SV Kompakt: Das Viertelfinale des Afrika-Cups 2015
Die Viertelfinal-Begegnungen der afrikanischen Kontinental-Meisterschaft 2015 in Äquatorial-Guinea im Überblick.
Kongo – DR Kongo 2:4
Im Duell der beiden kongolesischen Teams standen sich zwei 4-1-3-2-haft interpretierte 4-4-2-Formationen gegenüber, die ein Spiel zweier Halbzeiten produzierten. Dabei waren der torlose erste Durchgang und der folgende dramatische Abschnitt mit sechs Treffern jedoch in der Grundanlage gar nicht so verschieden. Zu Beginn gelang es den Kontrahenten noch etwas konsequenter, die schon zu jenem Zeitpunkt ordentlichen und sich meist auf einen dominanten Flügel fokussierenden Offensivansätze in Schach zu halten. Die DR kam mit ihren beiden ausweichenden Stürmern häufig über rechts, fand aber anfangs noch nicht die optimale Einbindung ihres wichtigen Linksaußen Bolasie. Zudem arbeiteten die gegnerischen Flügel sehr gut zurück und versperrten den Halbraum diagonal, während Oniangué sich passende unterstützende Positionierungen suchte und gelegentlich ebenfalls nach hinten fiel.
Auf der anderen Seite brachten die Kongolesen gerade über N´Dinga ein zunächst intelligent raumgreifendes Passspiel auf den Platz, mit dem sie gegnerische Zwischenlücken – zumal aufgrund der etwas stärker mannorientierten Ausrichtung bei DR – sehr zuverlässig und vielseitig fanden. Spielerisch hatten sie die besseren, wenngleich nicht unbedingt gefährlicheren Ansätze, da sie trotz kombinativer Note an wechselhafter Entscheidungsfindung und situativen Engenbildungen des Gegners scheiterten. Ihre besten Szenen kamen über die starke linke Seite mit dem diagonalen Außenverteidiger und dem unterstützenden Dore zustande. Dieser war als kraftvoller Ablagespieler für die Konsequenz innerhalb der Aktionen enorm wichtig, sorgte für Effektivität bei den vielen langen Bällen und war auch an beiden Treffern zur 2:0-Führung (55. und 62.) beteiligt. Die Tore waren allerdings nicht herausgespielt, sondern resultierten aus einem Standard und einer individuell beeinflussten Pressing-Aktionen heraus. Nach seiner anschließenden Auswechslung verloren die Kongolesen aber an Qualität in ihren Offensivszenen.
Demgegenüber steigerten sich die Rivalen von DR in ihren Bemühungen und auch der Chancenverwertung noch einmal, denn schon zuvor hatte es beispielsweise eine Großchance durch Bokilas Lattentreffer gegeben. Nun bewegten sich ihre vorderen Akteure harmonischer zueinander und stellten in den Räumen neben N`Dinga einige Interaktionen her, da das 4-1-3-2 der Kongolesen zwar noch deutlich und sauber angelegt war, aber an Unterstützung in den tiefen Halbräumen verlor.Trotz einiger ordentlicher Weiterleitungsszenen ließen sich aber auch bei DR Kongo die Tore kaum direkt auf diese Aspekte zurückzuführen. Der erste Treffer (65.) resultierte aus einer individuellen Flügelaktion von Bolasie, bei der immerhin die gegnerischen Mannorientierungen auf außen gut bespielt wurden. Sehr problematisch für den Kongo waren bei diesem Tor wie auch beim 2:2 (75.) – entstanden durch Strafraumpräsenz nach einer Flanke und individuell engagiertem Nachschieben im Gegenpressing – die zunehmend schwache Rückwärtsarbeit der Sechser, was sich in die nachlassende Mittelfeldkonsequenz einfügte. Beim 2:3 wurde der Freistoß mal nach einem der zahlreichen langen Bälle in den von der Offensive gut umstellten Halbraum herausgeholt (81.), ehe in der Nachspielzeit noch ein spielerisch solider Konter folgte.
