Nach Rückstand durch die Halbräume zum Ausgleich
Hannover 96 nimmt die durchschlagskräftige Frankfurter Offensive weitgehend aus dem Spiel, nutzt die Halbräume vielseitiger wie ausgewogener und feiert nach dem unglücklichen Rückstand noch ein Comeback zum 2:2.
Die Eintracht startete nach bekannter Schaaf-Manier in ihrer angriffslustigen 4-1-3-2-haften Ausrichtung, wobei Kittels Aufstellung anstelle von Stendera über Phasen stärker die 4-4-2-hafte Komponente des Systems betonte. Eine zweite kleine Anpassung betraf die linke Seite in der Offensivanlage, wo sich Alex Meier mit wie gegen den Ball häufiger mal zur Seite zurückfallen ließ und dort die Position von Inui übernahm, so dass dieser hoch in die Spitze rückte – wenngleich daraus keine direkt gravierenden Folgen entstanden. Bei Hannover 96 setzte Tayfun Korkut auf die schon zuletzt gegen Dortmund durchaus vielversprechende Variante mit Kiyotake als offensivem Partner von Sané, wenngleich sich die Anordnung diesmal 4-2-3-1-hafter darstellte – Stindl agierte klarer wie ein Zehner. Zudem gab es zwei notgedrungene Personalveränderungen: Auf links wurde der gesperrte Bittencourt durch Prib ersetzt, während anstelle des angeschlagenen Joselu in der Sturmspitze Rückkehrer Ya Konan zu seinem ersten Bundesliga-Startelfeinsatz nach 11 Monaten kam.
Nur kleine Abprallerlücken gegen Frankfurts hohes Pressing
In typischer Ausrichtung agierend, nutzten die Frankfurter ihre hohe Offensivabteilung diesmal für ein frühes Pressing und attackierten die niedersächsische Abwehrkette mit ihren vier vorderen Akteuren. Auch Sané als tiefster Sechser wurde vom weit herausrückenden Kittel eng verfolgt, während Hasebe und situativ der ballfern einschiebende Flügelspieler – Inui hatte einige gute Ansätze – absicherte. So sollten die Hannoveraner Bemühungen, die eine hohe Einbindung Zielers diesmal nur selten vorsahen, nach außen geleitet und dort zu unkontrollierten Aktionen gedrängt werden. Grundsätzlich ging dieser Plan auch auf und das abstiegsbedrohe Team aus dem Norden konnte sich nur schwer befreien, kam allerdings nach Abprallern von längeren Pässen zu einigen Szenen. Bei der Eintracht fehlte etwas die vertikale Kompaktheit im nachschiebenden Anschluss an die vorderen Akteure.
Dagegen orientierte sich Hannover einige Male schon frühzeitig und bewusst in die Halbräume in den Übergangsbereichen und konnte in diesen Lücken einige Bälle aufsammeln. Dafür zeigte sich Ya Konan sehr umtriebig, ebenso wie auch Stindl, während Kiyotake schnell nachrückte und sich situativ sogar mal der jeweilige Außenverteidiger perspektivisch in diese Zone schob. In der Anfangsphase entstanden nach dieser Methodik einige vielversprechende Szenen, aus denen die Gäste im folgenden Ausspielen dann aber doch kaum etwas machen konnten. Einzelne Offensivspieler der Eintracht pressten situativ nach hinten, Kittel übernahm in der Rückzugsbewegung meistens Kiyotake und die Verbindungen bei den 96ern waren noch etwas inkonstant. Potentiell hätte mit Schnellangriffen etwas nach vorne gehen können, doch umsetzen konnten die Gäste es anfangs nicht, weshalb sie zwar gut in der Partie, aber ohne größere Chancen waren.
Hessisches Offensivspektakel bleibt aus
Auf der anderen Seite gestaltete sich das Hannoveraner Pressing nicht unähnlich zu dem der Frankfurter, wenngleich es eher aus einem 4-4-2 mit aufrückendem Stindl und weniger aus einem 4-2-4 mit frühzeitig etwas höheren Außen organisiert war. Dennoch gelang es den Gästen, über das Vorschieben ihres Zehners, der Hasebe im Deckungsschatten versperren sollte und situativ auf Trapp hinterherging, einige lange Bälle zu provozieren und den Aufbau der Frankfurter bisweilen lahm zu legen. Die Flügelstürmer schoben situativ heraus und zwangen Chandler oder Oczipka zu Rückpässen, Kiyotake orientierte sich klar mannorientiert an Kittel und Sané sicherte dahinter den Sechserraum, wo Frankfurt wegen der hohen und nicht immer optimal nach hinten verbundenen Offensivabteilung ohnehin nur kurzzeitig und sporadisch Präsenz entwickelte. Mit dieser insgesamt soliden Defensivstruktur ließ Hannover also wenig zu und stand auch gegen die langen Bälle gut.
