Lazio pressingstärker und weniger offensivschwach im Duell wechselnder Anordnungen
Mit einer stabilen Leistung dominiert Lazio im Verfolgerduell gegen Sampdoria, die trotz interessanter Ansätze letztlich im Pressing keine kohärente Stabilität erzeugen konnten.
Schon direkt zu Beginn sorgte die Begegnung für eine kleine Besonderheit, da sich Sampdoria in einer unorthodoxen Anstoßaufstellung positionierte, um radikale Offensivpräsenz für einen frühzeitigen langen Ball in den ersten Minuten zu erzeugen. Auch wenn die Idee – in Anlehnung an Zdenek Zeman – keinen Erfolg hatte, unterstrich sie doch die leichte Verrücktheit, die Sampdoria unter dem ehemaligen serbischen Nationalspieler Sinisa Mihajlovic auszeichnet – Asymmetrien, größere Umschiebungen bis hin zu Mischformationen, Mannorientierungen, Bewegungsreichtum. Die eigentliche Anordnung entsprach in dieser Begegnung am ehesten einer Mischung aus 4-3-3 und 4-3-1-2, wobei gerade die Aufteilung auf halbrechts zwischen Soriano, Rizzo und Éder immer mal wieder wechselte. Auf der anderen Seite nahmen die Hausherren ihre übliche 4-3-3-Grundformation ein, die auf den offensiven Außenpositionen mit Felipe Anderson und Mauri kreativ besetzt war sowie in Lulic einen situativ nach außen gehenden Achter aufwies.
Lazio mit engem 4-3-3 und Übergaben
Im Pressing behielten die Gastgeber ihre Formation bei, wechselten aber auch in ein 4-1-4-1 oder ein 4-4-2, wobei manchmal beide Achter weiter herausrückten und situative Mannorientierungen aufnahmen. Zudem waren diese unterschiedlichen Optionen mit bedingt durch die gelegentlichen Aufbaudreierketten, die bei Sampdoria sowohl durch das nicht immer optimal eingebundene Zurückfallen von Palombo als auch eine Ungleichmäßigkeit der Außenverteidiger entstanden. Phasenweise schob Regini auf links deutlich höher als sein Pendant, worauf die insgesamt solide verteidigenden Laziali aber gut reagierten. Ihre Außenstürmer rückten situativ in engere Positionierungen ein, um die Mitte zu verdichten und optional die entstehenden Halbverteidiger zustellen zu können, anstatt die gegnerischen Außenverteidiger konstant zu verfolgen. Auf links rückte stattdessen Basta weit auf Rigoni heraus und verengte jene Seite, während dahinter meistens lose Mannorientierungen der Innenverteidiger auf die gelegentlich zurückfallenden Okaka und Éder praktiziert wurden.
Wenn diese vereinzelte Halbraumlücken öffnen und ein Mittelfeldmann dort mit direkten Pässen der Verteidiger gefunden werden konnte, strahlte Sampdoria ebenso wie über individuell ballhaltende Aktionen der Angreifer im letzten Drittel vereinzelt Gefahr aus, doch agierte Lazio in der Strafraumverteidigung überzeugend, drängte die Ansätze leicht ab und fand letztlich noch in defensive Überzahlen hinein. Auf den Flügeln konnten sie mit ihren Übergabemechanismen auf die meisten Situationen reagieren – bei einer Verlagerung auf den vorstoßenden Rigoni ging eher Basta heraus, während Felipe Anderson nur kurz verfolgte und dann stattdessen absichernd in den Halbraum hineinfiel. Kleinere Lücken im Zentrum zwischen einzelnen Mannorientierungen, in die Sampdoria mit ihrer etwas chaotischen Formationsinterpretation mal einzelne Spieler freibrachte, wurden von diesen nicht immer gut genug bespielt.
