Türchen 8: Patrick Kluivert
Vor allem wegen seiner vielen Tore und dem frühen Aufstieg in jungen Jahren sorgte Patrick Kluivert für Aufsehen. Der bullige Wunderstürmer, der sein Potential nicht ganz erfüllte: Es festigte sich ein Bild des typischen Torjägers in technisch starker Ausführung. Darüber hinaus wurde aber zu selten über diese Aspekte des facettenreichen Niederländers hinaus geblickt, der viel mehr war als nur kombinativ passabler Zielspieler.
Es nicht allein so, dass Patrick Kluivert in seiner herausragenden Komplettheit nicht als einer der besten Angreifer überhaupt wahrgenommen wird, wie er es eigentlich verdient hätte. Darüber hinaus gilt er bestenfalls als ein sehr begabter, frühreifer und gelegentlich genialer Stürmer, den man ansonsten aber getrost als normalen Neuner bezeichnen müsste. Gerade seine kräftige Erscheinung und immer mal wieder auftretende Kopfballtore scheinen zu dieser Ansicht beigetragen zu haben, während sein gelegentlich schlaksiges Auftreten und phasenweise leicht lethargischer Laufstil verhinderten, seine Spielstärke vollends anzuerkennen. Ähnlich wie bei dem einen oder anderen Mittelstürmer, dem man aufgrund seiner physischen und körperlichen Anlagen in der generellen Beobachtung vielleicht Unrecht tut, wird auch bei Kluivert häufig das spielmachende und kombinative Element seines Stils vergessen.
Durchbruch in van Gaals Ajax-Team
Als der junge Kluivert mit 18 Jahren immer häufiger in der ersten Ajax-Mannschaft zum Einsatz kam, musste er bereits dort in den 90er-Jahren einem sehr weiträumigen Anforderungsprofil gerecht werden, das in erster Linie in hervorragenden Fähigkeiten im Mitspielen und Unterstützen seiner Kollegen bestand. Weil der als Schattenstürmer aufgebotene Jari Litmanen mit seiner Spielintelligenz, seiner Effektivität und seinen Vorstößen der primäre Torjäger des Teams war, setzte Louis van Gaal zunächst gerne auf flexible Roleplayer oder eigentliche Mittelfeldakteure wie beispielsweise den polyvalenten Ronald de Boer in der Spitze. Nur weil er diese Anforderungen ebenfalls auf hohem Niveau erfüllte, konnte Kluivert so schnell zu derart vielen Aufstellungen bei Ajax kommen. Neben der „klassischen Torgefahr“, die man gemeinhin mit einem zentralen Stürmer assoziiert, zeichnete er sich vor allem dadurch aus, als Fokuspunkt für lange Bälle und zurückfallender Wandspieler dienen zu können.
Die Anlage der Mannschaft kam stark über ihr hervorragendes Vertikalspiel mit der abgestimmten Nutzung verschiedener Formationslinien und potentieller Zwischenräume. Immer wieder kurbelten die Verteidiger, der aufrückende „falsche Vierer“ Rijkaard oder einer der beiden Achter mit diesen vertikalen Aktionen an, für die meistens der zentrale Angreifer einen Knoten- und Umschlagpunkt darstelle. Solche Zuspiele waren für Kluivert praktisch wie geschaffen – er war technisch stark, robust und spielintelligent, weshalb er diesen Pässen in die Tiefe entgegengehen, mit herausragendem und teilweise fast magischem Timing effektiv die Verteidiger des gegnerischen Teams herausziehen und anschließend das Leder prallen lassen konnte. Falls ihm einmal kleinere technische oder koordinative Fehler unterliefen, was durchaus vorkommen konnte, da hier eher die Schwachpunkte Kluiverts lagen, reagierte er aber zumindest geschickt und blieb mit Improvisation trotzdem am Ball. In die Lücken, die er mit seinem Zurückfallen geschaffen hatte, konnten dann meistens die beiden Achter ziehen und im Halbraum durchbrechen, während ihnen die breiten Flügel Finidi und Overmars die Schnittstellen freihielten – eines der wichtigsten Angriffsmuster dieser Ajax-Mannschaft.
Phasenweise bewegte Kluivert sich auch mal etwas isolierter vom Geschehen weg, timte dabei aber die Zeitpunkte gut und führte diese Perioden geschickt aus, indem er beispielsweise Gegner wegzuziehen oder andere mit seinem Ausweichen zu okkupieren versuchte. Vor allem ging er gerne nach rechts heraus, wenn sich die Angriffe von dort aus der Tiefe aufbauten und anschließend in die linken Offensivräume zogen. So konnte sich der vielseitige Litmanen als „zweiter Mittelstürmer“ auf halblinks in die letzte Linie vorschieben und dort den Wand- und Ablagespieler der lokalen Kompaktheit geben, während Kluivert situativ aus dem Rücken der Abwehr kam.