Frankfurt versuchte zwar, durch Zurückfallen oder Ausweichen von Alex Meier die Abpraller im Halbraum – insbesondere auf rechts – zu gewinnen, doch selbst wenn sie sich die zweiten Bälle durch dortige Überzahlpositionierungen holten, mündete dies anschließend wiederum nur in Szenen am Flügel. Diese verteidigte Hannover aber meistens gut und schob sie mit ihrer Defensivabteilung aufmerksam zu, so dass die Schwächen der zwar hohen, aber insgesamt etwas zu simpel wie breit ausgerichteten und dazu eher unkreativ besetzten hohen Frankfurter Offensivreihe zutage traten. Nur selten gab es mal dynamisches Anspielen der offenen zentralen Bereiche, beispielsweise durch Kombinationen von Inui und Kittel. Das Gefährlichste für die Hessen waren noch Freistöße im rechten Halbfeld, die sie im Kampf um die zweiten Bälle zugesprochen erhielten. Aus einer solchen Szene hatte Alex Meier einen gefährlichen Direktabschluss und eine solche Szene musste dann auch den Führungstreffer durch Madlung bringen – es war also eine Standardsituation.
Über halbrechts zu mehr Spielkontrolle
Nach ihrer Führung zogen sich die Frankfurter im Pressing ein wenig zurück, wobei die vorderen Spieler weiter durchaus früh attackierten und nur aus etwas abwartender Grundposition heraus starteten. Allerdings verfolgte Kittel Sané nicht mehr so weit, sondern orientierte sich eher an Kiyotake, zumal der Senegalese nun vermehrt nach rechts abkippte. Mit einem stärkeren Fokus auf diesen Bereich wusste sich Hannover ein wenig aus dem gegnerischen Pressing zu lösen, indem sich vor dem nach hinten gehenden Sechser auch Stindl, der verstärkt einrückende Briand – Prib verblieb dagegen meist als breiter, solider Flügelallrounder – und selten Kiyotake dort ballten.
Wenn sie die Angriffe dann weiter nach vorne tragen wollten, ergaben sich aber erneut Probleme. Die Bewegungsmuster wirkten phasenweise etwas unstrukturiert, die ballfernen Akteure konnten meist nur simpel mit Verlagerungen bedient werden und die Entscheidungsfindung einzelner Akteure pendelte manchmal ins Überdrehte. Zudem rückte Hasebe nun frühzeitiger dorthin und wusste einige Szenen nach außen abzudrängen. Bei Seitenwechseln nach links rückten sie im Kollektiv zu langsam horizontal nach, so dass viele dorthin verlagerte Szenen im Tandem zwischen Schulz und Prib, die sich auch noch gegen situatives Flügel-Rückwärtspressing von Seferovic erwehren mussten, versandeten. Die in der Anfangsphase noch vorhandenen Überladebewegungen Kiyotakes in diese Zonen schienen abzunehmen.
Hannovers scheinbarer K.O. und Comeback nach der Pause
Die zweite Halbzeit begann mit einer Schrecksunde für die Hannoveraner, als Aigner im Anschluss an einen Schulz-Patzer nach einem Abstoß auf einmal auf 2:0 erhöhte. Für die Eintracht war es ein glücklicher Treffer, wenngleich zumindest das Zusammenziehen im rechten Halbraum bei langen Bällen auch eine Rolle dabei gespielt hatte. Trotz des Rückstandes waren aber die Gäste zusehends die bessere Mannschaft, zeigten eine solide Leistung und erhöhten ihre Ballbesitz-Dominanz seit dem Ende des ersten Durchgangs nochmals. Gegen die nicht immer ganz kompakten und nun auch weniger Pressingdruck erzeugenden Frankfurter versuchten sie häufiger das Zentrum einzubinden, wo der jeweilige Rechtsaußen – Briand bzw. später Schlaudraff – immer mehr einrückte und das Zusammenspiel mit Stindl suchte, während das Pendant auf links teilweise die offensiver werdenden Vorstöße Kiyotakes abzusichern schien.
In diesen Szenen hatte Hannover also einige gute Ansätze, war im Ausspielen aber etwas unabgestimmt und auch unruhig, um gegen die teils wilden Rückzugsbewegungen der Hessen, die in dieser Hinsicht nicht nachließen, entscheidend durchzukommen. Problematisch war auch, dass sie die zentralen Bereiche zudem etwas inkonsequent ansteuerten. Gegen die tieferen und passiveren Flügelstürmer der Eintracht konnten sie im Aufbau zunächst einmal simpel und ungestört auf die Außenverteidiger verlagern, die dann kurzzeitig etwas Raum hatten. Gerade weil die Anschlussbewegungen der Hausherren nicht optimal waren und die Sechser bei dem großen abzudeckenden Raum sich häufig schon mal provisorisch nach hinten orientierten oder mannorientiert diagonale Läufe beispielsweise von Stindl verfolgen mussten, gab es für eine gewisse Zeit die Möglichkeit zu direkten Folgepässen ins Zentrum, bevor die gegnerische Sturmreihe zurückschob.
