Confed-Cup-Vorschau: Italien

Von Sommerpause keine Spur: Ein Jahr vor der Weltmeisterschaft in Brasilien findet der obligatorische Confederations-Cup statt. Als Einstimmung auf die WM-Generalprobe stellen wir die grundlegenden Konzepte der Teams und taktische Varianten vor.

Für viele stellen die Italiener auch bei diesem Konföderationen-Pokal eine Art Wundertüte dar, der vom desaströsen Vorrundenaus wie beim Turnier 2009 oder der im Jahr darauf folgenden Weltmeisterschaft, bis zum Durchmarsch ins Finale, wie bei der WM 2006 oder der Europameisterschaft im vergangenen Sommer, alles zuzutrauen ist.

Gleiches Personal, andere Formation?

Dabei orientiert sich Trainer Cesare Prandelli für den Confed-Cup am erfolgreichen Abschneiden vor einem Jahr bei der Euro und vertraut dementsprechend auf sein erprobtes Personal. Fünfzehn Spieler aus dem aktuellen Aufgebot standen bereits letztes Jahr in Polen und der Ukraine im italienischen Kader und die meisten der wenigen Wechsel waren unmittelbar positionsgetreu – Marchetti statt de Sanctis im Tor, Innenverteidiger Astori für Ogbonna, der vielseitige Außenverteidiger de Sciglio anstelle des alternden Balzaretti oder Aquilani als etwas offensivere Mittelfeldoption anstelle von Thiago Motta.

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Italiens Aufstellung mit Giaccherini als Zehner aus dem WM-Quali-Spiel gegen Malta

Im vergangenen Sommer agierten die Italiener in einer 4-3-1-2-Rautenformation mit Riccardo Montolivo als tiefem und zurückfallendem Zehner, so dass sie viel Präsenz und Kontrolle im Mittelfeldzentrum herstellen konnten. Nach vorne fehlte es aber gelegentlich an Aufrücken und Zugriff auf den Zehnerraum, um konstante Durchschlagskraft zu erzeugen. Meistens wurde Italien über einen der vorstoßenden Außenverteidiger oder einen der beiden Stürmer nach langen Bällen gefährlich. Während Cassano immer wieder in den freien Raum nach links auswich und meist individuelle Aktionen startete, versuchte Balotelli nach typischen Pässen von Pirlo oder Montolivo häufig hinter die gegnerische Abwehrlinie zu kommen und damit direkt durchzubrechen.

Doch im Gegensatz zur personellen Kontinuität scheint es aktuell wahrscheinlich zu sein, dass Prandelli vom System der Europameisterschaft abweicht. Zuletzt wurde einige Male Montolivo ins zentrale Mittelfeld zurückgezogen, dafür einer der beiden Achter (de Rossi oder Marchisio) geopfert und anschließend mit dem vielseitigen Giaccherini als Zehner gespielt. Der eigentliche Flügelspieler sollte dabei mit einer sehr beweglichen Ausrichtung zusätzliche Verbindungen auf den Flügeln herstellen und vor allem die zentralen Räume für die nachstoßenden Mittelfeldkollegen öffnen.

Die verschiedenen Varianten des 4-3-3

Noch etwas wahrscheinlicher ist allerdings, dass Prandelli generell von der Rautenformation Abstand nimmt und stattdessen auf ein 4-3-3 setzt. Darauf deuten auch die weiteren Veränderungen des Kaders hin. Im Angriff holte der Nationaltrainer mit Gilardino einen Akteur zurück, der eher nach Flanken von den Flügeln gefährlich wird. Dafür ließ er den 23-Tore-Mann di Natale zuhause, der stattdessen mit Schnelligkeit hinter die Abwehr geht oder die in einer Raute so wichtigen Ausweichbewegungen auf die Flügel leisten kann.

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Hypothetische, aber unwahrscheinliche Variante mit doppeltem Rechtsverteidiger

Für den bei der U21 mitspielenden Borini sowie den formschwachen Nocerino, deren Spielschwerpunkte eher im Bereich des Halbraums liegen, nominierte Prandelli mit Candreva und Cerci zwei Flügelspieler. Während Candreva bei Lazio meist die rechte Offensivposition einnimmt und verschiedene Rollen auf der Seite spielen kann, ist Cerci in seiner Spielanlage gar noch etwas breiter und klassischer ausgerichtet. Zwar wäre er auch als nachstoßender Spieler interessant, doch meistens wird er als Breite gebender Flügelstürmer eingesetzt, der die gegnerische Abwehr auseinanderziehen soll.

Mit diesen beiden Spielern hätte Prandelli zwei interessante Alternativen für die rechte Seite, auf der mit Giaccherini und Diamanti weitere Optionen bereitstehen. Eine interessante Möglichkeit wäre eine bewusste Asymmetrie des 4-3-3 durch die Aufstellung eines Außenverteidigers auf dem rechten Flügel, der dort für zusätzliche Defensivstärke sorgen und eventuell ein situatives 3-5-2 erzeugen könnte. In Abate und Maggio hätte Prandelli dafür auch entsprechende Akteure zur Verfügung, die offensiv gefährlich genug sind. Die Vielseitigkeit von de Sciglio würde auf der rechten Flanke gar ein hypothetisches Duo aus den beiden Milan-Außenverteidigern ermöglichen.

