Bayer 04 Leverkusen – Eintracht Frankfurt 3:1

Bayer Leverkusen gegen Eintracht Frankfurt – zum Rückrundenauftakt trafen zwei der vielen Überraschungsmannschaften aufeinander. Würde das Spiel taktisch halten, was es zu versprechen schien?

Leverkusens Pressing und die Auswirkung auf das Frankfurter Spiel

Wie üblich bewegten sich die Leverkusener in ihrer 4-5-1/4-3-2-1-Formation bei gegnerischem Ballbesitz. Sie überließen die Frankfurter Innenverteidiger zumeist dem Raum und pressten sie nicht. Stattdessen verschob Kießling hin und her und wartete mögliche Zugriffsaktionen ab und versuchte immer dorthin zu verschieben, wohin der Pass aus der Innenverteidigung ging.

Grundformationen zu Beginn

Grundformationen zu Beginn

Weil der Gegner im ersten Spielfelddrittel mit nur einem Stürmer presste, ließen sich weder Pirmin Schwegler noch Sebastian Rode zwischen die Innenverteidiger fallen. Beide spielten im Mittelfeld und boten sich als Anspielstationen an, doch die Leverkusener Halbspieler im zentralen Mittelfeld stellten sie möglichst schnell. Lars Bender und Simon Rolfes blieben immer nahe an Rode und Schwegler und verfolgten deren Bewegungen, um bei Pässen schnell Druck ausüben zu können.

Dies verstärkte die grundlegende Flügelausrichtung der Frankfurter. Die Eintracht greift über die sehr hoch auftretenden Außenverteidiger an, welche bis ins letzte Spielfelddrittel eindringen. Die Flügelstürmer Stefan Aigner und Takashi Inui schieben dann nach innen und bieten sich als Kombinationsstation an. In diesem Spiel gab es dabei aber große Probleme. Einerseits wurde durch das kompakte Leverkusener Mittelfeld das Flügelspiel nicht nur zur primären Angriffsspielweise, sondern der einzig praktizierten. Andererseits konnten die Leverkusener die Frankfurter Außenspieler neutralisieren.

Aigner und Inui verschwanden zwischen Leverkusens Viererkette und dem Mittelfeld in der gegnerischen Kompaktheit, außerdem orientierten sich Daniel Carvajal und Sebastian Boenisch situativ mannorientiert an den beiden und verfolgten sie. Das größte Problem war jedoch das Leverkusener Verschieben.

Sobald der Ball auf die Außen kam, schoben die Leverkusener die Seite zu. Gonzalo Castro auf rechts oder André Schürrle auf links bedrängten den gegnerischen Außenverteidiger, der eigene Außenverteidiger versperrte eine Anspielstation, Stefan Reinartz auf der zentralen Sechserposition verschloss die Diagonalräume und der ballnahe Halbspieler komprimierte den Raum. Dieses lokale Pressing war wohl Hauptgrund für das erfolgreiche Spiel der Leverkusener.

Die Seitenüberladungen der Frankfurter klappten kaum. Karim Matmour zeigte sich zwar beweglich und half auf der Seite, doch abgesehen von einigen wenigen Aktionen bei selten vorkommenden Konterversuchen brachte er keinen spielerischen Mehrwert. Ebenso wenig taten dies Aigner und Inui, die sich zwar gut bewegten, aber in der gegnerischen Kompaktheit verloren gingen.

Somit waren die Außenverteidiger oftmals auf sich alleine gestellt, mussten ohne Chance auf einen effizienten Angriff durchbrechen, das Spiel verzögern oder eine Halbfeldflanke versuchen. Dadurch hatte Frankfurt letztlich zwar mehr Ballbesitz (57% in Hälfte eins), aber kontrollierte weder den Raum noch das Spiel. Zur Halbzeit hatte Leverkusen 11mal abgeschlossen, die Frankfurter kamen aber nur auf drei Torschüsse.

Leverkusens Pressing auf der Seite in Idealumsetzung

Leverkusens Pressing auf der Seite in Idealumsetzung

Selbst das situative Aufrücken von Rode und die Spielweise Alexander Meiers konnten keine Abhilfe schaffen. Rode schob nämlich einige Male bis weit ins letzte Spielfelddrittel und wollte damit die numerische Unterlegenheit bekämpfen, aber er erhielt kaum Bälle im letzten Spielfelddrittel. Auch Meier litt darunter, denn er schob neben Matmour oftmals auf die Position des Mittelstürmers und bildete ein Sturmduo. Diese Bewegung war nur allzu logisch, um die Angriffe über die Flügel zumindest ansatzweise gefährlich zu machen. Aber die lose mannorientierten Ömer Toprak und Philipp Wollscheid machten ihre Sache gut, konnten viele Bälle abfangen, Kopfbälle entscheidend gewinnen und schlicht Passoptionen versperren oder zumindest bedrängen.

