VfL Wolfsburg – Hamburger SV 1:1
Der Hamburger SV hatte gegen den VfL Wolfsburg zunächst Probleme im Aufbau, in der Schlussphase dafür den längeren Atem.
Grundformationen
Wolfsburg begann in gewohnter 4-2-3-1-Grundformation, wobei der gesperrte Diego von Marco Caligiuri ersetzt wurde. Ivan Perisic ging dafür auf die rechte Seite und versuchte gemeinsam mit dem aufrückenden Patrick Ochs sowie dem ausweichenden Ivica Olic den dortigen Halbraum zu überladen um anschließend hinter die Abwehr zu kommen. Aufgrund dieses Fokus‘ fehlten auf der gegenüberliegenden Seite naturgemäß die Anspielstationen um Kombinationen aufzuziehen.
Ricardo Rodriguez und Marco Caligiuri bekamen die Bälle in erster Linie nach Verlagerungen und suchten dann eins-gegen-eins-Situationen. Der Linksverteidiger ging elfmal ins Dribbling (alle erfolgreich), sein Vordermann 13-mal (neunmal erfolgreich). Vor allem bei Caligiuri sah man dabei, dass er stark von außen nach innen spielte und in den Strafraum kommen wollte.
Der HSV begann zwar auch in einer nominellen 4-2-3-1-Formation, in der Tolgay Arslan den verletzten Rafael van der Vaart auf der Zehnerposition ersetzte, jedoch zeigte sich diese äußerst flexibel und mit einigen interessanten Charakteristiken. So sah man wie gewohnt die asymmetrische Aufteilung auf den Flügeln. Hakan Calhanoglu driftete immer wieder ins Zentrum um Platz für den nachstoßenden Außenverteidiger zu machen, während Maximilian Beister rechts im Offensivspiel breit und hoch blieb.
Insgesamt spielte er aber tiefer – in etwa auf einer Höhe mit Marcell Jansen -, da er seinen Gegenspieler konsequenter verfolgte bzw. Calhanoglu bewusst den Passweg auf Ochs zustellte. Pierre-Michel Lasogga positionierte sich eher rechts vom Sturmzentrum, was zusammen mit dem regelmäßigen Aufrücken von Arslan zur Folge hatte, dass die drei ihren Schwerpunkt auf etwa der gleichen Höhe hatten.
Die Probleme im Aufbauspiel des HSV
Die Hamburger hatten große Probleme damit, ins Spiel zu kommen. Zwar gingen sie dank eines Freistoßtors in Führung, allerdings konnten sie den ersten Schuss aus dem Spiel heraus erst nach einer halben Stunde verbuchen. Üblicherweise bilden Arslan und Milan Badelj eine spiel- und passstarke Doppelsechs, bewegen sich frei in den zentralen Räumen.
Mit Tomas Rincon als tiefsten Mittelfeldspieler hatte man aber Probleme damit, den Ball nach vorne zu bringen. Die Folge davon waren viele lange, vertikale Bälle, von denen die Mehrheit nicht ankam. Allerdings wurden sie auch von den Gastgebern immer wieder in die offenen Flügelräume gedrängt. Wolfsburg presste in einer 4-4-2-Ordnung, bei der die beiden Stürmer die Wege ins Zentrum verstellen sollten.
Das gelang ihnen weitestgehend sehr gut, denn Badelj und Arslan bekamen kaum Anspiele im Zentrum, sondern mussten auf die Seiten ausweichen. Dabei wurden sie von Wolfsburgs beiden Sechsern verfolgt. Besonders Slobodan Medojevic rückte dabei weit auf, was man unter anderem bereits im Spiel gegen Borussia Dortmund sah, als er Nuri Sahin immer wieder zustellte. In der Anfangsphase nutzte der HSV dies ein-, zweimal dadurch aus, indem man die beiden gegnerischen Sechser auf die Seiten auseinanderzog um dann flach auf den zurückfallenden Stürmer zu spielen.