Trotz ihrer beiden selbst erzielten Tore hatte Kongo dagegen gerade im weiteren Verlauf der zweiten Halbzeit Schwierigkeiten in der Offensive und konnte sich in der zwischenzeitlichen Vier-Treffer-Flut des Gegners nicht mehr einschalten. Obwohl Makiadi oft weit auf N´Dinga herausrückte und die gegnerischen Angreifer nur wenig nach hinten schoben, konnten sie aus den entstehenden Aufrückmöglichkeiten und der eigenen Präsenz um den verbleibenden Sechser Mangulu wenig machen. So hatten Oniangué und der eingewechselte N´Guessi Freiraum auf halblinks, doch steuerten die hinteren Akteure diese Bereiche weniger geschickt an, sondern suchten zu vorschnelle Pässe in die Tiefe. Wenn diese Szenen doch bedient wurden, spielten wiederum die dortigen Akteure sie nicht zielstrebig und bewusst genug aus. Viel lief nach der Pause dann – wie schon gegen Äquatorial-Guinea im Auftaktmatch – über diagonale Flügelszenen zur Grundlinie, um den dort hinziehenden Bifouma zu bedienen. Dies war aber ein eher simples, wenngleich stringentes Mittel, das gegen die verbesserte gegnerische Reaktion auf die Linksüberladungen – mehr Unterstützung von Makiadi und ordentliches diagonales Zuschieben – keinen Treffer mehr brachte. Letztlich balancierte DR Kongo die 4-1-3-2-Haftigkeit in der zweiten Halbzeit etwas besser und steigerte sich in Defensivstrukturen wie Offensivinteraktionen. Trotzdem war der Sieg für das Team von Florent Ibengé knapp und die Begegnung hätte durchaus andersherum ausgehen können.
Tunesien – Äquatorial-Guinea 1:2 n.V.
Dieses später sehr umstrittene und von zweifelhaften Schiedsrichterentscheidungen geprägte Match hatte formativ einige interessante Aspekte zu bieten. Der Turniergastgeber trat in einer asymmetrischen 4-4-2/4-2-3-1-Formation an, während die favorisierten Tunesier auf eine 5-3-2/4-4-2-Mischformation – Mathlouthi teilweise in die zweite Reihe einrückend – mit sehr viel Bewegung im Mittelfeldbereich setzten. Dies zeigte sich beispielsweise in ihren Ballbesitzansätzen, die über die drei Innenverteidiger und Sechser Ragued kontrolliert wirkten, deren Positionierungen und Aufrückmechanismen aber durch die teils wirren Bewegungsmuster und Chikhaouis sehr weites Zurückfallen etwas wechselhaft waren. So ließen sich die kleinen vertikalen Lücken in der gegnerischen Formation, die mit eingerückten Außenspielern im Pressing jedoch überzeugten, nur inkonstant ansteuern. Die besten Szenen hatte Tunesien durch längere Bälle, die recht stringent in seitliche Flügelräume geschlagen wurden – gerade nach rechts, wo Akaichi hinter den etwas höher stehenden gegnerischen Außenverteidiger auswich. Generell versuchten die weiträumigen Nordafrikaner immer wieder einzelne Akteure in offenen Lücken einzusetzen, die dann wiederum entscheidende halblange Pässe direkt hinter die Abwehr bringen sollten. Dafür stießen gerade Khazri und Sassi weit mit vor und erzeugten durch diese Runs – nach Pässen von Akaichi oder dem technisch teils herausragenden Chikhaoui – die eine oder andere Szene. Über weite Strecken war das Team von George Leekens damit in einem eher chancenarmen Match minimal gefährlicher, da klarer ausgerichtet, als die spielerisch dennoch nicht unansehnlichen Gastgeber.
Diese versuchten es vor allem über Linksüberladungen mit den spielstarken sowie dominanten Javier Balboa und Emilio Nsue, die vom schlaksigen Fabiani unterstützt wurden. Mit wechselnden defensiven Anordnungen und gelegentlich einzelnen Mannorientierungen am Flügel konnten die Tunesier diese Szenen aber zunächst recht gut zuschieben. In höheren Pressingversuchen hatten sie zwar wenig Zugriff auf die ballsicheren Sechser Äquatorial-Guineas, doch hinten standen sie damit weitgehend stabil. Allerdings waren die Gastgeber auch selbst daran beteiligt, ihre spielerisch ansehnlichen Ansätze nur so selten durchzubringen. An die Kombinationen und Weiterleitungen der beiden „Stars“ konnten sich die Kollegen nicht so stark einfügen – Ellong rückte engagiert, diesmal aber etwas zu wirr mit auf, während Fabianis Bewegungen wechselhaft und seine Einbindung teils zu dominant war. In den Anschlussaktionen agierten die Spieler zu hektisch in ihren Läufen und die umliegenden Kollegen zu durchbruchsfokussiert. Vor allem die zu simple ballferne Einbindung von Kike, der in der Rollenverteilung teils ein Pendant zum aufrückenden Sipo in einem asymmetrischen 3-4-3/3-4-2-1 zu bilden schien, zeigte sich problematisch, da der spielstarke Dribbler sich so kaum einschalten durfte. Nach Phasen zirkulativer Ansätze konnte der Gastgeber zwar einige Male die vertikalen Lücken zwischen Abwehr und Mittelfeld Tunesiens bespielen, doch hatten sie in solchen Szenen noch keine unterstützenden Folgeoptionen aufgebaut, so dass sie immer wieder in den teils sehr starken Herausrückbewegungen der Tunesier hängenblieben, die diesen Raum schnell zuschoben.