Bei solchen Aktionen war es nicht immer der Fall, dass Kluivert einfach passiv blieb und „nur“ durch Bewegungen raumöffnend zu wirken versuchte. Stattdessen band er sich kurzzeitig in die Angriffe ein, um noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Bei obigen Beispielen bewegte er sich sehr feinfühlig, bot sich kurz an, lockte die Gegenspieler an und legte den Ball zurück, damit dieser schnell in den anderen offenen Halbraum gebracht werden konnte, wo die Kollegen überluden – ein situativer, grober Nadelspieler.
Generell wusste er zu beeindrucken, wie er schon mit kleinen und kaum merklichen, aber gut getimten Positionsveränderungen fast aus dem Nichts einen Raum – zum Beispiel für einen hinein startenden Flügelstürmer wie Overmars – öffnen konnte. Alles in allem waren seine Ausweichbewegungen sowohl in solch eher passiver Form (tendenziell ohne Ball) ebenso wie in den deutlich aktiveren Varianten – später in Barcelona – ziemlich strategisch angelegt.
Duo mit Bergkamp in der Elftal
Als Beispiel für den gezielten Einsatz der spielstarken und gleichzeitig potentiell zuarbeitenden Charakteristika Kluiverts kann seine Rolle bei der WM 1998 dienen. In der asymmetrischen 4-4-1-1-Formation unter Guus Hiddink gehörte er bei diesem Turnier zu den absolut tragenden Säulen der niederländischen Nationalmannschaft, die erst im Elfmeterschießen des Halbfinals gegen Brasilien ausschied. Dabei war Kluivert als Partner des etwas tiefer agierenden Dennis Bergkamp aufgeboten, den er mit seinen Ausweichbewegungen häufig in die offensiven Halbräume nahe dem Strafraum einzusetzen versuchte.
Mit seinem Zurückfallen bot er dem rechtslastigen Spielaufbau – meist angetrieben und initiiert von Ronald de Boer – eine Anspielstation, öffnete Raum für Bergkamp und konnte ihm dann die anspruchsvollen Bälle weiterleiten. Auch schwierige Zuspiele verarbeitete und sicherte er teilweise hervorragend, schaffte die Drehung in Richtung Tor und bediente dann eben Bergkamp, der in hohen Zonen seine typischen Aktionen versuchte. In der Grundfunktion griff auch der neue Trainer Frank Rijkaard – ein ehemaliger Mitspieler – für die Heim-EM 2000 auf diese Strukturen zurück, was zu einigen spektakulären Partien führte und die Mannschaft ins Halbfinale trug.
Vom Toreschießen und Spielmachen
Insgesamt war Kluivert keineswegs immer der krasse Torjäger, der er auf den ersten Blick, in der Erinnerung oder vom Gefühl her zu sein scheint, sondern im Gegenteil phasenweise zu hektisch beim Abschluss und somit etwas inkonsequent bei seiner Chancenverwertung. Es ist von daher nicht vollends verwunderlich, dass er – im Hinblick auf die zusammengerechneten Zahlen seiner gesamten Karriere – keine Quote von 0,5 erreicht. Natürlich hatte er immer wieder seine herausragenden Phasen und erzielte auch eine Reihe an Toren – unter anderem bei Ajax mit 18 Treffern in der Debütsaison, bei Barcelona mit mindestens 15 Stück in fünf aufeinanderfolgenden Spielzeiten oder als langjähriger Rekordschütze der niederländischen Nationalelf. Allerdings entstanden diese Tore eher selten dadurch, dass Kluivert wie ein klassischer Mittelstürmer mit Instinkt und kraftvoller Spielweise den Strafraum beherrscht, gelauert und die Vorarbeiten seiner Kollegen dann bloß verwertet hätte – dies gab es auch, aber eher in den selteneren Fällen.
Vielmehr waren die meisten seiner Tore Produkte und Konsequenz seines Mitspielens, das zu besseren Gesamtangriffen führte, von denen er profitieren und viele eben abschließen konnte – er brachte sich über die Kollektivität selbst in Position und setzte seine individuellen Qualitäten auf diesem Wege ein. Durch seine gelegentlichen Probleme mit der richtigen Dynamik und den nicht immer gut genug auf ihn abgestimmten Mannschaften war dies allerdings, so muss man einräumen, nicht so oft der Fall, wie es hätte sein sollen. Dazu passt auch ein Zitat von seinem Förderer Louis van Gaal, der im Rückblick – gerade auf Kluiverts Zeit in Barcelona – anmerkte, dieser sei stark gewesen, habe aber noch viel besser sein müssen. Hinzu kam auch, dass er gerade bei den radikalen Vertikalangriffen bei Ajax mit Ablagen häufig die Kombinationstreffer vorbereitete, die dann durchbrechende Kollegen erzielten, und selbst auch etwas gewöhnlicher nach Flanken oder Kontern netzte.
