SV-Scouting: Johannes Eggestein
Johannes Eggestein ist ein 17-jähriger Angreifer des SV Werder Bremen. Aktuell stürmt er für die deutsche Nationalmannschaft bei der laufenden U17-Europameisterschaft in Bulgarien.
Eggestein, dessen Bruder Maximilian in dieser Saison bereits 22 Minuten für die erste Mannschaft von Bremen stürmte, kam im Jahr 2013 vom TSV Havelse. Normalerweise wird er im Angriffszentrum eingesetzt und zeigte sich mit 21 Treffern in der U17-Bundesliga Nord/Nordost in dieser Saison auch sehr treffsicher. Doch sogleich bereitete er sechs Tore vor und spielte im Schnitt 1,6 Key Passes pro Partie.
Technik
Insgesamt ist Eggestein, was man gemeinhin unter mitspielendem Stürmer versteht. Er wartet eher seltener ganz vorn an der Abseitsgrenze, wenn sich das eigene Team noch im tieferen Spielaufbau befindet. Dafür kann der Bremer in leicht zurückfallender Positionierung sehr sauber steile Zuspiele verarbeiten. In diesen Situationen steht er mit dem Gesicht in Richtung eigenem Tor und versucht selten die Drehung, wenn ein Gegenspieler direkt im Rücken verteidigt.
Eggestein bevorzugt vielmehr direkte Weiterleitungen. Bei Werders U17 wird er häufig über die Halbräume überlaufen und probiert den Direktpass in die entsprechenden Schnittstellen. Dabei kommt seine exzellente Wahrnehmung zum Tragen. Denn der 17-Jährige hat im Moment der Annahme bereits den Überblick, wohin sich seine Mitspieler bewegen. Infolgedessen werden viele Weiterleitungen quasi blind gespielt, was den Angriff aus dem eigenen Zehnerraum heraus beschleunigt. Bei durchschnittlich 31 Pässen pro Partie weist Eggestein eine Erfolgsquote von 82 Prozent auf.
Bei Werder kam er in dieser Saison aber auch bereits vom Flügel, insbesondere über links. In dynamischen Momenten versucht er in der Regel recht einfach und linear vorzugehen, verliert aber so manches Dribbling, wenn er den Ball mit der rechten Außenseite unsauber berührt, das Spielgerät quasi überläuft und abstoppen muss.
Koordination und Physis
Eggestein verfügt über keine herausragende Endgeschwindigkeit und wird bei längeren Läufen mit Ball auch des Öfteren von der Kugel getrennt. In statischen Situationen ist er aber umso erfolgreicher. Mit einfachen Diagonal-/Seitbewegungen kommt er am Gegenspieler aus dem Stehen heraus vorbei oder schafft sich zumindest Freiraum für einen Torschuss. Gerade der erste Move ist oftmals gegnerschlagend, während in weiträumigeren Szenen auf dem Flügel das richtige Timing häufiger fehlt.
Im Abschirmen des Balles gegen Verteidiger im Rücken kann er seinen Körper gut einsetzen. Noch interessanter wirkt beim 1,82 Meter großen Angreifer die Ballbehauptung, wenn der Gegner seitlich attackiert. Mit einer gut dosierten Körperneigung zur Seite hält er so den anderen Spieler auf Distanz, verliert aber selbst nicht die Balance.
Bezüglich seines Pressingverhaltens besteht bei Eggestein noch Verbesserungspotenzial. Er läuft zuweilen zu frontal und konfrontativ an, wodurch er selten ein leitendes Pressing in seiner vorderen Position einleitet. Vielmehr gerät er so in einige Zweikämpfe, bleibt dabei recht bissig am Gegenspieler und versucht die Ballübernahme zu erzwingen.
Individualtaktisches Verständnis
Normalerweise sucht Eggestein im Offensivspiel verstärkt nach freien Zonen statt sich gezielt in Engen und Ballungszentren des Deckungsverbundes zu bewegen. Folglich lässt er sich entweder zentral in den gegnerischen Deckungsschatten fallen oder er bewegt sich in den ballnahen Halbraum. Nach einer Ablage läuft er im Anschluss meist direkt in Richtung Abseitsgrenze und offeriert so eine mögliche Anspielstation für Tiefenpässe. Ähnlich verhält er sich bei direkten Umschaltangriffen, wo er nicht als Zwischenstation fungiert. Allerdings fehlt ihm dabei noch manches Mal das Gefühl für den richtigen Raum oder er zeigt einen eher verzögernden Lauf, um die Szene richtig bewerten zu können. So setzt er den Ballführenden ebenso nicht zusätzlich unter Druck, was bei Tiefenläufen des zentralen Angreifers immer die Gefahr sein kann.
