Twente Enschede – Schalke 04 1:0

Schalke 04 reiste zum nahe gelegenen Gastspiel bei Twente Enschede und musste sich schließlich dem erwartet schweren Gegner etwas unglücklich geschlagen geben.

Grundformationen

Nach dem furiosen 2:6-Erfolg bei Tabellenführer PSV trat die Mannschaft vom ehemaligen Wolfsburg-Trainer Steve McClaren mit einer gehörigen Portion Selbstvertrauen und der gleichen Mannschaft an, wobei man diesmal stärker ein 4-2-3-1 als ein 4-3-3 spielte. Auf der anderen Seite standen die Vorzeichen bei den Schalkern ganz anders – hatten sie doch zuletzt in vier Ligaspielen dreimal verloren und mit einigen personellen Verletzungsproblemen zu kämpfen, unter anderem konnten Huntelaar, Metzelder, Höwedes und Farfan nicht eingesetzt werden.

Schalkes Systemumstellung

Auf diese personellen Schwierigkeiten reagierten die Königsblauen mit einer Systemumstellung, wobei diese auch aufgrund des Gegners durchgeführt wurde. In den vergangenen Spielen – wie gegen die Bayern – hatte man zu große Räume zwischen Mittelfeld- und Abwehrreihe offen gelassen und sich damit selbst in Probleme gestürzt. Dass mit Twente ein Gegner kam, der dies in starkem Maße würde ausnutzen können, war abzusehen.

Die großen Lücken in der Defensive wollte Schalke mit dem 4-3-1-2, welches die Gelsenkirchener schon zum Ende der Hinrunde verstärkt spielten, in den Griff bekommen, weil man mit drei defensiven Mittelfeldspielern die Räume besser schließen und für erhöhte Kompaktheit sorgen wollte.

Wechselwirkung der Formationen: Schalkes Defensivkonzept und Twentes Offensivsystem

Schalkes Pressingformation im hypothetischen, exemplarischen Szenario auf halbrechts; bei einer Verlagerung verschob man sich äquivalent auf halblinks

Die Innenverteidiger Twentes sowie deren Sechser Brama konnten durch direkte Gegenspieler zugestellt werden, während man das Zentrum generell verstärkt verdichtete. Auf dem Papier waren damit die Außenverteidiger Twentes frei, doch zum einen waren diese eher etwas vorsichtig, zum anderen konnte Schalke in der Dynamik des Spiels diesen „Makel“ nicht zur Entfaltung kommen lassen. Im Pressing stellten sich Marica und Obasi immer schon etwas breiter auf, um nicht zu große Wege zu den Außenverteidigern zu haben, während die Mittelfeldraute sehr gut auf die Seite verschob, dem ballbesitzenden Spieler zwar Zeit ließ, aber alle Optionen effektiv isolierte – Raúl sollte je nach Seite Brama bzw. Fer abtrennen, der ballferne Stürmer passte auf den jeweils anderen auf und die Mittelfeldspieler sollten eine Schutzmauer vor den Halbräumen bilden.

Twente wollte dagegen halten mit einer sehr geduldigen Aufbauarbeit und einem Überladen auf den Halbräumen. Hatte Schalke die Räume zugestellt, zog man seelenruhig ein Ballbesitzspiel auf und ließ den Ball in der Abwehr oder zwischen dem defensiv-zentralen Dreieck risikolos zirkulieren, während man langsam und bedächtig, dafür aber sehr kollektiv aufrückte, wobei man sich auch nicht scheute, dass der Ball über zwei oder drei Minuten einfach ganz tief hin und her geschoben wurde bis sich die Chance zum Aufrücken ergab.

Interessant war dann, wie die Offensivakteure im zweiten und dritten Drittel zusammenarbeiteten, um Schalke überladen zu können. Oftmals würde Chadli sehr tief kommen, um in seinem Rücken Räume für Janssen zu öffnen, wobei auch de Jong diesen Laufweg gelegentlich machte, damit wiederum die Mitte für Janssen frei werden würde. Ebenso gab es den Switch zwischen Janssen und Chadli, um Letzerem die Mitte zu öffnen. Generell versuchte man es viel über halbrechts, wo de Jong den Raumöffner mit erneut sehr guter taktischer Arbeit, und je nach Situation Chadli oder Janssen den Nutzer, der andere den Kombinationsspieler geben sollte, während auf der anderen Seite John eher das Dribbling suchte, dafür aber mit dem hinterlaufenden Rosales sowie Fer auch Unterstützung durch die Gegner wegziehende Laufarbeit erhielt.

