Greuther Fürth – Borussia M’Gladbach 2:4

Ein Sechs-Tore-Knaller zwischen den beiden vermeintlichen Defensivmannschaften von Mike Büskens und Lucien Favre.

Wechselwirkungen der jeweiligen Formationen

Beide Mannschaften begannen in relativ ähnlichen Systemen, nämlich mit je einer Viererkette, einer Doppelsechs, zwei Flügelstürmern und einem Sturmduo bestehend aus unterschiedlichen Spielertypen.

Grundformationen zu Spielbeginn

Gladbach spielte dabei mit Patrick Herrmann und Mike Hanke ganz vorne, auf den Seiten begannen Lukas Rupp und Juan Arango, welche unterschiedliche Aufgaben hatten. Ersterer war ein Balancegeber in der Offensive, sollte defensiv helfen und die Stürmer unterstützten, Arango hingegen hatte seine übliche leichte Freirolle mit diagonalen und inversen Ausflügeln sowie einem hohen Maß an Verantwortung in puncto Angriffsaufbau, Unterstützung für die Abwehrspieler als Anspielstation und als Kreativposten.

Die defensiven Mittelfeldspieler waren Thorben Marx und Havard Nordtveit in der Mitte, welche primär den Raum zwischen den Linien verengen sollten, statt sich hoch im Pressing oder in der Offensive zu beteiligen. Oscar Wendt und Tony Jantschke auf den Außenverteidigerpositionen zeigten sich offensiver als üblich, in der Mitte der Viererkette spielten Martin Stranzl und Alvaro Dominguez.

Bei den Fürthern zeigte sich Gerald Asamoah als Mittelstürmer in der Anfangsphase äußerst beweglich, wich auf die Flügel aus und tat das, was er am besten kann: Fußball arbeiten. Dahinter agierte Edgar Prib als Bindeglied zwischen Asamoah und dem Mittelfeld sowie den Flügeln, welche von Sercan Sararer und Zoltan Stieber bekleidet wurden.

Diese Offensivabteilung wurde von Milorad Petkovic und Stephan Fürstner abgesichert, in der Viererkette blieben Mergin Mavraj und Thomas Kleine als Innenverteidiger konservativ aufgestellt, während die Außenverteidiger Bernd Nehrig und Heinrich Schmidtgal gelegentlich mit nach vorne rückten und die Flügelstürmer unterstützten.

Fürths Herangehensweise

Sowohl die Gladbacher als auch die Fürther zeigten sich zu Spielbeginn überraschend hoch, doch besonders die Fürther waren mutig und aggressiv in der Arbeit gegen den Ball. Sie setzten die Gegner unter Druck und agierten defensiv wie üblich mit einem hohen Mannfokus, insbesondere der Außenverteidiger auf die gegnerischen Flügelstürmer.

Sie kamen zu einigen Chancen und der bewegliche Asamoah holte gegen Daems-Ersatz Wendt einen Elfmeter heraus, welchen Nehrig zum Führungstreffer verwandelte. Die hohe und durch den Mannfokus auch in der Horizontale sehr kompakte Formation der Spielvereinigung sollte kurz darauf bestraft werden, als Kleine mit etwas Pech einen Gladbacher Angriff via Lochpass von Hanke auf Herrmann per Notbremse unterbrach und dafür die rote Karte erhielt. Prib ging nun auf links und man spielte ein 4-4-1 mit offensiven Flügelstürmern, welche im Konter mitgingen.

Kurz darauf fiel jedoch der Ausgleich durch ein Tor vom aufgerückten Wendt, der ballfern den Ball durch eine Flanke Herrmanns erhielt und einköpfte. Jetzt erst ließen sich die Fürther tiefer fallen und verteidigten den Ausgleich. Mit einer engen Viererkette und einem Mannfokus auf die Außen musste entweder Fürstner oder Petkovic sich nach hinten fallen lassen. Sie erzeugten damit situative Fünferketten mit drei engen Spielern davor, weil die Flügelstürmer etwas einrückten. Dadurch fiel auch die neuerliche Führung durch Asamoahs Vorlage auf Prib, welche aber letztlich der Überzahl und dem Sturmlauf der – keineswegs stark aufspielenden – Gladbacher nicht standhalten konnte.