In der späteren Phase seiner Karriere entwickelte sich Kluivert zu einem etwas tiefer operierenden Spieler, der sich gerne etwas zurückfallen ließ, um spielmachend zu agieren und selbst von Ablagen zu profitieren. Mit seiner etwas schwermütigen Spielweise gestaltete er gerne aus den tiefen Zehnerräumen oder suchte aus dem unmittelbaren Rückraum um den Sechzehner herum den Abschluss, was in dieser Zeit zu den meisten seiner Treffer führte. Schon bei Ajax hatte es solche Phasen gelegentlich gegeben, wenn Kluivert entweder mit Litmanen getauscht hatte oder als Teil eines flexiblen Sturmduos mit dem jungen Nwankwo Kanu aufgeboten worden war. Hier zeigte sich auch, dass der tiefere und spielmachende Kluivert immer noch die interaktiven Kombinationen suchte, was gerade zusammen mit Kanu einige hervorragende Doppelpässe von technischer Vollendung im Zwischenlinienraum produzierte.
Kluivert als Zehner
Die Zeit, in der Kluivert am dauerhaftesten und forciertesten als spielmachender Akteur und sogar als wirklicher Zehner eingesetzt wurde, war Louis van Gaals erste Periode als niederländischer Nationaltrainer. Zunächst bildete Kluivert eine bewegliche Doppelspitze mit Jimmy Floyd Hasselbaink, in der er situativ in die spielmachende Rolle hinein wechselte, ehe er diesen Posten schließlich vollends ausfüllte. Mit dem Festspielen von Ruud van Nistelrooy als zentralem Angreifer wurde die Ausrichtung der Mannschaft etwas stärker auf lange Bälle und Abpraller ausgerichtet, was Kluivert neben seiner eigentlichen Aufgabe als strategischer Kreativspieler situativ ebenso ausfüllen und den Sturmkollegen – übrigens am exakt gleichen Tag, dem 1. Juli 1976, geboren – unterstützen konnte.
Zwischendurch kamen immer mal wieder Stimmen auf, die Kluivert neben fehlender Reife eine gewisse „Dummheit“ bzw. mangelnde Spielintelligenz oder Reflexionsfähigkeit vorwarfen. Dabei lagen gerade in dieser Hinsicht einige seiner besonderen Stärken. Meistens agierte er – wie sich nicht nur bei eigenem Ballbesitz, sondern auch dem strategischen Ausweichen oder den feinfühligen Positionierungen ohne Ball zeigte – sehr vorausschauend und dachte gelegentlich gar zu viel voraus. So bereitete er sich in manchen etwas komplizierten Situationen bereits darauf vor, wie er einer bestimmten gegnerischen Verteidigungshaltung am besten ausweichen konnte. Doch indem er dieses intelligente Vorgehen seines Gegners antizipierte, das dieser aber gar nicht so geschickt machte, wurde das „planende“ Element bei Kluivert zu viel und er beging Fehler, weil er einen schwierigeren Gegner erwartet hatte.
Unsichere Balancefindung
Bei Kluiverts Beiträgen für die Kombinationen konnte man nur wenige Probleme finden. Die wohl größte Schwierigkeit bezog sich darauf, dass er diese Interaktion teilweise zu unbewusst ausführte und nicht immer die richtige Balance fand. So hielt er mit seiner Spielstärke im mannschaftlichen Zusammenspiel manchmal zu lange den Ball und fügte sich nicht ideal in die Dynamik der Angriffe ein, sondern trat etwas dominanter und gestaltender auf, als er es eigentlich hätte sein müssen – die Direktablagen waren gut, aber gerade in seinen jüngeren Jahren beim Timing und der Häufigkeit etwas zu inkonstant. Es war gerade sein Wissen um die eigene – gegebenenfalls auch in engen „Notsituationen“ nutzbare – Ballsicherheit, die dafür sorgte, dass er manchmal etwas zu lange am Leder blieb und dadurch die eine oder andere Situation ungewollt zu statisch machte.
Diese gelegentlich verzögernde Spielweise konnte ja nach Situation sehr gut – das eine Extrem – und sehr schlecht – das andere Extrem – sein. Alles in allem war es allerdings – vielleicht noch etwas mehr als die ansatzweise Hüftsteife bzw. Hünenhaftigkeit – in seinen verschiedenen Varianten Kluiverts größtes Problem, wenngleich es medial kaum als solches identifiziert wurde. Interessanterweise gab es neben diesem Verzögern auch die andere Seite der Medaille, die sich im Zuge von kleineren Balanceproblemen bei Kluivert zeigen konnte. In manchen Partien neigte er dazu, im spielerischen Bereich oder bei seinen Dribblings zu überdrehen und dann den eigenen Rhythmus zu verlieren. Vor diesem Hintergrund war Kluivert als Spieler – entgegen dem öffentlichen Bild, das zeitweise von ihm bestand – ein Typus recht „sensibler“ und eben inkonstanter Art.
