Ghana – USA 1:2
Jürgen Klinsmanns Team verteidigte über weite Strecken der Partie seine frühe Führung und zeigte dabei gute Ansätze im eigenen Verschieben und Leiten des Gegners. Ghana demonstrierte vor allem seine offensive Durchschlagskraft.
Die Raute US-amerikanischer Prägung
Klinsmann schickte eine leicht veränderte Mannschaft auf das Feld. Zuletzt formierte er das US-Team meist in einem flachen 4-4-2 oder in einer Raute mit Jermaine Jones als Sechser. Allerdings sollte der Ex-Schalker gegen Ghana auf die linke Seite rücken. Dafür kam Kyle Beckerman in die Startelf. Der wichtige Passgeber Michael Bradley spielte zunächst auf der Zehn. Alejandro Bedoya komplettierte die breite Raute.
Gegen den Ball war es dann doch wieder ein flaches Mittelfeldband. Zudem pendelte Bradley bei eigenem Ballbesitz stark vertikal und wechselte häufiger vom Zehnerraum in eine tiefere Stellung im Rücken Beckermans.
Klinsmanns Pendant James Kwesi Appiah vertraute auf das gewohnte 4-4-2. Asamoah Gyan und Jordan Ayew agierten an vorderster Front. Christian Atsu kam über die etwas ungewohntere rechte Seite. Auf der linken Außenbahn wurde Jordans Bruder André Ayew aufgeboten. Der 31-jährige Michael Essien musste zunächst auf der Bank Platz nehmen. Für ihn spielte Mohammed Rabiu als tieferer Sechser hinter Sulley Muntari.
Früher Treffer und die Folgen
Bereits in der ersten Minute ging die USA in Führung. Der überraschende Linksaußen Jones leitete einen Ball sehr gut auf Clint Dempsey weiter. Dieser drang mit einer überragenden Ballmitnahme in den Strafraum ein und ließ John Boye aussteigen. Anschließend setzte der Kapitän das Spielgerät an den Innenpfosten zum 1:0.
Nach diesem perfekten Start für die US-Boys zogen sie sich aber relativ rasch zurück und wurden reaktiver gegen Ghanas Offensivbemühungen. Wie der Matchplan Klinsmanns ausgesehen hätte, sofern dieser Treffer nicht sofort gefallen wäre, ist natürlich nicht klar. Doch von Minute eins an hatte die USA, mit kleinen Ausnahmen, weniger Ballbesitz und verschob vor allem defensiv gut und zugleich laufaufwendig.
Eigene Angriffsaktionen erfolgten vor allem über Bradley, der das Spielgerät wieder einmal sehr klug und präzise verteilte. Gerade in der ersten Halbzeit wirkte der 26-Jährige äußerst dominant im zentralen Mittelfeld. Die Black Stars umspielten zumeist das Zentrum.
Rechtsfokus bei Ghana
Denn sie hatten anscheinend DaMarcus Beasley als Schwachstelle in der US-Defensive ausgemacht und lagen damit nicht ganz falsch. Der Routinier hatte auch in der Vergangenheit immer wieder Probleme, wenn er im letzten Drittel direkte Zweikämpfe führte. Andererseits leiteten die US-Amerikaner ihren Gegner auch zum Teil gezielt vom Zentrum auf die Außenbahn.
Daniel Opare und Atsu liefen ständig gegen Jones sowie Beasley an und kamen auch zu Flanken. Das Problem der USA war dabei eher die Stafraumverteidigung. Denn Geoff Cameron und Matt Besler hatten die aus den Testspielen bekannten Kommunikationsprobleme und kamen gegen Gyan und Co. im 16er einige Male ins Wanken. Diese wenig souveräne Verteidigung vor dem eigenen Tor war damit kontraproduktiv hinsichtlich des leitenden Elements.
Allerdings wurde so Juves Kwadwo Asamoah in der ersten Halbzeit weitestgehend aus dem Spiel genommen. Normalerweise ist der 25-jährige Linksverteidiger ein wichtiger Bestandteil in der Spielgestaltung. Aber durch den Rechtsfokus, wobei auch Vordermann André Ayew noch weiter einrückte, war er zunächst schlecht eingebunden.
Die Vertikalität und Direktheit wuchs auf ghanaischer Seite zugleich an. Zu Anfang agierten sie noch verstärkt in einem 4-1-4-1, weil sich Jordan Ayew für Kombinationen tiefer ins Mittelfeld fallen ließ. Doch mit zunehmender Spielzeit entwickelte sich das typische 4-4-2 und man schlug viele Flanken oder wagte sogleich direkte Zuspiele aus dem Halbfeld in die Spitze. An einer defensiv noch sattelfesteren Mannschaft wären diese Angriffe wohl komplett abgeperlt.
