Chelsea – Atlético Madrid: Vorschau zum Rückspiel

José Mourinho ist derzeit in aller Munde. Erst mauert sich der Portugiese zu einem torlosen Remis gegen Atlético, nur um dann wenige Tage später dem Ganzen die Krone aufzusetzen. Er gewinnt mit seiner Mannschaft auswärts beim Meisterschaftsrivalen Liverpool mit 2:0, obwohl ganz offensichtlich nicht die bestmögliche Aufstellung gewählt wurde. Einige Aspekte wurden bereits in der vergangenen Woche ausgeführt, jetzt folgt eine kurze Vorschau zum Rückspiel zwischen Chelsea und Atlético.

Wie könnte Mourinhos Matchplan aussehen?

Auch in den Kommentaren dieser Seite scheiden sich zuweilen die Geister ob der pragmatischen Defensivstrategie des Special One. Doch die Europapokal-Arithmetik beeinflusst den Matchplan erheblich. Denn will Chelsea nicht mit einem 0:0 bis ins Elfmeterschießen vordringen, muss ein Sieg an der heimischen Stamford Bridge her. Wiederum stellt jedes Auswärtstor von Atlético eine Gefahr da.

Bisherige Mauertaktiken in wichtigen Europapokal-Duellen wie der Triumph Mourinhos mit Internazionale über den FC Barcelona 2010 oder Roberto Di Matteos Sieg mit den Blues über die Katalanen klappten womöglich auch deshalb, weil das zweite Spiel eine Auswärtspartie war und man vorher schon eine gute Ausgangsposition schaffen konnte.

Mögliche Grundformation

Mögliche Grundformation

Folglich muss Chelsea ein Stück offener und offensiver agieren und damit den notwendigen Treffer im Blick haben. Trotzdem könnten die Londoner wieder mit einer kompakten 4-3-3/4-5-1-Formation beginnen und so erst einmal Stabilität herstellen. Allerdings fallen Frank Lampard und John Obi Mikel gesperrt aus, sodass lediglich Ramires und David Luiz für das zentrale Mittelfeld übrig bleiben. Der 21-jährige Marco van Ginkel wird nach seiner langwierigen Verletzung sicherlich keine ernsthafte Option darstellen. Branislav Ivanovic wird womöglich in die Innenverteidigung rücken und John Terry an der Seite von Gary Cahill ersetzen. Allerdings konnte der Routinier bereits wieder mit der Mannschaft trainieren, sodass Ivanovic gegebenenfalls auf seine mittlerweile angestammte Rechtsverteidigerposition rücken würde. Im offensiveren Zentrum stünde nur noch Oscar zur Verfügung, der aber zuletzt nicht unumstritten war und häufiger von der Bank kam.

Die spannendste Frage wird neben den personellen Entscheidungen in der Tat sein, wie Mourinho seine zentralen Mittelfeldspieler und in diesem Zusammenhang seine Außenverteidiger einstellt. Wie weit dürfen sie bei Angriffen aufrücken? Wie werden die Absicherungen aussehen? Und wird man selbst mehr den geordneten Spielaufbau suchen, anstatt lediglich einen Zielspieler mit langen Bällen anzusteuern?

Im vordersten Bereich könnte erneut Fernando Torres auflaufen, wobei auch Samuel Eto’o wiedergenesen ist. Torres, Ex-Spieler der Rojiblancos, konnte bei seinen vereinzelten Konterversuchen im Hinspiel recht gut aufzeigen, dass die gegnerische Innenverteidigung durch Dribblings und schnelle Bewegungen in Schwierigkeiten zu bringen ist. Im Vicente Caldeóon suchte er häufig den etwas geöffneten Raum zwischen Außen- und Innenverteidigern. Dies war möglich, da Filipe und Juanfran in den zahlreichen Drangphasen weit aufrückten.

Allerdings wird Chelsea im Rückspiel nicht derart viel Platz bekommen. Von den Gästen ist aufgrund der beschriebenen Ausgangsposition eine kompaktere Grundstellung mit engen Linienabständen im Defensivspiel zu erwarten. In diesem Zusammenhang kann die Wiedergenesung von Eden Hazard ein entscheidender Faktor werden. Noch steht wohl nicht fest, ob der Belgier auflaufen wird. Allerdings wäre er für die wichtige Zwischenlinienpräsenz und Destabilisierung des spanischen Reihenkorsetts sehr gut geeignet. Seine Dribblingfähigkeiten und die Ballverarbeitungen in engsten Räumen können am ehesten die Defensive Atléticos in Verlegenheit bringen. Die Pässe und Wege sind dann für die Spanier nicht zu leiten und sie müssen häufiger in direkte Duelle gehen.