Mit Figo und Rivaldo in Barcelona
Nach einer wenig erfolgreichen Zeit bei Milan holte Louis van Gaal seinen Schützling Kluivert in der Saisonmitte 1998/99 zum FC Barcelona, wo dieser die längste Phase seiner Karriere verbringen sollte. Schnell erarbeitete er sich einen Stammplatz und formte in der folgenden Zeit ein hervorragendes Sturmtrio mit den beiden Flügelspielern Figo und Rivaldo. Dabei wechselte Ersterer immer wieder radikal zwischen einer raumgreifenden und gefühlvollen Flankenspielweise sowie antreibend einrückenden Bewegungen, bei denen er entweder mit seinen effethaltigen Hereingaben für Kluivert vorbereitete oder mit diesem kombinierte.
Noch effektiver und enger war die Verbindung des Mittelstürmers zu Rivaldo, der von Linksaußen immer wieder in die Mitte ging. Für diese Laufwege – entweder zentral einschiebend oder mit seiner Durchschlagskraft diagonal zum Tor ziehend – öffnete Kluivert mit seinem Ausweichen nach links häufig Räume und diente gleichzeitig als potentieller Kombinationspartner. So erzielten die beiden auf diesem Wege etliche Tore und entwickelten ein besonderes Verständnis untereinander.
Dies war gar nicht unbedingt verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Kluivert zu den wenigen Stürmern gehörte, die an die Klasse Ronaldos und dessen Stil heranreichten – ein bisschen wie der systematischere, weitmaschigere und strammere Ronaldo. So schlug Kluivert hinsichtlich des Spielstils in gewisser Weise eine Brücke zwischen diesem und Mario Gomez. Auch wenn Luiz Felipe Scolari beim brasilianischen Weltmeistertitel 2002 hervorragende Arbeit leistete, passten Ronaldo und Rivaldo grundsätzlich nicht vollends perfekt zusammen, wenngleich sie natürlich dennoch harmonierten. Dagegen war Kluivert im Hinblick auf das Zusammenspiel mit dem Weltfußballer von 1999 noch etwas wirkungsvoller, was zu Teilen auch damit zusammenhängen dürfte, dass beide gewisse Ähnlichkeiten beim Herstellen und Bespielen von ansatzweise statischen Situationen teilten.
Fazit
Während einerseits Kluiverts grundlegende Spielstärke ebenso übersehen wurde wie die durchaus beeindruckenden spielmachenden Fähigkeiten, gewichtete die generelle Betrachtung die Deutung als recht eindeutigen Mittelstürmer und die damit verbundenden Kriterien wie seine Kopfballstärke (die trotz ihres Rufs zwiespältig und schwer zu bewerten ist) oder Bulligkeit zu hoch. Gegen eine solche Sichtweise spricht außerdem, dass Kluivert zwar durchaus dynamisch, bullig und kräftig war, aber nicht wirklich athletisch – eine Eigenschaft, die ansonsten auf viele gewöhnliche Angreifer zutrifft.
Zu oft wurde er als technisch ansehnlicher, ansonsten aber weitgehend normaler Angreifer gesehen, der eben vor allem viele Tore schoss. Dabei muss man aber festhalten, dass es gar nicht so beeindruckende Zahlen und gar nicht so viele Treffer waren, während die Beschreibung der Normalität auf Kluivert keineswegs zutraf. Schon die Verbindung mit seinen Zahlen zeigt eine gewisse Instabilität und Inkonstanz – welche sich auch in gelegentlicher Hektik vor dem Kasten äußerte – beim niederländischen Angreifer, den man keineswegs als simpel gestrickt beschreiben kann.
Stattdessen war er vor allem das Gegenteil – facettenreich, inkonstant, unkonzentriert, gelegentlich etwas leichtsinnig und teilweise ambivalent. So veränderte er sich im Zuge verschiedener Entwicklungsstufen immer wieder und war in seiner Gesamtheit schwierig zu greifen, was interessanterweise ausgerechnet der Grund für eine Generalisierung als „bulliger Mittelstürmer mit Balltechnik“ gewesen sein könnte. Sicherlich muss man auch anmerken, dass einige Eskapaden in seinem Verhalten und viele Verletzungen auch nicht die besten Voraussetzungen waren, dass sich das öffentliche Bild in wohlwollender Fürsorge darum gekümmert hätte, herauszufinden, was Patrick Kluivert eigentlich genau für ein Spielertyp war, was an ihm falsch eingeschätzt und was übersehen wurde.
