Adventskalender Türchen 7: Kevin Volland

Er ist eines der hoffnungsvollsten deutschen Nachwuchsjuwele aus der Talentschmiede des TSV 1860 München und wechselte zu Saisonbeginn in den Kraichgau zu 1899 Hoffenheim. Kevin Volland, ausgezeichnet mit der Fritz-Walter-Medaille in Bronze und mittlerweile U21-Nationalstürmer, ist wohl einer der modernsten Angreifer, die sich in den Auswahlmannschaften dieser Welt tummeln, und hat alles Zeug dazu, sich weiter nach oben in die internationale Klasse zu entwickeln.

Diese Entwicklung begann im Profifußball in der vorletzten Saison, als er in die erste Mannschaft der Münchner Löwen aufstieg und im Laufe der Hinrunde 2010 bereits regelmäßig eingewechselt wurde. Die Hoffenheimer Scouts hatten den damals 18-jährigen schnell auf den Zettel und sicherten sich seine Dienste schon in der folgenden Winterpause. Er wurde allerdings noch bis zum Ende der folgenden Saison an seinen Ausbildungsverein verliehen, um sich unter Wettbewerbsbedingungen auf Bundesliga-Niveau weiterentwickeln zu können.

Volland Porträt von achtzehn99.de

Das gelang dem zielstrebigen Bayer auch ohne Umschweife und ab dem 19. Spieltag begann er jedes Spiel in der Startelf seines Teams. Dabei erreichte er immerhin 6 Tore und 4 Vorlagen, was er in der folgenden Saison noch übertrumpfen sollte. Trotz einer kleinen Formkrise im Spätherbst 2011 waren zum Schluss 13 Tore und 11 Vorlagen die sehenswerte Bilanz der 33 Spiele, die er wiederum alle vom Start begann. Nur eine Gelbsperre hinderte ihn am kompletten Durchspielen der Saison. Mit diesen erfolgreichen Statistiken im Rücken ging es hoch in die erste Liga zur TSG 1899.

Auch in der obersten Klasse etablierte sich der wendige und vielseitige Offensivspieler problemlos und spielte bisher alle Partien, nur drei Mal dabei nicht in der Startelf. Trotz wechselnder Position – er spielte bereits alle offensiven Rollen in Babbels 4-4-1-1-System – lieferte er überraschend konstante Leistungen in der wechselhaft spielenden Mannschaft und legte bereits acht Tore auf. Das sind immerhin mehr als ein Drittel der bisherigen 22 Hoffenheimer Treffer gewesen, was seine noch etwas mangelhafte Chancenverwertung (ein Tor bei 19 Schüssen) sehr akzeptabel ausgleicht. Aber was zeichnet den 20-jährigen Linksfuß aus und wieso schaffte er wiederholt, sich so schnell durchzusetzen?

Die Gesamtheit der Moderne

Ein zentrales Merkmal ist seine bereits angedeutete Polyvalenz. Sein Profil befähigt ihn ohne Probleme in allen Offensivräumen zu glänzen, weshalb er auch von allen Grundpositionen aus agieren kann. Mit seiner Schnelligkeit kann er den linken Flügel heruntergehen und flanken, über inverse Dribblings kann er von rechts kommen und seine Trademark-Schnittstellenpässe anbringen. Im Sturmzentrum kann er über seinen Antritt selber in die Schnittstellen gehen oder als hängende Spitze in den offensiven Zwischenräumen wirbeln. Seine Versiertheit am Ball und die enorme Beweglichkeit helfen ihm dabei stets.

Er ist Sprintstürmer, finaler Spielmacher, vertikaler Flügelspieler, inverser Dribbler und agiler Nadelspieler in einem. In seinen 1,79 Metern Körpergröße vereint er alle Disziplinen des modernen flachen Spiels, welches so von Genauigkeit und Geschwindigkeit geprägt ist. Er ist die Allzweckwaffe der Neuzeit.

