1. FC Nürnberg – VfL Wolfsburg 1:1
Gertjan Verbeek wartet weiter auf seinen Sieg mit Nürnberg, erreichte mit etwas Glück aber ein Remis gegen Heckings starke Wolfsburger. Die typischen Mannorientierungen waren einflussreich, aber nicht ganz im erwarteten Ausmaß. Die Gäste verfügten über drei wichtige Angriffsrouten, doch Nürnberg hatte die besseren Umstellungen.
Nürnberger Defensivspiel
Auch wenn die Wolfsburger keinesfalls dominant waren, da auch die Nürnberger immer wieder eigene Ballbesitzphasen initiierten, war mit zunehmender Dauer doch immer stärker der Moment des Aufbauspiels der Gäste von Interesse. Dabei versuchten die Nürnberger ihrem grundsätzlichen 4-1-4-1 gegen den Ball meistens treu zu bleiben und schoben nur situativ in eine 4-4-2-Formation oder gar – bei seltenem Zurückfallen von Gustavo – in noch riskantere Anordnungen hoch. In jenen Ausnahmefällen wurden die durchaus typischen Mannorientierungen natürlich konsequent durchgezogen, doch in der Grundstellung blieben die Nürnberger nicht konstant bei diesem Mittel, sondern nutzten es eher situativ und versuchten gerade das Verfolgen ausweichender oder zurückfallender Wolfsburger zu vermeiden.
Stattdessen ergab sich durch die diszipliniert arbeitenden Linien teilweise ein sehr enger Block, der Wolfsburg nur wenige Möglichkeiten eröffnete. Wegen Frantz´ Natur drifteten die Franken aus der eigenen Defensivdynamik dann und wann auch mal in 4-5-1-artige Konstrukte hinein und bauten auf den Flügeln einige Male hervorragende Lokalkompaktheiten auf. Gerade die Anfangsphase stach in dieser Hinsicht heraus, anschließend konnten die Hausherren ihre eigenen Standards dann immer seltener einhalten.
Drei Akteure hatten bei der Nürnberger Defensivarbeit entweder interessante und etwas ungewöhnliche oder entscheidende und grundlegend prägende Aufgaben zu verrichten. Im Hinblick auf ersten Aspekt war dies eindeutig Mike Frantz, dessen Aufstellung als tiefster und alleiniger Sechser schon in den vergangenen Partien möglicherweise in diese Kategorie einzuordnen wäre. Wenn er eine situative Mannorientierung aufnahm, machte er dies nicht nur gegen Maxi Arnold, sondern noch häufiger in etwas verschobener Position gegen den einrückenden Diego (und in Ausnahmen Perisic), wenn dieser zentrale Bereiche spielmachend anvisierte.
Als Ausgleich für das durchaus vorwärtsgerichtete Mittelfeld der „Glubberer“ spielte Hlousek auf der linken Seite gegen den Ball ziemlich tief und rückte immer wieder auch weit in die Halbräume ein, um die etwas riskante Ausrichtung seiner Kollegen potentiell absichern zu können. In Ansätzen zeigte Feulner ähnliche Aktionen, wenngleich der Tscheche dieses zurückfallende Einschieben in der Defensive dauerhafter praktizierte. Im Gegensatz zu diesen sehr spezifischen Rollen von Frantz und Hlousek hatte Drmic einen recht unspektakulären Auftrag, bei dem er die beiden Wolfsburger Innenverteidiger bogenhaft anlief, voneinander abtrennte und sie damit zur Seite hin leiten sollte.
Grundsätzlich gelang dies den Franken auch, so dass sie zumindest einige Male die Wolfsburger Zirkulation abwürgen oder sie eben früh auf die Außenbahn drücken konnten. Dennoch machten die Gäste nach anfänglicher Findungsphase einen aufgeräumten und bedachten Eindruck, was die Art und Weise ihrer Zuspiele anging. Sie überzeugten mit ihren zentralen Positionierungen, was gerade bei den einrückenden Flügelspielern einen deutlichen Fortschritt zu den Partien zu Saisonbeginn darstellte, wenngleich das kollektive Ausnutzen dessen und das An- bzw. Ausspielen dieser mittigen Strukturen nicht konsequent genug erfolgte.
