Argentinien – Uruguay 3:0

Im Rahmen der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien trafen am Freitag Argentinien und Uruguay aufeinander. Vor 34.000 Zuschauern im Estadio Malvinas Argentinas in Mendoza gewannen die Gastgeber 3:0. Matchwinner für die Albiceleste war Lionel Messi, der zwei Tore selbst erzielte und das dritte Tor, erzielt von Sergio Agüero, einleitete. Das Spiel charakterisierte sich vor allem durch einen hohen Grad an Fluidität und Asymmetrie innerhalb beider Teams.

Grundformationen

Formationen zu Spielbeginn

Anders als beispielsweise bei den Testspielsiegen Deutschland oder Brasilien schickte Argentiniens Coach Alejandro Sabella sein Team nicht in einer 4-4-2-Grundordnung mit Messi als Verbindungsspieler aufs Feld, sondern stellte auf ein System mit Mittelfeldraute um. Deren Spitze bildete Messi, dahinter formierten sich Javier Mascherano, Fernando Gago und Angel Di Maria leicht asymmetrisch. Die beiden Außenverteidiger Marcos Rojo und Pablo Zabaleta sollten mit Vorstößen für Breite sorgen, während das Sturmduo unterschiedliche Aufgabenbereiche hatte. Real Madrids Gonzalo Higuain besetzte meist das Angriffszentrum, Citys Agüero spielte um ihn herum.

Uruguays System ist nur schwer in Zahlen zu fassen. Hinten zog Teamchef Oscar Tabarez eine Viererkette auf, aus der Rechtsverteidiger Martin Caceres häufiger nach vor stieß als Maxi Pereira auf der gegenüberliegenden Seite. Davor formierten sich die beiden Sechser Walter Gargano und Egidio Arevalo Rios, die von Lazios Alvaro Gonzalez flankiert wurden. Der Angriff war sehr prominent besetzt: Neben Rekordnationalspieler Diego Forlan sollten Liverpools Luis Suarez und Napolis Edinson Cavani für offensive Akzente setzen. Gelungen ist ihnen das jedoch kaum, da ihnen meist die Bindung zu ihren Hintermännern fehlte.

Uruguays Defensivfluidität

Schematische Darstellung von Uruguays Defensivspiel – Cavani ließ sich fallen, Messi wurde gedoppelt, Pereira orientierte sich an Agüero

Verantwortlich dafür, dass es schwer ist Uruguays Grundformation pauschal zu betiteln, ist die hohe Fluidität der Gäste – besonders in der Rückwärtsbewegung. In Ballbesitz formten sie in aller Regel ein 3-4-3, das dadurch zustande kam, dass Caceres auf Höhe des Mittelfelds aufrückte  und Cavani sich ins Sturmzentrum orientierte, gegen den Ball konnte man hingegen mehrere Mischformen erkennen.

Bei tiefem Spielaufbau der Argentinier ließ sich einer der drei Angreifer – meist Cavani – auf die nominell unterbesetzte linke Außenbahn fallen um den nach vorne drängenden Zabaleta zu stellen, wodurch ein 4-4-2-ähnliches Gebilde entstand, das eine leichte Asymmetrie zur linken Seite erkennen ließ. Dabei rückte auf der gegenüberliegenden Seite Gonzalez manchmal ein und gab einen verkappten Sechser.

Kam Argentinien in höhere Zonen verstärkten die Urus ihre Verteidigungslinie und bildeten eine Fünferkette, die sich an den Bewegungen des Gegners orientierte. Agüero lief oftmals den Raum zwischen linkem Außenverteidiger und linkem Innenverteidiger an, was Pereira dazu veranlasste sicherheitshalber zentraler zu stehen. In diesem Fall rutschte Gonzalez eine Ebene zurück. Verschob Uruguay zu einem Flügel, kippte einer der beiden Sechser ab, während der ballferne Flügelspieler einrückte um den Raum um Messi weiterhin zu isolieren.

In Extremfällen fand man sogar sechs Spieler – vier Verteidiger plus die beiden offensiven Außen – auf mehr oder weniger derselben Linie, was ein klares Indiz dafür ist, dass man Schnittstellen zustellen und Messi bei Dribblings aufs Tor schnell in die Zange nehmen wollte.