Trotz der Ansätze lag ein Tor für die Truppe von Esteban Becker also über weite Strecken nicht wirklich in der Luft, so dass auf der anderen Seite Tunesiens Führungstreffer zwanzig Minuten vor dem Ende wie die Entscheidung wirkte. Passenderweise entstand dieses 1:0 nach dem Freispielen des zurückgefallenen Chikhaoui, der das Leder anschließend auf Mathlouthi hinter die Abwehr legte – von der Methodik also nicht unähnlich zur generellen tunesischen Offensivstrategie. Für die Schlussphase versuchte Äquatorial-Guinea ein früheres, aber eher unkompaktes Pressing, das nur bedingt funktionierte. Auch das Anlaufen gegen Tunesiens 5-3-Stellung oder zunehmende 5-4-1-Ansätze mit Chikhaoui links fiel ihnen schwer. So musste der umstrittene Elfmeter in der Nachspielzeit den Ausgleich bringen. In der Verlängerung wurde die Partie offener, hektischer und unstrukturierter. Die Gastgeber konnten in strategischer Hinsicht ihre offensive Spielweise fortsetzen und brachten unter den neuen Umständen ihre Ansätze nun etwas besser durch, woraus indirekt auch der Freistoßtreffer Balboas in der 102. Minute resultierte. Anschließend stellte Tunesien auf eine Mischformation aus 4-3-3, 4-4-2 und 4-3-1-2 um, spielte das Potential in den Verbindungsräumen aber kaum aus und fand erst sehr spät Ansätze im rechten Halbraum, was unter anderem auch wegen der knapp bemessenen Nachspielzeit jedoch nicht mehr für ein Comeback reichte.
Ghana – Guinea 3:0
Anstelle der in der Gruppenphase auch schon genutzten 3-5-2/5-3-2-Formationen mit herausrückenden Achtern entschied sich Ghanas Trainer Avram Grant gegen Guinea wieder für ein 4-4-2. Die beiden Angreifer konzentrierten sich im Pressing auf das Zustellen des gegnerischen Sechsers im 4-1-4-1, während die eigenen defensiven Mittelfeldakteure dahinter leichte Mannorientierungen nutzten. Diese brachen sie bei Bewegungen zum Flügel aber meist mit gutem Timing ab und rückten nur bei vertikalen Aktionen weiter mit heraus, zogen diese Läufe dann auch weiter und machten vorne Druck, um den Gegner zum Rückzug und Neuaufbau zu zwingen. Einige Male zeigte Guinea neben dem Zurückfallen des Sechsers auch nach links herauskippende Aktionen von Constant, doch wegen der breiten Außenstürmer und den zwar aktiven, wie ambitionierten, aber doch eher hohen Bewegungen Contes fehlte es dabei an Anbindungen nach vorne, so dass dieses Mittel seine Wirkung nicht entfaltete. Daher kam Guinea nur sehr inkonstant nach vorne, da auch Ansätze über die Flügel von Ghanas herausrückenden Außenspielern gut abgefangen wurden. Selten gelang es den Mannen um Ibrahima Traoré dagegen, die kleineren Rechtsüberladungen mit dem ausweichenden Mittelstürmer zu initiieren. Nach längeren Zuspielen in den Raum hinter Baba versprühten Sylla und Conte dort ein wenig Gefahr, doch insgesamt gab es kaum Torchancen für die Truppe von Michel Dussuyer. Auch einzelne Mittelfeldrochaden, mit denen sie in tiefen Zonen manchmal die gegnerischen Stürmer ausmanövrieren konnten, wurden nicht für konsequentes, raumausschöpfendes Aufrücken genutzt, sondern mit frühzeitigen längeren, unstrategischen Zuspielen teils verschwendet.