Köderpässe und der zu starke Ochs-Fokus
Zumindest in gewisser Weise war dies von Heckings Mannen auch so intendiert, da sie ihre zentrale Präsenz durch die Offensivkräfte gerade in tieferen Zonen nicht durchweg für das dortige Zusammenspiel einsetzen wollten. Stattdessen versuchten sie die aggressive Haltung des Nürnberger Mittelfeldzentrums und die unterstützenden Einschiebebewegungen von Hlousek und Feulner auszunutzen, indem sie diese mit Pässen ins Mittelfeld anlockten und anschließend schnell auf die Außenverteidiger verlagerten. Wegen des besonders weit einrückenden Diego boten sich dabei vor allem solche Bälle auf die rechte Seite an, wo Ochs entsprechend offensiv ausgerichtet war und oft frei kam. Obwohl sich daraus einige gute Szenen über den engagierten Kämpfer entwickelten, wie bei seiner Hereingabe für den Kopfball von Olic, wurde der Fokus mit der Zeit zu stark, wodurch Wolfsburg sich in den Angriffswegen selbst etwas einschränkte und damit vor allem zur Mitte des ersten Durchgangs eigene Probleme bereitete.
Neben den Verlagerungen auf Ochs waren frühe lange Bälle auf die linke Seite zunächst die zweite große Route im Aufbau- und Angriffsspiel der Niedersachsen. Dieser Schachzug stellte durchaus eine Maßnahme gegen das Leiten der Innenverteidiger durch Drmic dar, mit dem dieser nicht immer Zugriff bekommen konnte, wenn Knoche geschickt ein wenig in den Halbraum vorrückte. Nach diesen auch von Rodriguez oder Luiz Gustavo gespielten Bällen versuchten die Wolfsburger je nach Situation Perisic, der sich dann etwas höher positionierte, in direkte Duelle zu bringen oder auf das Gegenpressing der zweiten Bälle zu gehen, wofür unter anderem auch Olic viel in jene Zonen hinein arbeitete.
Gegen dieses Mittel schienen die Nürnberger nicht ideal abgesichert, da Frantz wegen den situativen Mannorientierungen auf Diego teilweise zu linksseitig positioniert war und Feulner das zurückfallende Einschieben zum Halbraum nicht in dem Ausmaß praktizierte, wie es für Hlousek auf der anderen Außenbahn vorgesehen war. So kamen die Wolfsburger auch auf diesem Wege zu ein paar Szenen und standen, falls sie bei diesen Aktionen nicht erfolgreich waren, zumindest sehr gut abgesichert – entweder durch den Gegenpressing-Ansatz oder bei den direkten Pässen auf Perisic durch die abwartende Haltung der Kollegen.
Führungstor mit Vorlauf
Im Laufe der ersten Halbzeit fanden die Grün-Weißen dann schließlich noch eine dritte Option, mit der sie die Nürnberger Defensive hauptverantwortlich bespielen und vor allem die Ausrichtung Drmics kontern konnten. Gerade Knoche zeigte einige sehr konsequente Vorstöße bis weit ins Mittelfeld ein, was besonders in den stärker mannorientierten Szenen seitens der Hausherren effektiv und von den Niedersachsen in den richtigen Momenten fokussiert wurde. Auf diese Weise nutzte Wolfsburg die zentralen Räume, wo sie über gute Strukturen verfügten, diese aber nicht immer anvisiert hatten, besser und kam dort häufiger in ihr Zusammenspiel hinein – oder Knoche kreierte selbst direkte Chancen. Nach einer guten halben Stunde bereitete der Innenverteidiger auf diesem Wege tatsächlich eine der besten Torchancen des Spiels vor, indem er bis ins letzte Drittel rückte und einen starken Schnittstellenpass halblinks in den Strafraum brachte – Olic ging an Pogatetz und Schäfer vorbei, verfehlte das leere Tor aus etwas spitzem Winkel aber um Haaresbreite.
Einige Minuten später war es dann allerdings soweit – durch einen Distanzschuss von Arnold erzielten die Wolfsburger die Führung. Auch wenn das Tor in der Entstehung etwas glücklich zustande kam, passte es doch in die grundsätzlichen Aspekte und Wechselwirkungen dieser Partie hinein. Die typischen Verlagerungen auf Ochs und die kleinen Nürnberger Offenheiten in ihrem etwas fahrigen Mittelfeld spielten beide zusammen entscheidend in die Situation hinein. Nicht zum ersten Mal bewegte sich Diego für das Zuspiel seines Rechtsverteidigers in den Halbraum, lockte Frantz an und öffnete damit Raum für einen Querpass auf Arnold. So hatte Wolfsburg mit einer halben Rückverlagerung sehr simpel das defensive Mittelfeld der Nürnberger geöffnet, weshalb Pogatetz etwas suboptimal auf den späteren Torschützen herausrücken musste und der Abschluss nicht richtig verhindert werden konnte.
