Getafe mit achtbarer Leistung im kleinen Madrider Stadtderby

0:3

Dank anpassungsfähiger Defensive und guten Ansätzen im ruhigen Ballbesitzspiel hält Getafe gegen Real Madrid lange die Null. Mit dem deutlichen 0:3 werden sie am Ende unter Wert geschlagen.

get-rmaUm 12 Uhr mittags bereits stand am Sonntag im Coliseum Alfonso Pérez das kleine Madrider Stadtderby zwischen Getafe – seit zwei Partien unter Quique Sánchez Flores als neuem Trainer – und Real Madrid an. Nach einem mäßigen Start ins neue Jahr brachten die Königlichen praktisch ihre derzeit mögliche personelle Bestbesetzung in der 4-4-2/4-3-3-Mischformation aufs Feld. Gegen diese Herausforderung zeigte Getafe eine überraschend starke Leistung, ließ lange Zeit nur wenige klare Chancen zu und konnte entsprechend bis in den zweiten Durchgang hinein das Remis halten. Aus ihrer zwischen 4-4-2 und 4-2-3-1 wechselnden Anordnung brachten sie einige gute Defensivmechanismen und Umformungen ein, die für diese Performance verantwortlich waren.

Die defensive Anpassungsfähigkeit Getafes

Wenn beispielsweise Cristiano Ronaldo sich weiter nach hinten fallen ließ, rückte Alexis teilweise extrem aggressiv mit heraus, der ballnahe Außenspieler Pedro León ging etwas in den Halbraum oder übernahm die Deckung und es wurden 3-4-3-Systematiken gebildet.Eine andere Möglichkeit waren die situativ zurückfallenden Bewegungen der Sechser, die dadurch stabile 5-4-1-Variationen herstellen konnten. Auch individuell bewegten sich Juan Rodríguez und Diego Castro dabei gut – Letzterer schob beispielsweise manchmal bewusst etwas breiter in den Halbraum, um Einrückbewegungen von Bale aufzufangen oder dessen Verbindung zu Isco abzuschneiden. Auf der anderen Seite nahm Rodríguez einige Male Mannorientierungen gegen seinen Namensvetter James auf, wenn dieser im Gegenzug für Ronaldo auf die Außenbahn rochierte, und stellte dadurch erneut ein asymmetrisches Fünferkettensystem her.

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Alexis rückt gegen Cristiano heraus, den dann Pedro León übernimmt. Getafe verschiebt bewusst ins 3-4-3-Hafte.

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Getafe in einer 5-4-1/5-3-1-1-Stellung mit zurückgefallenem Sechser

Diese verfolgenden Aktionen wurden jedoch anpassungsfähig ausgeführt, was sich in flüssig ablaufenden kreiselnden Übergabemechanismen zwischen ihm, Alexis und Pedro León oder dem ballnahen Innenverteidiger äußerte. Überhaupt sicherte Getafe die weiträumigeren Momente ihrer Mittelfeldakteure passend ab, indem der jeweils frei bleibende Sechser sehr bewusst liberoartig die Besetzung des Sechserraums übernahm und häufig auch der ballnahe Außenspieler diszipliniert mit in den Halbraum einrückte.

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Mannorientierte Übernahmebewegungen von Alexis gegen James und Juan Rodríguez gegen Cristiano Ronaldo

Durch diese engen und versetzten Stellungen gelang es Getafe gerade auf der rechten Defensivseite, die Madrilenen zu Pässen auf die Seite in eher ungefährliche Bereiche zu leiten. Beim Nachschieben waren sie durchaus kompakt, aber nicht immer konsequent und druckvoll genug. Zudem sicherten sie einige Male vom Gegner unterbesetzte Bereiche zu stark und waren dann anderswo leicht instabil.

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Getafe mit interessant, aber etwas seltsam gestaffeltem Nachschieben, doch die entstehende Lücke für das diagonale Zuspiel ist aufgrund Cristianos Isolation in zentraler Position nicht besonders dramatisch.

Zunächst konnten die Madrilenen dies trotz 14 Abschlüssen im ersten Durchgang nicht wirklich ausnutzen, da ihnen häufig die ambitionierte Unterstützung im Bewegungsspiel für das konsequente Ausspielen lokaler Szenen fehlte. Gerade Bale und Isco konnten bei den Ansätzen über den dominanten halblinken Bereich zu selten eingebunden werden und hingen unscharf im ballfernen Halbraum. Die gelegentlichen Fehler Getafes bespielte der CL-Sieger ansatzweise zwar durchaus intelligent und brachte einige gefährliche diagonale Pässe in Strafraumnähe an, doch war die Entscheidungsfindung dabei strategisch etwas zu willkürlich und der Rhythmus nicht zielgerichtet genug. So konnte die gute Endverteidigung des Außenseiters den individuell eigentlich überlegenen Gegner häufig noch rechtzeitig stoppen. Die besten Real-Szenen vor der Pause entstanden über Aktionen Marcelos, bei denen dieser etwas Zug aus seinen seltsam seichten Positionierungen aufnahm und diagonales Zusammenspiel initiierte.

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Diego Castro (breitet zentral die Arme aus) hat Bale diagonal in die letzte Linie verfolgt. Sein Partner sichert den Sechserraum, Alexis ist wiederum herausgerückt, die Madrilenen haben in diesem Beispiel – auch durch suboptimale Einbindung der halbrechten Akteure – praktisch keine zentraloffensive Präsenz.