Die asymmetrische Hybridformation

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Italiens wahrscheinliche Grundformation für den Confed-Cup

Auch wenn diese spezifische Variante eher unwahrscheinlich ist, kann man mit einer asymmetrischen Ausrichtung des 4-3-3 doch durchaus rechnen. Viele Kandidaten für den rechten Flügel (z.B. Diamanti) fühlen sich auch im Zentrum wohl. Wie bei der Variante mit Giaccherini als Zehner schon angedeutet, könnten aus einem 4-3-3 mit verschiedenen Rochaden schnell das alte 4-3-1-2 hergestellt werden. Der Rechtsaußen könnte weit einrücken und praktisch die Zehnerposition besetzen, alternativ könnte einer der Achter vorrücken und der eigentliche Flügel würde sich auf die rechte Halbpositon der Raute einordnen. Mit diesen verschiedenen Verschiebemöglichkeiten wäre ein Hybrid aus beiden Formationen möglich, der interessante Wechselwirkungen böte.

Passend dazu hat der hochveranlagte Stephan El Shaarawy längst Antonio Cassano aus der Mannschaft verdrängt – ihm läge eine Hybridrolle aus Linksaußen und eingerücktem Sturmpartner von Vereinskollege Balotelli sehr gut. Da er weniger spielmachend ist als Cassano und sich dafür mehr über schnelle Dribblings und Dynamik definiert, kommt er mit einem 4-3-3/4-3-1-2 besser zurecht als Cassano – dieser braucht die klarere Grundformation der Raute, aus der er immer wieder raumsuchend auf die Flügel heraus weicht, während El Shaarawy eher den umgekehrten Weg nimmt.

Probleme gegen Tschechien und Haiti

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Grundformation im WM-Quali-Spiel gegen Tschechien

Im wichtigen WM-Quali-Spiel gegen Tschechien probierte Prandelli zuletzt eine solche Hybrid-Variante aus 4-3-3 und 4-3-1-2 aus – allerdings nicht mit einem eingerückten Rechtsaußen, der situativ die Zehnerposition der Raute herstellte, sondern mithilfe der anderen Verschiebung. Ausgehend von der EM-Aufstellung wurde der rechte Halbspieler Marchisio breiter gezogen, so dass dieser situativ entweder der etwas tiefere Außenstürmer des 4-3-3 oder der Halbspieler einer etwas breiteren Raute seien konnte.

Allerdings funktionierte diese Aufstellung kaum – Italien hatte keinen einzigen Schuss auf das Tor und keinen einzigen Schussversuch in Strafraumnähe. Neben dem weiterhin mäßigen Aufrücken passten einige Dinge nicht: Pirlo kam in einer Art Doppel-Sechs nicht gut zurecht, Marchisio und Montolivo agierten nah aneinander, blockierten sich wegen der seltsamen Staffelung aber eher gegenseitig und El Shaarawy war weitgehend isoliert. Deswegen trieb es ihn einige Male ins Zentrum, wo er allerdings wirr umher rannte, während de Rossi in seltenen Fällen sehr breit ging und den Milan-Angreifer hinterlief. Alles in allem konnten die Italiener in dieser unorthodoxen Hybrid-Formation kaum Verbindungen aufbauen. Auch beim 2:2 im Test gegen Haiti – allerdings mit vielen Wechseln und „Ersatzspielern“ litten sie ein wenig an letzterem Aspekt, wenngleich die vorrückenden Diamanti und Giaccherini als Achter des 4-3-3 dagegen Abhilfe schaffen konnten.

Fazit und Ausblick

Für den Confed-Cup muss Prandelli aus vielen Systemvarianten und Ansätzen auswählen, die allerdings allesamt nicht wirklich ausgereift sind. Vielleicht gibt es daher doch die Rückkehr zum bewährten Spiel der vergangenen Euro. Der aktuelle Zustand bedeutet auch, dass die Beschreibung der Wundertüte auf Italien wieder einmal ziemlich gut passt. Sie haben mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen, sind nicht vollends stabil und haben bisher die ideale Aufstellung bzw. Ausrichtung noch nicht gefunden.

Problematisch könnte für Italien werden, dass auch die Defensive nicht mehr so sicher ist, wie unter anderem bei der Partie gegen die Tschechen oder in der Schlussphase gegen Haiti erkennbar. Die traditionell starke End- und Strafraumverteidigung ist weiterhin ein Prunkstück, doch im Pressing fehlte es zuletzt manches Mal – fast schon symbolisch – an klaren Strukturen, festen Mustern und einer stabilen Grundformation zur Orientierung. Manche sagen allerdings, dass Italien dann unerwartet am stärksten ist, wenn genau dieser Fall eintritt und sie kurzfristig zu neuen Ansätzen gezwungen werden – in Brasilien ist für Prandellis Mannen irgendwie alles möglich.

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