Dabei ist der Begriff „modern“ ein durchaus zentrales Element in seinem Spielstil. Er ist natürlich kein klassischer Sturmtank, der über seine Robustheit und Durchsetzungskraft kommt, als Wandspieler agieren kann und ungezielte Flanken hineindrückt – auch wenn er in einigen Situationen durchaus mit guter Körperspannung und gutem Timing im Luftduell punkten kann. Auch seine Schusstechnik basiert vor allem auf Sauberkeit und nicht auf Spektakel. Die Spielweise, in der sein Typus eindeutig optimal hineinpasst, ist ein flaches, auf Kontrolle ausgerichtetes Spiel.

Am meisten kann er einer Mannschaft helfen, die den Gegner ausspielen möchte, die sich nicht auf Glück verlässt. Volland kann auf verschiedenste Arten Tore erspielen, aber ist keiner, der sie erzwingt. Insofern profitierte er auch von Babbels System, welches weitestgehend auf ziellose Flanken und hohe Bälle verzichtete. Falls Babbels Nachfolger etwas mehr Man United und weniger Arsenal, etwas mehr Derdiyok und weniger Joselu praktizieren will, so wird der Münchner Jungspund es wohl ein wenig schwerer haben.

Purist im Angriffsdrittel

Es besteht aber auch noch Luft nach oben für Volland, der vom Hoffenheimer System bisher nicht nur profitierte. Dass er sich wegen der wechselnden Positionen nicht ganz leicht einspielen konnte, war nur das geringere Problem. Schwerwiegender waren die kollektiven Defizite, die Hoffenheim in dieser Saison mit sich herumschleppt: Die vier Offensivpositionen, die meist von flinkem und spielstarken Personal wie Usami, Firmino und Joselu besetzt wurden, fanden zu selten Bindung zur eher defensiv besetzten Doppelsechs. So bekamen sie phasenweise keine Bälle und konnten zudem in der Breite des Feldes nur schwer miteinander interagieren.

Daher waren Hoffenheims Offensivspieler, inklusive Volland, oft innerhalb der gegnerischen Pressingformationen isoliert und konnten nicht ihr Potential abrufen. Es gelang der passiv pressenden Elf auch selten, Gegner systematisch zu schwerwiegenden Ballverlusten zu verleiten, sodass Vollands Stärken im Konterspiel noch kaum zu bestaunen waren. Bei einer kollektiven Verbesserung der Mannschaft, wird auch sein Talent noch viel stärker hervortreten können.

Die offensive Isoliertheit ist dabei aber zum Teil auch durch ihn selbst hervorgerufen worden. Denn so sehr er in den Offensivräumen aufgeht, so wenig Einfluss nimmt er im tieferen Mittelfeldspiel. Er bewegt sich nicht weit von seiner Position weg und lässt sich insbesondere nicht gerne zurückfallen, um Kontakt zu den Sechsern herzustellen. Besonders als hängende Spitze fehlte es ihm dort an klassischer Zehner-Charakteristik, um das Hoffenheimer Spiel mit gestaltenden Momenten anzukurbeln.

Seine Kreativität ist weitestgehend auf das Angriffsspiel beschränkt. Sein größtes Markenzeichen sind seine wilden, energischen und doch so konzentriert präzisen Dribblings durch die Lücken der gegnerischen Formation, die er mit anschließenden Schnittstellenpässen hinter die Abwehr finalisiert. Seine brillante Vorlage zum 2:1 gegen Fürth war ein Paradebeispiel dafür.

Dieser extreme Zug, den er in seinem Spiel hat, hindert ihn aber an ruhigem, strategischem Mittelfeldspiel. Das kann nur schwerlich eine Kritik an ihm sein, es ist jedoch ein dringender Teil seines Spielertypus, welcher taktisch richtig eingebunden werden muss. Wer Volland auf die Zehn stellt, der muss wissen, dass sein Achter kaum „Bewegungssynergie“ mit dem Offensivzentrum bekommen wird. Eine der Kernfragen an den Babbel-Nachfolger wird daher wohl sein, wie Vollands großes Potential im Angriffsdrittel am besten einzubinden ist, ohne dass die strategische Komponente im Aufbau beschädigt wird.

Der jugendliche (Über)mut

Die freche, sehr nach vorne gerichtete Denkweise prägt Vollands Spielweise jedoch nicht nur hinsichtlich seiner bevorzugten Zonen. Auch seine konkreten Entscheidungen auf diesen Lieblingsspielplätzen werden davon beeinflusst – positiv und negativ.

