Fortuna Düsseldorf – Eintracht Frankfurt 4:0
Düsseldorf zeigte, dass man Frankfurt nicht nur mit Mainzer Kontern, sondern auch durch beschleunigte Angriffe aus dem Aufbau heraus schlagen kann.
Nach der enttäuschenden Derby-Niederlage gegen Mainz gab es bei der Frankfurter Eintracht drei Veränderungen – in der Innenverteidigung musste der gelbgesperrte Zambrano durch den zurückkehrenden Demidov ersetzt werden, im Mittelfeld wurde der aus selbigem Grund fehlende Kapitän Schwegler durch Lanig vertreten und in der Spitze kehrte Matmour nach einem Spiel Pause für Occean zurück – sollte nach etwa 35 Minuten aber wieder jenen Gelb-Roten Karton sehen, der der Grund für sein Fehlen gewesen war. Ebenso wie die Frankfurter – gerade in der Innenverteidigung – mussten auch die Düsseldorfer auf eine ganze Reihe an Spielern verzichten, konnten aber auf eine bessere Form als die Eintracht sowie die Fortschritte aus den Partien gegen den HSV und Dortmund bauen. Durch den kurzfristigen Ausfall von Kruse kam es letztlich zu einer 4-2-3-1-artigen Formation, in der Bodzek erneut in der Innenverteidigung aushalf und der neue Torschütze vom Dienst, Stefan Reisinger, den rechten Flügel besetzte.
Düsseldorf im Offensivspiel – Rechtslastigkeit und Präsenz
Im Vorfeld der Partie war von Frankfurts Trainer Armin Veh eine abwartendere Grundausrichtung angekündigt worden, was sich auf dem Feld dann auch tatsächlich zeigte und die Düsseldorfer zu vielen Ballbesitzphasen kommen ließ. Dabei versuchte die Eintracht, situativ strikt einen der Düsseldorfer Innenverteidiger freizulassen, während der andere von Matmour sehr konsequent und eng zugestellt wurde, wodurch die Fortuna bzw. ihr jeweiliger im Freiraum gelassener Spieler zur Ratlosigkeit im Aufbauspiel gezwungen werden sollte – ein bisschen erinnernd an die Pressingfallen auf die Außenverteidiger, die gegen die Eintracht selbst von den Mainzern angewandt worden waren.
Zumindest ansatzweise ging diese Strategie auf, denn die Fortuna generierte ihr letztlich gar entstehendes Ballbesitzplus vor allem in der hintersten Linie, wo sich die Verteidiger die Bälle oftmals über lange Phasen herum schoben. Anschließend wurde nicht als Kollektiv stetig und konstant aufgerückt, sondern ein vertikaler Tempowechsel gesucht – durch hohe und flache Bälle.
Die sehr hoch und oftmals nahe an der Frankfurter Abseitslinie stehende Offensivabteilung strahlte dort viel Präsenz aus: Ilsö bewegte sich zwischen den Linien, Rafael agierte hoch, Reisinger teilweise wie eine zweite Spitze und auch Lambertz bzw. Fink trieben sich häufig zwischen der Frankfurter Abwehr- und Mittelfeldlinie herum. Dies machte es für die Abwehrspieler zwar schwierig, mehrere und zügig verfügbare Anspieloptionen nach vorne zu finden, weshalb sie das Leder eben lange in tiefen, ungefährlichen Zonen hielten (und auf diese Weise ihren hohen Ballbesitzwert von letztlich 60 % erreichten), doch wenn einmal ein Ball kam, brachte dieser vorne meistens etwas ein.
Die selteneren hohen Zuspiele wurden dabei vornehmlich in den halbrechten Raum gespielt, wo durch die nach rechts versetzten Sechser, den ebenso etwas rechtslastig spielenden Ilsö sowie den eingerückten Bellinghausen eine starke Ballung zum Verarbeiten und vor allem zum Gegenpressen von zweiten Bällen gegeben war. Dieses Überladen sollte auch genutzt werden, um anschließend mit Überzahlbildung über den rechten Flügel durchzubrechen, was dem überraschend offensivstarken Rechtsverteidiger Balogun einige Male gelang.
