Flexibel kontrollierende Wolfsburger setzen ihren Weg fort
Mit viel Spielkontrolle, vielseitiger Organisation und guten Mechanismen besiegt der VfL Wolfsburg eine in letzter Instanz harmlose Hertha.
Nach dem 2:0 in der Europa League gegen Sporting vom Donnerstag empfing der VfL Wolfsburg die unter Pal Dardai erfolgreich gestartete, dann gegen Freiburg aber enttäuschende Hertha. Während Dieter Hecking in seiner 4-2-3-1-Anordnung erneut mit Träsch im defensiven Mittelfeld – im Vergleich zum Auftritt gegen die Portugiesen diesmal Luiz Gustavo neben ihm – begann, setzte Dardai auf ähnliches Persona wie in der Vorwoche, aber in anderer Besetzung. Erneut spielte Stocker auf der nominell zentral offensiven Position und schob gegen den Ball zu Mittelstürmer Kalou – zuletzt noch rechts aufgeboten – nach vorne. Dafür ging Schieber nach links, Ndjeng kam neu ins Team und Schulz rückte für Plattenhardt in die Viererkette. Daneben war Ronny der zweite Akteur, der weichen musste – für den wieder einsatzbereiten Kapitän Lustenberger als etwas tieferem Partner Skjelbreds vor der Abwehr.
Aus ihrer 4-4-2-Defensivformation orientierte sich das Sturmduo der Hertha etwa zwischen den gegnerischen Innenverteidigern und Sechsern, deren Zustellen ihre primäre Aufgabe darstellte. Situativ rückte einer der Angreifer – diagonal nach außen – zum ballführenden Wolfsburger Innenverteidiger, ging ins Pressing und versuchte den Mittelfeldmann hinter sich zu verstellen. Aus der Viererreihe dahinter schoben die Außenspieler auf Jung und Rodríguez, wenn diese in der Zirkulation angespielt wurden, und die Sechser rückten situativ mannorientiert auf einen Gegenspieler heraus, der in ihrer Nähe das Leder erhielt. Allerdings wurde dies aufgrund einer eher vorsichtigen Gesamtausrichtung doch verhältnismäßig kleinräumig praktiziert. Aufgrund der sonstigen Zuordnungen innerhalb dieses Mittelfeldpressing war es eine zusammengenommen wenig besondere und unspektakuläre Marschroute der Gäste, die sie solide und ordentlich ausführten.
Vielseitige Aufbaukontrolle und Halbraummechanismen
Bei den Wolfsburgern war zunächst einmal die Aufteilung im defensiven Mittelfeld interessant. Grundsätzlich übernahm Träsch die etwas tiefere Position auf halbrechts und holte sich einige Bälle von hinten ab, während Luiz Gustavo einige Male nach links herauskippte. Im Verlauf der ersten Halbzeit gab es in der Ausrichtung der Sechser einige Umstellungen und verschiedene Phasen. Die anfangs etwas nach links versetzte Gesamtstellung wurde später etwas angepasst, da Träsch etwas weitere Passwege für Verlagerungen nach rechts und darin keine optimalen Dynamiken hatte. In einer folgenden Phase agierte er darum etwas tiefer und konstanter zwischen den Innenverteidigern, was Naldo breiter und Jung ein wenig höher schob. Auch Luiz Gustavo durfte dann entsprechend leicht höher aufrücken, ehe er sich für die Schlussphase des ersten Durchgangs sogar verstärkt im hohen zweiten Drittel im rechten Halbraum tummelte, um diesen bei Wolfsburg dominanten Bereich noch zu unterstützen.
Das war allerdings nicht das einzige Merkmal, das die Hausherren im zweiten Drittel auszeichnete: Seit der Winterpause sind sie noch einmal stärker geworden und haben Fortschritte in den gruppentaktischen Mechanismen gemacht. Insbesondere die verschiedenen, stark ausgeführten Dreiecksbildungen im Halbraum bedingen den neuerlichen Höhenflug des Teams. So konnte die abkippende Rolle auf links auch situativ von Kevin de Bruyne übernommen werden, Ricardo Rodríguez positionierte sich mal enger mit André Schürrle als Breitengeber oder der umtriebige und auch in andere Bereiche rochierende Winterneuzugang selbst brachte sich verstärkt in den Halbräumen ein. Damit hatten die Niedersachsen ein sehr stabiles, zuverlässiges und auch variables Aufbauspiel im ersten und zweiten Drittel, mit dem sie Hertha laufen lassen und viel Ballbesitz sammeln konnten. Nur sehr vereinzelt gelang es diesen mal, ein wenig Spannung auf Rodríguez aufzubauen und die Rückzirkulation leicht unsouverän wirken zu lassen, aber ansonsten war der VfL enorm kontrolliert. Über kleinere ballfern ausweichende und wegziehende Bewegungen, beispielsweise de Bruynes, gelang es ihnen außerdem, die leicht mannorientierten Berliner bisweilen in ihrer Ordnung zu destabilisieren und kleinere Lücken zu öffnen.