Gut im Aufbau, schlecht im letzten Drittel
Zu Anfang der Begegnung kamen die Nürnberger noch häufig zu eigenen Aufbausituationen, die sie auch konsequent suchten, da Wolfsburger in ihrer 4-4-2-haften Anordnung zwar durchaus hochschob und aufrückte, dabei aber nicht optimal arbeitete. Weil die Gäste diese Bewegungen zu passiv machten und dabei – in den Szenen, in denen sie diese nutzen – die eigenen Mannorientierungen nicht effektiv, balanciert und getimt genug ausführten, hatten sie nicht wirklich Zugriff auf die letzte Nürnberger Reihe, in die sich auch Schäfer einige Male gut einband. So konnten die Nürnberger mehrmals freie Spieler auf den Außen mit längeren Zuspielen bedienen oder sich über andere offene Bereiche befreien und anschließend aufrücken. Beispielsweise ließ sich Hasebe einige Male zentral nach hinten fallen, wurde durch die Lücke der Wolfsburger Stürmer bedient und umschiffte damit deren Vorschieben.
Nachdem dies gelungen war, zeigten sich die Franken aber weniger überzeugend, da sie aus diesen Situationen zu wenig machten und die Strukturen in den vorderen Bereichen nicht für eine hohe Zahl an Torchancen ausreichten. Auch wenn es über simple Flügelaktionen wie dynamische Doppelpässe zwischen Hlousek und Drmic auf links den einen oder anderen ordentlichen Angriff gab, gelang es ihnen zu selten, das typische Spiel mit direkten Pässen und Ablagen aufzuziehen, das Verbeek eingeführt hat und mit einigem Erfolg auch bereits gegen Teams wie Stuttgart oder Mönchengladbach praktizieren ließ.
Zwei zentrale Gründe bestanden für diese Probleme der Nürnberger bei ihren Angriffsversuchen in den vorderen Bereichen. Zum einen waren da ganz besonders die Positionierungen, denen es an der richtigen Staffelung fehlte. Wie bei einigen Partien, die Verbeek in dieser Saison noch bei AZ Alkmaar verbrachte, agierten zu viele Akteure in letzter Linie oder rückten zu unbalanciert dorthin. Daher wurden die typischen Angriffe nur selten möglich, weil die Raumnutzung der zwischenliegenden Mittelfeldbereiche erschwert war, und noch seltener gefährlich – Aktionen wie der Distanzschuss Hasebes an den Pfosten stellten sich als Seltenheiten dar.
Der andere Aspekt betraf die generell sehr vielseitigen Bewegungen der Offensivspieler, die zu wirr angelegt waren und daher nicht so wirklich auf die vertikalen Ablagestrukturen passten – zumindest in der konkreten Ausführung, da diese Bewegungen eher Rochaden zwischen den Spielern und in vorbereitender Form waren, denn in der Dynamik des Passspiels. Hlousek rückte weit ins Zentrum ein oder schob sehr hoch in die letzte Linie, Drmic zeigte sich gewohnt ausweichend, Feulner war inkonstant beim Einrücken, Hasebe schob teilweise überraschend weit und insgesamt etwas zu linear vor, Kiyotake schließlich driftete immer wieder herum, war aber oft dann zu sehr von jenen Szenen entfernt, in denen man ihn besonders gebraucht hätte – als Akteur für das schnelle Weiterleiten oder Lösen von Engen.
