Eintracht Frankfurt – SV Werder Bremen 4:1

Frankfurts Krise sollte überwunden werden, ohne den Ballbesitzfokus aufzugeben. Würden die Bremer ein dankbarer Gegner sein?

Werder Bremens Pressing

In dieser Saison ist ein relativ klares 4-1-4-1 zur Standardformation der Bremer geworden. Gelegentlich agieren sie mit gewissen Mannorientierungen, meist auf gegnerische Schlüsselpositionen, oder lassen leichte Asymmetrien entstehen, aber im Normalfall haben sie eine Anordnung eines freien, laufstarken und jagenden Sechser hinter zwei ebenfalls laufstarken Achtern, welche sowohl viel klassische Defensivarbeit leisten als auch im Pressing überaus präsent sind.

Grundformationen zu Beginn

Gegen Eintracht Frankfurt passte Thomas Schaaf sein System wieder etwas an. Sein 4-1-4-1 wurde zu einer Abart des 4-2-3-1, welches im Pressing wiederum ein 4-4-2 mit einigen Mannorientierungen wurde. Schaaf wollte seine Mannschaft somit bestmöglich an die unterschiedlichen Phasen des Spiels vorbereiten und es gelang ihm auch über weite Strecken. Interessant waren hierbei die Rollen von Kevin de Bruyne und Clemens Fritz, die in einem 4-1-4-1 die nominellen Achter gestellt hätten.

Fritz bildete oft Doppelsechsen mit Junuzovic und dessen Fähigkeiten im Bedrängen von Gegnern und Wegleiten gegnerischer Aktionen sollten genutzt werden, indem er gelegentlich von Fritz abgesichert werden konnte. De Bruyne hingegen positionierte sich höher, ging immer wieder neben Nils Petersen und die beiden pressten auf die beiden gegnerischen Innenverteidiger.

Damit wollte Bremen das Aufbauspiel der Frankfurter lahmlegen und sie verstärkt in die Tiefe drücken. Frankfurt reagierte natürlich darauf mit einem zurückfallenden und helfenden Sechser, woraufhin Fritz oder sogar vermehrt Junuzovic eine Mannorientierung auf diesen aufnahmen und mitrückten.

Die Folgen

Es gab zwei große Effekte: Sebastian Rodes herausragende Passsicherheit wurde betont. Der einzige Akteur, der lange Zeit über 90% lag, und nur einer von sechs Akteuren über 80% Passerfolgsquote. Interessant auch, dass es bei der Eintracht die beiden Sechser und die beiden Innenverteidiger waren, bei Bremen aber mit Elia und Junuzovic zwei offensiv sehr präsente Akteure.

Diese Verteilung entstand bei den Frankfurtern auch eben deshalb, weil die Innenverteidiger zugestellt waren – Kevin Trapp hatte mehr Ballberührungen als sie und der eigentlich mit dem Fuß sehr starke Trapp kam auf unter 50% erfolgreiche Pässe, weil er auf einige atypische lange Bälle oder gar Befreiungsschläge zurückgreifen musste. Die Innenverteidiger wurden richtigerweise unter Druck nicht angespielt, bei freiem Raum aber schon und konnten dann ihre üblichen sicheren Pässe spielen.

Dadurch hatten sie wenig absolute Ballkontakte, aber nach wie vor eine gute Passrate und konnten zumindest ansatzweise mit 50:50-Bällen Trapps auf die Außenverteidiger oder in unbesetzte Mittelfeldräume die erste Phase des Aufbauspiels überbrücken. Gewannen sie dann die zweiten Bälle konnten sie den Ball wie üblich zirkulieren lassen und hatten deswegen einmal mehr die Mehrheit des Ballbesitzes.

Defensiv versuchten sie mögliche Gegenangriffe nach verlorenen 50:50-Bällen mit dem auch im Pressing praktizierten Mannfokus auf die gegnerischen Flügelstürmer zu unterbinden, was zu vielen Angriffen der Bremer aus dem zentralen Mittelfeld führte, die von Junuzovic und de Bruyne geleitet wurden.

