Eintracht Braunschweig – Hertha BSC 0:2
Hertha BSC setzte sich mit 2:0 gegen den Tabellenletzten der Bundesliga, Eintracht Braunschweig, durch. Die Mannschaft von Jos Luhukay konnte mit typischen Mechanismen die Gastgeber in vielen Phasen unter Kontrolle halten.
Grundformation
Torsten Lieberknecht nahm im Vergleich zur Partie bei Bayern München einige Änderungen vor. Sein Team agierte in einer 4-1-4-1-Grundformation. Norman Theuerkauf spielte als stabiler Sechser vor der Viererkette, wurde im Laufe des Spiels von Kevin Kratz häufiger unterstützt. Des Weiteren wirkte das Auftreten im Offensivbereich weniger ausbalanciert. Der hoch gewachsene Torsten Oehrl sollte nominell auf der linken Seite spielen, zog aber immer wieder ins Zentrum. Insgesamt ergab sich hier weniger Eindeutigkeit beim Zusammenwirken von Oehrl und Mirko Boland. Zudem suchte das Team in zahlreichen Szenen eher den außenbahnfokussierten Karim Bellarabi auf dem rechten Flügel.
Jos Luhukay setzte in Braunschweig auf Ronny als zentralen, offensiven Mittelfeldspieler. Mit dieser Personalie ändert sich erfahrungsgemäß das Offensivgefüge der Herthaner. Im 4-2-3-1 dominierte der Brasilianer den Zehnerraum und agierte sehr konzentriert in diesen Zonen. Ausweichbewegungen oder Rochaden waren Mangelware. Hinter Ronny spielten wieder die beiden vertikal orientierten Sechser Tolga Cigerci und Hajime Hosogai. Interessanterweise schickte Luhukay Per Skjelbred auf die rechte Seite und versetzte dabei den offensiven Marcel Ndjeng auf die Rechtsverteidigerposition.
Im Gegensatz zur Vorwoche gegen Augsburg verzichtete man auf eine Doppelacht vor Hosogai. Andere Muster ließen sich allerdings wieder erkennen. Ramos fokussierte in der Regel auf den rechten Innenverteidiger, während Skjelbred über die rechte Seite zentrumsorientierter als sein Pendant Nico Schulz war.
Bessere Spielanlage bei Hertha
Im Endeffekt profitierten die Gäste gerade in der ersten Halbzeit von einem besseren und präziseren Spielaufbau. Zudem konnten die Herthaner Situationen im mittleren und offensiven Drittel klüger lösen. Die spielstarke Doppelsechs, die für zahlreiche Dreiecksbildungen sorgte, setzte zugleich durch vertikale Verschiebungen die Braunschweiger Zentrale unter Druck. Nach anfänglichen Problemen mit der angemessenen Kompaktheit in der Defensive konnten die Berliner gut die Tendenz der Partie verändern. Ausschlaggebend war dafür in der ersten Halbzeit unter anderem das Agieren gegen die Braunschweiger Formation. Die Gastgeber verstanden in einigen Szenen, wo Hertha schnell umschaltete, nicht, die Mitte vor der Viererkette akzeptabel zu besetzen. Wenngleich Theuerkauf der einzige nominelle Sechser war, sollte es die Aufgabe von Kratz oder Boland sein, die Halbräume im Rückwärtsgang gut zu besetzen. Beispielsweise gelang dies in der Berliner Offensivaktion vor dem Eckball zum 1:0-Führungstreffer nicht. Ronny kam wie in dieser Situation einige Male ohne große Probleme mit gegnerischem Pressing an den Ball und konnte dabei seine technische Klasse mit einigen Schnittstellenpässen nutzen. Er suchte häufiger über Anspiele auf die konstant besetzten Außenbahnen die Angriffe in die Halbbreite zu ziehen, damit dann die Hertha wiederum über Eins-gegen-Eins-Situationen oder freie Räume hinter der Braunschweiger letzten Reihe zu Torchancen kommen konnte.