Vertikalpässe als wichtiges Mittel, der Platzverweis als „Vervielfacher“ der Wirkung
Entscheidender wurden aber noch die flachen Zuspiele, mit denen Düsseldorf zwischen die Frankfurter Abwehr- und Mittelfeldlinie kommen wollten, was in absoluten Zahlen gar nicht so häufig gelang, aber durch die angesprochene Präsenz eben sehr schnell sehr effektiv werden konnte. Auch hier hatte Balogun eine Schlüsselrolle, der gegen die recht passiven und raumtreuen Frankfurter, die immer etwas Abstand ließen, relativ einfach neben deren Defensivblock kommen konnte. Weil diese dann allerdings die Passwege zurück ins offensive Zentrum nicht wirklich gut zustellten, konnte Düsseldorf – wie sie im Verlauf der ersten Halbzeit immer mehr erkannten – auf diesem Wege etwas besser in die gewünschten Zielräume zwischen den Linien eindringen.
Gerade nach dem Platzverweis gegen Matmour (34.), der sich innerhalb von nur sechs Tagen seine zweite Ampelkarte abholte, wurde diese Strategie noch einmal deutlich effektiver, weil die Freiheiten für Balogun schwerer einzuengen und die Passwege ebenfalls nicht leichter zu verdecken waren als zu elft. Ohne Matmour mussten die Frankfurter auf ein 4-4-1 umstellen, was besonders den Innenverteidigern der Fortuna mehr Freiheiten für leichte diagonale Vorstöße in die Halbräume ermöglichte – auf diese Weise konnten sie immer wieder Inui (nun einzige Spitze) überlaufen und anschließend mit einem Tempovorsprung Zeit für den breit stehenden Balogun erzeugen, bis Frankfurt zu ihm hatte verschieben können. Somit waren die bereits vorher verstärkt aufkommenden Diagonalläufe der Düsseldorfer Innenverteidiger und daran anschließend Vertikalpässe – bei denen sich natürlich bezahlt machte, dass Bodzek eigentlich Mittelfeldspieler ist – oder Baloguns Freiheiten der Schlüssel für die beiden Tore kurz nach dem Platzverweis und ermöglichten Reisingers Läufe, die zweimal essentiell waren (direkt zum Tor beim 1:0 und als Vorlage vor dem 2:0).
Frankfurts Probleme mit Kontrolle und Durchschlagskraft
Stefan Reisinger war auch im Düsseldorfer Defensivspiel eine auffällige Figur – und zwar dadurch, dass er sich vom schematisch sehr hoch schiebenden Oczipka im Zuge der von der Fortuna praktizierten Mannorientierung sehr weit nach hinten ziehen ließ. Normalerweise ist eine solche am Gegenspieler ausgerichtete Verteidigungsweise zumindest gegen weit aufrückende Außenverteidiger eine nachteilige Taktik für die verteidigende Mannschaft, doch für die Düsseldorfer galt dies aus zwei Punkten nicht dermaßen stark:
Einmal war es entgegen vieler anderer Auftritte in dieser Saison zumindest nicht das primäre Ziel, über Konterangriffe nach vorne zu stoßen – weil sie eher aus dem Aufbauspiel über die angesprochenen ruckartigen Vertikalbeschleunigungen zu ihren Chancen kamen, war es nicht so schlimm, dass Reisinger so weit zurückgedrückt wurde. Zum anderen zogen die Düsseldorfer ihre Mannorientierung dann auch konsequent durch, wenn sie schon einmal damit angefangen hatten, so dass die letztlich in den Raum hinter Oczipka abkippenden Frankfurter Mittelfeldspieler dort nicht die Freiheiten fanden, die dieser Zug eigentlich bieten sollte.