Bremer Pressing. De Bruyne gefährdet Zambrano, Butscher ist zugestellt (auch deswegen sehr wenige Ballkontakte), Trapp muss einige Bälle in die hellgrauen Räume spielen und riskiert Zweikämpfe seiner Mitspieler

De Bruyne orientierte sich dabei auch im eigenen Defensivspiel sehr hoch, was einerseits daran hätte liegen können, dass er nach seiner hohen Pressingrolle nicht schnell genug zurückkehren konnte oder schlichtweg zocken durfte. Einige Konter konnten dann schnell über den beweglichen De Bruyne gefahren werden, doch Frankfurt kappte die Verbindung de Bruynes zu Petersen und über die Außen ging bei Bremen lange Zeit nicht viel.

Halbfeldflanken wechselten sich mit Rückpässen ab, weil sich Frankfurt mit dem Mannfokus auf Außen und den beiden Sechsern ordentlich positionierte und nur wenige Abschlüsse zuließ. Petersen musste besonders darunter leiden, er hatte in der ersten Halbzeit laut SKY-Kommentatoren nur einen Ballkontakt, sein Kopfball zum zwischenzeitlichen Ausgleich war sein vierter Ballkontakt.

Ein weiterer Aspekt war das Frankfurter Pressing, in welchem Olivier Occean und Alexander Meier hoch pressten. Sie versuchten den Ball früh zu erobern und agierten ähnlich wie die Bremern, doch letztlich gab es hier ebenfalls über lange Zeit eine Patt-Stellung. Frankfurt kam über ihre Flügel wegen den Bremern nicht nach vorne, die defensiv sehr antizipativ agierten und die Frankfurter tief hielten. Diese hatten dementsprechend zur Halbzeit zwar drei Abschlüsse mehr, aber keinen aufs Tor. Letztlich gab es hierzu einige interessante Wechselwirkungen, die dann auch zu den Toren führten.

Die beiden Mannschaften in der offensiven Phase

Frankfurt musste viel über die Außen aufbauen, was sie dann bevorzugt über links taten, wo sie mit Bastian Oczipka womöglich den effektivsten Linksverteidiger der Saison in ihren Reihen wähnen dürfen. Bremens Konter kamen dann auch über diese offene Seite nach Balleroberungen, wodurch Arnautovic fast doppelt so viele Ballkontakte hatte, wie Elia und dessen Ersatz Füllkrug – nur Zocker De Bruyne und Umschaltspieler Zlatko Junuzovic hatten mehr.

Ähnliches gab es bei Frankfurt, Oczipka und Inui lagen unter den Top4 in ihrer Mannschaft, noch vor den beiden Innenverteidigern und Trapp. 138 Ballkontakte hatte das Pärchen auf der linken Seite, 99 jenes auf der rechten Seite. 60% der Frankfurter Flanken kamen über links, 80% der Bremer wiederum über rechts. Arnautovic flankte genauso oft, wie alle anderen Spieler zusammen, Oczipka flankte sämtliche Versuche über die linke Seite, während Inui sich mit Ball am Fuß hauptsächlich zur Mitte hin orientierte.

Beispielhafte Defensivsituation: De Bruynes Zocken beschränkte sich auf geringe Räume und war auch nicht sonderlich effektiv

Und auch die Tore fielen dann aus diesen forcierten Angriffen über diese Positionen. Oczipkas Flanke führte zum 1:0 durch Alex Meier, während Arnautovics Flanke wiederum Petersens Tor vorbereitete. Dadurch entstand ein Spiel mit klaren Mustern: Frankfurt wird gepresst, befreit sich aus diesem Pressing, lässt den Ball zirkulieren und kommt letztlich über eine Flanke und einen Distanzschuss in Vorsprung.