Mit dem schnellen 1:0-Führungstreffer im Rücken konnte sich Ghana auch auf diese Verteidigungsarbeit konzentrieren und Guinea den ineffektiven Ballbesitz überlassen. Dieser Treffer hatte allerdings den Grundsatz der offensiven Strategie der Black Stars aufgezeigt – schnelle Flügelüberladungen auf links samt Bespielen der oft zu unpassenden Mannorientierungen des Gegners in der Abwehrreihe. Dafür bauten sie aus dem linken Halbraum mit Wakaso und dem häufig tief helfenden Ayéw auf, spielten über Letzteren sowie den aufrückenden Baba nach vorne und ließen Appiah aus dem Sturmzentrum immer wieder seitlich ausweichen. Gegen das etwas seltsame, wechselhafte Verschieben Guineas konnte dieser in der vierten Minute am Strafraum entlang dribbeln, Ayéw bedienen, dessen Hackentrick Gyan durchließ, so dass Atsu ballfern einschießen konnte. Anschließend stand das 4-1-4-1 von Guinea in vielen Momenten zumindest recht stabil, da sie durch einzelne Rückfallbewegungen und Positionsübernahmen einige gute, wenngleich teils unbewusste Lokalkompaktheiten herstellen und Ghana damit abblocken konnten. Dennoch war das Ganze recht wechselhaft, da durch die teils seltsamen Mannorientierungen oder Herausrückbewegungen der sonst recht passiven Achter auch zentrale, oval förmige Zwischenkanäle aufgingen, die Ghana nur nicht optimal bespielte. Sobald sie dadurch jedoch mal in die vordere Linie kamen, wo sie mit guten Stürmerbewegungen die Mannorientierungen aufweichten, wurde es jedoch sofort gefährlich.
Das 2:0 kurz vor der Halbzeit war dann zu allem Überfluss auch noch ein Geschenk der Defensive Guineas, als Innenverteidiger Sankoh unter leichtem Gegnerdruck im Anschluss an einen eigenen Einwurf einen misslungenen Befreiungsschlag produzierte und Appiah alleine vor dem Keeper einschieben konnte. Nach etwa einer Stunde sorgte Atsu mit einem Sonntagsschuss aus eher ungefährlicher seitlicher Position, der allerdings nach langem Ball die teils problematischen, zugrifflosen Zwischenlücken Guineas andeutete, für die Entscheidung zum 3:0. Anschließend zog sich Ghana im 4-4-2/4-4-1-1 weiter zurück und betonte stärker eine horizontal kompakte Ausrichtung mit engen Außenspielern. Dagegen versuchte Guinea durch Flügelüberladungen anzulaufen, wofür auf links beispielsweise diagonale Aktionen des Außenverteidigers eingebracht und auch die Bewegungen Constants besser genutzt wurden, der nun neben den versetzten gegnerischen Stürmern aus dem Halbraum heraus antrieb. Beispielsweise durch den herüber kommenden Traoré gab es einige Ansätze und angedeutete Überzahlen, doch ganz entscheidend kam das Team gegen die soliden Ghanaer nie durch, zumal einige Szenen durch unpassende Raumwechsel auch wiederum selbst zunichte gemacht wurden.
Elfenbeinküste – Algerien 3:1
Zum Abschluss der Viertelfinals trafen schließlich noch zwei der größten Namen des Turniers im Topspiel aufeinander. Die Ivorer unter Hervé Renard praktizieren nach personellen Veränderungen seit der WM eine 5-2-3/5-4-1-Formation, die durch aufrückende Bewegungen Auriers und aufgrund der etwas asymmetrischen Sturmanordnung Tendenzen zu einem 4-2-3-1/4-4-1-1 aufwies. Bei den Algeriern führt der neue Trainer Christian Gourcuff mittlerweile im Sinne der formativen Grundanlage den Weg vom Ende der Weltmeisterschaft fort – das 4-2-3-1/4-4-2 zeichnet sich vor allem durch eine abwartende und abgetrennte Ausrichtung der Doppel-Sechs aus. In der Anfangsphase war sein Team überlegen, konnte den Gegner nach hinten drücken und das ruhige, saubere Aufbauspiel über die Innenverteidiger und Sechser demonstrieren. In den vorderen Zonen war dann Brahimi ein sehr dominanter Akteur, der viele Zuspiele für Dribblings erhielt, sich häufig zum Ball hinbewegte und meist auf der aktiven linken Seite zu finden war, wo teilweise auch der pendelnde Feghouli sich zum präsenten Mahrez gesellte.