Wolfsburgs Pressing erreicht das Level des Gegenpressings
Mit der Zeit kam für die Nürnberger erschwerend hinzu, dass Wolfsburg sich im Pressing steigerte. Vor allem die Koordination der einzelnen Bewegungen gelang den Gästen nun bedeutend besser, so dass sie beim Hochschieben vermehrt Druck generieren und die letzte Reihe des „Glubb“ in die Bredouille bringen konnten. Diese wussten sich über Schäfer und zurückfallende Akteure somit immer seltener zu lösen – auch weil gegen Letztere von Seiten der Wolfsburger nun konsequente Mannorientierungen, häufig durch Medojevic, eingegangen wurden. Die Ausnahme bildete dabei das zeitweise Herauskippen von Frantz auf die linke Seite hinter Plattenhardt, was nicht durch den aufrückenden Sechser gekontert wurde. Stattdessen übergaben Diego und Arnold diesen untereinander sehr effektiv und zeigten einige gelungene Verschiebungen unter Einsatz des Deckungsschattens, wobei Frantz diese Aktionen ohnehin nicht strategisch genug anging und keine optimalen Anbindungen für das Weiterspielen vorfand.
Dass die Aufbausituationen bereits in den tiefen Bereichen immer häufiger von Wolfsburg gestört wurden, konnte Nürnberg auch nicht dadurch ausgleichen, indem sie über Konter gefährlich wurden – abgesehen von Drmics hervorragender Einzelaktion aus der unmittelbaren Anfangsphase war hier ebenfalls wenig Zwingendes zu berichten. Grundsätzlich standen die Wolfsburger meistens gut abgesichert, was besonders durch die beiden starken Sechser unterstrichen wurde, die sich überzeugend im Gegenpressing präsentierten. Bei den langen Bällen auf die linke Seite war eine solche Stabilität für Heckings Mannschaft ebenso gegeben, wie im Grundsatz durch die guten zentralen Positionierungen der vorderen Offensivkräfte, von denen sich vor allem Arnold und Diego gerne auch mal halbrechts tummelten.
Bei den Verlagerungen auf Ochs griff dieser Aspekt meistens, was durch vorausschauende Positionierungen der Sechser und Innenverteidiger unterstützt wurde. Alles in allem standen die Wölfe nicht im direkten und unmittelbaren Umkreis ihres Rechtsverteidigers geballt, aber hatten doch meistens im zweiten Schritt nach einem eventuellen Ballverlust den nötigen Zugriff. Die sehr hohe Präsenz im Halbraum konnte dann entweder den Nürnberger Konterweg abschneiden oder etwas nach hinten rücken, um einem Sechser oder Innenverteidiger ein brutales Nachrücken ins Gegenpressing zu ermöglichen. Durch vereinzelte Rochaden oder die Qualitäten in Sachen Pressingresistenz der beiden japanischen Achter konnte sich Nürnberg zwar einige Male lösen, doch in der Mehrzahl der Fälle wurden sie von Wolfsburg abgeschnürt. Was doch durchkam, konnten die Gäste zumindest insoweit verzögern oder eindämmen, dass aus den ansatzweise gefährlich aussehenden Szenen, die vielleicht einmal die Geräuschkulisse lauter werden ließen, keine zwingenden Abschlüsse wurden – ein generelles Phänomen auf fränkischer Seite in dieser Partie.
Entwicklungen in der zweiten Halbzeit
Der Aspekt, unter dem der Wolfsburger Führungstreffer entstanden war, ging auch nach der Halbzeit weiter. Bei den Gästen schaltete sich nun Medojevic stärker ein und attackierte mit Khedira-ähnlichen Läufen geschickt die offenen Bereiche hinter oder im Nürnberger Mittelfeld, wofür ihn Hecking anschließend verstärkt über halbrechts kommen ließ. Dort erhaschte auch Diego vermehrt Räume und hatte in der Folge einige gefährliche Abschlüsse. So fanden die Niedersachsen immer besser zu ihren Kombinationen, griffen viel weniger über den Außenverteidiger allein an und erzeugten über diesen Bereich eine Reihe von ansehnlichen Überladungsangriffen. Eine der besten Szenen führte zu einer dicken Chance für Olic, wo dieser aus etwas spitzem Winkel sich aber nicht abzuschließen traute und stattdessen umständlich auf Perisic zurücklegen wollte.
Im direkten Gegenzug – nach einem schnell ausgeführten Abstoß – wurden die Wolfsburger dafür bestraft, ihre Chancen zum 0:2 nicht genutzt zu haben, und fingen sich den Ausgleich. In zwei Etappen hatte Verbeek zunächst Mak für Frantz und anschließend anstelle von Kiyotake noch Ginczek gebracht, was eine Umstellung in eine 4-4-2-hafte Formation bedeutete. Nachdem Letzterer auf den Flügel gewichen war und dort das lange Zuspiel erreicht hatte, zeigte er ein unfassbares Dribbling bis in den Strafraum, womit er die gesamte Wolfsburger Defensive aussteigen ließ und den Treffer erzwang.