Die genannten Schwächen Kluiverts – also vor allem die nicht immer ideale Entscheidungsfindung im Sinne der Dynamik, was sich einerseits in Zögern und andererseits in Hektik äußern konnte – wirkten insgesamt nur als kleine Einschränkungen und waren definitiv zu verschmerzen. Viel wichtiger war das herausragende Mitspielen des Niederländers, der sowohl kombinativ als auch ablegend als auch spielmachend zu den besten Stürmern seiner Zeit und vielleicht überhaupt gezählt werden konnte.
18 Kommentare Alle anzeigen
ST 11. März 2015 um 20:40
Vielen Dank für diesen Artikel! Auch nach über einem Jahr noch interessant! 😉 Aber wenn ihr schon ein „…aller Zeiten“ anbringt, dann vergleicht ihr Kluivert mit Gerd Müller, van Basten und Co. Und da fallen seine im Artikel auch beschriebenen Schwächen zu sehr auf, als dass er sich tatsächlich mit diesen Kalibern messen könnte. Gerade Müller, der ja auch mitspielend war, wie auch von euch in einem anderen Artikel beschrieben, zeigt, wie es besser geht.
Ließe sich Kluivert nicht auch mit Benzema vergleichen?
SF 9. Dezember 2013 um 14:39
Danke für den Artikel!
Interessant hätte ich noch ein Beispiel zu folgender Textpassage gefunden:“So bereitete er sich in manchen etwas komplizierten Situationen bereits darauf vor, wie er einer bestimmten gegnerischen Verteidigungshaltung am besten ausweichen konnte. Doch indem er dieses intelligente Vorgehen seines Gegners antizipierte, das dieser aber gar nicht so geschickt machte, wurde das „planende“ Element bei Kluivert zu viel und er beging Fehler, weil er einen schwierigeren Gegner erwartet hatte.“
Guergen 28. Dezember 2013 um 07:34
Es gibt ein recht prominentes Beispiel, bei dem es sehr gut klappt, weil Kluivert eben auf das „Planen“ verzichtet, da es ihm vom darin unglaublich stärkeren Bergkamp abgenommen wurde. Bei der EM 2000 siegten die Niederlande 6:! gegen Jugoslawien, Kluviert schoß drei Tore (eigentlich sogar 4), besonders viel jedoch Bergkamp als Strategie- und Taktgeber auf.
Dagegen stellen kann man das 1:1 der WM 1998 gegen Belgien, bei dem bergkamp fehlte und Kluivert fast zu intelligent spielen wollte – und frustriert vom Platz flog, während Overmars mit simplen Sprints die gegnerische Verteidigung in Verlegenheit brachte.
Absolut sichtbar wurde das dann in der WM-Qualifikation 2002, bei der Bergkamp fehlte und sich die niederländischen Stümer teilw. auf den Füßen standen und die Verbindung Mittelfeld-Sturm fehlte, auch weil der dafür verantwortliche Kluivert die komlizierten statt der einfachen Lösungen gesucht hat, damit aber Probleme hatte.
Was u.a. auch daran lag, dass er eben im Zentrum oder der Spitze statt Bergkamp oder anderen Spielern der Ajax-Schule als Kombinationspartner van Nistelroij (mit dem es ohnehin nie so lief), Hasselbaink, van Bommel oder gar Bouma (der war damals Offensivspieler) hatte. Kurz: Er sollte entweder die Sturmspitze und/oder den van Gaal’schen Schattenstümer mit intelligentem Aufbauspiel geben, wofür er jedoch
a) nicht unbedingt prädestiniert ist
b) ohne Litmanen/Kanu oder die Barcelona-Spieler notgedrungen scheitert.
Schaut man sich die Spiele der Quali an, dann merkt man diese Probleme gut gegen eher konservativ verteidigende Iren oder Portugiesen.
FCP 8. Dezember 2013 um 22:21
„einige Eskapaden in seinem Verhalten“ ist dann doch eine merkwürdige Umschreibung für fahrlässige Tötung und Vergewaltigung.
TR 8. Dezember 2013 um 22:46
Immer mit der Ruhe. Erstens ist das hier nicht Thema, weshalb diese Dinge allein angedeutet und nicht bewertet werden können. Zweitens würde ich gerade bei ungeklärten Fällen immer mit Beschuldigungen vorsichtig sein. Zumindest bezüglich des Autounfalls kann man die Sache an sich natürlich nicht abstreiten. In dieser Sache könnte man noch auf abschwächende Weise argumentieren, was hier aber nicht tue, da dein Punkte sich ja allein auf die Formulierung bezieht. Dazu kann ich abschließend nur sagen, dass sie 1. eher auf das generelle und sich durchziehende Bild Bezug nimmt und 2. gerade deshalb etwas „dezent“ gewählt ist, damit wir nicht endlos über diese fußballfernen Dinge diskutieren müssen. Natürlich kannst du über Kluivert als Fußballer und als Mensch (oder ohne Differenzierung) denken, was du willst, aber letztlich sind wir hier eine Taktikplattform.