Leidenschaft bei Braunschweig
Die Gastgeber aus Niedersachsen zeigten in diesem Fall eine gewisse Naivität und zugleich war das Team mit einigen gruppentaktischen Aufgabenstellungen überfordert. In der Offensive ergab sich eine große Rechtslastigkeit. Insgesamt 48% aller Angriffe fanden über diesen Flügel statt. Das hing einerseits mit Bellarabi zusammen, den die Braunschweiger sehr oft als Zielspieler im letzten Drittel anpeilten. Andererseits war die Aufteilung auf der linken Seite im ersten Durchgang nicht optimal. Oehrl hielt sich häufig auf der Außenbahn auf. Allerdings kommt er von der körperlichen Konstitution und den individuellen Qualitäten her eher für eine zentralere Position in Frage. Insofern war es nicht verwunderlich, dass Oehrl einige Male in die Mitte zog und Perthel den Flügel überließ. Die temporären Überladungen im halblinken Raum wurden allerdings von Braunschweiger Seite nicht genutzt. Insgesamt war auffällig, dass es den Niedersachsen daran mangelte, aussichtsreiche Umschaltmomente in den Zonen vor dem gegnerischen Strafraum gut auszunutzen.
Offensivere Gastgeber – passivere Gäste
Im zweiten Durchgang stellte Lieberknecht auf ein tendenzielles 4-4-2 um und beorderte Oehrl ins Zentrum. Die Braunschweiger versuchten durch höheres Aufrücken mehr Offensivaktionen zu forcieren. Hertha zog sich zurück und blieb auffallend passiv gegen den Ball. Adrian Ramos lief nur leicht beim Spielaufbau an. Die Gastgeber kamen mit dieser Passivität aber nicht wirklich zurecht. Theuerkauf und Kratz hielten sich zumeist aus dem Spielaufbau heraus oder wirkten nicht effektiv darauf ein. Bis zur Mittellinie ließ Hertha den beiden Braunschweiger Innenverteidigern noch viel Platz. Dann wurde aber konsequenter gepresst. Zudem wurden die Außenverteidiger gut gedeckt. Dogan und Correia schlugen deshalb zahlreiche lange Bälle, die aber in den von Hertha verdichteten tieferen Räumen meistens erfolglos blieben. Hertha passte die typischen Manndeckungen unter Luhukay an das Braunschweiger Vorgehen an. Die beiden Sechser orientierten sich an den zentralen und offensiveren Mittelfeldspielern der Braunschweiger. Skjelbred peilte den gegnerischen Außenverteidiger an beziehungsweise stellte diesen häufig in seinen Deckungsschatten. Des Weiteren ließ sich das tendenziell nach links abdriftende Anlaufen von Ramos mit einer etwas tieferen Position von Nico Schulz kombinieren.
Die höheren Ballbesitzanteile konnten die Braunschweiger nur unzureichend nutzen und das Muster der fehlenden Kreativität und technischen Versiertheit in engen Zonen spiegelte sich auch in der zweiten Hälfte wieder. Aus dem Spiel heraus fanden wenige Torabschlüsse statt. Der Hertha reichte wiederum eine gelungene Umschaltsituation, die der agile Cigerci abschloss, wobei zuvor effektiv und plötzlich der ballführende Perthel attackiert wurde.
Fazit
Das Resümee dieser Partie lässt sich gut verknappen. Beide Mannschaften verfolgten ihre Spielideen und die Hertha war vor allem individuell besser aufgestellt und konnte diese Vorteile auch in mannschaftstaktischer Hinsicht ummünzen. Zudem nutzten die Berliner die Deckungsvarianten gut. Braunschweig hatte trotzdem Möglichkeiten in Umschaltmomenten oder Ballbesitzphasen. Allerdings erschwerten technische Schwächen und zugleich mangelnde Kreativität im offensiven Drittel das Unterfangen eines eigenen Treffers.