Insgesamt war es zu diesem Zeitpunkt aber ein überraschendes Tor, da Nürnberg – wie erwähnt – nur wenige Chancen hatte erspielen können. Zu selten knackten sie das Wolfsburger Pressing oder deren Mannorientierungen und konnten freie Räume anvisieren. Wenn sich Mak einmal in den rechten Halbraum zurückfallen ließ, Rodriguez herauszog und anschließend in die Mitte hineinkam, konnte er einige Angriffe starten und dabei die Pressingresistenz und weiterleitenden Fähigkeiten der beiden japanischen Achter nutzen – auf diesem Wege waren einige Ansätze entstanden.
Verbeeks Umstellung
Doch im unmittelbaren Vorlauf des Treffers hatte Verbeek entscheidend umgestellt und eine neue Strategie gewählt – direkte Angriffe und vermehrte Flügelaktionen, wozu auch solche langen Bälle von Pogatetz und Plattenhardt auf den linken Flügel zu Drmic oder Ginczek forciert wurden, wie man sie beim Treffer zu sehen bekam. Außerdem spielten die Franken in ihrer 4-4-2-Anordnung immer wieder die Positionen sehr direkt durch und verlagerten aus dem zentralen Mittelfeld auf die Seiten, wo Mak in den direkten Duellen mit Rodriguez die eine oder andere Szene provozieren konnte. So erzeugte Nürnberg sehr viel Druck und kam über die kraftvolle Ausrichtung zu einer Drangphase. Nach dem 1:1 drehten die Franken auf und erarbeiteten sich mit dieser Spielweise ein Chancenplus – das Pendel war allmählich immer mehr in Richtung Wolfsburg ausgeschlagen, ehe das Spiel etwa für die letzten 20 Minuten radikal kippte.
In dieser Hinsicht hatte auch Dieter Hecking eine etwas unglückliche Entscheidung getroffen, indem er seine beiden Sechser die Seiten tauschen ließ. Diese Überlegung hatte vor allem Medojevic besser in das überladende Kombinationsspiel auf rechts einbinden sollen, während Gustavo gelegentlich nach links herauskippte und von dort neue Aufbauwinkel erschließen wollte. Allerdings wurden die beiden dadurch auch etwas mehr auseinander gerissen – und ohnehin war die Stabilität in der neuen Aufteilung mit den neuen Räumen nicht mehr so stark. Gerade gegen die Nürnberger Flügelkonsequenz zeigte sich die verminderte Abstimmung dann deutlich und hätte in der Schlussphase sogar noch zu einem überraschenden Sieg für die Franken führen können, da Wolfsburg in diesen Minuten auch zu viel Struktur in der Offensive verlor, um selbst entscheidend zuzulegen.
Fazit
Ein interessantes und vielschichtiges Spiel mit verschiedenen Phasen. Nachdem Nürnberg die durchaus furiose Anfangsphase noch offen hielt, für ausgeglichene Spielanteile sorgte, den einen oder anderen Konter fuhr und im Aufbau überzeugte, übernahm Wolfsburg anschließend das Zepter. Über lange Bälle nach links, Verlagerungen auf Ochs und gelegentliche Vorstöße der Innenverteidiger hatten sie drei Punkte, um Nürnberg zu attackieren. Im Zuge der ständigen Steigerung schnürten sie den Franken vermehrt die Angriffsoptionen ab, nutzen die kleineren Lücken zwischen den Mannorientierungen des Mittelfelds und kombinierten nach dem Wechsel auch immer stärker.
Doch gerade in ihrer offensiv ansehnlichsten Phase mit einigen starken Szenen wurde die mangelhafte Chancenverwertung bestraft und fiel der überraschende Ausgleich – Ginczeks Treffer bildete die Vorhut für Nürnbergs Schlussspurt. Nun zündeten Verbeeks Umstellungen zum direkten 4-4-2 mit vielen Flügelaktionen und systematischem Positionsspiel und brachten Heckings Defensive ins Wanken, die zusätzlich das Risiko des Tauschs zwischen Medojevic und Gustavo zu spüren bekam. Auf dem Höhepunkt der Macht war für den VfL der Einbruch gegen Nürnbergs veränderte Ausrichtung geschehen.