FCP 8. Dezember 2013 um 23:36
Nun doch noch kurz dazu: Ich bin mit 20 auch mal besoffen Auto gefahren und will niemanden deshalb verdammen, auch wenn es, wie im Fall Kluivert, ein Menschenleben kostet. Danach aber nichts gelernt zu haben und weiterzusaufen und weiter besoffen Schaden anzurichten (ob nun Vergewaltigung oder „nur“ Belästigung) – da hört es auf. Einen solchen Menschen kann ich nicht mehr als Fussballer wahrnehmen – nur noch als Arschloch. Muss gesagt werden, auch wenn es vornehmlich um Taktik geht.
Schwerti 8. Dezember 2013 um 16:48
Hallo und danke für den tollen Adventskalender, der mich auf Folgendes gebracht hat:
1.) Könnt Ihr nicht mal ein ausführliches Portrait über Jari Litmanen machen? In Zusammenhang mit Kluivert und Ajax war er für mich DIE Figur in den großen Jahren zwischen 1992 und 1997.
2.) Ihr habt ja auch schon eine Analyse über das Ajax der 70er gemacht. Wie wäre es, wenn Ihr auch den Zeitraum zwischen Uefa-Cup-Sieg 1992 und dem Total-Ausverkauf ab 1997 mal unter die Lupe nehmt?
3.) Habt Ihr was über Fernando Redondo, the godfather of position 6, im Köcher?
4.) Vorschlag zur Veranschaulichung: Könnt Ihr die sehr guten Beiträge im Adventskalender auch mit Youtube-Beispielen unterfüttern?
Ja, ja, ganz schön viel auf einmal. Aber doch nicht unmöglich, oder?
Danke und macht weiter so.
TR 8. Dezember 2013 um 17:15
Hallo, vielen Dank für das Lob. Wir versuchen natürlich immer so viele Wünsche wie möglich zu erfüllen und einige deiner Ideen sind auch geplant, aber es kann immer etwas dauern. 😉
1. Werden wir sicher noch machen, wahrscheinlich ich als Litmanen-Fan. Bei unserem Fantasy Draft im Frühjahr hatte ich ihn auch in meinem Team: https://spielverlagerung.de/draft/?p=150 😉
2. Wird sicher noch irgendwann kommen, da wir ja van Gaal generell viel behandeln. In diesem älteren und – zugegeben – nicht sehr gut aufgezogenen/geschriebenen Trainerporträt findet man zumindest sehr grundlegende Infos über Ajax: https://spielverlagerung.de/2011/07/05/louis-van-gaal-der-missverstandene/
3. Explizit nicht, aber in diesem Artikel hier wird er angeschnitten und genauer erläutert, was Spieler wie ihn so stark macht(e): https://spielverlagerung.de/2012/08/07/taktiktheorie-die-vertikale-moderne-sechs/
4. Machen wir eher ungern, weil das rechtlich nicht immer gerne gesehen wird. Bei Möglichkeit werden wir es einbinden, ansonsten musst du dich mit den Grafiken begnügen oder selbst bei YT suchen. 😉
DaVe 8. Dezember 2013 um 10:46
Hey,
ist ein super Artikel geworden. Großes Lob. Als ich noch kleiner war mochte ich Ruud van Nistelrooy und Patrick Kluivert schon recht gerne als Spieler. Ich weiß nicht wieso aber ich fand damals RvN immer ein wenig besser (Ich vermute mal hängt mit der damaligen Symphatie für ManUnited zusammen). Aber ich finde mittlerweile Stürmertypen wie Ronaldo oder Kluivert viel Interessanter.
Ich finde es toll dass euer Artikel mir diesen Spieler der schon fast im Hinterkopf meines Fußballhirns abgetaucht wäre wieder ein wenig näher gebracht habt. 🙂
Danke dafür.
Gibt es im Moment eigentlich noch Spieler die man mit Kluivert oder Ronaldo vergleichen kann?
Mir fallen spontan nur Spieler ein die in wenigen Punkten elemente des Spiels von einem der beiden erfüllen. Ein Extrembeispiel ist das Ausweichen und Räume öffnen von Mandzukic, der aber in anderen Punkten den beiden nicht nahe kommt.
Und ihr schreibt in eurem Blog dass Kluivert eine Brücke schlägt zwischen Ronaldo und Gomez. Auf was bezieht ihr diese Aussage, besonders im Zusammenhang mit Gomez? (Geht es um die Größe und damit verbundenen Eigenschaften, wie zum er zum Beispiel in Zweikämpfen seinen Körper eingesetzt hat?)