Guten Pressingansätzen fehlt die tragende Gesamtstruktur
Dieser leicht chaotische Aspekt zeigte sich bei den Gästen auch in der Arbeit gegen den Ball, wo sie durch einzelne Mannorientierungen und herausrückende Abwehrspieler gelegentlich etwas undeutliche Anordnungen formten. Grundsätzlich wollten sie jedoch in einer 4-3-Grundstellung als Basis agieren, vor der sich die drei Offensivkräfte im Pressing in wechselnden Stellungen postierten. Am häufigsten war ein etwas verengtes 4-3-3 mit unterschiedlichen – Rizzo, Éder oder Soriano zentral – Besetzungen, das dementsprechend schnell zu einer Raute – der zweiten Möglichkeit – werden konnte, wenn sich der mittlere Akteur zurückzog. Gelegentlich gab es auch mal verschobene 4-4-2-Ansätze zu sehen, die aufgrund ihrer Asymmetrie ebenso ins 4-3-3 übergingen. Ihre besten Momente hatten sie, wenn sie Lazio im Aufbau auf der Seite festnageln konnten, wofür beispielsweise gegen Basta Regini sehr weit aufrückte und – bei einschiebenden ballfernen Kollegen – zusammen mit Obiang oder Okaka presste, der wiederum auch noch Biglia im Deckungsschatten behalten sollte.
Allerdings war dies zu selten der Fall – stattdessen überwogen die Phasen und Szenen, in denen sie Probleme hatten. Zu Beginn zeigte sich ihr Pressing in vorderster Linie eher unstrukturiert und die verschiedenen Anordnungen ungeschärft, weshalb sie löchrig wurden und den Hausherren in einer noch nicht eingependelten Partie zu einfach das Aufrücken gestatten mussten. Anschließend gewannen sie zwischenzeitlich Stabilität und konnten die Vorteile ihrer Mischformation hier am stärksten einbringen – die Stürmer agierten in einer Zwischenposition und blockierten die Zirkulation innerhalb der Verteidigung, der jeweilige Zehner versuchte Biglia im Deckungsschatten zu halten und situativ aufzurücken, während die Achter sich mannorientiert an ihren Pendants Parolo und Lulic orientierten. Allerdings fand Lazio etwa ab der 15. oder 20. Minute immer besser zuverlässige Wege gegen diese Methodik und konnte dadurch nach vorne herausspielen.
Entscheidend dafür waren die Aufmerksamkeit im Passspiel der Innenverteidiger sowie das starke Bewegungsspiel der Achter, die gegen die mittleren Mannorientierungen Sampdorias teils hervorragend arbeiteten. Ein beispielhafter Weg zum Knacken dieser Zuordnungen und dem Aufdecken der Unkompaktheiten zwischen den jeweiligen Linien der Gäste konnte folgendermaßen laufen: Lulic wich etwas nach außen aus, erhielt einen direkten Pass von Cana in den Halbraum und legte ihn auf Biglia ab, der somit über diesen Umweg aus dem Deckungsschatten des herausrückenden gegnerischen Zehners befreit werden konnte. Anschließend zog der in dieser Hinsicht sehr bewusst agierende Parolo mit einem leicht nach links gehenden Lauf seinen Gegenspieler mit und öffnete dadurch einen vertikalen Zwischenkorridor im rechten Halbraum für das dortige äußere Pärchen der Laziali. So konnten Felipe Anderson und der hinter Okaka vorrückende Basta, der teilweise die engere und balltreibende Rolle einnahm, viel Raum erhalten und einfach bis zur gegnerischen Viererkette aufrücken.
Beim Ausspielen dieser Szenen über jene dominante rechte Seite war Lazio allerdings viel zu lange klare, simple Flügelszenen ausgerichtet und folgte dabei nur simplen Mustern. Über Offensivpräsenz, einige gute Entscheidungen in der anschließenden Ballzirkulation oder geschickten Überladeansätzen erzeugten sie dennoch die eine oder andere Chance und zur Halbzeit ein Abschlussübergewicht von 12:0. Kurz vor dem Pausentee war es auch ein Doppelschlag der Römer, die die Begegnung vorzeitig entschied – erst nach einem der häufiger werdenden Schnellangriffe, bei denen die Seitenbesetzung der Außenstürmer vermehrt getauscht war, und anschließend durch einen Distanzschuss Felipe Andersons nach einer Ecke, der an allen Treffern individuell entscheidend beteiligt war. Zwischendurch gab es für die Hausherren immer mal wieder einige Szenen, in denen sie die Pressinglinien Sampdorias – in jeweils unterschiedlichen Anlagen – zu leicht über Zwischenlücken überspielen konnten, da den Gästen dort die Kohärenz fehlte.