Mit weiten Teilen des Spiels können die Wolfsburger somit trotz des Punktverlusts und der schwachen Reaktion auf den Ausgleich somit sehr zufrieden sein – gerade was die lang anhaltende Steigerung innerhalb der Partie anging. In dieser Form ist der Kampf um die CL-Plätze definitiv möglich – und in anderen Begegnungen dürfte man wohl eine deutlich bessere Chancenverwertung an den Tag legen. Auf der anderen Seite ist Nürnberg weiterhin ohne Sieg und konnte diesmal nur selten an die Leistungen der vorigen Begegnungen anknüpfen, doch in allen Bereichen gab es zumindest interessante Ansätze. Darüber hinaus legte Verbeek die Schlussoffensive sehr geschickt und sinnvoll an, wodurch er die Partie noch herumreißen konnte. Dass nicht allein der hervorragende Gegner die Leistungsduelle – die Offensivpositionierungen und die wirren Elemente waren nicht allein dem VfL geschuldet – erklärt, ändert nichts an der Grundbetrachtung: Unter dem Niederländer verzeichnen die Franken generell deutliche Fortschritte. So lässt sich für beide Teams in vielen Punkten ein positives Fazit ausstellen, auch wenn das 1:1 sich für keine der beiden Seiten so anhört.
6 Kommentare Alle anzeigen
CF 24. November 2013 um 12:46
Dnk Verbeek ist der Club wieder zu einem Team geworden was man aus taktischer Sicht gerne sieht. Ich bin echt gespannt wie es mit ihm weitergehen wird. Er hat ein klares Konzept. Verändert aber je nach Gegner die Mannorrientierungen um damit einen Vorteil zu erzeugen. Er spielt einen erfrischend anderen Fußball aus taktsicher Sicht. Wenn sie die von TR oben beschriebene Probleme noch in den Griff bekommen für mich aufjedenfall ein Kanditat für die internationalen Plätze nächstes Jahr.
splattercheffe 24. November 2013 um 12:17
Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass die Verpflichtung von Gertjan Verbeek die beste Entscheidung seit Jahren beim Club war. Hat eine klare Idee von Fußball und dem Team bereits nach der kurzen Zeit offensichtlich viel davon vermittelt, obendrein beherrscht er offensichtlich aúch das in-game-coaching, wie TR’s Artikel deutlich herausarbeitet. Dass das gegen eine Mannschaft wie Wolfsburg, die heuer sicher um die internationalen Plätze spielt, auch mal nicht so funktioniert, ist klar, aber man muss sich das mal vergegenwärtigen (auch mal ohne störende schlichte Ergebnisse), dass der Club eigentlich seit Jahren ein ähnliches Spiel zeigte und es auch Wiesinger kaum gelang, es fortzuentwickeln, während Verbeek binnen weniger Wochen eine Ahnung attraktiven Fußballs inszeniert. Und SO steigt man nicht ab, niemals. Nürnberg ist mit Verbeek locker besser als 4-6 andere Mannschaften in der Liga.
Die einzig spannende Frage ist für mich, wie Verbeek es schafft, die instabile Defensive so in den Griff zu kriegen, dass nicht allzuviel Schaden entsteht, wobei genau das doch schon wieder Verbeeks Ansatz unterstützt: die Stärken liegen im offensiven Bereich, also sollte man diese Stärken auch pflegen.
Koom 24. November 2013 um 12:55
Als Verpflichtung in etwa wie Favre bei Gladbach oder Gisdol bei Hoffenheim wohl zu bewerten. Der wahre Wert wird sich (hoffentlich) für Nürnberg noch erschließen. 🙂
CF 24. November 2013 um 13:29
Glaube ich auch. Aber ist kein Trainer der langfristig bei einem Club bleibt. Eher so Richtung van Gaal.
Koom 24. November 2013 um 13:32
Ergo: Er ist eher ein Grundsteinleger für 2 Jahre, danach braucht es einen neuen Trainer, der diese Arbeit weiterführt?
Alexander | Clubfans United 24. November 2013 um 10:35
Vielen Dank für die ausführliche Analyse! Gerade wenn du ganz unten stehst und du dich manchmal fragst, ob das nicht alles keinen Sinn mehr macht und auf dem richtigen Weg bist, weil dir einfach die Ergebnisse fehlen, sind solche fundierten Erläuterungen hilfreich und machen viel Mut. Danke!