TR 8. Dezember 2013 um 12:32
Danke für das Lob 😉
Zur Frage: Siehe unten, damit meinte ich, dass Kluiverts Spielweise so eine Art seltsames und nicht immer einfach zu greifendes „Mittelding“ zwischen Ronaldo und Gomez ist, die auf ihre Art jeweils herausragende Stürmer sind.
Guergen 8. Dezember 2013 um 10:20
Wenn ich mich richtig erinnere hat Kluivert, wie schon angedeutet, bereits bei Ajax den hin und wieder verletzt fehlenden Litmanen auf der Schattenstürmer-Position vertreten.
Die niederländische Nationalmannschaft 1998 habe ich – ohne es jetzt zu überprüfen – eher als linkslastig in Erinnerung. Mit dem Außenstürmer Overmars (Zenden), dem sehr vertikal über halblinks agierenden Davids und Cocu, der auch eher auf der linken Seite zu finden war. (Obwohl Cocu bei der WM quasi auf jeder Position, sogar als Mittelstürmer, gespielt hat). Übrigens habe ich Kluivert beid er WM in nciht so toller Erinnerung. Im ersten Spiel hat er nichts auf die Reihe bekommen – außer einer roten Karte, die ihn dann die komplette Gruppenphase gekostet hat. In dem erwähnten ersten Spiel gegen belgien hat aber die gesamte niederländische Mannschaft bist auf Overmars nur grütze zusammengespielt, wahscheinlich weil Bergkamp nicht von beginn an gespielt hat und weder Kluivert noch Seedorf den irgendiwe ersetzen konnten.
Die Frage van Nistelrooij vs. Kluivert ist ja uralt und gerade in den Niederlanden schon feuilletonistisch aufgearbeitet worden, beide am gleichen Tag im gleichen Jahr geboren, beide gleich groß, beide Topstürmer. Da Kluivert aus der Ajax-Schule, der seinen Höhepunkt so früh erreicht, dort van Nistelrooij, der über verschiedene Stationen seinen Karrierehöhepunkt erreicht, als der Stern Kluiverts schon untergeht. Van Nistelrooij, der ursprüngliche Mittelfeldspieler, der zum Synonym für den Stoßstürmer wurde etc. (Übrgens auch ganz lustig, dass man damals – in der Elftal wurden für die wahrscheinliche erste Elf bei Turnieren und auch sonst immer die Nummern von 1-11 vergebene, Kluivert mal mit der 9 und mal mit der 10 sah, van Nistelrooih vice versa). Wenn ich mich richtig erinnere, aber das ist schon Jahre her, hat in van Nistelrooijs Länderspieldebüt (gegen Ribbecks Racker, fast 6 (!) Jahre nach Kluiverts Debüt) sogar van Nistelrooij den eher ausweichenden Akteuer und Kluivert den Zielspeieler gegeben, aber da könnte ich mich täuschen.
Was mich bei Kluivert auch interessieren würde wäre das Milan-Experiment von 1997, als man mit Bogarde, Davids und Kluivert veruscht hat die Achse Rijkaard/Gullit/van Basten zu kopieren und damit so überhaupt keinen Erfolg hatte. Woran lag’s? Soweit ich weiß kamen die die Ajax-Schule und van Gaal gewohnten Niederländer mit Capello nicht aus, der sie sofort loswerden wollte. (Ich glaub sie wurden noch von Sacchi in dessen kurzer zweiter Amtszeit verpflichtet)
TR 8. Dezember 2013 um 12:48
Ich gehe mal nach Absätzen auf deinen Kommentar ein. 😉
1. Ja, das stimmt, gab es einige Male, wie zum Beispiel eben mit diesem Duo Kanu/Kluivert, aber teilweise bei fehlendem Litmanen. Gelegentlich hat man auch Litmanen als einen der Achter gebracht und Kluivert dann als Schattenstürmer – wenngleich das meistens nur nach Auswechslungen der Fall war.
2. Hmm, meines Wissens nach (und das ist hinsichtlich dieses Turniers) nicht das beste, gab es 1998 ja diverse Umstellungen und fast in jeder Partie andere Aufstellungen/Ausrichtungen. In den ersten Partien spielte Kluivert nach seinem Platzverweis eben kaum eine Rolle, aber zumindest im Viertel- und gerade Halbfinale, als dieses Duo mit Bergkamp besonders effektiv war, müsste es in etwa so ausgesehen haben. Da ist Davids auch einige Male von LZM in den rechten Halbraum gezogen, wenn ich mich recht erinnere.
3. Ja, das stimmt, ist eine sehr seltsame Geschichte mit den beiden – ein interessanter und teilweise witziger, aber natürlich irgendwie auch trauriger Verlauf. Gerade, weil er Kluiverts Endbetrachtung wohl noch einmal geschmälert haben dürfte.