Argentiniens Offensivfluidität

Schematische Darstellung von Argentiniens Offensivspiel – rechts hinten wurde aufgebaut, links vorne abgeschlossen

Das Offensivspiel war aber nicht gänzlich auf den Superstar vom FC Barcelona ausgelegt, denn man hatte praktisch in jeder Ebene einen Spieler, der als primäre Anspielstation fungierte. Ganz hinten war dies Gago, der vor allem in der ersten Halbzeit hohe Ballbesitzzahlen gehabt haben dürfte. Er kippte in den Raum hinter dem sehr offensiven Zabaleta ab, um von dort aus die Angriffe einzuleiten. Da sich Uruguay im Zentrum vor allem auf Messi konzentrierte und Cavani dem Außenverteidiger folgte, hatte er dabei viel Zeit. Es ist also gut nachvollziehbar, warum der Großteil der argentinischen Angriffe von dieser Zone aus ausging. Abgeschlossen wurden sie dann nach Diagonalkombinationen von Spielern auf der linken Seite.

Di Maria auf der anderen Halbposition fand erst mit Fortschreiten der Spielzeit besser ins Spiel. Es war ihm anzumerken, dass er im Verein eine vollkommen andere Rolle spielt. In Reals 4-2-3-1 beackert er als inverser Flügelspieler die rechte Außenbahn, spielt also „von außen nach innen“. In der Nationalmannschaft kommt er mehr aus dem Zentrum – für die Breite sorgte in erster Linie Rojo – und bekommt den Ball schon in der Tiefe. Diese Anforderungen kommen seinem Spielstil jedoch kaum entgegenkommt und so zog es ihn, nachdem er mehrmals vergeblich versuchte aus der Tiefe nach vorne zu dribbeln, immer öfter auf die Seite. Sowohl das 1:0 als auch das 2:0 wurden auf diese Weise von ihm vorbereitet.

An vorderster Front suchte man immer wieder Agüero, dessen variables Spiel deshalb so schwer zu verteidigen ist – bzw. nur durch gut abgestimmte defensive Abläufe – weil er sich auf „Grauzonen“ konzentriert. Zum einen lief er, wie erwähnt, immer wieder die Zwischenräume der Viererkette an, um auf den Seiten Platz für nachrückende Mitspieler zu schaffen. Zum anderen wich er aber auch selbst auf die Seiten aus um dort den Gegner zu überladen oder suchte die Nähe zu Gago um mit dem Ball am Fuß selbst aus der Tiefe zu starten. Weiters war der 24-Jährige intensiv um Dreiecksbildungen bemüht. Dazu suchte er den Raum zwischen den Linien um der dritte Eckpunkt neben dem ballnahen Außenverteidiger und dem jeweiligen Halbspieler bzw. Messi zu sein. Man könnte durchaus sagen, dass Agüero bis zum Führungstreffer der auffälligste Spieler am Feld war.

Das Spiel gegen Messi

Bis zum angesprochenen Zeitpunkt konnte sich Matchwinner Messi nämlich kaum entfalten. Die meiste Gefahr geht von ihm dann aus, wenn er mit dem Gesicht zum Tor dribbeln kann. Gelingt ihm das, nimmt das Spiel in vertikaler Richtung enorm schnell Tempo auf, was bei seinen Gegenspielern für Unordnung sorgt. Um dieses Szenario zu vermeiden wurde er von den beiden Sechsern stets gedoppelt bzw. manngedeckt. Außerdem schoss auch Caceres aus der Viererkette ab und zu raus, nachdem Zabaleta primär von Cavani gedeckt wurde und er dadurch keinen direkten Gegenspieler hatte.