Bei diesen Seitenüberladungen verschoben die Ivorer aber konsequent und setzten mit einzelnen Mannorientierungen – meistens auf die beiden Außenspieler und durch den ballnahen Sechser gegen Brahimi – ihre Physis ein. Gelegentlich konnte sich Algerien mit tiefen Rochaden daraus lösen, doch der andere unterstützende Sechser in Verbindung mit den zentralen Verteidigern würgte Tempoaufnahmen aus den Halbräumen meistens ab. Hier zeigte sich ein großer Vorteil der Fünferkette für die Ivorer, die das athletische Potential ihrer Abwehrspieler im Herausrücken mit dieser Formation sehr wirksam betonen konnten. Da Algerien die eigenen Überladungen oft diagonal in die Schnittstellen ziehen wollte, durften Kanon und vor allem Bailly auch in der Tiefe immer wieder dorthin hinein rücken und klären, wenn gefährliche Ansätze drohten. Immerhin gelang es den Algeriern – auch wenn sie vor der Halbzeit kaum klare Chancen erspielen konnten – gut, durch ihre tiefbleibenden und eng absichernden, sich aber eben kaum einschaltenden Sechser wirksam ins Gegenpressing zu kommen und damit potentiell gefährliche Szenen über Bonys Ablagen sowie die Schnelligkeit von Gervinho und Gradel fast vollständig zu verhindern.
Nach der Anfangsphase kamen die Ivorer besser ins Spiel, nahmen vermehrt das Zepter in die Hand und konnten dabei einige Male die Ambivalenz der algerischen Defensive aufdecken. Diese präsentierte sich zwar in einer soliden 4-4-2-haften, raumorientierten Spielweise anstelle der klaren Manndeckungen vom WM-Turnier und hatte einige ordentliche Momente durch gegen die Sechser einrückende Bewegungen der ballfernen Außen, doch wies auch Schwierigkeiten auf.Die Stürmer rückten nicht immer konsequent nach hinten, die Gesamtausrichtung war etwas lasch und zu passiv, so dass Überzahlen gegen die ivorischen Sechser innerhalb des Blocks kaum genutzt werden konnten, und man ließ gelegentlich ballfern diagonale Zwischenlöcher. Problematisch war vor allem der eher ineffektive, da zu isolierte Versuch der Flügelspieler, die Passwege der gegnerischen Halb- auf die Außenverteidiger zu verschließen – sowohl im höheren Anlaufen als auch tief abwartend bei deren Vorstößen. Das Kollektiv verschob zu lasch hinterher, so dass die Deckungsschatten über kurze Pässe in die Mitte und anschließende Rückverlagerungen nach außen geknackt werden konnten.
Allerdings nutzten die Ivorer diese verschiedenen Probleme Algeriens lange Zeit nicht wirklich gut aus und gingen auch mit diesen Flügelszenen bis auf wenige Ausnahmen nicht optimal um. Die horizontale Zirkulation im Sechserraum wurde lange Zeit gescheut, sondern stattdessen sehr frühzeitig zum langen Ball in einen Halbraum Richtung des ausweichenden Bony gegriffen. Meistens rückte aber kaum jemand nach – abgesehen vom nahen Sturmpartner, dem Wing-Back und eventuell mal noch Yaya Touré. So war insbesondere die – trotz vieler Rochaden – phasenweise enttäuschende Verbindungslosigkeit innerhalb der Offensivabteilung ein zentrales Problem der Ivorer, das auch gelegentliche Halbraumvorstöße des Kapitäns nur bedingt auffingen.
Erst als sie die Vorstöße der Halbverteidiger, auf die Algerien schwach reagierte, etwas intensivierten, kamen sie zumindest zu gelegentlichen Szenen. Die Probleme blieben zwar, doch wurden in ihrer Wirkung abgeschwächt – nun gab es dennoch die eine oder andere Möglichkeit. Gerade wenn die vorstoßenden Bailly oder Kanon einen der Offensivspieler durch Provozieren von Herausrücken in Zwischenräumen freispielten, war dies der Fall. Beim Führungstor wurde eben nur ein Freiraum für Gradel zur simplen Flanke geöffnet, doch war dies eben wegen der beschädigten algerischen Organisation dann effektiver. Daneben gab es noch ein oder zwei weitere Gelegenheiten, unter anderem einen Flügeldurchbruch Gervinhos.