Wolfsburger Offensivabläufe
Im letzten Drittel zeigte sich der Halbraumfokus in der Wolfsburger Ausrichtung ebenfalls, wenngleich diese auch sehr weitflächig war. Vor allem André Schürrle nahm eine entscheidende Rolle ein und deutete einen größeren Radius an, als es der linke Offensivspieler in dieser Saison bisher hatte. Links suchte er das Zusammenspiel mit dem zu beiden Seiten rochierenden de Bruyne, ging aber ebenso unterstützend in die tiefen Zonen, bot sich zentral für Vertikalpässe zwischen den Sechsern an oder schob mit nach halbrechts. Dort bot er sich für Zusammenspiel mit dem situativ einrückenden Vierinha und dem etwas höher gelegentlich unterstützenden Dost an. Über diesen Flügel gab es auch verschiedene dreieckshafte, in klaren Bewegungen gestaltete Abläufe, wie beispielsweise der Lieblingsspielzug, bei dem meist de Bruyne diagonal im Halbraum zur Grundlinie geschickt wurde.
Aufgrund der vielen Bewegungen, des verstärkten Halbraumfokus und der helfenden Aktionen Schürrles auf rechts kamen sie dann immer mal wieder zu einzelnen Chancen, wenngleich die letzte Konsequenz in der Ausführung fehlte, um noch stärker zu sein. Teilweise wurden sie dort auf der Seite fast schon zu ablauforientiert – gut zu sehen bei einer Szene Anfang der zweiten Halbzeit, als Schürrle leise Elfmeter forderte. Daneben war problematisch, dass de Bruyne, der anfangs bei Schürrles Bewegungen nach rechts meist im Zentrum verblieben oder nur leicht ausgewichen war, sich manchmal zu sehr ballfern nach links orientierte. Schließlich waren kleinere Entscheidungs- und Fokusaspekte mitbeteiligt: Zu selten wurden beispielsweise einige Bewegungen Schürrles so bedient, wie bei seiner guten Chance Ende der ersten Halbzeit, als Jung nach einer Halbraumverlagerung mal konsequenter den diagonalen Anschlusslauf nach innen wählte.
Herthas lange Bälle in die Bewegung nur vereinzelt gefährlich
Im Aufbau hatten die Berliner in den ersten beiden Begegnungen unter Dardai nicht besonders überzeugen oder hervorstechen können. Gegen das 4-4-2-hafte und recht hoch zustellende Pressing der Wolfsburger mit einzelnen Mannorientierungen gelang ihnen in dieser Partie über weite Strecken wenig. Die Innenverteidiger waren unter Druck, dahinter rückten Wolfsburgs Sechser meistens auf Lustenberger und Skjelbred nach und hinzu kamen immer wieder einzelne geschickte, Passverbindungen verstellende Positionierungen durch zentrale VfL-Akteure. Wenn ein Sechser zurückfiel, war dies aufgrund der etwas improvisierten Auslösung nicht besonders konsequent, so dass de Bruyne kaum Mühe hatte, den Effekt dieser Maßnahme zu negieren. Auch einzelne nach hinten kommende Bewegungen der Außen, insbesondere Ndjengs, ließen sich im Halbraum von den eingerückten Wolfsburger Flügelstürmern blockieren, während – im Fall der linken Defensivseite – Rodríguez die hintere Linie hielt und damit im Dunstkries des aufrückenden Pekarík war.
So musste Hertha viele frühzeitige lange Bälle schlagen, was sie aber ohnehin als ein wichtiges Stilmittel eingeplant zu haben schienen. Vereinzelt konnten sie hinter aufrückenden Bewegungen der Wolfsburger Sechser damit ein wenig Gefahr andeuten – über ausweichende Bewegungen Stockers, kleinere Dribblings von Ndjeng oder kurze Rochaden von Schieber und Kalou. Das ansonsten sehr gut abgestimmte Herausrücken der Wolfsburger Innenverteidiger klappte dadurch nicht immer, Hertha war durchaus unangenehm und die umliegenden Spieler der Hausherren mussten aufmerksam unterstützen, um die gelegentlichen kleinen Störfeuer Herthas zu klären.
