschlag zum 1:2 besorgten. Besonders spektakulär verarbeiteten die Hessen diese Hereingaben nicht, aber sie machten es auch nicht ungeschickt: Seferovic, Alex Meier und Aigner sorgten am zweiten Pfosten für überladende Präsenz, Stendera rückte dort nach und lauerte auf Abpraller oder Ablagen.

Nachrückender Stendera dreht die Partie

Nun machte sich seine vorschiebende Grundspielweise, die vor der Pause noch teils unbalanciert eingebunden war und daher für gewisse Probleme gesorgt hatte, bezahlt. Zwar rückte Hannovers Mittelfeldreihe eigentlich recht kompakt angeschlossen zurück, wirkte aber bisweilen im Zentrum schon zu flach gestaffelt und aufgrund der davor manchmal etwas unsauberen Bewegungen auch nicht optimal organisiert. Zudem gab es in der Rückwärtsbewegung eine zu klare Trennung zwischen dem hinteren Achterblock und den Stürmern, wobei auch Klaus immer mal ansatzweise zockte und nicht ganz zurückschob. Gelegentlich deckte er Stenderas raumsuchendes Herausrücken im Pressing besonders gut per Deckungsschatten mit ab, hier blieb er in den entscheidenden Szenen etwas zu hoch.

So entstand im Zwischenbereich von Mittelfeld und Sturm ein Loch im Rückraum, das um Stendera herum besonders deutlich und mit etwas Pech zweimal bestraft wurde. Dass sich das gleich so gravierend niederschlagen würde, war nicht unmittelbar folgerichtig, zumal Frankfurt auch nach der Pause nur vier Abschlüsse insgesamt verbuchte. Hannover hatte anschließend noch über 25 Minuten Zeit, die Partie wieder auszugleichen, verlor nun aber einen Großteil dieser Zeit dadurch, dass die Frankfurter sie mit Phasen solider Ballsicherheit beschäftigten. Trotz zunehmender Ausweichbewegungen von Kiyotake nach links samt anschließenden Versuchen, die Schnittstellen zu attackieren, reichte es für die offensiv weiterhin nicht besonders starken Niedersachsen nicht mehr zum Punktgewinn. In den letzten Minuten agierte Felipe als zweite Spitze im 4-4-2, ebenso ohne Erfolg.

Fazit

Vor der Pause offenbarten beide Teams solide, unspektakuläre Defensiven – Frankfurt hier etwas kompakter – und Probleme im Aufbau, gerade bezüglich vertikaler Staffelungsbalance, wenngleich die tiefen Bewegungen und Positionierungen zumindest Sicherheit brachten. Hannovers Strukturen wirkten noch etwas stabiler und ihre Offensivversuche leicht vielversprechender. Nach der Führung für 96 schien ein Frankfurter Comeback sich nicht gerade anzubahnen, doch mit dem nötigen Glück bei der Ausführung ihrer Umstellungen gelang es. Der Rechtsfokus, die veränderte Rolle Oczipkas oder Stenderas Nachstöße hätten keineswegs zwangsläufig dazu führen müssen, doch handelte es sich um geschicktere Maßnahmen, als sie Hannover im weiteren Verlauf bot. Vielleicht könnte man sagen, dass das letztlich in einem insgesamt eher ausgeglichenen Match belohnt wurde.

Löw 10. März 2016 um 20:36

Vielleicht habe ich hier Ende Oktober die richtigen Absteiger getippt. Hahahaha
Aber ist ja noch ein bissl zu spielen.. sehe aber in hannover und frankfurt die größten abstiegskandidaten

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Axo 25. Oktober 2015 um 18:41

Hannover würde ohne Kyiotake wahrscheinlich schon abgeschlagen hinter Augsburg stehen…

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Antizipalinho 25. Oktober 2015 um 13:01

Doppelpack von TR am Wochenende: Der korrekten Konjugation von „scoren“ folgt eine tolle Spielanalyse!

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Löw 25. Oktober 2015 um 12:33

Musste mir das Spiel gestern gezwungenermaßen anschauen. Wenn beide Teams so weiter agieren, sind sie für mich echte Abstiegskandidaten, eher als Darmstadt oder Ingolstadt.

Wie sehen das die Taktikfreaks?

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MH 24. Oktober 2015 um 23:22

hauptproblem in der offensive der eintracht ist die grosse lücke im zehnerraum bzw abstand von doppelsechs zu seferovic, da meier ja kaum aktiv in kombinationen eingebunden ist. denke perspektivisch wird stendera weiter aufrücken und ein zweiter „echter“ sechser reinkommen. dann stimmt vielleicht auch endlich die balance. heute war es zumindest defensiv schon etwas stabiler

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Wolfgang Würz 27. Oktober 2015 um 10:35

Sehe ich ähnlich, vor allem sollte das Selbstvertrauen zurückgewonnen werden.

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blub 24. Oktober 2015 um 23:07

omg. TR hat die Wortspiele gefunden. 🙂

Naiiiice Analyse eines nicht so naicen spiels.

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