USAs Herangehensweise
Klinsmanns Truppe überraschte gerade defensiv durch gutes Verschieben. In Teilen erinnerte das an Atlético Madrid in dieser Saison. Zuerst wurde, hauptsächlich über die beiden Angreifer oder auch Bradley, Ghana auf die Außen gelenkt. Im Anschluss verschob das Mittelfeldband, was aus der offensiven Raute gegen den Ball verflachte, in Richtung Ballführenden. Der ballferne Flügelspieler sollte dabei bis an den Rand des Sechserraums einrücken. Allerdings wurde dies nur partiell mit breiter postierten Außenverteidigern kombiniert, was vielleicht eine Schwäche im Defensivkonstrukt darstellte.
Zudem war die Rolle von Jones interessant. Gegen Opare zeigte er auf der Außenbahn einige gute Aktionen. Defensiv hingegen war er nicht immer taktisch diszipliniert. Wenn er ballfern einrücken sollte, konzentrierte er sich zu sehr auf Opare oder Atsu, nahm diese sogar zuweilen in Deckung, obwohl sie viel breiter standen. Dadurch entstand ein Loch zwischen Beckerman und Jones, was die ghanaische Mannschaft aber nicht wirklich ausnutzte. Gelang der Ball dann auf Jones‘ Seite rückte er wiederum von der direkten Deckung und wurde ballfokussierter. An diesem Punkt muss Klinsmann noch arbeiten.
Diese Ausrichtung mit der verschiebenden Mittelfeldreihe war hauptsächlich zu sehen, wenn Ghana geordnet aufbaute. Im Gegenpressing ging die USA noch aggressiver vor. Es wurde eng mannorientiert gestanden und sofort attackiert, wenn das Spielgerät noch nicht sicher in den Reihen Ghanas zirkulierte, sofern die Männer von der Goldküste den Ball eroberten.
Weiterhin waren die Einbindungen von Dempsey und Bedoya auffällig. Der US-Kapitän kippte oftmals ins Mittelfeld ab und suchte dort häufiger Zweikämpfe, um gleichzeitig Raum für seine Mitspieler, die ihn überliefen, zu schaffen. Bedoya war an sich das Pendant zu Jones, interpretierte seine Position aber mehr im Halbraum. Dafür rückte Fabian Johnson verstärkt auf. Zuweilen wurden die Vorwärtsbewegungen des Hoffenheimers von Bradley und Beckerman durch tiefere Staffelungen ausbalanciert.
Zweite Halbzeit: US-Boys auf Reserve
Die ganze Partie war gerade für die US-Amerikaner enorm verschleißend. Jozy Altidore hatte nur einen kurzen Auftritt. Nach zwanzig Minuten musste er mit einer Oberschenkelverletzung ausgewechselt werden. Zudem blieb Besler in der Kabine. Auch Bedoya und Cameron schienen das Spiel über angeschlagen. Dempsey hatte mit einer Nasenverletzung zu kämpfen.
Kurz vor der Pause kamen die Black Stars noch zu einer Chance. Atsu hatte sich hinter Beasley weggeschlichen. Der Linksverteidiger war aufgerückt. Ein Steilpass erreichte Atsu, aber er verarbeitete das Zuspiel schlecht. Gyan schlug schlussendlich im 16er über den Ball.
Auch nach der Pause war das ghanaische Spiel trotz hoher Ballbesitzquote reichlich ideenlos. Es wurde nun auch verstärkt über die linke Seite agiert. Asamoah hatte mehr Kontakte und konnte ein Stück weit mehr Einfluss ausüben. Bei den USA stimmte hingegen die Zuordnung nicht mehr zu 100 Prozent, was womöglich an den nachlassenden Kräften lag.
In der 68. Minute kam Kevin-Prince Boateng für Jordan Ayew. Er ist bei den Black Stars als eine Art unterstützender Neuner vorgesehen und füllte diese Rolle auch nach seiner Einwechslung aus. Allerdings war sein Aktionsradius etwas vertikaler ausgeprägt, während noch Ayew häufiger für stärkere Überladungen des rechten Flügels sorgte.
Mit der Einwechslung Boatengs wurde das Vorgehen etwas kombinativer. Zudem rückten die Mittelfeldaußen vermehrt nach innen. Die Außenverteidiger hingegen gaben die Breite. Beide Flügel waren ausbalancierter als in der ersten Halbzeit. Die US-Amerikaner verschoben nicht mehr konsequent mit ihrem Mittelfeldband zum Ball. Dafür versuchten sie im 4-4-1-1 den Raum, so gut es ging, zu versperren.