Bremen hingegen suchte die Konter, fand sie über Zocker de Bruyne und im Raum hinter Arnautovic bei Gegenstößen, konnte sie aber kaum nutzen. Einmal mehr passte die defensive Spielausrichtung bei Bremen, doch offensiv fehlten die Verbindungen zueinander, die weder Junuzovic noch De Bruyne strategisch richtig geben konnten.

De Bruyne bspw. konnte aus über 100 Ballkontakten nur 44 Pässe anbringen, obgleich er mit seiner Bewegung und Dribbelstärke ein Gefahrenherd war, so fehlte ihm ein Mitspieler im letzten Spielfelddrittel, der ihn im Zentrum unterstützte. Fritz war über weite Strecken unsichtbar, Junuzovic hatte defensive Aufgaben und die Flügelstürmer waren zu breit und fixiert für ordentliche Kombinationen.

Fazit

Thomas Schaaf hatte sich was ausgedacht – und es schlug fehl, obwohl es nicht fehlschlug. Die Innenverteidiger wurden aus dem Spiel genommen, die Außen mussten umständlich angespielt werden und die Sechser in der Mitte wurden beengt. Lange Zeit schienen die Frankfurter ineffektiv zu spielen, doch in der zweiten Halbzeit taten sie sich leichter und nach der zweiten Führung konnten sie das Heft aus der Hand geben, den Ball aus den Füßen und sich wiederum auf das konzentrieren, was die Bremer versäumten: ein effektives Bespielen von Löchern in aufgefächerten Anordnungen des Gegners.

Auch Schaafs Wechsel – Ignjovski für den angeschlagenen Junuzovic war eine kleine Schwächung, Füllkrug für Elia veränderte kaum etwas und Akpala für Fritz kam zu spät – sollten nicht von Erfolg gekrönt sein, ebenso wenig wie die Chancenverwertung seiner im Gesamten keineswegs schwachen Mannschaft.

Ein kleines individualtaktisches Lob auch an den überaus beweglichen Occean, der sich öfters aus der Sturmreihe entfernte und die antizipativ agierenden Gästeverteidiger herauslocken wollte.

martin 10. Dezember 2012 um 08:46

Bremen hingegen suchte die Konter, fand sie über Zocker de Bruyne und im Raum hinter Arnautovic bei Gegenstößen, konnte sie aber kaum nutzen. Einmal mehr passte die defensive Spielausrichtung bei Bremen, doch offensiv fehlten die Verbindungen zueinander, die weder Junuzovic noch De Bruyne strategisch richtig geben konnten.

De Bruyne bspw. konnte aus über 100 Ballkontakten nur 44 Pässe anbringen, obgleich er mit seiner Bewegung und Dribbelstärke ein Gefahrenherd war, so fehlte ihm ein Mitspieler im letzten Spielfelddrittel, der ihn im Zentrum unterstützte. Fritz war über weite Strecken unsichtbar, Junuzovic hatte defensive Aufgaben und die Flügelstürmer waren zu breit und fixiert für ordentliche Kombinationen.

Das wäre wohl mit Aaron Hunt anstelle von Clemens Fritz anders gelaufen, oder wie seht ihr das? Kann es sein, dass ein einzelner Spieler so einen großen Unterschied ausmacht?

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geco87 9. Dezember 2012 um 15:54

Inwiefern, glaubt ihr, war die unterschiedliche Rollenverteilung von Fritz und De Bruyne von Schaaf angedacht? Und wenn dies so war, warum spricht RM von einer „Abart des 4-2-3-1“. Nennen wir das Kind doch beim Namen. Für mich war die Sache klar.

