Lazio Rom – AC Cesena 3:2

Ein sehr gutes Beispiel für eine Partie, die durch eine einfache Formationsänderung zu einem komplett anderen Spiel wird. Lazio gewann somit doch noch gegen den Tabellenvorletzten.

Nach der Niederlage am Wochenende in Genua stand die Mannschaft von Edoardo Reja in diesem Spiel, welches aufgrund einer Rugby-Partie am Samstag im Olympiastadion stattfinden wird, schon wieder unter Druck, nachdem alles nach einem 2:0 über Milan gerade so ruhig schien.

Allerdings wurde man von gehörigen Verletzungsproblemen geplagt und musste auf fast ein Dutzend Spieler verzichten. So spielte beispielsweise Candreva auf der linken Seite des 4-2-3-1, während Lulic links hinten und Zauri in der Innenverteidigung aushelfen mussten.

Cesena kam mit einer klar erkennbaren Defensiv- und Kontertaktik in die italienische Hauptstadt, wie sich an ihrem sehr kompakten 3-5-2/5-3-2-System festmachen ließ, welches für die Defensivstärke sorgen sollte, während die beiden einzigen bekannten Spieler und ehemalige Weltklasse-Stars Mutu und Iaquinta die Angriffskraft ausmachten.

Diese sehr tief stehende und kompakte Formation war auch der Hauptgrund, wieso Lazio kaum zu Chancen und teilweise auch gar nicht richtig ins Spiel fand. Sicherlich war dies in der Anfangsphase noch nicht so stark, als Cesena noch etwas die Organisation fehlte, und sicherlich wurde Lazio auch durch die Verletzungsprobleme gehemmt, doch das System spielte eine unverkennbare Rolle.

Auswirkungen der Formation

Grundformationen

Defensiv verwandelte sich das nominelle 3-5-2 Cesenas in ein 5-3-2, mit dessen Fünferkette man die Breite des Feldes sehr gut abzudecken vermochte. Gegen die drei Innenverteidiger hatte Klose einen schweren Stand und bei Bedarf konnte auch Hernanes von den zentralen Verteidigern aufgenommen werden. Die Außenverteidiger orientierten sich an den offensiven Lazio-Außen, doch weil diese relativ ineffektiv spielten und man außerdem mit fünf Spielern die Breite verteidigte, konnte man auch noch problemlos den offensiven Verteidigern des Gegners die Außenbahnen blockieren.

Das Mittelfeld formierte sich in einer sehr passenden 1-2-Aufteilung. Dabei versperrten die beiden zentralen Spieler Santana und Parolo den beiden Sechsern von Lazio die Passwege und setzten sie gegebenfalls – hier auch oftmals von Mutu unterstützt – unter Druck. Außerdem sah ihre Hybrid-Rolle vor, dass sie zusätzlich noch stark gegen die Außenverteidiger halfen, was insbesondere Parolo gut gelang, der mit starken 4 Tacklings den für Lazio so wichtigen Konko kaum zur Entfaltung kommen ließ.

Defensiv hinter seinen beiden Kollegen im Mittelfeld spielte Colucci, der eine weitere Absicherung bildete und vor allem Hernanes von seinen Kollegen abtrennen sollte, aber auch immer wieder herausrückte, um sporadisch zu pressen.

Lazios Offensivprobleme

Die immer wiederkehrenden und typischen Offensivprobleme der Hausherren spielten dem Plan des Abstiegskandidaten allerdings auch in die Hände. Besonders die fehlende Effektivität, Torgefahr und Kreativität der Außenspieler Lazios sorgte dafür, dass man sich stärker auf die Außenverteidiger konzentrieren konnte.

Gleichzeitig war Lazio, die zudem mit zwei relativ tief im Raum bleibenden und selten unterstützenden Sechsern antraten, dadurch noch stärker von Konko und Lulic abhängig, doch die breite Fünferkette und die Halbspieler in der Doppelfunktion neutralisierten diese Gefahrenquelle weitgehend.

Damit blieb alles an Hernanes und Klose hängen, die die Dinge selbst in die Hand nehmen und sich damit in die Tiefe oder nach außen fallen lassen mussten, damit aber zwangsläufig die Optionen, Präsenz und Torgefahr in der Spitze vernachlässigen würden.

Die einzigen Szenen, in denen man Gefahr ausstrahlte, waren solche, wenn es der Mittelfeldzentrale gelang, einmal Hernanes, Lulic, der recht invers spielte und teilweise von Hernanes Räume aufgezogen bekam, oder Klose zwischen den Linien so freizuspielen, dass die flexibel herausrückenden Innenverteidiger, die immer zwei Kollegen hinter sich wussten, nicht schnell genug an den Mann kamen. So war es in der dritten Minute, als Lulic auf halblinks frei wurde, den Ball durchsteckte auf Klose, der aber freistehend vergab – bei einem Treffer wäre das Spiel ganz anders verlaufen.

Cesenas Konter

Doch so fielen die Tore stattdessen auf der anderen Seite. Mit zwei blitzsauberen Kontern schockte der Außenseiter die ineffektiv anrennenden Römer und führte nach einer guten halben Stunde mit 0:2, hatte außerdem einen Platzverweis für Konko nach dessen Notbremse provozieren können.

