Unveränderter HSV spielt unverändert schlecht
Bayer Leverkusen gewinnt mit 4:0 gegen den HSV, der unter Peter Knäbel genau so spielt, wie noch nicht unter Peter Knäbel. Zentrale Verbindungslosigkeit, mangelnde Möglichkeit zum Raumgewinn und Probleme im Bewegungsspiel, garniert mit individueller Unterlegenheit, führen zu einer desaströsen Niederlage des HSV. Schmidts Leverkusener riefen ihre typischen Fähigkeiten auf hohem Niveau ab.
Knäbels Änderungsmangel
Peter Knäbel hat den Interimsposten beim HSV übernommen, deutete zwar eine mögliche Umstellung auf zwei gelernte Mittelstürmer an, erklärte aber auch, er würde am bisherigen taktischen Konzept festhalten. Das ist ganz interessant, oder? Jemand wird der Nachfolger eines entlassenen Trainers beim HSV und möchte am bisherigen taktischen Konzept festhalten. Da muss man wohl schon davon ausgehen, dass die Taktik absolut gar keine Rolle gespielt hatte, um das Konzept nicht ändern zu wollen. Die berauschenden Leistungen des HSV wurden nämlich allesamt wegen eines psychologischen Problems nicht belohnt.
Zinnbauer war zu Beginn seiner Amtszeit zumindest etwas interessanter unterwegs. Mit einer Art 4-1-3-0-2 und sonstigen unterschiedlichen Abläufen in einem sehr aggressiven Pressing überraschte er anfangs, dennoch war Hamburgs Spiel gegen den Ball in den letzten Wochen der Amtszeit wieder deutlich simpler gestrickt. Gegen Bayer war das ebenfalls wieder der Fall. Während des Aufbauspiels des Leverkuseners formierten sich die Hanseaten im 4-4-2; Stieber und Olic vorne sollten die Passwege auf Leverkusens Sechser versperren und situativ nach vorne rücken, um Leverkusens Innenverteidiger zu pressen.
Die Flügelstürmer der Mittelfeldreihe des HSV agierten relativ eng und verfolgen ansatzweise Leverkusens Außenstürmer, wenn diese in die Mitte rückten oder bewegten sich auch lose mit den Sechsern Bayers mit, wenn diese auf die Seiten auswichen. Erst, wenn der Ball auf dem Flügel war oder Leverkusens Außenverteidiger anspielbar in höheren Zonen standen, orientierten sie sich an ihrem nominellen Gegenspieler, dem Außenverteidiger Bayers. Nichts wirklich Innovatives und Neues, aber viel mehr gab es von den Hanseaten kaum zu berichten.
Sobald die Leverkusener die Stürmer des HSV im Pressing überspielten, versuchten die Hamburger Sechser sie zu pressen und rückten heraus, Balleroberungen gab es dadurch aber selten. Meistens konnte sich Leverkusen mit Flügelangriffen, schnellen Kombinationen und Ablagen oder langen Bällen mit vielen gewonnenen zweiten Bällen nach vorne spielen.
Ein weiterer Faktor war natürlich, dass der HSV selbst im Spielaufbau seine Probleme hatte und kaum nach vorne kam. Leverkusen konnte die Rothosen immer wieder zu Ballverlusten und langen Bällen zwingen, die in der Mehrzahl der Fälle bei den Leverkusenern landeten. Das 4-4-2/4-2-4 Bayers gegen den Ball funktionierte sehr gut; die Innenverteidiger der Hamburger wurden zunächst offen gelassen, während das Leverkusener Kollektiv enorm hoch agierte.
Dadurch wurde Hamburg zu einem tiefen Aufbauspiel gezwungen, welches schlichtweg nicht effektiv war. Sie hatten kaum Möglichkeiten mit konstruktivem Flachpassspiel das Leverkusener Pressing zu umspielen, die Außenverteidiger wurden nach Pässen auf die Seite sofort gepresst und auch die Innenverteidiger der Hamburger wurden nach längerer Zirkulation geschickt von Kießling und Castro angelaufen. Sie wurden von ihrem Mitspieler in der Innenverteidigung dadurch isoliert und hatten kaum eine Möglichkeit gefahrlos aufzubauen.