Sampdoria auch nach der Pause harmlos
Aufgrund des 0:2-Pausenrückstandes war Sampdoria nach dem Wechsel zur Initiative gezwungen, konnte aus dem Aufbau aber kaum gefährlich nach vorne kommen. Nun ließen sie beide Außenverteidiger stärker aufrücken und eröffneten eher aus der klareren 4-3-3-Struktur heraus, wobei sich Palombo immer noch oft zurückfallen ließ. Darauf antwortete Lazio mit einem Wechsel aus passiverer und druckvoller Strategie. In ersterem Fall orientierten sie sich in ihrem 4-3-3 in zurückweichenden, begrenzenden Mannorientierungen, verfolgten auch auf den Außen weiter nach hinten und wollten bloß den Gegner in Schach halten sowie allzu gefährliche Szenen vermeiden. Daneben gab es aber auch Phasen, in denen sie engagierter und systematischer ins Pressing gingen. Dafür rückte einer der Achter in 4-4-2-Ansätze heraus, zog seinen Deckungsschatten mit und sollte leitend agieren. Im besten Fall gelang es ihnen, die gegnerische Zirkulation zur Seite zu lenken und dort mit Achter sowie Mittelstürmer den jeweiligen Innenverteidiger sowie Palombo zuzustellen, während der andere zentrale Defensivmann Sampdorias unanspielbar blieb. Dahinter wurden in die nachrückenden Bewegungen weitere Mannorientierungen – durchaus auch des ballfernen Achters gegen sein Pendant sowie der Verteidiger – eingewebt.
Damit konnten sie die gegnerischen Versuche meistens blockieren, die sich nun stärker auf Überladungen der rechten Seite mit Soriano und Wszolek sowie dem weit ausweichenden Okaka fokussieren wollten, dabei aber wenig Erfolg hatten. Dass die Hausherren so lange ungefährdet blieben, lag dabei auch an den Problemen dieser Offensivanlage Sampdorias, die die gewissen Schwächen oder Risiken in Lazios Konzept kaum aufdecken konnte. Bei versuchten Flügelüberladungen – in Halbzeit zwei gerade auch auf links – standen sie vertikal zwar durchaus gut gestaffelt, in horizontaler Anordnung allerdings nicht. Ihre Akteure befanden sich in engen Abständen innerhalb des äußeren Halbraums und formten damit gewissermaßen einen spitzen bespielbaren Kegel, doch daneben blieben die stärker zur Mitte gehenden Bereiche zu oft unbesetzt, was Lazio die Verteidigung erleichterte und die eigenen Optionen beschnitt. Das zweite Problem betraf das Vorgehen gegen die Mannorientierungen der Hauptstädter, die zwar nicht schlecht ausgeführt waren, aber schon vor Herausforderungen hätten gestellt werden können. Dafür wären die zurückfallenden Bewegungen beispielsweise von Okaka ein effektives Teilmittel gewesen, doch fehlte es an der Balance in den umliegenden, damit verknüpften Läufen.
Die nahen und potentiell zu öffnenden Räume wurden nicht ausgewogen besetzt, sondern die Mittelfeldakteure zogen als Gegenzug zum Zurückfallen des Angreifers meist nur gleichförmig in die Spitze hinein und suchten sich einen Platz nahe der letzten Linie. So wurde Okaka bei seinen Versuchen aber isoliert, da von hinten sein Gegenspieler nachrückte, während er von vorne quasi durch die zurückfallenden Bewegungen der Sechser und Achter Lazios eingekreist und gepresst werden konnte. Auf diesem Wege entstanden einige Ballgewinne für die Hausherren, doch es war letztlich ein Schnellangriff über halbrechts – eingeleitet von de Vrij mit einem Vertikalpass zwischen die flachen, unverbundenen gegnerischen Linien – mit anschließender Einzelaktion Felipe Andersons, der Mitte des zweiten Durchgangs das 3:0 brachte und die Begegnung entschied. Erst nach diesem Treffer gelang Sampdoria der erste von insgesamt nur zwei Abschlussversuchen, was ihre Schwierigkeiten in der Offensive illustrierte. Die Umstellung auf ein 4-4-2 mit dem eingewechselten Bergessio als zusätzlichem Stürmer kurz nach dem dritten Tor brachte keine entscheidende Veränderung mehr, sondern schwächte die fehlende Kompaktheit im Pressing noch zusätzlich. Lazio kam daher recht simpel ins Mittelfeld hinein, konnte das Leder laufen lassen, etwas Ballbesitz sammeln. Über diagonale Aktionen von Linksverteidiger Cavanda mit anschließenden Ablagen – gerade von Mauri – hatten sie noch einige spielerisch gute Ansätze.