Hertha konnte zudem Ronny gut in Szene setzen. Der weniger variable Zehner nutzte Lücken im Braunschweiger Sechserraum und konnte mit einigen präzisen Zuspielen für Gefahr sorgen. Außerdem agierten die beiden Sechser gut über die Halbräume vertikal, schufen dadurch beispielsweise Dreiecksverbindungen zwischen Außenverteidiger und Flügelspieler.
Bei den Braunschweigern mangelte es an Mechanismen, um das Berliner System zu gefährden. Natürlich gab es Torschüsse und die Hoheit in der Luft wurde mit langen Bällen versucht auszunutzen. Trotzdem war es für Lieberknechts Mannschaft wieder einmal sehr schwer zu wirklich aussichtsreichen Abschlüssen zu kommen.
7 Kommentare Alle anzeigen
Vinnie 10. Dezember 2013 um 23:12
Zugriff im Mittelfeld gegen krasse Pässe eingetauscht! Auch genau mein Eindruck! Gegen spielschwächere Gegner mag das ein probates Mittel sein, gegen Dortmund m.E. eher nicht
pb 11. Dezember 2013 um 13:05
Reicht ja auch, Sechspunktespiele gegen Braunschweig und Bremen sichern den Klassenerhalt, Zähler gegen Dortmund und Bayern sind Bonus.
Vinnie 12. Dezember 2013 um 16:48
Ja, absolut! Wollte nur sagen, dass man sich die Aufstellung von Ronny m.E. nur gegen bestimmte Gegner erlauben kann.
Vinnie 12. Dezember 2013 um 16:49
Gegen die meisten Bundesligamannschaften würde ich es bevorzugen, wenn er nicht in der Startaufstellung steht.
HDD 9. Dezember 2013 um 17:45
Ich habe eine Frage zur Berliner Defensivausrichtung. Wie schon erwähnt versuchten die den Spielaufbau der Braunschweiger auf ihre linke Seite zu verlagern. Dies schafften sie in dem Skjelbred Perthel in den Deckungsschatten nahm also höher stand und durch das Anlaufen von Ramos. Das müsste ja heißen das auf der rechten Seite ein Loch zwischen Djeng und Skjelbred entsteht, dass ganz simpel mit einem lange Ball auf denn großen Oerhl, der dann auf den aufrückenden Perthel ablegt ausgespielt hätte werden können …
liege ich damit falsch?
CE 9. Dezember 2013 um 19:13
Theoretisch ein interessanter Ansatz. Wenn man sich das Spiel allerdings anschaut, stellt man fest, dass gerade in der zweiten Halbzeit Oehrl bis zur Kumbela-Einwechslung vergleichsweise selten auf der linken Seite überhaupt auftauchte und eigentlich die Bahn sogar einige Male verwaist blieb. Deshalb war es auch längere Zeit kein richtiges 4-4-2 oder 4-1-4-1. Im gesamten Spiel gab es natürlich den einen oder anderen Versuch beispielsweise Oehrl mit einem höheren Ball zu finden oder in der Berliner Hälfte Bellarabi in Szene zu setzen. Aber dann kam es immer wieder zu kleineren Ungenauigkeiten oder technischen Fehlern.
boRp 9. Dezember 2013 um 08:31
Eine Analyse wie immer. Und das gilt bei euch als ein Lob!
In der berliner Presse wurde ja viel über Ronny geschrieben – vor dem Spiel Schlechtes, danach Gutes. Auch hier bekommt er Lob ab. Dennoch ist es auffällig, dass gerade im ersten Spiel, in dem er wieder in der Startelf steht, Hertha seit (gefühlt!!!) langer Zeit mal wieder weniger Ballbesitz hat.
Die Frage ist also: Kann Ronny auch in den nächsten beiden Spielen auflaufen? Man gibt dafür viel „Zugriff im Mittelfeld“ auf, gewinnt aber an „Kreativität“. Vielleicht das richtige Mittel gegen Werder und den BVB?