In Sachen Kompaktheit spielte Schalke gut, aber nicht sehr gut. Zusammen mit ihrer enormen Geduld sowie ihrem auf Überladen ausgerichteten Spiel konnte Twente diese wenigen kleinen Freiräume, die man durch konstante Ballbewegung erzeugte um dann nach dem Zurechtlegen des Gegners aus der hinteren Reihe vertikal zu spielen, allerdings für einige gute Chancen nutzen, wobei das Überladen nicht die primäre Gefahrenquelle war, sondern John und Rosales auf der linken Seite. Zwar doppelte Schalke hier, doch aufgrund der effektiven Verlagerungen Twentes und einer eher vorsichtigen Spielweise des Bundesligisten kamen beide oftmals frei zum Flanken – viele setzte John ineffektiv hinter das Tor, aber einige kamen auch gut und dann brannte es gegen de Jong im Schalker Strafraum sofort.

Schalkes Harmlosigkeit

Offensiv hatten die Schalker allerdings selbst ein ähnliches „Problem“ wie Twente (bei gehörte dies „zum Plan“) – zu häufig standen die Innenverteidiger sehr tief und – anders als bei Twente – die Mittelfeldspieler sehr hoch, was – da man deutlich weniger kollektiv in der Bewegung agierte – kaum Verbindungen zum Kombinieren ermöglichte und Twentes 4-4-2 das Spiel denkbar einfach machte. Ohne Huntelaar waren lange Bälle gegen Wisgerhof und Douglas allerdings wenig vielversprechend.

Es fehlte vorne eine zentrale Anspielstation, so dass das Spiel über die beiden Hybrid-Stürmer immer wieder vertikal in die Halbräume getragen wurde, wo es aber zu Tempoverlusten, einem ungünstigen Winkel zum Geschehen und einer Isolation von den Mitspielern kam, die bei möglichen Hereingaben sich nicht entschlossen im Strafraum postierten. Somit blieben auch die Außenverteidiger ohne Wirkung, wobei sie ohnehin nicht wirklich konsequent attackierten, zwar aufrückten, aber auf Vorstöße mit Tempo eher verzichteten – verstärkt wurde dies durch eine hervorragende Defensivarbeit der Außenstürmer Twentes (vor allem John), die diszipliniert zurückkamen und ihre Gegenspieler neutralisierten. Schließlich passten auch im großen Gesamtbild Laufwege und Abstimmung bei den Schalkern nicht, während ihr Passspiel sehr fahrig war, so dass die Angriffe oftmals nur sehr zäh vorgetragen wurden, wobei man nach etwa 20 Minuten durch ein verbessertes Pressing im Zentrum immerhin zu einigen Ballgewinnen kam – wie bei der Jones-Chance in Durchgang eins.

Spielentscheidung mit Diskussionsbedarf

Das entscheidende Tor war ausgerechnet ein Konter Twentes gegen die Schalker, allerdings auch etwas symptomatisch für deren unglückliche Offensivleistung. Obasi versuchte einen wenig erfolgsversprechenden Flugball an den Strafraum, schließlich landete der Ball bei Ola John, der de Jong einsetzte – und dann kam die Szene, über die rege diskutiert wurde.

Fest steht, dass man bei harter Regelauslegung ein Foul von Matip an de Jong erkennen kann, wobei die Rote Karte eine strittige und diskutable Entscheidung ist, der gegebene Elfmeter allerdings klar zu Unrecht verhängt wurde.

Die Entscheidung zerstörte dann auch das Spiel an sich – nachdem de Jong selbst vom Punkt verwandelt hatte (61.), verwaltete Twente die gegentorlose Führung gegen die in Unterzahl spielenden Knappen ohne großes Risiko, während diese in ihrem provisorischen 4-4-1 mit einem sich unwohl fühlenden Raúl auf links kaum dazu imstande waren, ihre bisherige Harmlosigkeit zu überwinden und zu genug Torgelegenheiten zu komme.

Fazit

Kein besonders schönes Spiel, da beide eher auf Absicherung bedacht waren und sich auch dementsprechend aufstellten, um die möglichen eigenen Defensivschwächen (Twente war am Wochenende bspw. gegen gute Flanken sehr anfällig) zu kaschieren. Letzlich war Twente allerdings die aktivere Mannschaft mit den besseren Chancen und beeindruckte gegen defensiv gute, aber offensiv erschreckende Schalker, mit ihrer Geduld und dem Vertrauen in das eigene Spiel. Es war ein glücklicher Sieg, aber man kann in Anbetracht der gesamten Partie sicherlich von einem korrekten und gerechten Ausgang sprechen.

Claude 10. März 2012 um 12:37

Gibt es vielleicht noch eine Analyse von dem besten Spiel der Woche: Manchester United vs. Bilbao? Das wäre wirklich toll.

Bilbao hat schon die ganze Saison eine der interessantesten Mannschaften Europas. Und wie Bielsa sich in Europa schlägt ist doch auch wahnsinnig spannend. Am Donnerstag haben sie bewiesen, dass sie die „großen“ Vereine an die Wand spielen können.

Schade, dass Manchester United – Bilbao nicht in Deutschland gezeigt wurde.

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Holgy 10. März 2012 um 11:25

ja, dieser Stevens’sche Sicherheitsfußball ist wirklich nicht schön anzusehen…

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