Frankfurts Spielweise mit Fokus auf die zweite Halbzeit

Die womöglich kurzzeitige optische Überlegenheit der Frankfurter nach den beiden Toren (einmal ein Tor durch Boenisch nach etwas Chaos im Strafraum sowie ein schön herausgespielter Treffer nach einem Lochpass) war in gewisser Weise auch eine trügerische – zumindest aus taktischer Sicht. Leverkusen wirkte schwächer und war es ansatzweise auch, weil sie nun tiefer standen. Die Kompaktheit in den ersten zwei Bändern wurde noch erhöht, aber davor nicht.

Darum konnte Frankfurt den Ball in höheren Zonen zirkulieren lassen, ohne wirklich gefährlich zu werden. Der Ballbesitz scheiterte am gegnerischen Defensivwall, während ihr Pressing ebenfalls Probleme gegen die Leverkusener hatte.

In der ersten Spielhälfte agierten sie vorrangig mit einem 4-4-2, in welchem Alexander Meier sich mit Karim Matmour nach vorne orientierte. Doch die Leverkusener mit ihrer flexiblen Dreifachsechs, der technischen Stärke der Außenspieler sowie ohne Anspruch, den Ballbesitz als Mittel der Spielkontrolle anzusehen, hatten kaum Probleme sich daraus zu entwinden.

In weiterer Folge schob Frankfurt, insbesonde

Hohes Pressing im 2-3-2-3 mit offenen Räume um die gegnerischen Halbspieler des Mittelfelds

Hohes Pressing im 2-3-2-3 mit offenen Räume um die gegnerischen Halbspieler des Mittelfelds

re nach dem Rückstand, deutlich weiter nach vorne. Dabei schob einer der Sechser, öfters Rode, nach vorne und orientierte sich an Reinartz. Ein Zurückfallen des zentralen Sechsers zwischen die Innenverteidiger wäre somit eher kontraproduktiv geworden. Stattdessen nutzten die Leverkusener die Spielstärke ihrer Innenverteidiger und natürlich auch Bernd Leno, um das Spiel solange wie nötig zirkulieren zu lassen und in der Zwischenzeit höhere Passstationen zu finden.

Das 2-3-2-3 offenbarte überraschend wenig Lücken – die Passoptionen wurden mit dieser Spiegelformation gut versperrt und Leverkusen musste öfters nach ihren Kurzpassstafetten, die teilweise im eigenen Strafraum vollzogen wurden, weite Bälle spielen. Diese hingegen sorgten wegen der offenen Räume, die eben durch diese tiefe Formation der Innenverteidiger und das Aufrücken der Frankfurter entstanden, im Normalfall für Raumgewinn.

Leverkusen reagierte auch, indem sie Castro und Schürrle einige Male sehr klar zocken ließen und mit der kompakten 4-3-Formation einfach die gefährlichen Räume versperrten, um dann schnell kontern zu können. Somit entstand das einzig Logische: Leverkusen konnte mit Kontern, Schnellangriffen oder Balleroberungen im Pressing sehr zwingend werden, während Frankfurt viele Halbchancen hatte und lediglich nach der Einwechslung Olivier Occeans durch dessen Kopfball gab es bis zum 3:1 nur diese eine hochgefährliche Szene. Erst in der 78. Minute konnte Alex Meier eine Flanke vom auf die Seite gerückten Rode verwerten.

Fazit

Das Spiel war in gewisser Weise genau das, was man sich davon hätte erwarten können. Frankfurt hatte mehr vom Ball und griff eigentlich die gesamte Zeit über an, während Leverkusen mit der kompakten Formation und sehr guten Abständen den Gegner kontrollierte. Auch ihre wechselnden Formationen im Pressing – zwischen 4-5-1, dem asymmetrischen 4-3-2-1 und einem klaren 4-3-3 – waren zumeist die richtigen Anpassungen an die Angriffsbewegungen der Frankfurter.

Die Eintracht war übrigens keineswegs schwach. Defensiv waren sie akzeptabel, offensiv hatten sie gute Ideen, auch wenn sie etwas zu ausrechenbar waren – allerdings kein Wunder, bei einem defensiv hervorragenden Gegner, der ihnen, ohne anmaßend oder beleidigend sein zu wollen, natürlich individuell auch überlegen ist.

Darum sollte die Eintracht trotz der Niederlage durchaus positiv betrachtet werden: man spielte einen schönen Ball, versuchte einen spielerischen starken und in der Defensive hervorragenden Gegner auf dessen Platz zu knacken, was schlicht nicht klappte. Die Leverkusener hingegen konnten die hohe Abwehrreihe der Frankfurter trotz deren Kompaktheit mit schnellen Kombinationen und Lochpässen knacken. An dieser Leverkusener Mannschaft sind schon ganz andere Mannschaften gescheitert und es wird wohl nicht das letzte Mal bleiben.

villas-boas276 21. Januar 2013 um 12:41

Sehr guter Artikel, macht immer wieder Spaß hier zu lesen.

Ich freue mich schon riesig auf das Spiel der Werkself gegen den BVB, wenn ein exzellentes Defensiv-Konzept auf eine herausragende Offensivmannschaft trifft!

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Kappe 21. Januar 2013 um 09:26

Zuerst: Wirklich guter Artikel.