Ruhige Ballbesitzansätze und vergebenes Potential

Nicht nur in der Defensive, sondern auch mit Ball zeigte Getafe einige gute Ansätze und technisch feine Aktionen. Diese liefen vor allem über die hervorragenden und in ihrem geschickten Bewegungsspiel teils etwas nach außen gehenden Sechser, die zusätzlich durch den zurückfallenden Sammir unterstützt wurden. Damit hatten sie in diesen Bereichen klare Überzahlen gegen ein eher intensitätsarmes Pressing der Königlichen. Da sich vor allem Cristiano Ronaldo kaum beteiligte und auch Benzema eine eher passive Rolle einnahm, verteidigten diese nicht wirklich kollektiv, konnten ihre beiden Viererketten nur in einer ablenkenden, verhindernden Ausrichtung spielen lassen. Wirklichen Druck oder Zugriff auf die Aufbaubemühungen des Teams von Sánchez Flores zu erzeugen, waren die Madrilenen praktisch nie imstande. Mit gutem und sauberem Ballbesitzspiel aus den Halbräumen heraus hatten – gerade auf halblinks mit einigen präsenten Überzahlen – die Hausherren einige gute Momente und konnten die Gäste phasenweise immer mal wieder zurückdrängen. Das Vorspielen ging effektiv von der Hand – wenngleich es gegen Phasen besserer Horizontalkompaktheit beim Ancelotti-Team natürlich schwieriger wurde – und in den Aufrückbereichen zeigte Getafe einen sehr guten Rhythmus, viel Bewusstheit, saubere Aktionen und vor allem immer wieder viel kollektive Ruhe am Ball.

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Ballbesitzspiel durch nach links geschobene Sechser I

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Ballbesitzspiel durch nach links geschobene Sechser II

Auch im letzten Drittel gab es einige überladende Ansätze, doch waren diese zu inkonstant in der Unterstützung. Gerade die Einbindung vom teils etwas vorschnell aufrückenden Sammir und dem eher simpel diagonalen Pedro León war nur sporadisch vorhanden – dann halfen sie auch mal zusätzlich im Halbraum mit, doch reichte dies insgesamt nicht für besondere Durchschlagskraft aus. So scheiterte es letztlich am Ausspielen und es kamen für die Blauen nur zwei Schüsse vor bzw. vier nach der Halbzeit – davon insgesamt keiner auf das Tor – zustande. Das allergrößte Problem in den Bemühungen der Mannschaft und ein zentraler Grund für diese Statistik lagen überdies in ihrem problematischen Pass-Fokus. Mit zunehmender Dauer kamen aus den gut besetzten und ruhigen, also vielversprechenden Aufbauszenen ab dem Übergangs ins vordere Drittel viel zu viele vorschnelle und überambitionierte Pässe auf einzelne Läufe von Vázquez oder Pedro León direkt hinter die letzte Linie.

Dieser übertriebene Fokus raubte ihnen das eigene Potential jedoch und verschwendete die mögliche Nutzung der Ansätze, die sie ausgewogener durch die Angriffszonen zum Strafraum hätten tragen müssen. Auch bei Konteransätzen war dies oft ein Problem, so dass die interessanten Ansätze über den das Gegenpressing auflösenden Sammir nicht wirklich etwas einbrachten. Einige Male durchspielte Getafe zwar ansehnlich das Mittelfeld, war anschließend aber zu sehr auf die Passgebung zum Mittelstürmer fokussiert, dessen individuelle Unterlegenheit gegen die dynamischen Ramos und Varane die Umschalt- Durchschlagskraft des Teams erheblich verringerte. Generell war eine solche Art von Zuspielen – einmal gab es eine unberechtigte Abseitsstellung als Ausnahme – also für Reals Defensive ein gefundenes Fressen. Durch die rhythmisch gute Anpassung der eigenen Passivität im Mittelfeldband provozierten sie diesen Aspekt taktikpsychologisch sogar ein wenig mit.

Real Madrid entscheidet das Spiel nach dem Wechsel

Zum Ende der ersten Halbzeit wurden beide Teams etwas 4-4-2-hafter und die Strukturen einfacher, was für die Madrilenen die eine oder andere zusätzliche Tormöglichkeit zur Folge hatte. Nach dem Seitenwechsel verlor Getafe an vertikaler Kompaktheit in der Defensivarbeit und an Konsequenz in den Rückzugsbewegungen, was letztlich zunehmend in Szenen mündete, bei denen Real mit der Offensivabteilung auf 4-2- oder 4-3-Reststellungen kurz vor dem Strafraum zulaufen konnte. Zunächst spielten sie dies zu Getafes Glück nicht wirklich gut aus, doch letztlich sollte nach einem Schnellangriff mit Raum doch der Führungstreffer fallen – nach 63. Minuten konnte der Außenseiter das Remis nicht mehr halten.

Allerdings entstand der Treffer aus dieser nicht optimal genutzten Möglichkeit auch erst dank einer absurden individuellen Vorarbeit Benzemas. Der anschließende Doppelschlag, als Bale nur vier Minuten später im Anschluss an einen Konter nach gegnerischer Standardsituation das 0:2 erzielte, sorgte für die schnelle Vorentscheidung, ehe Cristiano Ronaldo in der Schlussphase noch auf 0:3 stellte. Die Statistiken passten am Ende durchaus zu jenem klaren Endresultat, doch alles in allem wurde Getafe, das viele gute Ansätze zeigte, vom ordentlich, aber nicht besonders stark agierenden Tabellenführer doch unter Wert geschlagen.

Vielen Dank an laola1.tv für das Bildmaterial!

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