Allerdings zeigte der dreimalige Weltfußballer, dass er jede noch so kleine Möglichkeit in Zählbares ummünzen kann. Kurz vor dem Halbzeitpfiff nutzte er eine der wenigen Gelegenheiten, in denen er von seinen Schatten nur halbherzig beachtet wurde bzw. ein Hackenpass von Agüero für einen Überraschungsmoment sorgte, um mit Tempo aufs Tor zu ziehen, zielte im Abschluss aber wenige Zentimeter zu hoch. Beim 1:0 antizipierte Messi besser als die beiden Uru-Sechser, in dem er auf das gewonnene Kopfballduell von Higuain gegen Scotti (der pikanterweise kurz zuvor für Lugano eingewechselt wurde, nachdem dieser sich im Zweikampf mit Messi verletzte) zockte. Die Folgen: Gonzalez war ebenso wie Pereira gezwungen in die Mitte zu ziehen, wodurch der Flügel entblößt wurde.

Ähnlich verhielt es sich beim zweiten Tor. Di Maria fing einen Pass im Mittelfeld ab. Messi profitierte zentral von der Vorwärtsbewegung seiner Gegenspieler. Auf Uruguays rechter Abwehrseite fehlte Pereira, da dieser nun etwas nach vorne gezogen wurde. Querpass von Di Maria. Tor.

Die Umstellungen

Formationen in der Schlussphase

Während die Außenverteidiger nämlich bis zum ersten Gegentreffer ihre Rollen sehr konservativ interpretierten, waren sie danach mehr bemüht am Offensivspiel teilzunehmen. Außerdem brachte Tabarez mit Cristian Rodriguez einen offensiv und breiter orientierten Flügelspieler für den zentral bedachten Gonzalez. Als Folge dessen wechselte Cavani auf die rechte Seite, wo er aber denselben Gegenspieler hatte, denn Hugo Campagnaro, rechter Innenverteidiger bei Napoli, ersetzte aufseiten des Heimteams Rojo. Dadurch verstärkte sich die Asymmetrie, denn Di Maria fand aufgrund der offensiveren Spielanlage von Pereira mehr Platz vor, während Gago als Absicherung nun etwas tiefer stand.

Trotz aller Umstellungen blieb Uruguays Offensivspiel aber sehr bescheiden. Man versäumte es die Räume hinter Zabaleta und Di Maria zu bespielen bzw. ihnen unangenehme Defensivaufgaben aufzuzwingen, blieb mit vielen Fehlpässen ständig im zweiten Drittel hängen und fing sich abschließend sogar noch ein drittes Tor. In der Schlussphase kehrte Sabella zum eingangs erwähnten 4-4-2 mit Messi als Verbindungsspieler zurück, indem er Di Maria auf die rechte Außenbahn verwies und Pablo Guinazu, einen gelernten Zentrumspieler, sowie Hernan Barcos, ein klassischer Neuner, für Agüero bzw. Higuain einwechselte.

Fazit

Das Ergebnis mag auf den ersten Blick etwas hoch ausfallen – immerhin trennten beide Teams vor dem Spiel nur zwei Punkte – es geht aber in dieser Höhe völlig in Ordnung. Oliver Kahn sagte einst, Fußball sei auf diesem Niveau ein Fehlervermeidungsspiel, was sich einmal mehr bewahrheitete. Uruguay hielt Argentinien bzw. Messi zwar lange in Schach und ließ kaum Torchancen zu, konnte aber selbst kaum Akzente nach vorne setzen oder das Spiel generell offen gestalten. Der kleine Ausnahmekicker zeigte seine Klasse schließlich, indem er kleinen Nachlässigkeiten sofort gefährliche Aktionen und Tore folgen ließ.

Mit diesem Ergebnis stürmte Argentinien an die Tabellenspitze der CONMEBOL-Qualifikation, während es Uruguay verpasste ein Polster herauszuspielen. Man liegt zwar noch immer auf Platz vier, ist jedoch nur aufgrund der besseren Tordifferenz vor Chile und einen Punkt vor Venezuela, die zu Beginn der Qualifikation eben jene Argentinier 1:0 besiegten.

TS 17. Oktober 2012 um 16:34

klasse artikel!

ich finde der verlauf des spiels ist sehr gut beschrieben und sehr gut nachvollziehbar.

Besonders gut gefällt mir, dass links zu den toren eingefügt wurden, da man dadurch die szene nochmals besser nachvollziehen kann und sich überlegen kann ob man selber auf diese taktische beschreibung gekommen wäre.

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