Confed-Cup: Mexiko – Italien 1:2

Stark verbesserte Italiener mit einem verdienten Sieg. Dank besserem Aufrücken und Überladungen der halblinken Seite dominieren sie Mexiko, das sich taktisch zu unbeweglich zeigte.

Zuletzt hatte es bei den Italienern eine Reihe an enttäuschenden Auftritten gegeben – darunter ein torloses Remis gegen Tschechien, als sie keinen einzigen Torschuss verbuchen konnten, und ein 2:2 gegen Haiti im letzten Testspiel vor dem Turnierstart. Als Reaktion darauf nahm Trainer Cesare Prandelli einige Veränderungen für diese Auftaktpartie gegen Mexiko vor und wartete mit einigen Überraschungen auf.

Italienische Umstellungen und Verbesserungen

confed-cup-2013-mex-itaDie erste betraf das Personal, denn hier musste der zuletzt fast durchgehend als Sturmkollege von Balotelli gesetzte El Shaarawy auf die Bank und blieb dort auch über die gesamte Spielzeit. Desweiteren schraubte Prandelli an der Grundformation seiner Mannschaft, die sich zuletzt immer mehr Richtung 4-3-3 entwickelt hatte und dabei in verschiedenen Ausführungen gespielt worden war. Diesmal wählte der Nationaltrainer eine Aufstellung, die zwar situativ 4-3-3-artig aussah, sich im Großen und Ganzen allerdings als ein sehr bewegliches 4-3-2-1 darstellte, mit dem die Italiener viel überzeugender wirkten als in den letzten Spielen.

Erster wichtiger Punkt dabei war die Tatsache, dass die Italiener mit viel mehr Spielern nach vorne aufrückten, was ihre dortigen Optionen und ihr Spiel gleich deutlich bereicherte. Besonders die beiden Außenverteidiger Abate und de Sciglio schoben auch in den frühen Phasen der Angriffe weit nach vorne und drückten damit die mexikanische Formation nach hinten, was Italien den Aufbau und das Vorspielen erleichterte.

Überladungen besonders auf halblinks

So bekam Pirlo viel Zeit am Ball, da die beiden mexikanischen Stürmer häufig gegen ihn, de Rossi und die Innenverteidiger arbeiten mussten. Zudem wich Montolivo immer wieder auf die linke Seite heraus, die de Sciglio gegen Aquino freischieben konnte, von wo er Bälle verteilte und Angriffe einleitete.

Diese linke Seite war im letzten Drittel das eindeutige Prunkstück der italienischen Mannschaft, die sich in dieser Hinsicht ebenfalls verbessert zeigte. Mit dem sehr spielintelligenten Montolivo, dem breitegebenden de Sciglio und dem immer wieder überbeweglich herum driftenden Giaccherini, der viele Bälle zudem mit sehr schicken Ablagen verarbeitete und weiterleitete, konnten sie hier viele Überzahlen gegen die Mexikaner herstellen. Dass Balotelli ebenfalls immer wieder gerne in den linken Halbraum wich, verstärkte diese Präsenz noch, die letztlich in 40 % Angriffen über diese Seite mündete. Gerade in den Anfangsminuten verbuchte die Squadra Azzura einen Schwall an Torabschlüssen aus diesem Bereich.

Beweglichkeit schlägt enge Viererketten

Doch auch generell waren die Italiener mit ihrer beweglichen 4-3-2-1/4-3-3-Formation und den vielen fluiden Spielern den Mexikanern überlegen und konnten immer wieder auch in zentraleren Räumen überladen – Balotelli fiel zurück, Giaccherini wirbelte umher, Montolivo half mit und Marchisio rückte intelligent ein. Mit ihrem ziemlich statisch gehaltenen 4-4-2 als Defensivformation konnte Mexiko kaum auf diese Überzahlbildungen antworten und bekam sie dementsprechend nicht in den Griff.

Die Italiener generierten mit ihren fünf nominellen zentralen Mittelfeldspielern und dem sich immer wieder absetzenden Balotelli so viele Passoptionen in der Mitte, dass Mexiko nicht alle möglichen Vertikalpasswege im Zentrum durch die Lücken ihrer Mittelfeldkette verhindern konnte und Italien somit fast immer irgendwo einen Zwischenraum fand. Nicht nur das Foul an Balotelli vor dem Freistoßtor, sondern auch einige andere Szenen, in denen sich Spieler frei zwischen den mexikanischen Viererketten bewegten, wurden von direkten Vertikalpässen Pirlos in dessen 100. Länderspiel eingeleitet.