Fazit
Ein absolut verdienter Sieg für die Hausherren nach einer dominanten und überzeugenden Vorstellung gegen ein diesmal zu unstrukturiertes sowie teils unverbundenes Sampdoria. Die Hausherren unter Stefano Pioli machen einen gefestigten, engagierten und soliden Eindruck, so dass sie sich vorerst auf dem dritten Rang der Serie A festsetzen konnten. Dagegen wirkte Sampdoria instabiler, wenngleich dies erst ihre zweite Saisonniederlage war – nur sorgt die teils forsche, etwas chaotische Ausrichtung durchaus für Schwankungen. Alles in allem zeigen die Mannen aus Genua jedoch eine interessante Entwicklung und stehen in der Tabelle so vielversprechend da wie lange nicht mehr.
8 Kommentare Alle anzeigen
Michael Maier 8. Januar 2015 um 00:26
Habe ihn zum ersten Mal gesehen, ein sensationell guter Spieler, und erst 21 Jahre jung. Schnell, frech, schußstark, und sein Passspiel ist blitzgescheit. Ich hoffe auf eine gute Entwicklung. Wie es eher nicht geht, kann man bei Marco Reus verfolgen 🙂
CE 8. Januar 2015 um 08:22
Was ist bei Marco Reus falsch? Er hat sich doch in den letzten Jahren sehr gut weiterentwickelt.
Michael Maier 8. Januar 2015 um 09:55
In der Saison 11/12 hat er bei Gladbach mit 18 Toren und 12 Assists in der Liga seine bisherige Bestmarke gesetzt. Nicht das er danach bei Dortmund schlecht war, aber die Saison vor dem Wechsel war sein „Peak“. Mittlerweile ist er einfach zu oft verletzt. Und einen Führerschein hat er auch nicht.
CE 8. Januar 2015 um 10:13
Wenn man nur nach Scorepunkten argumentiert, dann hatte er letzte Saison seine beste Spielzeit. In Pflichtspielen (nur Verein) wies er 0,954 Punkte pro 90 Minuten in 2011/12 auf. In der Saison danach waren es 0,847. In der letzten Spielzeit waren es 1,19 Scorerpunkte. Die Gesamteinsatzeiten lagen in diesen drei Saisons zwischen rund 3300 und 3700.
„Und einen Führerschein hat er auch nicht.“ – Achso, darum geht es. Ich verstehe.
Michael Maier 8. Januar 2015 um 18:44
Darum geht es am Rande auch, ja. Ich sehe jedenfalls nicht, wo sich Reus „in den letzten Jahren sehr gut weiterentwickelt“ hat. WM verpasst, in dieser Saison mehr verletzt als gesund, und – er hat noch keinen einzigen Titel gewonnen. Klar, wenn er fit ist, ist er ein starker Spieler – aber das war er in Gladbach auch schon.
Rabona 7. Januar 2015 um 19:58
Danke für die Analyse!
Was haltet ihr so von Felipe Anderson?
TR 8. Januar 2015 um 19:25
Mich hat er jetzt zuletzt überzeugt und ich war sogar nach längerem Schauen ein wenig überrascht, wie gut er ist. Nicht nur seine effektive, unaufgeregte Spielweise und eben die steigende individuelle Qualität wie Durchschlagskraft (hatte einen etwas zu starken Fokus darauf befürchtet), sondern auch die Klarheit seiner Aktionen. Er trifft viele – bis auf ein paar seltsame und etwas kontextlose Szenen (vielleicht so einzelne desbalancierte Aktionsorientierungs-Ausbrüche) – gute Entscheidungen, spielt sehr teamunterstützend vom Rhythmus her, agiert ballsicher und rational in Engen (dribbelstark mit wechselnden Tempi, obwohl tlw. recht unsauber), fällt auch mal tiefer zurück, kann defensiv insgesamt überzeugen, ist in seinen kombinativen Aktionen bei den richtigen Begebenheiten sehr fokussiert und balanciert, wenngleich manchmal noch etwas unrund und – was aber keine reine Schwäche in dieser Art ist – etwas simpel. Dabei wirkt sein Engagement kaum mal zu fordernd oder zu dominant, sondern angenehm zuarbeitend fast schon, auch im Spielmachen. Es gibt hin und wieder sogar einige sehr interessante strategische Ansätze in seiner Spielweise. Von daher sehe ich da eine vielversprechende Entwicklung, die so vielleicht nicht zu erwarten war. Mal schauen, was da noch so passiert.
SCP-Poker 8. Januar 2015 um 22:16
Amen.