Behrami positionierte sich zwar gelegentlich zwischen den Innenverteidigern und versuchte eine Überzahl in der ersten Linie zu kreieren, wirklich effektiv war es nicht. Leverkusen stellte schlichtweg die Optionen nach vorne zu und die nun höher positionierten Außenverteidiger Hamburgs konnten teilweise gar nicht mehr angespielt werden. Außerdem ist Behrami, bei aller Liebe, kein wirklich spielstarker Aufbauspieler. Auch Jiracek (mit dem unterstützend-zurückfallenden Stieber) tat sich im Zentrum überaus schwer, weil er sich gegen das gute Pressing des Gegners kaum behaupten konnte.
Letztlich war es eine Mischung aus mangelnder individueller Qualität und langfristiger Verfehlungen im Etablieren bestimmter Mechanismen und Herstellen von passenden Staffelungen, welche mitverantwortlich für das schwache Spiel des HSV gegen Bayer waren. Ein billiger Ballverlust auf dem linken Flügel nach einem Pass von Westermann sorgte zum Beispiel für das vierte Tor, ebenso wie eine Misskommunikation zwischen Westermann und Djourou zur Führung Leverkusens führte.
Die Führung für Bayer war der zweite Grund, wieso sich die Werkself so leicht tat. Und der dritte Grund: Bayer war einfach viel besser und wirklich gut.
Leverkusen überzeugt in allen Aspekten
Roger Schmidt stellte Gonzalo Castro als Zehner auf; Castro unterstützte zwar im Pressing häufig Kießling vorne, doch alles in allem agierte er tiefer als der Mittelstürmer und gab Verbindungen im zweiten Drittel. Er bot sich für die Sechser an, er wich auf die Flügel aus und fungierte als Anspielstation für die Flügelstürmer, wenn sich diese mit schnellen Kombinationen und Dribblings in die Mitte orientierten.
Das Aufbauspiel Bayers war nicht immer allzu kreativ, da sie gelegentlich auf schlichte lange Bälle zurückgriffen, doch gegen Hamburgs träges Pressing funktionierte es. Sie kontrollierten nach langen Bällen ins Mittelfeld die dortigen Zonen, eroberten sich die Bälle oder verhinderten zumindest gegnerische Angriffe. Chancen für Hamburg gab es eigentlich keine, nur einmal kamen sie gefährlich vor das Tor. Auch das Hamburger Konterspiel war schlichtweg zu langsam, um sich sogar nach sauberen Balleroberungen (wie z.B. abgefangenen Pässen) gefährlich in die Leverkusener Hälfte zu begeben. Das Schmidt-patentierte Dauergegenpressing nahm Hamburgs Umschaltspiel schlichtweg jegliche Gefahr.
Aus dem Spiel heraus hatten sie die schon ausgeführten Probleme. Zwar soll Co-Trainer Peter Hermann – u.a. CL-Sieger mit Bayern und Jupp Heynckes – das Aufbauspiel stärker trainiert haben, doch auch die verstärkte Einbindung Adlers und der Versuch, den Ball länger flach zirkulieren zu lassen, scheiterten an Leverkusen. Früher oder später gab es den Ballverlust und den schnellen Gegenangriff Leverkusens oder eben den langen Ball nach vorne.
Insofern taten sich die Leverkusener heute leicht; das eigene Spiel wurde eigentlich nur personell etwas angepasst, ansonsten agierte man in einer ähnlichen Ausrichtung wie sonst, setzte dies gut bis hervorragend um und traf auf einen Gegner, der absolut nicht die Mittel hatte, um mithalten zu können. Die schnellen Konter nach der Führung, das tolle Spiel gegen den Ball und die individuell ebenfalls gefällige Besetzung reichten für diesen Kantersieg aus.
Fazit
Ich lehne mich ganz weit aus dem Fenster und sage: Es war weder das spannendste noch beste Spiel in der Fußballgeschichte. Der Hamburger SV hatte enorme Probleme gegen Leverkusen aufzubauen und konnte keine Chancen aus dem Spiel heraus konstant kreieren. Stattdessen gab es gefährliche Ballverluste gegen Leverkusen, deren Umschaltspiel und Pressing sehr gut funktionierte. Im 4-4-2/4-2-4 gegen den Ball und einer 4-2-3-1/4-2-1-3-Rollenverteilung in eigenem Ballbesitz, sehr starker Leistungen der einzelnen Spieler (Brandt, Castro im Besonderen) und der frühen Führung zeigten sie eine souveräne Vorstellung. Der Sieg kam nie in Gefahr. Platz 3 scheint weiterhin möglich. Hamburg wiederum orientiert sich weiter nach unten. Kleine Anmerkung: Die Zukunftshoffnungen sollten eher auf Diaz‘ Bewegungsspiel als auf Westermanns kämpferischer Ausstrahlung liegen.