Das nutzte Hannover allerdings nicht immer konsequent genug aus, sondern legte sich in den Angriffen teilweise etwas frühzeitig auf das Weiterspielen am Flügel mit den ausweichenden Läufen Stindls fest, kam dort aber nicht ganz durch. So konnten sie das zentrale kombinative Potential nur phasenweise ansteuern, das in diesen Fällen dann wiederum etwas zu improvisiert ausgespielt werden konnte. Einige Male konnten sie zumindest noch in Halbraumüberladungen übergehen, in die sich auf rechts auch Kiyotake zunehmend als zusätzliche zentrale Station einschaltete. Die Rollenverteilung war nicht immer optimal und gab beispielsweise Briand etwas zu viel spielmachendes Gewicht, doch wurden die Abläufe etwas klarer und auch mal konsequent auf Durchbrüche zur Grundlinie fokussiert, wenn es ansonsten durch die Halbräume nicht weiterging. Nach aus dem rechten Halbraum gestarteten Überladungen mit anschließenden Zuspielen auf Sakai bzw. Schulz gab es im Rückraum zwei gute Schussmöglichkeiten für Stindl.
Trotzdem musste es Mitte der zweiten Halbzeit ein Tor nach einer Ecke – immerhin im Anschluss an eine dieser Szenen entstanden – sein, mit dem sich die dominanten Hannoveraner für den eigenen Aufwand belohnen konnten. Nach der unmittelbar auf diesen Treffer folgenden Einwechslung von Schlaudraff gab es noch einige kleinere Umstellungen, indem der Routinier sich unter anderem zunehmend aufbauend im tiefen Halbraum beteiligte, die Seite für Sakai öffnete und Stindl weitere aufrückende Bewegungen gestattete. Zudem wurde über Phasen das Pressing 4-1-3-2-hafter gestaltet und intensiviert. Im Anschluss an einen Direktpass halbrechts aus der Innenverteidigung in eine Schnittstelle der ersten Frankfurter Pressinglinie, die sich nun eigentlich vermehrt auf Horizontalkompaktheit ausrichtete, aber die engen Abstände nicht sauber ausnutzte, gelang schließlich noch der späte und nicht unverdiente Ausgleich: Stindl reagierte in einer engen Situation stark, die Frankfurter verhielten sich in Überzahl nicht gut und so konnte der weitere Angriff seinen Lauf nehmen.
Fazit
Schon von Beginn an machte Hannover 96 bei diesem Auswärtsspiel eine Figur. Zwar hatten sie einige Probleme mit dem hohen Pressing des Gegners und kamen beim Bespielen der von diesen gelassenen Mittelfeldräume – trotz der Aufmerksamkeit für mögliche Abpraller – nicht über Ansätze hinaus. Doch andersherum verteidigten sie das Team mit den drittmeisten Toren der Liga fast über die gesamte Spielzeit gut und ließen wenig zu. Im Laufe der Partie eroberten sie sich immer mehr Spielkontrolle und kamen nach der Pause auch offensiv – insbesondere durch den rechten Halbraum – zu mehr Szenen. Das mündete letztlich in zwei Toren, die nur wegen des unnötigen zwischenzeitlichen Rückstandes nicht zum Sieg reichen. Inhaltlich kann Hannover also viel aus dieser Begegnung mitnehmen.
Anders sieht es für die im zweiten Durchgang zu simplen Frankfurter aus, deren Offensivabteilung kaum mehr durchkam. Die hohe Ausrichtung machte zunächst bezüglich der sicheren Anbindungen für das Aufbauspiel Probleme, so dass Hannover sie zu vielen langen Bällen zwingen konnte. Zwar nutzten die Hessen das für einen sehr konsequenten Fokus auf Abpraller im rechten Halbraum. Zudem schoben sie viel Personal für anschließende Flügelüberladungen nach außen und hatten einige Ansätze im diagonalen Ausspielen, die nach Stenderas Einwechslung erneut etwas aufflammten. Doch andererseits weist diese breit ausgerichtete und teils etwas ungestaffelte Anlage noch gewisse Schwächen und Einschränkungen auf, die Hannover durchaus aufzudecken wusste.
2 Kommentare Alle anzeigen
Grabbe 5. April 2015 um 12:14
Gute Analyse! Paar Dinge, die mir noch aufgefallen sind:
– Hatte das Gefühl, dass der Frankfurter Spielaufbau sehr darunter litt, dass Hannover die Außenverteidiger zugestellt hat. Normalerweise ist da Oczipka erste Anlaufstelle, und da gab es wenig zu sehen diesmal. Wobei das vielleicht auch am erwähnten höheren Kittel (im Vergleich zu Stendera sonst) gelegen haben könnte.
– So großartig Trapp als Torhüter ist, so schlecht war sein Passspiel gestern.
Ron 5. April 2015 um 11:41
„Schon von Beginn an machte Hannover 96 bei diesem Auswärtsspiel eine Figur.“
Da fehlt wahrscheinlich ein „gute“ vor „Figur“.
Ansonsten wie immer interessante Analyse. 🙂