Olympique Lyon – Lille OSC 2:1

Gegen den amtierenden Titelträger OSC Lille konnte Olympique Lyon vor allem dank einer hervorragenden ersten Hälfte einen wichtigen Sieg im Kampf um den dritten Champions-League-Platz einfahren.

Wechselwirkung der Formationen

Grundformationen

Die Hausherren traten mit einem 4-4-1-1/4-4-2-System an, das sich primär durch eine hohe Kompaktheit, Defensivstärke und Funktionalität auszeichnete. Vor Frankreichs Nationalkeeper Lloris bildeten der Brasilianer Cris sowie sein Nebenmann Lovren eine enorm sichere und individuell hervorragende Innenverteidigung, die maßgeblich zur stabilen Abwehrarbeit der Lyonnais beitrugen. An den Seiten der Viererkette spielten auf der rechten Seite der gewohnt solide und in Bezug auf Offensiv-Defensiv-Verhältnis sehr balanciert agierende Réveillere sowie auf der linken Seite der offensiver ausgerichtete Dabo. Im defensiven Mittelfeld wurde das Pärchen von den jungen Gonalons und Grenier gebildet, wobei Letzterer der marginal offensiver ausgerichtete der beiden war, in der ersten Halbzeit etwas stärker, während Gonalons konstanter wirkte. Auf den Seiten spielten mit Michel Bastos und Kim Källström zwei defensiv sehr pflichtbewusste Spieler, die beide bereits im defensiven Mittelfeld bzw. als Außenverteidiger gespielt haben und folglich zur defensiven Kompaktheit beitragen sollten. Während Källström etwas eingerückt agierte, hatte man auf der anderen Seite mit Bastos einen inversen Außenmittelfeldspieler, der die Wege Lilles – gerade bezogen auf die Dribblings von Joe Cole – ins Zentrum versperren sollte. Hinter der sehr beweglichen Solospitze Lisandro spielte Youngster Alexandre Lacazette, der sich in der Defensivarbeit neben dem Brasilianer in einem 4-4-2 aufhielt und gut mit auf die Seiten verschob.

Bei den Gästen war es ein klassisches 4-3-3, welches allerdings deutlich weniger funktional gespielt wurde als bei Lyon, sondern mit mehr kleinen Justierungen verändert war. Dies fing schon bei den beiden Innenverteidigern Chedjou und Bería an, deren Beweglichkeit und Erfahrung als Außenverteidiger gegen den driftenden Lisandro helfen sollten, was teilweise gelang. Wie gewohnt agierten die beiden Außenverteidiger Debuchy und Digne sehr angriffslustig, was besonders auf den erstgenannten Rechtsverteidiger zutraf. Im defensiven Mittelfeld gab Kapitän Rio Mavuba einen recht klassischen Abräumer in der Defensive und ersten Ballverteiler in der Offensive, während seine beiden Kollegen im Mittelfeld etwas ungewöhnliche Rollen hatten. Florent Balmont war im halbrechten Mittelfeld wie üblich der etwas tiefere Achter und sollte die vielen offensiven Vorstöße Debuchys mit seiner Robustheit und Kampfkraft absichern, was allerdings insoweit ein Problem war, als dass er zu stark durchgehend zu weit rechts spielte, was eben seinen halblinken Mittelfeld-Partner Benoit Pedretti im Zentrum alleine ließ, denn auch Mavuba blieb aufgrund der offensiven Ausrichtung Dignes und der Gefahr durch Lacazette – gerade im Tandem mit Lisandro – eher tief zurück. Somit fehlte Lille allerdings im Mittelfeld die Spielstärke, so dass Cole zur Unterstützung immer weiter in die Tiefe kommen musste, damit aber vorne die Durchschlagskraft abging. Coles Pendant auf der anderen Seite, Superstar Eden Hazard, spielte eine sehr polyvalente und freie Rolle, versuchte sich immer wieder in Rochaden oder horizontal zum Ball zu bewegen, doch meist übertrieb er dies aufgrund fehlender Spielpartner, wodurch er sich immer mehr von seinem Hauptpartner Debuchy isolierte und durch die Defensive Lyons weiterhin zwischen den Viererketten festhing ohne die Abtrennung zu den anderen Kollegen überwinden zu können.

Mit einem sehr kompakten und symmetrischen 4-4-2 mit zwei Viererketten, die schnurgerade gezogen waren und kaum einen Makel aufwiesen, verteidigte der Gastgeber sehr diszipliniert mit allen Spielern und ließ Lilles Offensive trotz deren Ballbesitz-Dominanz überhaupt nicht zur Entfaltung kommen – individuell wie kollektiv eine sehr starke Defensiv-Leistung, die Lilles Probleme noch verstärkte.

Dadurch kam der OSC in der ersten Halbzeit bis zu ihrem Treffer in der Nachspielzeit im Anschluss an eine Ecke nur zu zwei Abschlüssen – der eine war ein Verzweiflungsfreistoß Hazards aus etwa 30 Metern und nur der andere war eine echte Torchance, nachdem Pedretti und Cole sich einmal zwischen den Linien frei zu kombinieren wussten, so dass zu Roux durchgesteckt werden konnte, doch die Solospitze vergab – der Neuzugang aus Brest zeigte eine sehr bemühte Leistung und rieb sich auf, doch agierte er im letzten Drittel unglücklich und konnte das Spiel seiner Mannschaft nicht entscheidend befreien.