Wie könnte Simeones Mannschaft das Spiel angehen?

An sich spielt der starken Pressing- und Kontermannschaft aus Madrid die gesamte Konstellation in die Karten. Sie müssen lediglich versuchen den eigenen Ballbesitz auf ein Minimum zu reduzieren und nicht selbst derart in die spielbestimmende Rolle zu geraten – aber was heißt gegen Chelsea „lediglich“.

Personell muss nur Kapitän Gabi ersetzt werden. Für ihn könnte entweder Tiago neben Suarez ins zentrale Mittelfeld rutschen oder aber Koke geht von der Außenbahn ins Zentrum. Ein Patentrezept gegen Mourinhos 4-5-1 ist nur schwer auszumachen. Allerdings könnte Simeone auf eine eindeutige Vertikalstellung seiner beiden nominellen Sechser vertrauen, sodass Mario Suarez oder Tiago als blockierender Grundpfeiler vor der Abwehr bleibt und absichert, während sich der spielstarke Koke situativ in den ballnahen Halbraum bewegt.

Gerade über den linken Flügel könnten so einige Kombinationen initiiert werden. Filipe ist in bestechender Form und bindet sich dynamisch und mit formidablem Raumgefühl in die Passzirkulation ein. Arda Turan könnte gleichfalls auf diese Seite rücken, während sich David Villa beispielsweise in den Halbraum bewegt. Optional stünde Diego für die nominelle Außenbahnposition zur Verfügung. In jedem Fall würde man konzentriert diese Seite überladen, um dann aus einer engen Situation heraus den ballfernen Flügelspieler einzubeziehen.

Eine bisher eher selten praktizierte Variante wäre die Hereinnahme von Cristian Rodríguez auf die rechte Seite. Der Linksfuß ist ein starker Akteur in Eins-gegen-Eins-Situationen und könnte als inverser Rechtsaußen mit Dynamik aus dem Halbraum in Höhe der Strafraumlinie nach innen ziehen und dort direkt den Abschluss suchen oder Lochpässe auf den diagonal einlaufenden Diego Costa spielen.

Raúl García wäre auf der Außenbahn eine etwas anders geartete Variante. Er ist ein starker Kopfballspieler und würde höchstwahrscheinlich öfters im Strafraum Richtung langer Pfosten nach innen rücken, dort überladen und sich somit auf Flanken von der linken Seite vorbereiten. Insofern könnte eine Hereinnahme Garcías auch die Ausrichtung beziehungsweise die angestrebten Aktionen auf dem anderen Flügel maßgeblich beeinflussen.

Eine weitere Variante wäre die Nominierung von Diego und Arda auf den beiden Seiten, die beständig in das Zentrum rücken, um von dort aus mit dynamischen diagonalen Aktionen in die Freiräume der Mannorientierungen der Londoner auf den Flügeln (insbesondere gegen Atléticos Außenverteidiger) zu stoßen. Da gegen das Zentrum von Chelsea selten etwas auszurichten ist, wären sie jedoch in der Vorbereitung des Spielaufbaus verschenkt. Andererseits kann durch die diagonalen Aktionen auch Raum für den nachstoßenden zentralen Spieler geschaffen werden – besonders falls Koke hier aufgestellt wird. Insbesondere David Luiz als einer der Sechser könnte hier als Schwachstelle ausgemacht werden, da sich der Brasilianer gern einmal zu sehr auf die mannorientierte Verfolgung konzentriert.