Gescheiterte mexikanische Anpassungen…

Erst im Laufe der ersten Halbzeit fanden die Mexikaner verstärkt Mittel gegen das italienische Spiel, nachdem einige Reaktionsversuche in den vorigen Minuten nicht unbedingt gelungen waren. Kurzzeitig hatten sie es mit Mannorientierungen versucht, die aber insbesondere durch die Rochaden zwischen Marchisio und de Rossi aufgeweicht wurden, da Salcido und Torrado häufig weit aus ihren Positionen gezogen waren. Ebenfalls brachte eine asymmetrische 4-3-3-Formation mit Guardado als Achter und Aquino im Dreiersturm nicht den nötigen Erfolg – eigentlich sollte sie für mehr Präsenz im Mittelfeld sorgen, doch passten die Staffelungen nicht und es gab weiterhin horizontale wie vertikale Lücken zwischen den einzelnen Linien.

In günstigen Momenten – wenn die italienischen Außenverteidiger tiefer standen – versuchten die Mexikaner es mit einem höheren und aggressiven Pressing, das mit den weit vorschiebenden Außenspielern hohen Druck auf Italiens Viererkette ausüben sollte. Allerdings postierten sich Abate und de Sciglio dann bewusst tief, so dass große Vertikalabstände zwischen Aquino und Guardado sowie ihren Hintermännern entstanden. In jenen Raum konnten dann die zentralen Mittelfeldspieler Italiens flexibel hinein rochieren und eine temporäre Dreifachbesetzung der Seiten erzeugen – besonders Montolivo lief hier einige Male hinein und konnte das frühe Pressing der Mexikaner, wenn es auftrat, nach vertikalen Zuspielen de Sciglios auflösen.

…und wie sie doch zur Stabilität fanden

Die letztlich beste Lösung fanden die Mexikaner erst, als ihre beiden Angreifer stärkeren Kontakt zum restlichen Teamblock suchten und als Schutz vor den Schnittstellen der Mittelfeldkette agieren konnten. Darüber hinaus verschoben Giovani dos Santos und Chicharito nicht mehr nur einfach im normalen Stil mit, sondern halfen viel häufiger auf der Seite, die die Italiener gerade bespielten – so agierten sie bei gegnerischem Ballbesitz oft etwas rechtsseitig. Darüber hinaus wurde die schwächere italienische Seite etwas stärker freigelassen, um sich besser auf das Zentrum und den linken Halbraum konzentrieren zu können.

Zwar zeigte Abate eine gefährliche Szene, als seine Hereingabe beinahe Balotelli gefunden hätte, doch entsprang diese Szene eher der individuellen Klasse Pirlos. Alles in allem hatte Mexiko das italienische Angriffsspiel nach der veränderten Konzentration auf die Feldbereiche und den umgestellten Rollen der Stürmer besser im Griff und ließ nach der 30. Minute für eine lange Zeit kaum mehr etwas zu. Stattdessen konnten die Mexikaner sogar den Ausgleich erzielen – auch wenn  es nur ein Elfmeter war und sich in jener Phase nicht wirklich angekündigt hatte.

Italien bedrängt Mexiko

Schon im Spielaufbau hatten die Mexikaner häufig Probleme und ließen sich von Italien hier zu einfach in tiefen Zonen pressen. Dabei konnte der vierfache Weltmeister immer wieder verschiedene Formationen für die Defensivarbeit annehmen und rückte aus dem 4-3-2-1/4-3-3 beispielsweise gerne situativ in ein 4-4-2/4-4-1-1 um, wenn Mexiko auf den frei scheinenden Rechtsverteidiger spielte, der sich dann aber dem herausrückenden Montolivo gegenübersah. So war aufgrund der fünf nominellen Mittelfeldspieler Italiens nicht nur das Zentrum für Mexiko aus formativen Gründen dicht, sondern sie wurden häufig auch auf ihre schwächere rechte Seite gelenkt und dort isoliert.

Über Konter konnten sie ebenfalls nur selten Gefahr ausstrahlen, da die Italiener gut abgesichert standen – erstens waren die Mexikaner meistens weit zurückgedrängt, zweitens konnte Italien durch die vielen Überladungen auch schnell ins Gegenpressing gehen und drittens hatten sie die Möglichkeit, über die Vielseitigkeit ihrer Mittelfeldspieler sehr spontan die Defensivformation und die einzelnen Positionsbesetzungen auszusuchen, was Laufwege sparte und zu schnellerer Kompaktheit führte, falls man zurückweichen musste. Nur selten rücken die italienischen Mittelfeldspieler zu weit vor und es entstand ein Loch im Trichter aus den Innen- und Außenverteidigern Italiens – doch diese seltenen Schnellangriffe spielten die Mexikaner nicht gut aus.