Den Ausgleich konnten sie trotzdem nicht verhindern. In der 82. Minute traf André Ayew zum 1:1. Asamoah Gyan lief diagonal aus dem Zentrum nach links in Richtung Tor-Aus. Er wurde bei dieser Bewegung durch den Strafraum angespielt und legte per Hacke auf Ayew ab, der von der linken Seite diagonal einrückte und anschließend abschloss.
Dass die USA schlussendlich trotzdem drei Punkte einfuhr, lag am Herthaner John Brooks, der sich bei einer Ecke gegen Boye durchsetzte und vier Minuten vor Ende der regulären Spielzeit den Siegtreffer besorgte.
Fazit
Was zeigte uns diese Partie? An sich ist das Spiel schwer einzuordnen. Der frühe Führungstreffer nach 31 Sekunden war für die USA Fluch und Segen zugleich. Sie zwangen den Gegner sofort zum Handeln, beschränkten sich aber selbst auf kräftezehrendes Defensivspiel mit vereinzelten Vorstößen über den grandiosen Bradley. Grundsätzlich überraschte Klinsmann mit dem Vorgehen bei der Verteidigung des Zentrums. Das war gut durchdacht. Trotzdem mangelt es zuweilen an defensiver Individualqualität, um über neunzig Minuten gegen Top-Teams auf diese Weise zu bestehen.
Dass Ghana kein wirkliches Top-Team ist, stellten sie zum WM-Auftakt unter Beweis. Vom Tempo und von der Physis sind sie stets gefährlich. Aber das Vorgehen war phasenweise zu eintönig, die Angriffe redundant. Man ließ sich auf den Flügelfokus ein und hatte wohl die Hoffnung, dass nach irgendeinem missglückten Klärversuch der US-Boys das Spielgerät schon im Netz zappeln wird. Insgesamt verbuchten sie 21 Schüsse, wovon aber nur drei auf das Gehäuse von Tim Howard kamen. Insgesamt suchte man zu schnell den Abschluss oder war recht unsauber bei den Versuchen.
Appiah passte mit der Zeit einige Dinge an, brachte Asamoah besser ins Spiel und hatte mit Boateng noch einen guten Trumpf auf der Bank. Die Black Stars stehen aber aufgrund des späten Gegentores bei der nächsten Partie gegen Deutschland schon mit dem Rücken zur Wand.
9 Kommentare Alle anzeigen
geco87 18. Juni 2014 um 00:02
Also als Raute kann man das US-Mittelfeld doch nicht wirklich bezeichnen. Würde eher zwischen dem tendenziell absichernden Sechser Beckerman und dem eher aufrückenden Bradley sprechen. Bradley war natürlich Dreh- und Angelpunkt in den Angriffen der Amis, die aber später immer rarer wurden, er hatte aber auch einige unnötige Ballverluste und ihm geht die Dynamik ab, um ein wirklich herausragender vertikaler Sechser zu sein.
mh 18. Juni 2014 um 00:14
Ja, so hat es sich faktisch dargestellt. Das war m.E. vor allem ein Resultat der fehlenden Ballsicherheit, so dass strukturiertes Aufbauspiel gar nicht stattfand.
Soulcollector 17. Juni 2014 um 20:24
Also ich fand die USA haben gestern überhaupt keine Art von Aufbauspiel gezeigt. Die einzige Devise war die Bälle schnell und direkt in die Spitze zu spielen. Gegen Portugal und Deutschland wird das wohl nicht anders werden. Ich sehe sie als spielerisch schwächstes Team der Gruppe und auch als eine der schwächsten im gesamten Turnier.
Ghana spielt die Angriffe besser, aber der Abschluss war meist zu überhastet. Viele Halbfeldflanken und Fernschüsse. Vielleicht lag es ja daran, dass sie den Rückstand unbedingt ausgleichen musste, aber wenn sie sich so in den anderen Spielen zeigen, muss man auch vor Ghana keine Angst haben.
Trotzdem war es mMn eine interessante Partie, den ich zähle beide Teams zu den physisch stärksten Mannschaften des ganzen Turniers. Das Tempo war enorm hoch und das trotz der zahlreichen Verletzungen und Blessuren. Wenn eine der beiden Mannschaften weiterkommt, sind sie wohl ein extrem unangenehmer Gegner und die Taktik wird vermutlich sein den Gegner müde zu spielen um dann gegen Ende des Spiels zuzuschlagen. Zum Glück konnte Deutschland gegen Portugal ein paar Kräfte sparen.