Aber insgesamt wird es enorm schwer, das Bollwerk Mourinhos zu knacken. Interessant wird zudem zu beobachten sein, ob Atlético kontrolliert von hinten heraus aufbaut oder die Bälle vielmehr herausschlägt und im 4-2-4-Gegenpressing auf Rückeroberungen setzt, um in ungeordnete Situationen zu kommen. Ein Mittelweg wäre ein Aufbauansatz, der sehr stark auf Kompaktheit, lokale Überladungen und Kurzpassspiel fokussiert, und somit ein effektives Gegenpressing erlaubt. Mit dieser Strategie startete Atlético bereits in der ersten Halbzeit des Hinspiels. Erst in der zweiten Halbzeit wechselten sie auf einen raumgreifenderen Ansatz, um das eine Tor noch zu erzwingen.

Alles in allem erwartet den Zuschauer ein hochspannendes Spiel, wo im Vorfeld eigentlich nicht vorausgesagt werden kann, wie sich die Partie entwickeln wird. Allerdings könnte sich in London eher das bereits letzte Woche prognostizierte Duell mit vielen intensiven Mittelfeldzweikämpfen und Pressingszenen entwickeln.

Gunner 30. April 2014 um 19:58

Gute Vorschau. Finde super, dass ihr was zu dem Spiel macht.
Ich denke, Chelsea wird auf ein frühes 1:0 gehen und mit aggressivem Angriffs Pressung Druck auf Atletico ausüben. Atletico denke ich wird probieren sich mit langen Bällen Richtung Costa \Garcia zu befreien. Frage würde dann sein, ob und wie Chelsea dann die 2. Bälle kriegt.
Auf jeden Fall würde es für Atletico Hantel scheinen schwer werden, wenn sie in Rückstand geraten.

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HL 30. April 2014 um 13:44

Ich hoffe mal Simeone wird nicht so offensiv aufstellen wie hier oben dargestellt. Atletico haette somit ja nur einen wirklich defensiven Mitterfeldspieler und Chelsea wuerde sich ‚irgdenwie‘ die Moeglichkeit finden, dies gnadenlos auszukontern. Ich tippe mal auf ein 4-4-1-1 mit Koke, Rodriguez, Thiago, Arda im MF, Garcia im OMF, Costa im Sturm. Und dann wirklich lange Baelle und Gegenpressing, mit Fokus aus defensive Sicherheit. Waere spannedend zu sehen wie sich Chelsea verhaelt, wenn es wirklich lange 0-0 steht…

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Zack 30. April 2014 um 11:19

bitte lasst ein für alle Mal das Märchen von wegen Chelsea wäre 2012 ob ihrer „Defensivkunst“ weitergekommen.

Barcelona hatte insbesondere im Hinspiel genug Chancen um das Ding einzutüten. Im Rückspiel war Barcelona schon qualifiziert, ehe man sich wegen Mascheranos Stellungsfehler wieder selbst ins Bein schoß und Messi später den Elfmeter vergab. Wenn überhaupt haben die dann ab dem Zeitpunkt richtig „verteidigt“ und selbst hätte noch 1-2x ein Tor fallen können.

Ich hoffe Atleti überlässt dem Heimteam heute die Initiative, dann können sie nämlich tun was sie am besten können. Der Konterstürmer Costa war ja schon fast bemitleidenswert im Hinspiel anzusehen.

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Koom 30. April 2014 um 10:40

Ich würde von Chelsea auch im Heimspiel tatsächlich die Nonchalance erwarten, dass sie sehr tief stehen werden. Und Atletico wird nicht abgewichst genug sein, dass so kühl zu beantworten, wie es vielleicht notwendig wäre. Ergo werden wir ein ähnliches Spiel wie das Hinspiel erleben, vermutlich aber nicht in dem Extrem.

Mourinho hat sich weder im Hinspiel noch jetzt gegen Liverpool in die Karten schauen lassen und extrem auf Spielzerstörung und Torsicherung gesetzt, ohne ein offensichtliches eigenes offensives Mittel einzubringen. Ich denke, dass wird sich im Rückspiel ändern. Konkret würde ich die Mourinho-typischen Überfallpressingkonter erwarten. Also 80-90% des Spiels mauern, aber immer wieder Phasen von 2-3 Minuten mit Extrempressing und Überfällen.

Nominell sind ja auch Spieler verfügbar, die genau das ideal umsetzen können. Eto’o kennt das, Hazard ist einfach sehr gut, Schürrle ist ebenfalls ein enorm starker Sprinter. Ich tippe tatsächlich auf Sieg Chelseas. Und denke auch, dass sie das Finale gegen Real dann gewinnen.

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