Giovani dos Santos als offensiver Schlüsselspieler

Schließlich hatten sie auch selbst generelle Probleme im Offensivspiel: Maza fabrizierte den einen oder anderen Fehlpass, Aquino kam auf der rechten Seite überhaupt nicht ins Spiel, fungierte aber immerhin als Breitengeber, Zavala rückte mehr auf als gewohnt, verschwand aber im italienischen Defensivblock, und die beiden Außenverteidiger agierten über weite Strecken vorsichtiger als üblich. Folglich hatte Mexiko Probleme mit der Offensivpräsenz in den vorderen Zonen und sah sich gegenüber der starken italienischen Verteidigung zu oft in Unterzahl.

Doch obwohl sich dies alles nicht gerade überzeugend anhört – die Mexikaner hatten dennoch ihre Chancen, die meisten davon in der offenen Anfangsphase. Besonders der sehr bewegliche Giovani dos Santos initiierte einige nette Flügelüberladungen, die vor allem auf der linken Seite mit Guardado und Salcido effektiv waren. Beim Lattentreffer von Guardado eroberte dos Santos den Ball nach einer Flügelüberladung zurück und auch bei der Entstehung des Elfmeters ging er nach einem gescheiterten Angriff über den linken Halbraums ins Gegenpressing über.

Zweite Halbzeit

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Formation von der 68. bis zur 86. Minute

Nach dem Seitenwechsel normalisierte sich die Partie und bei beiden Mannschaften setzte sich der Trend vom Ende der ersten Halbzeit fort – die Torszenen wurden weniger. Besonders die Mexikaner trugen hierzu bei, die schon nach 53 Minuten den Innenverteidiger Mier für Aquino brachten und Flores ins Mittelfeld vorzogen. Wenngleich eine mögliche Dreierkette nur über kurze Phasen entstand, brachte die personell defensivere Ausrichtung der Mannschaft zusätzliche Stabilität. Offensiv durfte sich Salcido durch die neue Absicherung mehr beteiligen und auch Flores war einige Male auffällig, weshalb Mexiko trotz des nominell defensiven Wechsels nicht schwächer im Angriff wurde – aber eben auch nicht besser.

Die entscheidende Veränderung bei den Italienern war Prandellis Einwechslung von Cerci für Marchisio etwa 20 Minuten vor dem Ende. Der Flügelspieler von Torino interpretierte die Position deutlich breiter, so dass Italien ein klareres 4-4-1-1/4-3-3 spielte, in dem Giaccherini und Montolivo zwischen linker Seite und Zentrum pendelten. Über die breitere Spielanlage konnte Italien den Gegner wieder mehr nach hinten drängen und zumindest vermehrt zu Abschlüssen kommen, auch wenn die ganz großen Chancen nicht dabei waren. Eine starke Weiterleitung vom beweglichen Giaccherini auf Balotelli genügte aber für das entscheidende Siegtor.

Fazit

Angesichts der letzten Ergebnisse der Teams hatte man eine zähe Angelegenheit erwarten können – mit geringem Aufrücken und starken Defensiven auf beiden Seiten. Besonders die Italiener waren allerdings dafür verantwortlich, dass eine unterhaltsamere und kurzweilige Partie entstand, weil sie viele Verbesserungen in der Offensivtaktik vornahmen. Mit interessantem Pressing, vorrückenden Außenverteidigern und Überladungen auf halblinks dominierten sie Mexiko, das nach vorne nicht durchschlagend genug war. Zum Ende der ersten Halbzeit fand der Nord- und Mittelamerikameister zwar die richtige Antwort auf Italiens Offensive und hielt das Spiel anschließend ausgeglichen, doch Prandellis Wechsel erhöhten Italiens offensiven Druck und der bewegliche Giaccherini bereitete das Siegtor vor.

GH 18. Juni 2013 um 01:04

Du hast es ja schon kurz erwähnt, TR, aber ich habe die Schnellangriffe von Mexiko gefährlicher gesehen. Es waren doch mMn riesige Lücken im Spiel von Italien. Da sind dann schon ein paar zu viele Mittelfeldspieler aufgerückt.

Gerade gegen Kontermannschaften könnte das ein Problem für Italien werden.

Außerdem glaube ich, dass Italien es auch mit der Funktion schwer haben wird gegen stärkere Mannschaften. Gegen Spanien kann ich mir nicht vorstellen, dass man so spielen lässt, da man ja zwangsläufig auf Konter gegen Spanien umstellen muss. Auch gegen Brasilien bin ich gespannt, wie da ihr Gegenpressing funktioniert.

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geco87 17. Juni 2013 um 22:06

Habe das Spiel nur nebenher laufen lassen, aber wenn nach Cercis Einwechslung Italiens Aufstellung wie in der Grafik war, ist es für mich eher ein asymmetrisches, leicht linkslastiges 4-2-3-1 als ein 4-3-3.

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