Eine Frage zum ersten Absatz unter dem zweiten Abschnitt hab ich aber (Frankfurts Spielweise…):
Was ist da mit den „ersten zwei Bändern“ gemeint? Ist das, in Abgrenzung zur Kette (etwa der Viererkette), die aus nominell horizontal gleich hoch aufgestellten Spielern (im Beispiel also Verteidigern) besteht, eine Defensivverbindung unterschiedlicher Positionen (auf dem Bild also: Kießling – Bender – Castro als erstes Band)?

Ps: das wurde bestimmt schon häufiger vorgeschlagen, aber ich denke für viele neue Leser wären Tooltips für verwendete Fachbegriffe sehr hilfreich, das würde auch die „ähhhh, ihr benutzt so schwere Wörter“ Kommentare verstummen lassen.

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ode 20. Januar 2013 um 21:04

Kießling sagte, sie hätten in der Pause noch ein paar Sachen besprochen, die bis dahin nicht so gut waren. Scheinbar hatte Leverkusen den Vorteil. Macht die Überlegung zu Auszeiten wieder interessant, oder? 🙂

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Median 20. Januar 2013 um 20:34

Das Spiel in Dortmund(0:3) war der Wendepunkt! Von da an haben sich Mannschaft und Trainer-Team auf das jetzige System geeinigt. Einen speziellen Dank möchte ich noch an die tollwütigen Frankfurter Oberidioten loswerden: Schönen Dank für die Spielunterbrechung! Danach funktionierte unser Spiel!
Sportliche Grüße von Median

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TaunusT 20. Januar 2013 um 21:13

Netter Versuch, aber glaubst du von denen liest irgendeiner auch nur irgendwas? Geschweige denn HIER? Nee, sicher nicht. 🙂

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daniel 20. Januar 2013 um 14:21

nach dem Spiel haben Spieler beider Seiten gesagt, die Unterbrechung hätte die Balance des Spiels gedreht? Habt ihr das auch so gesehen?

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RM 20. Januar 2013 um 15:01

Bis zur Unterbrechung war Frankfurt optisch stärker, ja. Danach schienen die Leverkusener besser angepasst und spielten mMn auch etwas öfter und konzentrierter mit der flachen Fünf im Mittelfeld.

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Aqualon 20. Januar 2013 um 09:43

Toller Artikel!

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Johnboy 19. Januar 2013 um 19:12

Sehr gelungener artikel !
Ich find die veränderung des systems von leverkusen sehr intressant. Kann man eigentlich sagen das das system grade gegen ballbesitzorientierte teams gut zu spielen ist ? Ich kann mich noch an das bayern spiel erinnern und da kamem sie ja auch nicht wirklich überlegen rüber aber das ist wohl dem system geschuldet. Und seit wann spielen sie in dieser formation?

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blub 19. Januar 2013 um 19:19

Zum System gibts hier ne Analyse.

Das System ist strukturell besser geeignet je besser der Fußball ist den der Gegner spielt. Bei 08/15 Flakenspiel bringts fast nix, genau wie bei fast jedem anderen System.
Gegen Leverkusen hat der FCB ganze 7/25 Schüsse aufs Tor gebracht, Bayer aber alle 5. Das relativiert die überlegenheit des FCB schon etwas obwohl die natürlich „optisch“ klar überlegen waren und auch >>65% Ballbesitzt hatten.

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Felix 20. Januar 2013 um 00:24

Einstudiert wurde sie wohl im Sommer, aber man hat die ersten Spieltage noch nicht gewartet es wirklich umzusetzen. Gegen Bayern hat man es probiert und war erfolgreich und im Spiel gegen Schalke wurde es wohl das erste mal konsequent gespielt und war sehr erfolgreich.
Das interessante an der Spielweise ist, dass spielstarke Gegner kaum zu Chancen kommen und Bayer gleichzeitig relativ leicht zum Kontern kommt. Und diese Chancen sind dann meist brandgefährlich, da sie meist in Gleichzahl oder sogar Überzahl und mit Tempo aufs gegnerische Tor zu stürmen können, was praktisch nicht zu verteidigen ist.
Die Tatsache, dass sie für ihr Spiel nicht den Ball brauchen, macht es für den Gegner schwierig, weil er eigentlich kein Mittel hat Leverkusen unter Druck zu setzen. Nur wenn der Gegner auch nicht spielen will wird es schwer, weil dann Leverkusen aktiver spielen muss und ihren Vorteil zumindest teilweise aufgeben muss.

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ode 19. Januar 2013 um 19:03

Du musst ne Tippse haben… Wie schreibt man sonst 20 Minuten nach Spielschluss so ne Analyse…

Danke für den Text! Ich frag mich schon länger, was meine Bayerbuben mal machen, wenn sie nicht kontern können…

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HW 19. Januar 2013 um 19:51

Der Trick ist während des Spiels anzufangen und 90% des Artikels vor dem Schlusspfiff fertig zu haben.

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TW 20. Januar 2013 um 00:58

Trotzdem muss jemand für RM schreiben. Wie soll er sonst weiter konzentriert das Spiel schauen? Eventuell hat er ja auch eine gute Spracherkennung am PC 😉

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