Dies bekamen die Wolfsburger aber in den Griff, denn fortan war es Maximilian Arnold, der sich auf Badelj konzentrierte, wenn dieser seitlich tief zurückfiel, während Medojevic je nach Situation zwischen Rincon und Arslan hin- und her pendelte. Dadurch wurde Luiz Gustavo frei. So konnte dieser entweder den nach außen weichenden Hamburger übernehmen, während Arnold zentral blieb oder stattdessen das Zentrum besetzt halten. Im obigen Bild sieht man eine beispielhafte Szene.
Wolfsburgs Verlagerungen und Sprints aus der Tiefe
Beim VfL Wolfsburg sah man im Offensivspiel zu Beginn wieder einen starken Ochs-Fokus. Sie bauten zunächst über die linke Seite auf und verlagerten dann nach rechts, wo der Rechtsverteidiger mit Tempo nach vorne zog. Dabei nutzte man auch die enge Position des linken HSV-Flügelspielers aus, der zeitweise einfach überlaufen wurde.
Davor ließ sich Perisic diagonal nach hinten fallen, sorgte dadurch mit Ochs und entweder einem ausweichendenden Sechser oder Olic für Dreiecksbildungen im Halbraum. Der HSV schob dementsprechend nach, wodurch sich jedoch auf der ballfernen Seite Räumen öffneten. Ein Schwachpunkt der Hamburger war dabei die fehlende Dynamik und Schnelligkeit von Badelj, der unter Umständen zu spät kam um einen Pass zu verhindern, aber auch den Passempfänger nicht stören konnte.
Caligiuri hielt auf Wolfsburgs linker Seite die Breite und verhinderte dadurch, dass Westermann einrücken konnte. Diese Freiheiten nutzten dann Medojevic oder Arnold, die aus der Tiefe nachstießen und die eine oder andere Möglichkeit zum Abschluss vorfanden. Zwingend wurde man auf diese Art und Weise allerdings ebenfalls nicht.
Variableres HSV-Pressing nach der Führung
Nachdem der HSV quasi aus dem Nichts in Führung ging, gestaltete er sein Pressing variabler und bekam dadurch auch mehr Zugriff. Arslan stand zu Beginn eher tief und passiv, lief den Gegner erst an wenn dieser den Ball bekam. Dahinter mussten die Sechser dann viel Kraft für das Verschieben aufwenden. Auch im Umschaltspiel hatte man aufgrund dieser großen Abstände Nachteile.
Danach ging Arslan allerdings weiter nach vorne, formte mit Lasogga ein 4-4-2. Auch die beiden Sechser und die Viererkette standen im Allgemeinen höher. Nach etwa einer Stunde gab es sogar eine Aktion, bei der Westermann über der Mittellinie einen Ball eroberte und anschließend in den Strafraum auf einen Kopfball ging. Doch es war nicht nur die Höhe des Pressings, das den Wolfsburger zusetzte, sondern auch, dass man sich nicht immer mit der gleichen Formation konfrontiert sah.
So wechselten die Hamburger von einem 4-4-2 in einzelnen Szenen auch auf ein asymmetrisches 4-3-3, indem einer der beiden Flügelspieler hoch blieb. Dadurch schnitt man insbesondere Ochs vom Aufbau ab. Die Folge dessen war, dass nun auch Wolfsburg vermehrt zu langen Bällen griff und kaum nach vorne kombinieren konnten.
Gefährlich wurde es eigentlich nur dann, wenn ein Innenverteidiger – in aller Regel war es Naldo – mit dem Ball am Fuß nach vorne ging. So fand sich der Brasilianer unter anderem in der 55. Minute im gegnerischen Strafraum wieder. Seinen Querpass konnte Olic allerdings nicht über die Linie drücken.