Lyons Konterspiel

Lyon hingegen setzte auf Basis des guten Defensivspiels und der taktischen „Vorteile“ zu einigen wenigen, aber dafür sehr gut gespielten Kontern an, welche auch durch ihre Qualität sowie eine gute Chancenauswertung zu zwei Treffern führten – beide kamen über die rechte Abwehrseite Lilles, der entscheidenden „Duellzone“ des Matches.

Beim ersten Tor, welches allerdings nicht aus einem Konter, sondern dem geregelten Aufbauspiel resultierte, nutzte man den Raum hinter der hoch stehenden gegnerischen Abwehr und Debuchy, was auch durch den unterstützenden Balmont nicht verhindert werden konnte, da jener durch Källström okkupiert wurde, der die Außenbahn somit für seinen Linksverteidiger Bado öffnete, so dass dieser in ein 1gegen1 mit Debuchy gebracht wurde, sich durchsetzte und die Flanke auf Lacazette schlagen konnte (12.).

Der zweite Treffer fiel nach einem Pressing-Erfolg gegen Balmont – die beiden Stürmer lenkten die Innenverteidiger normalerweise zum Zuspiel auf den Außenverteidiger, welcher mit diesem Signal dann gepresst wurde. Weil hier aber wie in einigen anderen Situationen Debuchy sehr weit aufrückte und seine Aufgaben im Aufbau von Balmont übernommen wurden, konnte man diesen halbrechts attackieren, da er eine zentrale Anspielstation weniger hatte, als sie Debuchy gehabt hätte. Die Viererkette im Mittelfeld rückte bei diesem diagonalen Pressing sehr gut auf, sperrte dabei die Wege zu Hazard zwischen den Linien sowie Debuchy an der Außenlinie geschickt zu und konnte dann den ballbesitzenden Balmont mit drei Mann – Stürmer, Außenspieler, zentraler Mittelfeldspieler – isolieren und den Ball gewinnen. Aufgrund des zu einseitigen Mittelfelds von Lille, dem zwar nah, aber im schlechten Winkel an Balmont stehenden Mavuba sowie den verdeckten Hazard und Debuchy gab es im Mittelfeld keinerlei Ausweich- oder Verlagerungsoptionen für mittellange Bälle – Ausnahme war der sehr hoch stehende ballferne Außenverteidiger, doch war seine Stellung ebenso wie ein mögliches Zuspiel sehr riskant, was sich dann auch zeigte, als nach dem Ballgewinn Bastos durch seine eingerückte Stellung den kürzeren Weg zum Tor hatte und den Raum hinter Digne nutzen konnte. Bastos legte dann erneut quer auf Lisandro, welcher den Ball versenkte (38.).

Lilles Trendwende im zweiten Durchgang

Zur Halbzeit korrigierte Lilles Trainer Rudi Garcia dann seinen Fehler, nahm Balmont aus dem Spiel und brachte dafür mit Payet einen weiteren wendigen und spielstarken Akteur, wie schon Hazard und Cole. Die Absicherung beider Außenverteidiger wurde nun durch Mavuba übernommen, wobei ihm Pedretti auch immer wieder helfen sollte. Vorne konnten sich drei rochierende Spielmacher nun deutlich besser gegen Lyons Defensive in Szene setzen und sie ein ums andere Mal überladen, doch stand gerade eine gewisse Ungenauigkeit im letzten Drittel sowie eine schwache Chancenverwertung dem Remis im Weg.

Auch das Gegenpressing funktionierte durch die eng zusammen stehenden und nicht mehr voneinander isolierten Offensivspieler besser, was ein weiterer Grund dafür war, dass man die Gastgeber nun hinten einschnürte. Spätestens nach Gelb-Rot für Lovren artete die Partie in eine Abwehrschlacht aus, doch der eingewechselte und gut spielende de Melo traf nur das Aluminium, während Pedretti in der Nachspielzeit eine sehr gute Kopfballchance verpasste.

Fazit

Lille hat das Spiel im ersten Durchgang verloren, als man aufgrund der etwas unpassenden Rolle Balmonts sowie einer in allen Belangen hervorragenden Abwehrleistung der später etwas müder werdenden Lyonnais nur zu einer echten Chance sowie einem Standardtor kam, während Lyon sehr gut konterte. Zwar gab es zur Halbzeit die richtigen Umstellungen, doch belohnte man sich für eine verbesserte Leistung nicht.

Die gute Ausgangsposition im Kampf um den dritten Rang hat Lille damit eingebüßt, doch groß verändert hat sich nicht viel, da man immer noch vor Lyon und den anderen vier(!) Konkurrenten steht. Für diese war es allerdings ein wichtiger Sieg, um die Chance zu wahren, weiter als Dauergast in der Königsklasse auftreten zu dürfen.

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