Kurz nach der Pause gelang es den schon zuvor wieder dominanter gewordenen Algeriern allerdings mal, die ivorische Defensive zu knacken. Auf links versuchten sie deren Mannorientierungen – wie bei der Großchance zum 1:2 – nun etwas weiträumiger zu bespielen, wenngleich der 1:1-Treffer nach Vorarbeit von Mahrez per Hereingabe von der Grundlinie aus einer Umschaltsituation nach einem Befreiungsschlag resultiert war. Über einzelne aufrückende Bewegungen aus den hinteren Bereichen erhöhten die Nordafrikaner anschließend ihre Kontrolle gegen die zunehmend tieferen Ivorer nochmals. Es gab dabei einige kombinative Ansätze durch die Mitte, bei denen Brahimi aber teils zu isoliert gegen mehrere physische Gegner agieren musste. Es kam in diesen Phasen sehr stark auf die Passentscheidungen der Hintermänner an, ob sie ihn in passenden und mit genügend Unterstützung versehenen Situationen bedienten oder nicht.
Gelegentlich hatten die Ivorer etwas Entlastung und gewisse Szenen über kleinere seitliche Interaktionen. Da sie gegen ein etwas stringenteres und kohärenteres Pressing Algeriens ansonsten das Leder höchstens funktional im Mittelfeldband laufen lassen konnten, fiel das 2:1 per Standardsituation Mitte des zweiten Durchgangs ein wenig überraschend. Kurz zuvor hatten sie mit der Herausnahme Tiénés für Doukoré auf ein zentral präsenteres 4-3-3 umgestellt. In der Schlussphase wechselten die Ivorer dann aber für Stabilität teilweise wieder auf eine Fünferkette zurück, nachdem Algerien die Angreifer Belfodil und Slimani für ein 4-4-2 gebracht hatte. Der Ausgleich gelang ihnen allerdings nicht mehr, wohingegen die Ivorer in der Nachspielzeit zum 3:1 konterten und in einem ausgeglichenen, von verschiedenen Stärken und Schwächen geprägten Duell zweier guter Teams das bessere Ende für sich verbuchten.
Zu allen bisherigen Analysen der Afrika-Cups 2012, 2013 und 2015
5 Kommentare Alle anzeigen
Kevin Leyk 4. Februar 2015 um 12:42
Kurz: Serey Die ist ein vertikaldynamischer, gegen den Ball sehr aggressiver Ballverteiler mit grundsätzlich großen Kompetenzen im Sechser-/Achterraum. Weitere Infos bei Bedarf. 😉
king_cesc 4. Februar 2015 um 13:33
„gegen den Ball sehr aggressiver Ballverteiler“ -> was bedeutet das?
Kann er als alleinige 6 agieren? Oder ist er hier eher mit Behrami vergleichbar, der mit seiner Dynamik gegnerische Angriffe abwürgt?
LM1895 4. Februar 2015 um 14:39
Könnte ihn mir als Solosechser als nicht so tausendprozentig vorstellen, in seiner aggresiven Spielweise mit extrem viel rausrückenden Bewegungen bleibt da wohl an und zu mal etwas zu viel Raum 😉 er ist da wirklich eher vertikal- als horizontaldynamisch…aber z.B. Als linker Achter, der mit Ball etwas zurück fällt und mit ankurbelt, kann ich ihn mir bei Stuttgart gut vorstellen. Hab ihn aber auch nur bei der WM und jetzt beim Afrikacup gesehen. Auf jeden Fall wäre Stuttgart mit ihn garantiert nicht so passiv im Zugriff, wie es hier in diesem Spiel wohl gewesen sein muss. Der Kerl ist schon ein echter Giftzwerg 😉
LM1895 4. Februar 2015 um 14:44
Hups, ist ja die Kommentarsektion zum Afrika-Cup, gar nicht zu Stuttgart – Gladbach 😀
Dann korrigier ich doch auch gleich zu *aggressiv und *ab und zu 😉
Max 4. Februar 2015 um 12:20
Könnt ihr was zu Serey Die sagen? Irgendjemand muss den ja mal gesehen haben… 😉