Das Ausgleichstor nach einer halben Stunde fiel überraschend und war einer von nur zwei Abschlussversuchen vor der Pause, entstand aber doch zumindest indirekt aus einem solchen Muster. Nach einem neuerlichen Aufrückversuch kam Hertha mal, wie es rechts selten mit Skjelbred möglich war, in den Halbraum. Es war ein langer Ball von Brooks nach links, wo Stocker in ein direktes Duell gelangte und das Leder hereingab. In dieser Szene handelte es sich nicht um eine Rochade, sondern einen simplen Lauf – die Berliner tauschten in dieser Phase mal die Offensivanordnung und spielten mit Schieber wie Kalou vorne. Diese boten sich einige Male geschickt im Zwischenlinienraum an und unterstrichen das eigentliche gute Movement der Hauptstädter, die das aber spielerisch nicht bedient und gut ausgespielt bekamen. Bei Kontern konnten nur mit ausweichenden Bewegungen Kalous nach links kleinere Ansätze verbuchen, wurden insgesamt aber kaum gefährlich, da Wolfsburg in ihrer ausgewogen verteilten Struktur und den verschiedenen Halbraumabläufen gute Mechanismen für Absicherung und Gegenpressing hatte.
Zweite Halbzeit
In der zweiten Halbzeit mussten die Wolfsburger also gegen die tiefstehende Hertha-Defensive anlaufen. Das gestaltete sich phasenweise etwas mühsam, begann aber zunächst dank einiger kleiner Anpassungen schwungvoll. Mit der Einwechslung Arnolds für Jung – Träsch ging nach rechts hinten – wurde das Mittelfeld offensiver besetzt. Während sich Arnold als Unterstützungsspieler oder Verbindungsgeber beteiligte, versuchte Luiz Gustavo darüber hinaus vermehrt, die gegnerischen Spitzen im Pressing auseinanderzuziehen. Dies gelang einige Male gut und führte zu kleineren Lücken, in denen sich der Brasilianer entweder selbst anbieten und dann den Übergang nach vorne herstellen konnte oder in die Naldo mit aufrückenden Bewegungen hinein marschierte. Dieses Mittel erleichterte den Wolfsburger einige Male nach vorne und brachte ihnen mehr Offensivpräsenz. Schon am Donnerstag gegen Sporting hatte eine solche Szene kurz nach Wiederbeginn den Führungstreffer eingeleitet und auch hier gab es zu Anfang ein oder zwei brauchbare Ansätze.
Neben dem Zusammenspiel von Schürrle und de Bruyne waren darüber hinaus vor allem schnelle Verlagerungen auf Vierinha vielversprechend, die nun besser eingebunden und sehr druckvoll gespielt wurden, was ebenfalls einige kleinere Möglichkeiten erzeugte. Dennoch waren keine ganz großen Torchancen in Masse dabei. Obwohl Wolfsburg viel Druck machte, wurden sie im weiteren Verlauf teilweise etwas zu flankenfokussiert (insgesamt aber nur 18 bei 759 Pässen) und klar in den strukturellen Abläufen, weshalb sie Räume im Zentrum nicht immer nutzten. So musste es für den Siegtreffer ein Distanzschuss von Luiz Gustavo an den Pfosten mit Dosts anschließendem Abstauber sein, doch gab die passiv zurückgeschobene Hertha-Mittelfeldreihe in solchen Szenen auch etwas zu viel Raum. In der Schlussphase versuchte die Hertha mit einem 4-2-3-1/4-3-3 – Beerens und Kalou auf den Flügeln, Skjelbred und etwas höher Ronny im Mittelfeld – noch einmal auszugleichen, konnte die achterhaften Akteure in den Halbräumen zwischen Wolfsburgs dortigen Akteuren aber kaum effektiv einbinden und wurde meist auf die Flügel geschoben.
Fazit
Mit nur drei Abschlüssen – nur einer davon nach dem Seitenwechsel – ließ sich für die Hertha bei weitgehend starken Wolfsburgern nichts holen. Ihre solide und einige Male geschickte Defensivarbeit erlaubte es ihnen, ergebnistechnisch zumindest mitzuhalten, aber mehr war in dieser Spielweise nicht möglich. Auch nach vorne zeigten sie sich harmlos und wenig besonders, wenngleich die Bewegungsmuster als Positivpunkt gelten könnten. So dominierte Wolfsburg fast über die gesamte Spielzeit, stand weitgehend stabil, hatte viele gute Momente in der Vielseitigkeit des Ballbesitzspiels sowie den konsequenten Offensivabläufen und setzt damit seinen Weg der vergangenen Wochen fort. Interessant für die Zukunft waren die Bewegungen Schürrles und die Folgewirkungen auf die rechte Angriffsseite.
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Pelle Lundkvist 27. Februar 2015 um 08:46
Danke TR, dass Du den Weg von Hecking/Wolfsburg so genau verfolgst!