Der positive Aspekt ist der selbstverständliche Vorwärtsdrang, den er mitbringt. So erzeugt er intuitiv eine Geschwindigkeit und einen Zug zum Tor im Spiel seiner Mannschaft, welche viele Trainer über die kollektive Arbeit nie erzeugen können. Die angesprochene Vorlage gegen Fürth war wiederum das perfekte Beispiel für die Wichtigkeit dieser Mentalität. In den Zwischenräumen ist Volland nicht nur Künstler, sondern auch Kämpfer – eine tolle Mischung.

Auch sein sehr direktes Umschaltverhalten wird durch die jugendliche Mentalität befördert. Nicht nur bei eigenen Kontern denkt er schnell um, sondern auch im Gegenpressing ist er ohne Künstlerpause sofort zur Stelle. Zudem ist er sehr arbeitsam und bei den zurückgelegten Kilometern nach 90 Minuten stets ganz vorne dabei.

Allerdings ist er auch oft noch ungestüm und hektisch in seinen Aktionen. Im Pressing geht er manchmal zu früh in Zweikämpfe oder verursacht unnötige Fouls. Vergangene Saison sammelte er immerhin sieben gelbe Karten und von Hoffenheims Stammspielern begeht nur Williams mehr Fouls als er.

In der Offensive sorgt sein vertikales, aggressives Naturell dafür, dass er oft überhastet in die Spitze spielt und überkomplizierte Dinge versucht. Dabei neigt er keineswegs zu Selbstdarstellung und Show, wie es andere technisch versierte Nachwuchsspieler gerne mal tun, aber er hat noch nicht die richtige Balance im Spiel. Gerade seinen liebgewonnen Schnittstellenpass nach Zwischenraumdribbling versucht er zu oft, wodurch auch eine leichte Vorhersehbarkeit entsteht.

Mit unter 70% Passgenauigkeit gehört er deswegen noch zu den unsichersten Passspielern der Liga, auch unter den risikoreichen Offensivakteuren. Dass er trotz dieses Makels zu den konstantesten Spielern seines Klubs gehört, untermauert, welches Potential in ihm steckt und dass er auf so vielen Wegen Gefahr entwickeln kann.

Falls er noch ein wenig mehr Ruhe in seiner Entscheidungsfindung entwickelt, ohne dabei seine natürliche Grundaggressivität zu verlieren, könnte Kevin Volland einer der Topstars der Liga werden. Und zudem hat er ja ohnehin noch Zeit sich zu entwickeln – nach dem Ende der laufenden Saison wird er gerade einmal 21 Jahre alt. Mal sehen, wie viel Luft da tatsächlich noch ist…

Mario 13. März 2015 um 14:05

Ist er einer für Pep? Damals, als ich den Artikel gelesen hab und dann klar war, dass Pep zu en Bayern geht, habe ich an ihn gedacht. Da war er natürlich noch eher ein Talent, das es schwer gehabt hätte, aber die Beschreibung „Die Spielweise, in der sein Typus eindeutig optimal hineinpasst, ist ein flaches, auf Kontrolle ausgerichtetes Spiel.“ passt ja wie die Faust aufs Auge. Jetzt ist Pizarro schon 36 und beendet vielleicht am Saisonende seine Karriere, ein Sturm-Backup für Lewandowski ist also nicht mehr so richtig da. Klar, da ist noch Müller (pendelnde Neun), Robben und Ribery haben meines Wissens auch schon als Doppelspitze zusammengespielt (Pokalfinale gegen Dortmund?), aber eine weitere Option wäre doch sicherlich interessant. Man könnte ihn auch als Nachfolger von Robben und Ribery aufbauen, obwohl er natürlich ein anderer Spielertyp ist. Aber eben einer, der auch auf dem Flügel gut spielen kann und eben zu Pep passen sollte. Er wird auch nicht allzu teuer sein, der Vertrag läuft noch bis 2017 und man könnte ja auch noch ein Jahr warten. Also, was meint ihr?