Ein Kritikpunkt kann an seiner teils wühlenden Art festgemacht werden. Situativ trifft Eggestein noch die falsche Entscheidung beziehungsweise verpasst er bei Läufen in offener Stellung zum gegnerischen Tor den Moment für ein öffnendes Abspiel und gibt sich verstärkt in Offensivzweikämpfe, die nicht augenblicklich gegnerschlagend sind und zwangsläufig dem Angriff die Dynamik rauben.
Gesamtbewertung
Insgesamt vereint Johannes Eggestein mehrere Elemente des modernen Stürmerspiels: eine gute Wahrnehmung des Umfeldes, saubere Aufnahmen des Balles und eine beschleunigende Vertikalisierung mit und abseits vom Spielgerät bei Schnellangriffen. Auch körperlich wirkt er keinesfalls limitiert, wenngleich er eher selten intensiv in den Luftzweikampf geht, sondern da nur durch ein leichtes Mitspringen den gegnerischen Verteidiger beschäftigt. Im Vergleich zu Dortmunds Janni Serra, dem anderen Top-Stürmer des Jahrgangs 1998, offeriert Eggestein im Moment größere technische Qualitäten und ein konstanteres und besser entwickeltes Positions- sowie Bewegungsspiel in allen Phasen.
Anmerkung 1: Weitere Spielerporträts zur U17 sollen folgen.
Anmerkung 2: Eine Analyse des deutschen Auftaktsieges gegen Belgien findet ihr bei KZF.
9 Kommentare Alle anzeigen
em es 29. Februar 2016 um 00:52
Hat jemand eine ahnung oder infos wie realistisvh es ist dass der bvb ihn verpflichten kann ?
schmellkreutz 9. Mai 2015 um 21:58
Krasser Riecher ;). Heute hat die U17 dank des Tores von Eggestein gewonnen. Timing!
HK 9. Mai 2015 um 16:48
Gute Idee sich mit Spielern zu beschäftigen, die noch nicht so im Fokus stehen.
Den Satz
„Auch körperlich wirkt er keinesfalls eingeschränkt, wenngleich er eher selten intensiv in den Luftzweikampf geht, sondern da eher nur durch ein leichtes Mitspringen den gegnerischen Verteidiger beschäftigt.
finde ich etwas seltsam.
Körperlich eingeschränkt? Wieso sollte er denn körperlich eingeschränkt sein?
Der zweite Teil des Satzes ist wohl die freundliche Umschreibung für kopfballschwach.
GrGr 9. Mai 2015 um 13:41
Finde die Analayse super und die Kategorie sehr interessant.
Als kleine Hintergrundinformation, auch der Janni Serra, hat beim TSV Havelse gespielt und war dort der Kapitän der U15, während Eggestein schon in der U17 spielt. Nicht schlecht für einen Amateurclub, auch wenn beide Spieler nun in den NLZs spielen.
BB 10. Mai 2015 um 18:04
Ganz schön dramatisch für Hannover 96, wenn regelmäßig die größten Talente der Region nicht verpflichtet/gehalten werden können.
Schorsch 9. Mai 2015 um 12:58
Ausgezeichnete Idee, sich in dieser Form mit den Nachwuchstalenten zu befassen. Und sehr erfreulich, dass Werder seit langer Zeit wieder über solche Talente verfügt. Was die physischen Aspekte anbelangt, so habe ich immer wieder beobachtet, dass da noch einmal ein Schub kommt. Es gibt gerade Stürmer, die in jungen Jahren ihren Altersgenossen in puncto Physis weit voraus sind. Wenn sie dann auch noch groß gewachsen sind, dann verfügen sie häufig über eine enorme Durchsetzungskraft. Oft genug nivelliert sich das allerdings, wenn sie in den Profibereich kommen. Dort spielt man gegen körperlich gleichwertige Gegner und plötzlich sieht es mit der Durchsetzungskraft ganz anders aus. Andere Stürmertypen holen aber oft auf hinsichtlich der Physis, verfügen aber weiterhin über den Vorteil ihrer spielerischen Fähigkeiten. Insofern sehe ich bei Eggestein positiv in die Zukunft. Immer vorausgesetzt, der Junge bleibt von schweren und ernsthaften Verletzungen verschont.
L 9. Mai 2015 um 11:26
Interressante neue Kategorie. Es kommt doch bestimmt auch etwas von Felix Passlack?
Valentin 9. Mai 2015 um 21:20
Zu dem gibt es was auf constantineckner.com bzw. gibt es da einen schönen Artikel zu ein paar BVB-Talenten.
L 10. Mai 2015 um 17:10
Danke