Eine weitere Pressingformation der Hamburger war das 4-1-4-1, das jedoch weniger erfolgreich war. Das Problem dieser Ausrichtung ist, dass der Gegner mehr Platz in den Halbräumen hat. Das förderte zum einen die dortigen Überladungen der Wolfsburger. Andererseits wurden dadurch Steilpässe auf die Flügelspieler erleichtert. Unter anderem wurde auch die Situation, die zum Elfmeter führte, auf diese Art und Weise eingeleitet.
Individuelle Fehler und powervolle HSV-Schlussphase
Nach dem Seitenwechsel standen die Hamburger tiefer und pressten nicht mehr so aktiv. Sie konzentrierten sich in erster Linie darauf, die Räume vor dem Strafraum zu verschließen. In dieser Phase hatten die Wolfsburger auch den meisten Ballbesitz mit ca. 65-70%, klare Torchancen konnte man sich aber nicht herausspielen. Vielmehr handelte man sich dadurch Probleme in der Schlussphase ein.
Dadurch, dass die Hamburger in einem tiefen Block und ohne großen Aufwand verteidigten, hatten sie in den letzten 15 Minuten des Spiels anscheinend noch mehr Kraft als die Wolfsburger. Von den 18 Schüssen des HSV wurden ganze zehn in diesem Abschnitt abgegeben. Entscheidend dabei war die halbrechte Zone um den Wolfsburger Sechserraum. Zum einen harmonierten Medojevic und Gustavo nicht mehr so gut miteinander wie noch zu Beginn der Partie. Besonders beim Verschieben wurden dabei Räume frei.
Zum anderen neigten die Wolfsburger zu individuellen Fehlern, insbesondere schlampigen Pässen. Dies nutzte dann vor allem Badelj, der sich wieder etwas höher positionierte. Vor dem Lattenschuss in der 85. Minute konnte sich der Kroate beispielsweise gegen einen Innenverteidiger und einen Sechser im Zweikampf durchsetzen, während der zweite Sechser weiter hoch blieb anstatt den Raum, der durch das Herausrücken des Innenverteidigers geöffnet wurde, zu schließen. Auch der zweite Innenverteidiger orientierte sich zu spät dorthin.
Fazit
Die chancenreiche und spektakuläre Schlussphase mag über vieles hinwegtäuschen, daran, dass die Partie davor relativ trist war, ändert sie allerdings kaum was. Von den insgesamt 38 Schüssen beider Mannschaften fanden nur zwölf den Weg auf das jeweilige Tor. Das lag auch daran, dass selten aus verheißungsvollen Positionen geschossen wurde. Der HSV gab die Hälfte aller Versuche von außerhalb des Strafraums ab, beim VfL Wolfsburg waren es sogar 55%.
Nennenswerte personelle Eingriffe der Trainer gab es zudem auch nicht. Die Dynamik des Spiels bestimmten weitestgehend die Hamburger. Zunächst konnten sie trotz Problemen im Aufbauspiel treffen, dann hielten sie die Wolfsburger mit ihrem Pressing und kompakten Verschieben von den gefährlichen Zonen fern. Danach zogen sie sich zurück und konnten deshalb eine gefährliche Schlussoffensive starten.
3 Kommentare Alle anzeigen
CF 3. Dezember 2013 um 15:37
Der HSV hatte ja schon gegen Hannover Probleme mit dem Aufbauspiel. Was genau machen die denn da falsch? Ist die Aufbauformation zu einfach zupressen? Oder sind die Spieler zu einfach zupressen? Kenne keinen Bundesligisten der so starke Probleme hat wie Hamburg.
CF 3. Dezember 2013 um 23:08
Gegen Köln wieder extrem leicht zupressen. Ein Tor unde mehrere Chancen verschuldet durch frühe Ballverluste. Ein Artikel zu dem Thema würde mich echt interessieren.
Erkinho 4. Dezember 2013 um 04:15
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