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Peps Spanischlehrer 13. Dezember 2012 um 14:39

„Mit seiner Schnelligkeit kann er den linken Flügel heruntergehen und flanken, über inverse Dribblings kann er von rechts kommen und seine typischen Schnittstellenpässe anbringen.“

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laterookie58 8. Dezember 2012 um 18:00

@ MR : herzlichen Dank für ein wirklich feines Stück an Recherche- Arbeit und sicher auch Zeit.
In meinem bewußten Wahrnehmen ist K.V. immer jemand gewesen, der laufstark Aktionen hatte. Etwa gleich verteilt von geglückten Vorbereitungen/ Abschlüssen, aber auch von halb- fertigen Aktionen mit weniger gutem Ausgang.
Aus der Erinnerung würde ich sagen, daß Deine Details– die etwas zu geringe Anbindung an den defensiven Team- Part, etwas zu überhastetes Angehen von Aktionen bzw. Abschließen derer ( …mal den Kopf heben! )– mir jetzt erklären, wie er so „tickt“ und sich im Team einbringt.
Ich meine mich aber auch zu erinnern, daß Kevin in den U21- Spielen um Einiges konstanter war… ; befreiter aufgespielt hat. Zustimmung???
Danke für die tolle Analyse von Dir! laterookie58

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GH 7. Dezember 2012 um 14:48

Könntet ihr euch Volland auch als einzige SPitze in einem 4-2-3-1 System vorstellen?
Sodass er vielleicht irgendwann mal diese Position in der Nationalmannschaft bekleiden könnte?

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MR 7. Dezember 2012 um 18:11

Klar, ist sicherlich möglich.

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Pep 7. Dezember 2012 um 11:38

„Trademark-Schnittstellenpässe“. Toll, da vergeht einem die Lust weiterzulesen.

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barcaberlin 7. Dezember 2012 um 11:49

Wieso?

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Fabian 7. Dezember 2012 um 12:35

Toll wäre, wenn du ausnahmsweise mal auf deine Trademark-Meckerkommentare verzichten würdest und dich stattdessen konstruktiv an Diskussionen beteiligst…

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SR 7. Dezember 2012 um 14:36

Do not feed the troll 😉

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Marc L. 7. Dezember 2012 um 21:07

Bin ich auch dran hängen geblieben, aber die Lust am weiterlesen nimmt es eigentlich nicht. Es sei denn du suchst krampfhaft nach angriffsfläche in einem starken Artikel…

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MR 7. Dezember 2012 um 21:23

Bin immer offen für griffige Alternativen. Ich wollte halt einfließen lassen, dass das eine besonders starke Disziplin von ihm ist, für einen Nebensatz ist der Satz zu lang und Markenzeichen-Schnittstellenpässe klang für mich noch blöder.

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Marc L. 8. Dezember 2012 um 14:05

Dran hängen geblieben bin ich persönlich nur, weil es ungewohnt zu lesen war. Aber es ist eben so wie du sagst. Die Wortschöpfung beinhaltet alles was du sagen willst ohne umständliche Nebensätze.

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daniel 9. Dezember 2012 um 12:22

Was ist an Trademark so schwierig?

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RM 9. Dezember 2012 um 12:30

Es ist Englisch, das mag man hierzulande wohl nicht.

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SR 7. Dezember 2012 um 10:38

Danke für eine weitere interessante Spielervorstellung!

Kevin Volland ist bei mir auch schon länger im Sichtfeld und ich bin sehr gespannt, ob, und wenn ja, wann er bei einem der größeren Clubs Begehrlichkeiten weckt. Als BVB-Fan könnte ich ihn mir durchaus auch im Dortmunder System vorstellen. Erst recht, wenn Klopp die Tendenz zum 4-3-3 weiterhin verfolgt und weil man mit dem Abgang von Robert Lewandowski rechnen muss. Allerdings ist er mit 1,79m für die langen Bälle aus der IV wohl ein paar cm zu klein, um sich so wie Lewandowski vorne behaupten zu können.

Man darf gespannt sein, wie sich die Karriere von Volland in den nächsten 2 bis 3 Jahren entwickelt, auch angesichts des Mangels an guten jungen Stürmern in der deutschen NM.

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