Stattdessen kamen Lanig, Rode und der überdies überraschend viel in tiefen Bereichen spielmachend agierende Alex Meier gegen direkte Gegenspieler kaum zum Zug, da sie wenig Ruhe und daher auch kaum die gewohnte raumgreifende Kontrolle fanden. Dass Lanig und Rode nicht wirklich abgestimmt und harmonisch wirkten, kam erschwerend hinzu – Letzterer fand auch nicht zu seinen tödlichen Vorstößen aus der Tiefe. Möglicherweise wäre eine zwischen den zentralen Akteuren untereinander breiter gefächerter Anordnung in dieser Situation nützlicher gewesen.
Neben dem Problem, dass die Frankfurter Eintracht zu wenig Kontrolle fand, fehlte ihnen auch die Durchschlagskraft im Angriffsdrittel, was besonders durch Meiers sehr ausweichende Rolle sowie die sehr diszipliniert verteidigten Außenverteidiger Jung und Oczipka bedingt war, die normalerweise ganz entscheidend für Durchbrüche verantwortlich sind, diesmal aber fast keine produktiven Offensivaktionen beisteuern konnten.
Bellinghausens Rolle
Besonders Jung hatte große Schwierigkeiten, sich im Angriffsdrittel in Szene zu setzen, was für die starke Abwehrarbeit des einsatzfreudigen Bellinghausen spricht. Allerdings war die Abwehrarbeit der Düsseldorfer hier vielschichtiger als die bloße Aufstellung eines sehr defensivstarken Flügelspielers.
Oftmals stand er in eingerückter Stellung und übergab Jung situativ an Linksverteidiger van den Bergh, während er in einer Halbposition sowohl auf die zur Mitte gehenden Läufe Aigners, der Meiers Ausweichen nach links raumtechnisch ausnutzen sollte, als auch die Vorstöße Rodes im Auge behalten und gegebenfalls flexibel aufnehmen und blocken konnte. Auch im Angriffsspiel rückte Bellinghausen immer wieder leicht ein und befand sich dann in einer Halbposition, die aber nicht nur als Absicherung und Verstärkung der halbrechten Ballung gedacht war. Zudem sollte er die Aufmerksamkeit der Frankfurter auf sich ziehen und als sichere Anspielstation dienen – die tiefen halblinken Räume wurden sehr viel zur Ballsicherung und –zirkulation genutzt, weswegen Linksverteidiger van den Bergh in absoluten Zahlen letztlich deutlich mehr Ballkontakte und Pässe aufwies als der eigentlich auffälligere Balogun auf der anderen Flanke.
Fazit
Wenngleich er durch die Herausstellung von Matmour begünstigt wurde: Ein starker und verdienter Sieg für die Fortuna, die sehr interessante und wirksame Offensiv- wie Defensivkonzepte präsentierte und auch mit dem vielen Ballbesitz geduldig, bedacht und geplant umzugehen wusste. In diesem Zusammenhang sollte auch das starke Ballhalten und die spielerische Sicherheit in den Schlussminuten hervorgehoben werden, die Düsseldorf im ersten und zweiten Drittel zeigte. Frankfurt hatte defensiv wie offensiv einige Schwierigkeiten, letztlich allerdings auch etwas Pech, dass die Begegnung so stark gegen sie ausfiel. Dennoch muss auch hier gelobt werden, dass sie sich nach der Pause nicht aufgeben und durch Überladungsversuche mit einigen guten Bewegungen auch Ansätze gegen Düsseldorfs starke Defensive erspielen konnten. Die Ausnutzung der sehr flachen Stellung der Fortuna funktionierte dann durch etwas effektiveres Ausspielen der Horizontale und Diagonale ein wenig besser.
1 Kommentar Alle anzeigen
juwie 2. Dezember 2012 um 15:52
Schöne Analyse!