Zu den Frankfurtern: Ich bin ebenso überrascht wie fasziniert, wie Armin Veh seinen Hurra-Stil nach vorne durchzieht. Bei jedem Ballverlust im Aufbauspiel, der zum Glück ja nicht allzu oft vorkommt, muss jedem Frankfurtfan ja Angst und Bange werden, denn man steht offen wie ein Scheunentor, siehe z.B. das Gegentor auf Schalke oder De Bruynes Riesenchance gestern. Ist es wirklich so klug, die AV derart früh so weit aufrücken zu lassen? Ich würde ja bei so einem Ansatz eher auf drei IV setzen (auch wenn Schwegler teilweise diese Rolle übernimmt)… Wie dem auch sei, in Frankfurt kommt der Stil nach defensiv denkenden Trainern wie Funkel an, aber es ist schon fraglich, ob das auf Dauer auch gegen Spitzenteams gut geht.

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Tom S. 9. Dezember 2012 um 16:20

@geco87: Die Spitzenteams hat die Eintracht doch schon durch.

Da wären die Spiele gegen:

Bayer Leverkusen -> Sieg für Eintracht – 2:1
Borussia Dortmund -> Unentschieden – 3:3
Bayern München -> Niederlage – 0:2
FC Schalke 04 -> Unentschieden – 1:1

So schlimm sieht das ganz und gar nicht aus gegen die Spitzenmannschaften der Bundesliga. Und bis auf Leverkusen durfte keiner der Kandidaten überrascht gewesen sein vom Stil der Eintracht.

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blub 9. Dezember 2012 um 16:55

Bei der Eintracht sind ja die verschiedenen reaktione auch einstudiert, was man spielt wenn man hoch gepresst wird.
aber du hast recht: sollte im aufbau leicht die präzision abhanden kommen fängt man sich direkt haarige konter.
solange man die präzision halten kann ist alles gut, das ist halt das grundlegender risiko das man eingeht. das geht Bayern aber auch ein wenn sie auffächern.

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blobbo 9. Dezember 2012 um 17:11

Bei Ballverlust muss das Gegenpressing halt sofort greifen. Besonders Rode und Schwegler gehen da in der zentrale recht kompromisslos zu Werke und ersticken die gegnerischen Angriffsbemühungen dann oft schon im Keim.

Ich sag es nur ungern, aber uns hat gestern Hunt gefehlt, denn so lastete das ganze Umschaltspiel auf de Bruynes Schultern.

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Ian 9. Dezember 2012 um 17:20

Ja weil Fritz immer noch spiele darf, obwohl er leistungsmäßig längst nichts mehr in der ersten Elf verloren hat – ein Prödl genügt internationalen Ambitionen ebenfalls nicht.

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Mojoe 9. Dezember 2012 um 18:29

Was? Internationale Ambitionen? Never heard of that…

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geco87 9. Dezember 2012 um 19:50

@ Tom:

Deswegen hatte ich ja „auf Dauer“ geschrieben. Jetzt ist diese Spielweise noch ziemlich überraschend, zumal gerade Spitzenteams wegen der vielen Europapokalspiele sich nicht die Zeit nehmen können, sich intensiv auf einen Gegner vorzubereiten. In der nächsten Saison ist die BL aber eher auf diese Spielweise eingespielt, aber vielleicht hat Veh ja dann schon Plan B und C einstudiert (den ich jetzt noch nicht sehe).

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CH 10. Dezember 2012 um 11:30

Das passt schon wie es ist. Die Bremer kamen kaum hinter die hohen AV (dank der beiden 6er !) und wenn, dann fast nur über Arnautovic. Ich hab‘ mind. 3 Kontersituationen gezählt, wo sich speziell Oczipka sehr aufmerksam bewegt und die Überzahl- bzw. Gleichzahlsituation durch ein eher passives Zurückfallen gen 16er wirksam neutralisiert hat.

Und überhaupt, kalibrier mal den Anspruch – gegen Spitzenteams darf ein Aufsteiger auch mal nicht „gut gehen“ 😉 …

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CeuD 9. Dezember 2012 um 13:59

Dankeschön.

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Ian 9. Dezember 2012 um 11:29

Werder verliert zu oft wenn ihr sie covert! 🙂

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RM 9. Dezember 2012 um 11:50

Lustigerweise immer nur bei mir.

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AP 8. Dezember 2012 um 22:40

RM du Tier. 😉

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