MT 17. Juni 2014 um 13:37
Eins muss man dem Spiel ja lassen: es war zwar nicht hochklassig, aber doch hochspannend – vor allem als sich der kleine Zeiger langsam gegen die 2 neigte. Ich möchte nur etwas zu den US-Amerikanern sagen, die ich im Fussball immer hochsympathisch finde … und bei diesen coolen Trikots hat mein Fernseher auch noch fast einen Farborgasmus bekommen. 🙂
Aber so sehr ich auch den USA die Daumen gedrückt habe und so sehr ich ihre Kampfbereitschaft und Aufopferungsbereitschaft bewundert habe, so sehr haben mich auch ihre Defizite erschreckt. Das eine waren die abysmalen technischen Unzulänglichkeiten am Ball und das andere die Schwäche, Ballgewinne in funktionierende Konter umzumünzen – eigentlich ihre „Paradedisziplin“. Gefühlt sind 95% aller Eroberungen umgehend wieder verlorengegangen („fehlende Pressingresistenz“?). Insofern fand ich vor allem auch die Defensivleistung der Gegner beachtenswert; auch wenn ich CE Erläuterungen zur der der USA sehr lehrreich und interessant fand.
Wenn kein Wunder geschieht oder Klinsmann nicht noch ein Wunder aus dem Hut zaubert, sehe ich noch nicht, dass sie nur mit Kampf & Willenskraft ins Achtelfinale schaffen können. Was mir persönlich sehr leid tun würde.
LM 17. Juni 2014 um 15:39
Ich fand auch grad die Konteransätze der USA gegen zwar agressive, aber zum Teil.sehr offene Ghanesen in der zweiten Halbzeit wirklich unterirdisch. Insgesamt hatten sie ein Riesenglück, dass Ghana im letzten Drittel fast immer zu hektisch wurde und den Zehnerraum eigentlich nur durch einrückende Läufe mit Ball von Atsu bespielt hat. Hat Jordan Ayew eigentlich mitgespielt? Beim Tor haben sie‘s dann endlich mal geduldiger ausgespielt und man konnte mal sehen, was über die Seite mit Asamoah ubd Gyan möglich gewesen wäre, auch wenn Johnson stark gespielt hat. Insgesamt hätte Ghana für mich aber mindestens ein Unentschieden, eher sogar einen Sieg verdient gehabt.
Die Ausgangslage für die USA ist jetzt natürlich super, aber so wie ich sie gestern gesehen habe, wäre im Achtelfinale auf jeden Fall Schluss…
mh 17. Juni 2014 um 13:19
Gar nicht sicher, ob die USA die Ghanaer zu sehr nach aussen „abdraengen“ bzw „leiten“ mussten. Mir schien es, als hätte Ghana nur diesen Plan A drauf, nämlich vertikal über die Flügel nach vorne, meist rechts (gegen Beasley). Aber mit der grottigen Flankenquote ist das natürlich schwierig. Für dieses Team wären andere Formationen m.E. besser geeignet, denn spielerisch sind sie an sich auch im Zentrum ganz ordentlich besetzt, bräuchten aber einen Mann mehr dort.
Umgekehrt denke ich schon, dass die USA in der Anfangsphase eine Raute im MF versuchten. Erst dann zog sich Bradley immer mehr zurück und spielte nur situativ box-to-box. Witzigerweise hatten die USA trotz vierer eigentlich zentraler MF ihre besten Aktionen, wenn sie breit ins vordere Drittel vorstiessen – siehe die Entstehung des frühen 1:0.
Insgesamt erscheinen mir beide Teams Ber taktisch recht eindimensional…
geco87 18. Juni 2014 um 00:06
Stimmt, 4-3-2-1 oder 4-Raute-2 hätte den Ghanaern besser zu Gesicht gestanden. Hätte dann mal gerne Klinsis Reaktion gesehen.
AP 17. Juni 2014 um 13:14
On: Sehe keine Stärken bei USA bzw. Ghana, die uns gefährlich werden könnten. Korrekt?
Off: Kürzlich meint ein Kumpel zu mir, hier im Focus stehen ein paar geil geschriebene Zeilen über die 3er-Kette. Ich natürlich gelesen und wollte schon Focus für ihre tolle Sportredaktion loben und was sehen ich da, ein gewisser Constantin E. hat die Zeilen verfasst. Toll. Voll Öde. 🙂
CE 17. Juni 2014 um 13:23
Haha. Das tut mir leid. 😛