Kurz ausgeführt: Chelseas Krise

Eine kurz ausgeführte Problemanalyse nach dem 1:3 im Londoner Derby bei West Ham.

Zu Saisonbeginn klappte alles, nach dem unglücklichen 2:3 zu Hause gegen Manchester United funktioniert bei Champions-League-Sieger Chelsea nichts mehr. Nach der Entlassung von Roberto di Matteo ist auch unter Nachfolger Rafael Benitez bisher noch keine Besserung in Sicht – unter dem Spanier gab es nur ein Tor und keinen Sieg in drei Ligaspielen. Insgesamt bedeutet dies die Horrorserie von mittlerweile 7 sieglosen Begegnungen in der Premier League, weshalb die Tabellenspitze längst verloren und auch schon in weite Ferne gerückt ist.

Rafas neues Chelsea?

Auf den ersten Blick hat sich gerade personell und formativ wenig getan bei den Blues, seit der ehemalige Trainer von Valencia, Liverpool und Inter das Zepter an der Stamford Bridge übernommen hat. So wird weiterhin ein recht klares 4-2-3-1 formiert, indem Ivanovic wie auch schon zuletzt unter di Matteo in die Innenverteidigung gerückt ist, während Azpilicueta als Rechtsverteidiger agiert. Unverändert bilden auch John Obi Mikel und Ramires die Partnerschaft vor der Abwehr und Fernando Torres behält seinen Platz als einzige Sturmspitze.

Auffällig ist dabei das oftmals verhaltene Aufrücken in die Offensive: Die beiden Außenverteidiger schieben erst sehr spät mit vor und rücken zu Beginn der Angriffe oftmals noch mit ein, während ebenso beide Sechser recht tief bleiben. Das Ausspielen der Angriffe läuft also nicht immer unbedingt kollektiv ab, sondern es wird häufig nur mit einer Gruppe attackiert, die dann aber wie schon unter di Matteo eng zusammen agieren, während die Teamkollegen absichern.

Wieso West Ham eigentlich ein dankbarer Gegner war…

Im Londoner Derby bei West Ham zeigte sich diese Ausrichtung erneut – und sie schien auch zum ersten Sieg unter Benitez zu führen. Gegen das wenig sattelfeste Abwehrverhalten der Hammers hätte Chelsea zur Halbzeit mehr als nur mit einem Treffer führen müssen. Konkret war West Ham auf den Seiten zu mannorientiert, weshalb Chelsea immer wieder zu Hereingaben kam, während das Dreiermittelfeld im Zentrum nicht gut gestaffelt war und durch eine recht rigide Ausrichtung zu viele Räume zwischen den Linien für Chelseas Offensivtechniker öffnete.

Ebenso problematisch gestaltete sich das Offensivspiel des Aufsteigers, in dem die einzige Spitze Carlton Cole meist völlig allein gelassen war. Aus ihrem defensiv interpretierten 4-5-1 rückte West Ham nur recht inkonsequent und eher positionstreu beispielsweise mit breit bleibenden Flügeln auf. Daher war es für Chelseas Abwehrkette und ihre tiefen Sechser einfach, die Abpraller der vielen lang geschlagenen Bälle West Hams zu sichern – die Mannschaft, die relativ gesehen die zweitmeisten langen Bälle der gesamten Liga spielt, kam daher vor dem Seitenwechsel nur zu zwei Abschlüssen, die beide in der Nachspielzeit entstanden, als Cech einen Freistoß wegen Handspiels außerhalb des Strafraums verschuldete.

…und wieso Chelsea dennoch wegen symptomatischer Probleme verlor

Wenn West Ham dann allerdings offensiver aufrückte, wurde es für Chelsea relativ schnell ungemütlich und ihre Defensive begann unter dem Druck zu wackeln. Mit Diame und Taylor anstelle von Tomkins und O´Neil wurden das defensive Mittelfeld und der rechte Flügel entsprechend neu besetzt – West Ham schob jetzt stärker nach vorne und konnte nun Chelseas Defensivprobleme in einer Ebene ausnutzen, die zuvor nicht gefordert worden war.

Die offensive Dreierreihe der Blues entwickelt zu häufig nicht die nötige Effektivität beim Zurückweichen, so dass Kompaktheit bei Abprallern sowie im Gegenpressing auf zweite Bälle fehlt und Vorstöße gegnerischer Spieler aus der Tiefe nicht aufgenommen werden können. Letzteres konnte besonders beim entscheidenden 2:1 durch Diame beobachtet werden, als der Rückraum nicht konsequent besetzt war – Mata rückte zu spät ein, die Sechser waren zu tief und verloren die Staffelung, Marin agierte ballfern mannorientiert auf den gegnerischen Außenverteidiger. Ebenso wie der Ausgleich entstand dieser Treffer aus einer der vielen Flanken (fast 40 Stück), die auf den Flügeln schwerer verhindert werden und im Zentrum schwerer geklärt werden können, wenn das Zurückweichen der Offensivspieler, die sich im Pressing hingegen gut beteiligen, nicht ausreichend praktiziert wird.

Das 2:1 durch Chelseas schwach gesicherten Rückraum nach einer Fehlerkette: Obi Mikel kann Carlton Cole nicht am Abschirmen des Balles hindern, Ramires rückt zu ungestüm und -bedacht zur Hilfe, Mata macht den Schritt zur Mitte nicht.

Andererseits muss man natürlich auch fragen, weshalb Chelsea nach der frühen Führung keinen weiteren Treffer nachlagen konnte. Sicherlich trug die enorm schwache Chancenverwertung bei, doch trotz vieler guter Möglichkeiten hätte das Ausnutzen der eher schwachen gegnerischen Defensive noch deutlich besser sein können. Dass die Offensivspieler häufig sehr weit zurückfallen, um spielmachend aus der Tiefe zu agieren, ist bereits suboptimal. Dabei fallen aber in vielen Szenen eindeutig zu lange Ballbesitzzeiten der einzelnen Spieler aus dem Stand heraus auf.

Zum Schluss allerdings noch ein Plädoyer, Geduld mit der Chelsea-Mannschaft und Geduld mit Rafa Benitez zu haben!

GH 2. Dezember 2012 um 18:29

bin mir nicht sicher, aber hat Chelsea nicht anfangs mit Mikel und Lampard auf der 6 und mit Ramires, Hazard und Mata als offensive Dreierreihe gespielt.
Das könnte vielleicht auch ein Grund sein, denn mit Ramires als Spieler der offensiven 3 hatte man einen defensiv disziplinierten und starken Spieler. So sind defensiv vielleicht nicht so viele Löcher entstanden wie mit Hazard, Oscar und Mata als offensive Dreierreihe

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Wolfsmond 4. Dezember 2012 um 17:52

Danke, das ist schonmal ein Ansatz 🙂

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Wolfsmond 2. Dezember 2012 um 17:09

ui.. das is aber ganz arg kurz ausgeführt^^
Mich würde da in dem Zusammenhang zumindest ein kurzer Absatz interessieren warum Chelsea so gut in die Saison startete, was sie da anders/besser machten als jetzt. Oder war das rein den Gegnern geschuldet?

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