Unterzahlkonter

Mit einem Mann weniger mussten die Fürther zwecks Stabilität sehr dosiert und vorsichtig angreifen. Deswegen spielten sie mit einer sicheren Defensive und dem vereinzelten Aufrücken von Sararer, Prib und natürlich der Bewegung von Mittelstürmer Asamoah, welche zu dritt für Gefahr sorgen sollten. Dies schafften sie beim zweiten Treffer perfekt.

das 2:1 – Sararer eroberte den Ball tief in der eigenen Hälfte und schaltete sofort nach vorne. Asamoah zog nach rechts, erhielt den Ball und Prib schob nach vorne, wodurch er ballfern frei wurde und eine Flanke verwerten konnte

 

Statistisch wirkte sich dies auch ungemein interessant aus. Sowohl die Fürther als auch die Gladbacher hatten elf Torschüsse, wobei Gladbach davon sieben aufs Tor brachte, Fürth aber nur drei. Dies zeigt das Problem bei Unterzahlkontern: er kommt selten durch und man wird aufgrund der hohen Bedrängnis und der mangelnden Bindung zu Mitspielern zu frühen und ungenauen Abschlüssen gezwungen. Allerdings kann man aufgrund des hohen Aufrückens des Gegners trotzdem einige Konter fahren – und früher oder später kommt (hoffentlich) einer durch, wie es beim 2:1 der Fall war.

Gladbach – Ballbesitz in der Tiefe und Ballbesitz in der Höhe

Die Statistik zeigt aber auch, dass die Gladbacher keineswegs überstürzt oder falsch agierten. Sie ließen den Ball in den eigenen Reihen laufen, aber übertrieben dabei nicht, sondern suchten möglichst schnell qualitativ hochwertige Abschlüsse. Diese entstanden natürlich vorrangig wegen der gegnerischen Unterzahl sowie der hohen Ball- und Mannfokussierung.

Immer wieder wurden neben dem horizontalkompakten Defensivblock der Fürther Löcher frei, welche die Gladbacher trotz ihrer offensiven Schwächen über die Seiten früher oder später nutzen sollten. Zwei der vier Tore fielen nach solchen Situationen, wo ein Ball von der Seite in die Mitte kam und am zweiten Pfosten verwertet wurde, ein weiteres Tor fiel ebenfalls per Kopf (nach einer Ecke) und den Schlusspunkt fixierte letztlich Marx per Elfmeter.

Dennoch muss man einige Kritikpunkte an die Gladbacher richten, welche nicht nur die offensive Spielweise (Mangel an Durchschlagskraft und Kreativität) betrafen, sondern auch die Absicherung. Ideales Beispiel ist die obige Grafik zum 2:1, wo es ein großes Loch in der Mitte gab, weil sämtliche Spieler aufgerückt waren. Auch die Außenverteidiger konnten die Innenverteidiger nicht unterstützen, weil beide gleichzeitig weit vorne standen, um dem Spiel Breite zu geben.

Darum hatten die Fürther bei ihren Unterzahlkontern einige Räume vor sich und konnten gefährlich werden – andererseits profitierten die Gladbacher auch durch die Außenverteidiger und das breite Spiel, weil sie eben diese Räume neben der Fürther Formation nutzen wollten. Dennoch sah man den großen Unterschied zwischen dem anfälligen Gladbacher Ballbesitzspiel (trotz Überzahl nur 58% Ballbesitz) in der Höhe und dem tiefen Ballbesitzspiel der vergangenen Saison, wo sie einerseits den immer freien Marc-Andre ter Stegen einbeziehen konnten sowie mit der tiefen Doppelsechs und dem spielstarken Dante den Ball sicher zirkulieren ließen, bis sich Lücken in den Halbräumen öffneten.

Diese Lücken gibt es bei tiefstehenden Mannschaften kaum und sie befinden sich woanders, außerdem ist die Geschwindigkeit im Angriffsvortrag – die große Gladbacher Stärke – eine andere. Inwiefern sich die Gladbacher also an solche Gegner anpassen können, ist immer eine Frage der Umstände und der eigenen Spieler. Abzuwarten bleibt, ob sie sich im Laufe der Saison anpassen können – und ob sie es müssen werden.

Fazit

Ein stark vom Spielverlauf und kleinen taktischen Aspekten beeinflusstes Spiel, in welchem sich die Gladbacher gegen aufopferungsvoll kämpfende Fürther letztlich durchsetzen konnten.

Pad 13. November 2012 um 17:30

Pekovic statt petkovic:)

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tiff 12. November 2012 um 21:42

Danke fuer die Analyse. War im Stadion und hab das Spiel aehnlich wie ihr gesehen. Ein kleiner Fehler, der Schutze zum 2:1 war Prib und nicht Asamoha

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RM 12. November 2012 um 21:59

Danke für das Lob! Mal wieder ein kleiner Denkfehler von mir – ich denke ja selten in Toren, sondern in der Entstehung derselbigen, wo Asamoah ja wichtig war. Habe es ausgebessert, danke!

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tiff 12. November 2012 um 22:17

Mit dem Ausdruck „Fußball arbeiten“ hast du Asamoha dafuer um so treffender beschrieben. Schade das er zur zweiten Halbzeit raus musste.

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