Die Nummern sind natürlich immer ganz amüsant – vor allem weil das zwischen Kluivert, van Nistelrooy und Hasselbaink während Testspiel- oder Qualifikationspausen praktisch innerhalb von ein paar Tagen wechseln konnte.
Theoretisch wäre es möglich, dass die beiden das gerade am Anfang auch umgekehrt gezeigt hätten, wie du schreibst. Wenn es gegen Ribbeck ging, müsste das ja zwischen 1998 und 2000 irgendwann gewesen sein, oder? Welches Spiel denn genau? Vermutlich geht es aber um die Amtszeit von Hiddink oder Rijkaard, mit denen ich mich im Detail nicht wirklich auskenne.
4. Puh, ganz schwieriges Thema. Es gab ja für viele Spieler aus jener Ajax-Mannschaft anderswo erhebliche Probleme, die auffällig und schwer erklärbar sind. Wer genau da wen geholt hat, vermag ich auch nicht wirklich zu sagen. Wahrscheinlich müsste man sich mal im Detail anschauen und alte Spiele analysieren, wobei ich aber nicht weiß, wie viel Material man da findet – italienische Liga aus der Zeit dürfte aber am besten gehen, denke ich. Wollte man das denn wirklich nachbilden? Die Verbindung Bogarde-Rijkaard und auch Davids-Gullit erscheinen mir nicht wirklich passend, muss ich sagen.
Guergen 8. Dezember 2013 um 17:11
2. Ich erinnere mich auch nur bruchstückhaft, aber habe einige sehr dominante linke Seite über Overmars im Kopf, der quasi als Außenstürmer agierte, abgesichert durch Numan und je nach Situation Cocu oder Davids, während der rechts aufgestellte Ronald de Boer tiefer und mit einigen Abstechern in die zentrale agierte. Aber bin da eben nicht sicher.
3. War ein Freundschaftsspiel von Rijkaards Elftal. Vielleicht klingelt es beim Namen Zoltan Sebescen – erstes und letztes Länderspiel und angeblich der Alleinverantwortliche für die 2:1 Niederlage. In der zweiten Halbzeit dann das erste Länderspiel für Sebastian Deisler, der Sebescen ersetzte und überzeugte. Interessanterweise eben auch van Nistelrooijs Debüt kurz vor dessen schwerer Verletzung.
Van der Sar – Reiziger, Stam, Bogarde, Cocu (76. Numan) – Ronald de Boer (66. Makaay), Seedorf, Davids, Zenden – Kluivert, van Nistelrooij (75. Hasselbaink).
Kahn – Matthäus – Linke, Babbel – Sebescen (46. Deisler), Jeremies, Hamann (61. Wosz), Ziege – Neuville (76. Baumann), Bierhoff, Scholl
1:0 Kluivert (15.)
1:1 Ziege (22.)
2:1 Zenden (28.)
4. Ganz nachbilden wollte man es sicherlich nicht, da es von den Spielrrollen nicht passt. War aber ein bisschen die mediale Ansage damals: Sacchi (kurz) wieder da, drei neue Niederländer einer neuen goldenen Generation etc. pp.
Zumindest zu Bogarde findet man hier: http://rumpelfussball.blogspot.de/2013/04/grandiose-fuballspieler-i-winston.html etwas
mrb 8. Dezember 2013 um 10:14
Werter TR,
folgender Satz:
“ dass Kluivert zu den wenigen Stürmern gehörte, die an die Klasse Ronaldos und dessen Stil heranreichten – ein bisschen wie der systematischere, weitmaschigere und strammere Ronaldo, der eine Brücke schlug zwischen diesem und Mario Gomez. “
schlug RONALDO die Brücke zwischen Gomez und Kluivert, oder
schlug KLUIVERT die Brücke zwischen Gomez und Ronaldo?
Danke.
RM 8. Dezember 2013 um 12:06
Zweiteres ist es. Ist aber ambivalent formuliert, fällt mir jetzt erst auf.
TR 8. Dezember 2013 um 12:33
Ja, genau, so wie Rene sagt, ist es richtig. Ich versuche mal die Formulierung genauer und präziser zu machen.
woody10 8. Dezember 2013 um 09:33
Hallo, danke mal für dieses Adventtürchen.
Ich finde auch, dass Kluivert ein wunderbarer Spieler war und immer wieder im Schatten von anderen Spielern, ebenso herausragenden Spielern wie van Basten und van Nistelrooy stand.
blub 8. Dezember 2013 um 09:12
Krass. In der Rückschau muss ich sagen das Kluivert völlig an mir vorbei gegangen ist, wobei das zeitlich etwas knapp war und – wenn man so will- durch mein, in jüngeren Jahren, inkonstantes betrachten des internationalen Fußballs verursacht wurde.
😉
TR, King of Bandwurmsatz.