13 Kommentare Alle anzeigen
SM 6. April 2015 um 13:07
Ich versteh’s nicht. Klar, das Herthaspiel war ein Offenbarungseid. Aber wenn man dann liest das JZ in der Aufstellung rumgemauschelt wurde, dann kann man ihm dafuer auch nicht die Verantwortung geben. Und feuern ohne Ersatz zu holen ist einfach nur erschreckend. Knaebel bedeutet 1) keinen neuer-Trainer-Effekt, 2) dieselbe Taktik wie vorher aber mit weniger defensiver Soliditaet,und 3) einen Trainer mit so gut wie gar keiner Erfahrung in dem Job.
Wollen die das der HSV absteigt? Haben die nicht begriffen wie ernst die Situation ist? Im Moment rechne ich damit das wir ohne einen weiteren Sieg absteigen…
Chacy 5. April 2015 um 23:41
Wie können sie beim HSV bloß auf diese Weise strategisch auf den Abstiegskampf reagieren? Hoffen sie insgeheim auf ein Weitermachen und Davonkommen – und dann einen erneuten Neuanfang mit einem Wundertrainer? Wenn das mal gutgeht …
Oeddi84 5. April 2015 um 12:30
Wenn man sich die Aufstellung und das System anschaut, dann sieht man doch schon, das mit Knäbel im Grunde nur der Co zum Trainer gemacht wurde. Er saß vorher schon mit auf der Bank und hat angeblich schon in die Aufstellung rein geredet. Jetzt ist er der „Chef“ und ändert nix. Ein gleich bleibendes 4-2-2-1-1 System ohne aufbauspieler ergibt genau das, was wie vorher schon hatten – keine Torgefahr. Weder die IV noch die 6er können einen Pass über 20 Meter spielen geschweige denn Lücken erkennen. Was bringt ein laufender Olic wenn er die Pässe nicht bekommt weil keiner es erkennt bzw sich traut?
Das System ist gescheitert, knäbel muss per sofort umstellen und Kreativität bringen.
—————-Adler—————–
Diekmeier-Cleber-Kacar-Jansen
————-Díaz—-Holtby———–
—————-vdVaart—————–
Müller————————-Olic
—————-Lasogga—————
So bringt man Kreativität aus der IV und spielstarke 6er mit. VdVaart wahlweise als 3. sechser oder als Achse nach vorne mit Pässen in die Tiefe, die lasogga auflegen kann oder die schnellen Außen erlaufen können. Torgefahr kann nur erzielt werden wenn eine Box anspielbar ist bzw aus der zweiten Reihe zumindest mal geschossen wird. Auch wenn Lasogga nicht fit ist, hat er das Spiel verstanden und bringt Ideen für passwege rein, die aber keiner erkennt. Mit vdV u Holtby hat er zwei die ihn in den Schnittstellen bzw Olic/Müller/Jansen von außen hinter der Abwehrreihe anspielen können.
SM 6. April 2015 um 13:02
Diaz und Holtby als DM gehen gar nicht, auch nicht Diaz allein – die sind beide zu klein um die Position bei uns ausfuellen zu koennen. Die spielerisch beste Kombination fuerte Diaz-Kacar sein, wenn man defensiv staerker sein will geht auch Diaz-Behrami.
vdV ist nicht fit und sollte nicht spielen. Das gleiche gilt fuer Lasogga. Also auf der 10 Stieber/Holtby und links Stieber/Gouaida.
Dein Freund Al 5. April 2015 um 08:27
Vielen Dank für die objektive Zusammenfassung dieser Blamage des HSV. Und besonderen Dank an die richtige und wichtige Erkenntnis, dass die Mittelachse aus Innenverteidigung, 6er und Mittelstürmer nicht funktioniert und insbesondere Behrami spielerisch stark limitiert ist. Dieser Fakt wird seit Monaten von der Hamburger Medienlandschaft (MoPo, Abendblatt, BILD) tot geschwiegen. Es wird nur auf einzelne, sowieso formschwache Spieler eingedroschen (Westermann, Ilicevic, Müller, Lasogga) oder berechtigter Weise der Trainer kritisiert. Viellecht schaut sich Herr Knäbel mal eure treffenden Analysen an und zieht daraus seine Schlüsse.