Dabei nutzten die Norditaliener eine sehr simple, aber hochgradig funktionsfähige Methode, um zum Erfolg zu kommen. Da die Außenverteidiger Lazios sehr weit mit aufrückten, ließen sie hinter sich große Räume, die Mutu und Iaquinta immer wieder attackierten, wie beim 0:1 exemplarisch zu sehen. Mit seinem Vorrücken sorgte Colucci oftmals für Ballgewinne, war dann schon im Vorwärtsgang und wurde eventuell von seinen Nebenmännern geschützt, wobei ihm vor allem seine guten Dribblings halfen, die Absicherung Lazios zu überspielen und für die Stürmer zu servieren. In vielen Situationen preschten auch die Wing-Backs der Gäste mit nach vorne, da sie von drei Innenverteidigern gesichert werden würden – insbesondere Ceccarelli fand im Rücken des inversen Lulic viel Platz vor.

Lazios Comeback im zweiten Durchgang

Grundformationen zur zweiten Halbzeit

Wie bereits gesagt war es letztlich ein Wechsel der Formation, der Lazio nach der Pause auf die Siegerstraße brachte – zusätzlich spielten der Wille und die Energie, mit denen man Cesena einschnürte, sowie etwas Glück in diesen Verlauf noch mit hinein.

Ein Teil der Umbaumaßnahmen bei Lazio war die Einwechslung von Libor Kozák als Stürmer für Cambreva, der andere Teil der Wechsel zu einem 3-4-2 – sehr mutig, gerade bei einer Unterzahl, doch es blieb nichts anderes übrig und es war die genau richtige Wahl.

Nun konnten die Außenverteidiger ungehindert nach vorne stürmen, da sie in ihrem Rücken nicht befürchten mussten, dass die verbliebene Zweierkette aufgerissen werden würde, sondern stattdessen eine breitere Absicherung von drei Mann vorhanden war. Besonders wichtig war aber der zweite Stürmer, denn nun konnte man sowohl die Räume um den Zehnerbereich passend besetzten ohne vorne etwas einzubüßen – Klose und der aus dem Zentrum nun in die Räume laufende Hernanes konnten hier nun zusammen für Kreativität sorgen, auch, weil Kozák die herausrückenden Innenverteidiger blockte bzw. hinten hielt.

Ebenso wichtig war, dass die Spieler aus dem Zentrum auf die Außen rochierten, um dort die Räume zu besetzen, was maßgeblich zum 3:2, aber auch den anderen Toren, beitrug. Besonders der Ausgleich zeigte zudem, dass man auf diese Weise Cesena stark auf eine Flanke locken und den Ball dann auf die freie andere Seite spielen konnte – diese Verlagerungen wurden nun deutlich effektiver, was Lulic hier nutzen konnte.

Fazit

Manchmal sind es die einfachen taktischen Maßnahmen, die wahre Wunder wirken, und genau so war es auch hier.

So goldrichtig die Anpassung von jedoch Reja war, so problematisch war das Spiel doch eine Halbzeit lang, als man vorne wieder nicht mit genug Spielern aufrückte und von den Flügeln – Alvaro ist beispielsweise eher ein Arbeiter – nicht viel kam, während man hinten zu anfällig für die Konter war. Dass man die oftmals auftretenden „Langzeit“-Probleme beheben sollte, ist keine neue Erkenntnis, doch zumindest über die erste Halbzeit dieses Spiels wird bald kaum jemand mehr reden – vielmehr überwiegt der Eindruck der Aufholjagd. Diese Fähigkeit scheint man hinzugewonnen zu haben.

Gleichzeitig kann sich Cesena für die erste Halbzeit nichts mehr kaufen und könnte sich über diese verlorenen Punkte angesichts eines Rückstands von vier Punkten auf Rang 17, mit einem Spiel mehr auf dem Konto, bitter ärgern.

JayM 13. Februar 2012 um 23:41

Danke für die Analysen der italienischen Liga – seit Miro Klose zu Lazio gewechselt ist, scheint endlich auch wieder das Interesse in den deutschen (Massen)medien gestiegen zu sein. Dabei ist gerade die Serie A vom taktischen Standpunkt die bei weitem interessenteste (und somit mMn die beste) Liga der Welt.

Sehr gute Analyse vom Spiel – vor allem das Fazit: Edy Reja greift bei seinen Startformationen/taktischen Ausrichtungen leider immer wieder mal ins Klo, ist aber gleichzeitig hervorragend in der Lage zu korrigieren bzw. sein Team gegen nominell stärkere Gegner perfekt einzustellen. (Ganz abgesehen von den Problemen die Lazio mit seinen Verletzten und der Transferpolitik hat).

Es gibt kaum Teams, die dermaßen leicht im Spiel umstellen können und so viele Formationen beherrschen wie Lazio unter Reja: Während sich die meisten mit 1-2 Formationen begnügen (und bestenfalls nur punktuell auf die Ergebnissituation reagieren), spielt Lazio 4-2-3-1 oder 4-3-1-2, manchmal 4-4-2 und 3-5-2 (plus Varianten), und zuletzt gegen Milan sogar streckenweise 4-3-2-1 (wie ich es mir persönlich seit längerem wünsche). Auch 4-3-3 und 3-4-3 kamen bereits zum Einsatz, wenn auch nicht wirklich erfolgreich und eher aus der Not heraus.

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