#nurderHSV
karl-ton 9. April 2015 um 10:23
Aber die Posse um den Trainer gewordenen Sportdirektor sagt einem doch vor allem, dass es da intern absolut noch nicht stimmt und das große, schwarze Leistungsloch noch fleißig Leistung aufsaugt. So wirklich über Spieler zu reden lohnt da doch kaum.
Max 4. April 2015 um 23:38
Danke für den Artikel.
Castro und Brandt heute wahrlich klasse. Letzterer mit aufsteigender Form. Richtig geiler Spieler mit überragender Spielintelligenz. Gefällt mir sehr gut!
Man merkt meines Erachtens auch die steigende Konkurrenzmaschinerie im Leverkusener Kader. Wie ein Drmic da dann noch heiß war, das Tor zu machen oder auch wie ein Hakan dann in der 80. kommt. Freut mich sehr, steigert es doch im Endeffekt die Leistung der einzelnen Spieler! Das war etwas, das dem Bayer in früheren Zeiten abging.
Nichtsdestotrotz ist noch viel zutun. Wie angesprochen ist u.a. der Leverkusensche Spielaufbau ausbaufähig.
P.S.: Stark auch von Leno, 5 Spiele ohne Gegentor.
Benj 4. April 2015 um 21:44
Ich habe nur die Kurzzusammenfassung gesehen. Was mich erstaunt, aber eigetnlich doch nicht überrascht hat, war die Art, wie das 3. Tor entstand: Es gab überhaupt keinen Willen, von niemandem, diesen letzten Schritt zu machen, da stimmt es im Kopf nicht nicht mehr, warum auch immer. Aus Erfahrung weiß ich, nur eine Mannschaft, die sich selbst aufgegeben hat, bekommt so ein Tor.
Als unparteiischer gehe ich davon aus, HSV wird 18. in dieser Saison.
HW 4. April 2015 um 21:02
Der HSV muss sich eigentlich zum Katastrophen SV umbenennen. Das Offensivspiel ist doch schon in der ganzen Saison tot. Und was soll da in den letzten Saisonspielen noch passieren? Und dann wird ein Mann zum Interimstrainer, der seit über einem Jahrzehnt keine Mannschaft mehr betreut hat. Will man nur noch kostengünstig absteigen oder was soll das? Wenn der HSV wirklich noch was zum laufen kriegt, dann wohl nur weil die Gegner nichts gebacken kriegen. (Zugegeben Leverkusens Spiel ist für den HSV natürlich Gift.) Gerade in Duellen gegen andere Abstiegskandidaten kann das sogar passieren. Trotzdem bliebe der HSV nicht wegen, sondern trotz aller Maßnahmen in der Liga.
Man muss sich nur die Trainerliste seit Thomas Doll anschauen. Am schlimmsten läuft es, seit Fink weg ist. Zuletzt wurde im Halbjahresrhytmus der Trainer gewechselt. Man „rettet“ sich in die Winter Pause, nur um nicht nach ein paar Spielen in die Sommerpause retten zu müssen.
Die einzige Entscheidung, die ich zuletzt weniger nachvollziehen konnte als den neuen HSV Interimstrainer, war die Wahl der nächsten DFB-Bundestrainerin.
Dino hin oder her, so ein Verein gehört nicht in die erste Liga. Ähnliches kann man auch über den VfB sagen, aber das ist ein anderes Thema.
datschge 4. April 2015 um 21:10
Horror SV passt doch.
HW 4. April 2015 um 21:16
Stimmt, wobei ich vor allem an die katastrophale Vereinsführung denke und erst danach an den Horror auf dem Feld.
fluxkompensator 4. April 2015 um 20:24
ist denn mit diaz‘ rückkehr noch zu rechnen? behramis spiel ist ja total banane.
Andi 4. April 2015 um 20:44
Díaz ist heute eingewechselt worden, von daher denke ich, dass er in den letzten Endspielen eine zentrale Rolle einnehmen wird. Halte ihn für wichtig für die Stabilität und verbesserte Pressingresistenz des HSVs.